JudikaturJustiz12Os51/06a

12Os51/06a – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dachler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Gerhard N***** wegen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 17. Jänner 2006, GZ 37 Hv 10/05y-104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Gerhard N***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB (A) und der Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Kapfenberg (zusammengefasst wiedergegeben)

A) von Juli 2002 bis Juli 2004 in 16 im Urteil näher konkretisierten

Angriffen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eines schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Verfügungsberechtigte der S***** Gebietskrankenkasse sowie der Betriebskrankenkasse der Firma B***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich Vorspiegelung, von ihm verzeichnete ärztliche Leistungen auch erbracht und von den Patienten bereits bezahlt erhalten zu haben, zu Handlungen, und zwar zur Erbringung von Leistungen aus der Krankenversicherung teils verleitet, teils zu verleiten versucht, welche die angeführten Krankenkassen mit einem insgesamt 3.000 Euro nicht übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte oder schädigen sollte, wobei er zur Täuschung jeweils falsche Beweismittel, nämlich inhaltlich unrichtige Honorarnoten, auf denen er tatsächlich nicht erbrachte Leistungen angeführt und eine Bestätigung über die bereits erfolgte Bezahlung des Honorars durch die jeweiligen Patienten angebracht hatte, obwohl der ausgewiesene Betrag nicht bezahlt worden war, sowie eine schriftliche Erklärung einer Patientin, mit der diese tatsachenwidrig bestätigt hatte, dass sie alle auf einer Honorarnote angebrachten Leistungen erhalten und zur Gänze selbst bezahlt hatte, benützte;

B) von Juli 2002 bis August 2004 in zahlreichen Angriffen falsche

Beweismittel, nämlich Honorarnoten über tatsächlich erbrachte ärztliche Leistungen, die von den jeweiligen Patienten jedoch noch nicht bezahlt worden waren, auf denen er aber inhaltlich unrichtig die bereits erfolgte Bezahlung der Honorarnoten bestätigte, durch Vorlage an die S***** Gebietskrankenkasse sowie die Betriebskrankenkasse der Firma B***** zur Kostenrückerstattung an die jeweiligen Patienten im verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; ihr kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht hat zu den einzelnen Fakten des Schuldspruches A jeweils festgestellt (und auch begründet), welche Leistungen der Angeklagte nicht erbracht hatte und die daher zu Unrecht auf den von ihm verfassten Honorarnoten aufschienen (US 17 bis 27 oben). Schließlich hat es konstatiert, dass die S***** Gebietskrankenkasse aufgrund solch inhaltlich unrichtiger Honorarnoten insgesamt 415,26 Euro „an den Angeklagten" gezahlt habe, wobei im Detail nicht feststellbar sei, „für welche Honorarnoten hinsichtlich welcher Patienten diese Zahlungen gewidmet waren" (US 28). Diese Feststellungen zum Eintritt des Schadens und der Schadenshöhe gründete es auf das Schreiben der S***** Gebietskrankenkasse ON 85 (US 45).

Wie die Mängelrüge (Z 5) zutreffend aufzeigt, wurde dieses unter ON 85 im Akt erliegende Schreiben in der Hauptverhandlung nicht verlesen. Das Schöffengericht stützte sich daher auf ein Beweismittel, welches in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen ist (vgl Fabrizy StPO9 § 281 Rz 46). Obwohl - entgegen der Beschwerde - die Schadenshöhe keine entscheidende Tatsache im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO betrifft, weil eine Wertgrenze nicht tangiert wird, wurde aber damit auch der begründeten Annahme, es sei tatsächlich ein Schaden entstanden und damit das Verbrechen des Betruges zum Teil vollendet, der Boden entzogen. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt daher zum Schuldspruch A vor.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet ein, das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB sei durch die Verurteilung wegen des schweren Betruges unter Verwendung dieser Beweismittel konsumiert.

Tatsächlich wird dann, wenn das falsche oder verfälschte Beweismittel zur Begehung eines Betruges verwendet wird, § 293 StGB verdrängt (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 147 Rz 44; Plöchl/Seidl in WK² § 293 Rz 39).

Hiezu zeigt die Mängelrüge (Z 5) im Ergebnis zutreffend auch einen Widerspruch im Urteil auf. Während sich der Spruch im Faktum B auf (nicht weiter konkretisierte) Honorarnoten bezieht, in denen tatsächlich erbrachte Leistungen angeführt waren und nur unrichtig die Bezahlung des ausgewiesenen Betrages bestätigt wurde (US 7), sprechen die Urteilsfeststellungen (auch) von der inhaltlichen Unrichtigkeit der Honorarnoten (US 15). In der rechtlichen Beurteilung schließlich geht das Gericht davon aus, dass der Angeklagte „zusätzlich" auch die Vergehen nach § 293 Abs 2 StGB zu verantworten habe, weil „es sich bei den vorgelegten Honorarnoten, auf denen tatsachenwidrig nicht erbrachte Leistungen angeführt sowie eine angeblich erfolgte, tatsächlich jedoch nicht stattgefunden habende Bezahlung der Honorarnote bestätigt wurde, jedenfalls um ein falsches Beweismittel im Sinne dieser Gesetzesstelle handelt" (US 47).

Aus dem Urteil ist somit nicht nachvollziehbar, ob und welche inhaltlich unrichtigen Honorarnoten dem Schuldspruch A und/oder B zugrunde gelegt wurden. Daher ist das Urteil auch im Faktum B mit Nichtigkeit behaftet.

Daraus folgt, dass sich eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt. Das angefochtene Urteil war somit bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. In diesem neu durchzuführenden Verfahren wird das Erstgericht zunächst zu klären haben, welche Taten der Angeklagte begangen hat, die rechtlich als vollendeter oder als versuchter Betrug zu beurteilen sind. Darüber hinaus wird es zu beachten haben, dass Dr. Gerhard N***** nicht selbst (formeller) Antragsteller bei der S***** Gebietskrankenkasse oder der Betriebskrankenkasse der Firma B***** war, sondern sich für seine Malversationen anderer (allenfalls nicht schuldhaft handelnder) Personen bediente, welche er zur Tat bestimmte (vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 44).

Gewerbsmäßig handelt ein Täter nur dann, wenn er beabsichtigt, durch wiederkehrende Begehung für sich selbst ein fortlaufendes Einkommen zu erzielen. Ging die Absicht des Angeklagten aber dahin, seinen Patienten den Selbstbehalt zu ersparen, strebte er nur die Bereicherung eines Dritten an, er handelte damit aber nicht gewerbsmäßig. Es werden daher auch hiezu entsprechend begründete Feststellungen zu treffen sein (vgl Jerabek in WK² § 70 Rz 14). Das Vergehen nach § 293 Abs 2 StGB ist einem Täter nur dann anzulasten, wenn er ein falsches oder verfälschtes Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht. Verwendet er aber das falsche oder verfälschte Beweismittel zur Begehung der Täuschung beim zumindest versuchten Betrug, so wird § 293 Abs 2 StGB von der Qualifikation des § 147 Abs 1 Z 1 StGB verdrängt.

Bleibt anzumerken, dass - entgegen der Nichtigkeitsbeschwerde - das Verfahren bei der Gebiets- oder Betriebskrankenkasse, welches den Leistungsanspruch eines Versicherten betrifft, ein verwaltungsbehördliches Verfahren darstellt, weil die Krankenkasse in Vollziehung der Gesetze und daher in Ausübung der Hoheitsverwaltung handelt; hiefür sind die im § 357 ASVG bezeichneten Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes anzuwenden und der Anspruch des Versicherten ist (letztlich) mit Bescheid zu erledigen, welcher im gerichtlichen Weg bekämpft werden kann.

Rechtssätze
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  • RS0089670OGH Rechtssatz

    15. November 2023·3 Entscheidungen

    Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung derjenige, der sie in der Absicht vornimmt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Fremdnützigkeit, also das Abzielen auf eine fortlaufende Einnahme eines anderen, sei es eines Beteiligten (§ 12 StGB), sei es eines strafrechtlich unbeteiligten Dritten, genügt daher nicht; noch viel weniger die bloße Kenntnis davon, dass ein Beteiligter gewerbsmäßig handelt. Die Gewerbsmäßigkeit belastet immer nur denjenigen, in dessen Person dieses Merkmal vorliegt. Für dieses Ergebnis ist es gleichgültig, ob man die Gewerbsmäßigkeit dem Unrechtstatbestand oder der Schuld zurechnet. Im ersten Fall fehlt es in Ansehung des nicht auf eigene Einnahmen abzielenden Täters an einem subjektiven (Unrechtstatbestandsmerkmal) Tatbestandsmerkmal, im anderen ist ihm die Gewerbsmäßigkeit mangels eines ihn insoweit treffenden Schuldvorwurfes zufolge § 13 StGB nicht zuzurechnen, weshalb dieser Meinungsstreit für die Frage der Gewerbsmäßigkeit bei Mehrbeteiligung ohne jede Bedeutung ist. Die nur auf Sonderdelikte zugeschnittene Zurechnungsregel des § 14 StGB kommt in diesem Zusammenhang nicht zur Geltung, weil gewerbsmäßiges Handeln weder eine persönliche Eigenschaft noch ein besonderes persönliches Verhältnis des Täters darstellt, worunter nämlich nur solche Eigenschaften und Verhältnisse zu verstehen sind, die in seiner Person unabhängig vom Tatgeschehen vorliegen. Deliktstypisch vorausgesetzte bestimmte Motive oder Gesinnungen des Täters bei der Tat fallen nicht darunter.

  • RS0086573OGH Rechtssatz

    28. November 2023·3 Entscheidungen

    Gewerbsmäßigkeit setzt voraus, dass es dem Täter bei der Tatbegehung darauf ankommt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; es genügt daher nicht, wenn die Absicht des Täters bloß darauf gerichtet ist, den Vorteil aus der wiederkehrenden Begehung von Taten in Form eines fortlaufenden Mittelzuflusses einem Dritten zuzuwenden; dieser Vorteil muss vielmehr vom Täter für die eigene Person angestrebt werden. Gleichgültig ist dabei allerdings, ob er den Vorteil unmittelbar aus der Tat oder auf dem Umweg über einen Dritten erlangt, wohl aber ist erforderlich, dass der ihm zugekommene Vorteil eine unmittelbare wirtschaftliche Folge der Tat ist (EvBl 1980/89, JBl 1980,436, 15 Os 80,81/93, 13 Os 151,154,155/92 ua). Unmittelbare wirtschaftliche Folge ist etwa der wirtschaftliche Mittelzufluss, den der Täter als Gesellschafter eines Unternehmens durch seine Tathandlung für dieses Unternehmen bewirkte (11 Os 172/77 ua), aber auch Zuwendungen, die ein Angestellter aus Anlass der zugunsten seines Unternehmers verübten deliktischen Handlungen erhält, wie etwa Provisionen, Verkaufsprämien, Gehaltserhöhungen, Umsatzbeteiligungen oder Gewinnbeteiligungen oder sonstige Gratifikationen, wobei es nicht auf deren Bezeichnung, sondern auf den wirtschaftlichen Hintergrund ankommt. Strebt hingegen der Täter bloß an, sein Beschäftigungsverhältnis zu sichern, dann entspringt ein derartiger Erfolg wirtschaftlich nicht unmittelbar der Tat.