JudikaturJustiz12Os50/22b

12Os50/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juli 202 2 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. im Verfahren zur Unterbringung des * Z* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 9. Februar 2022, GZ 41 Hv 77/21s 25, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Z* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluss einer Manie mit psychotischen Symptomen (ICD 10:F30.2), einer wahnhaften Störung (ICD 10:F22.0), einer psychischen Störung und Verhaltensstörung durch Alkohol (akute Intoxikation) im Sinn einer mittelgradigen Berauschung (F10.0) und einer (vorberichteten) psychischen und Verhaltensstörung durch Alkohol/Abhängigkeitssyndrom (F10.2), somit eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, und einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung,

am 18. November 2021 in W* und M*

I./ Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Anhaltung und Festnahme sowie der Entziehung seiner Lenkerberechtigung,

A./ gehindert hat, und zwar * S* und * H*, indem er auf die Beamten, die sich vor und hinter dem Fahrzeug positioniert hatten, zufuhr, sodass diese, um nicht vom Fahrzeug erfasst zu werden, einen Schritt zur Seite gehen mussten;

B./ zu hindern versucht hat, und zwar * R* und * P*, indem er auf R*, der ihm Anhaltezeichen gab, zufuhr, sodass dieser, um nicht vom Fahrzeug erfasst zu werden, einen Schritt zur Seite gehen musste, und, nachdem ihm mit Polizeifahrzeugen der Weg versperrt worden war und * P* die Seitenscheibe seiner Fahrertür mit einem Nothammer eingeschlagen hatte, dessen Hand packte und diese in die zerbrochene Verglasung der Seitenscheibe drückte;

II./ durch die unter Punkt I./B./ geschilderte Tat * P* am Körper verletzt hat, wodurch dieser eine Schnittverletzung am rechten Mittelfinger erlitt, wobei er die Körperverletzung an einem Beamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflicht beging;

sohin Taten begangen hat, die als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB (I./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 (II./) jeweils mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die sich – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – als nicht berechtigt erweist.

[3] Die Verfahrensrüge (Z 4) geht ins Leere, weil sie sich nicht auf in der Hauptverhandlung gestellte Anträge bezieht (vgl jedoch RIS Justiz RS0099099). Die vom Betroffenen in einer Haftprüfungsverhandlung (ON 17) und in einem Schriftsatz (ON 21) gestellten Anträge sind unbeachtlich (RIS Justiz RS0118060 [T2, T4]; vgl im Übrigen RIS Justiz RS0117263, RS0114964, RS0099430, RS0099473 [T18] und RS0097540).

[4] Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) bezieht sich ausschließlich auf die tatrichterlichen Annahmen zu den Prognosetaten und verkennt damit, dass der prognostizierte Sachverhalt in den Fällen der §§ 21 bis 23 StGB nur insoweit mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar ist, als er im Fall der Gefährlichkeitsprognose nicht auf Sachverhaltsfeststellungen zu sämtlichen der gesetzlichen Prognosekriterien gründet. Eine rechtsfehlerhafte Beurteilung der Prognosekriterien (Z 11 zweiter Fall) wäre bei gänzlicher Vernachlässigung einer nach dem Gesetz zwingend zu berücksichtigenden Erkenntnisquellen (Person des Täters, sein Zustand, also seine Verfassung im Urteilszeitpunkt, Anlasstat) anzunehmen (RIS Justiz RS0113980 [T2]). Ein derartiger Fehler wird von der Nichtigkeitsbeschwerde aber gar nicht behauptet, vielmehr wird ein reines Berufungsvorbringen erstattet.

[5] Das gilt auch für den Einwand , die vorbeugende Maßnahme hätte bedingt nachgesehen werden müssen (Z 11 dritter Fall; RIS Justiz RS0099865).

[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 290 Abs 1 letzter Satz, 285i StPO).

Rechtssätze
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