JudikaturJustiz12Os5/03

12Os5/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. März 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schroll und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trauner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter Johann G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 20. Juni 2002, GZ 16 Hv 28/02z-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Peter Johann G***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 20. Mai 2001 in Franzen außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Johanna F***** mit Gewalt, nämlich durch Schlagen, Niederzerren und festes Halten, zur Duldung des Einführens eines Fingers in ihre Scheide, sohin einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, genötigt hat.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 1a, 2, 3, 4, 5a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Beschwerdeeinwand (Z 1a), der Angeklagte sei im Vorverfahren bei der kontradiktorischen Einvernahme (§ 162a StPO) der Zeugin Johanna F***** nicht anwaltlich vertreten gewesen, verkennt, dass - schon nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes - nur der Mangel einer zwingend vorgeschriebenen Vertretung während der Hauptverhandlung diesen Nichtigkeitsgrund darstellen könnte (12 Os 137/80, 11 Os 108/97, 12 Os 56/01 ua; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 164).

Im Übrigen sieht das Gesetz bei einer kontradiktorischen Zeugeneinvernahme notwendige Verteidigung nicht vor (Foregger/Fabrizy

StPO8 § 162a Rz 1; 14 Os 58/97; 13 Os 96/99 = ÖJZ-LSK 1999/129; 13 Os

36/01 = JBl 2002, 129). Der behauptete Verstoß gegen das in Art 6

EMRK garantierte Fairnessgebot liegt ebenfalls nicht vor, weil der Angeklagte die dafür notwendige Möglichkeit zur Befragung der Belastungszeugin hatte (15 Os 138/96; 13 Os 108/00), diese aber aus eigenem Verschulden ungenutzt ließ, weil er die Vernehmung vorzeitig verließ (S 195). Dass der vom Termin der kontradiktorischen Vernehmung verständigte (S 1a) Wahlverteidiger des nicht in Haft befindlichen Beschwerdeführers mit am selben Tag eingelangtem Schriftsatz (ON 11) die Vollmacht kündigte, kann daher mangels notwendiger Verteidigung dahinstehen.

Mangels Vorliegens eines nach dem Gesetz nichtigen Vorerhebungsaktes geht auch das Beschwerdevorbringen zur bekämpften Verlesung der kontradiktorischen Einvernahme des Tatopfers ins Leere (Z 2; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 173).

Der Beschwerde (Z 3) zuwider waren die Voraussetzungen des § 252 Abs 1 Z 2a StPO hinsichtlich der Zeugin Johanna F***** gegeben, weil sie sich gemäß § 152 Abs 1 Z 2a StPO ihrer Aussage entschlagen hatte, indem sie bei Beginn ihrer (kontradiktorischen) Einvernahme durch den Untersuchungsrichter erklärte, in der Hauptverhandlung jedenfalls von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch zu machen (S 159). Die - an keine Förmlichkeiten gebundene (12 Os 22/99) - Entschlagungserklärung kann nämlich rechtswirksam auch schon vor der Hauptverhandlung abgegeben werden, sodass es der neuerlichen Ladung der Zeugin zur Hauptverhandlung nicht bedurfte (14 Os 145/98; 12 Os 88, 100/01). Der weitere Einwand, das mündlich verkündete Urteil hätte entgegen § 260 Abs 1 Z 1 StPO die strafbare Handlung nicht bezeichnet, ist mit Blick auf die im ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll vermerkte anklagekonforme Verurteilung wegen § 201 Abs 2 StGB (S 373) nicht nachvollziehbar.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge keine Verteidigungsrechte verkürzt.

Die Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens bzw die Ergänzung jenes Dris. D***** sowie dessen Einvernahme als sachverständigen Zeugen zum Beweis dafür, "dass die Mischspuren, welche durch das DNA-Gutachten Dris. D***** an zwei Abrieben der Fingernägel des Angeklagten vorgefunden wurden, durch ein unabsichtliches Kratzen der Johanna F***** durch den Angeklagten zustandegekommen sein können und nicht zwingend auf einen Kontakt des Endes der Finger des Angeklagten in der Scheide der Zeugin Johanna F***** zurückzuführen sind bzw sein können, dies zum Beweis dafür, dass der Angeklagte die in der Anklageschrift näher beschriebene Tat nicht begangen habe" (S 365 f) zielt schon nach der Formulierung des Beweisthemas auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f, Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 88 ff). Im Übrigen hing die Antragstauglichkeit von der - unterbliebenen - (hier von selbst nicht einsichtigen) Präzisierung jener Gründe ab, aus denen zu erwarten war, dass der Sachverständige zur exakten Eingrenzung der Körperkontaktstelle in der Lage sein und diesem Umstand für das Vergewaltigungsgeschehen entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen könnte. Die diesbezüglichen Nachträge im Rechtsmittel sind zufolge des Neuerungsverbotes unbeachtlich (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 40 f).

Der Antrag auf Einholung eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür "dass ein Jungfernhäutchen, sollte es im Ausmaß von fünf bis sechs Millimeter Stärke eingerissen sein, derartig stark blutet, dass innerhalb kürzester Zeit eine getragene Jean oder Unterhose mit Blutspuren versehen sein müsste, was aber bei der Zeugin nicht der Fall war, als sie in den Veranstaltungsraum zurückkam, und auch sonst keine Blutspuren an Jean und Unterhose durch das Gutachten festgestellt wurden" (S 367), hat das Schöffengericht mit der zutreffenden Begründung abgewiesen, dass eine Hymenverletzung des festgestellten Grades nicht zwingend die behauptete starke Blutung nach sich ziehen muss (S 371).

Die Einvernahme des Zeugen Dr. K***** zum Beweis dafür, "dass die Verletzung des Jungfernhäutchens zu dem Zeitpunkt, wie sie" dieser "am 20. Mai 2001 um 11.20 Uhr festgestellt hat ..., frisch, jedenfalls nicht sieben Stunden alt gewesen ist" (S 367), ist schon deshalb nicht zielführend, weil - wie im abweisenden Zwischenerkenntnis (S 371) zutreffend angeführt wird - eine exakte zeitliche Eingrenzung der Zufügung einer Verletzung innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden ab ihrer Entstehung notorisch unmöglich ist. Zudem fehlen jedwede konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Tatopfer die Hymenverletzung erst nach dem inkriminierten Vorfall zugefügt worden sein könnte.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit der Behauptung, der Zeugin Johanna F***** seien bei der kontradiktorischen Einvernahme Suggestivfragen gestellt worden, schon nach der Aktenlage keine erheblichen Bedenken gegen die auch durch andere Beweisergebnisse (Hymenverletzungen, sichtbare Rötung der linken Wange des Tatopfers, DNA-Gutachten) fundierte Annahme der Täterschaft zu erwecken, sondern erschöpft sich in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung. Im Übrigen sind Suggestivfragen nicht immer vermeidbar und zudem nicht verboten (§ 167 letzter Satz StPO; 12 Os 88, 100/01). Die eine Tatbeurteilung bloß wegen des Vergehens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) lässt insgesamt eine prozessordnungsgemäße Darstellung vermissen: Vorweg gehen die Beschwerdeausführungen, wonach das Betasten der Brust des Opfers durch den Angeklagten nicht dem Tatbestand des § 201 Abs 2 StGB zu unterstellen sei, schon deshalb ins Leere, weil diese, die Vergewaltigung begleitende Handlung (US 4) im Tatbestand des § 201 Abs 2 StGB aufgeht und insoweit vom Schuldspruch nicht erfasst wird.

Die Behauptung aber, "der bloße einmalige, kurze" bzw "kurzfristige Finger-Scheiden-Kontakt" könne nicht als eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung angesehen werden, verfehlt nicht nur eine methodisch vertretbare Ableitung aus dem Gesetz (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 mwN; 15 Os 127/01) sondern übergeht, was die der Sache nach behauptete Flüchtigkeit des aktuellen Sexualkontaktes anlangt, darüber hinaus auch die Feststellungen des Erstgerichtes zu den aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Tatmodalitäten sowie zur Intensität der Tatdurchführung, die einen 5 mm tiefen Einriss im Hymen zur Folge hatte (US 4 f, 12).

Damit haben die - unsubstantiierten - Beschwerdeeinwände zum nach Ansicht des Beschwerdeführers vorliegenden Versuch des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB auf sich zu beruhen.

Mit der Bestreitung des im Urteil festgestellten deliktsspezifischen Vergewaltigungsvorsatzes (US 4, 11, 12) wird letztlich kein materiell-rechtlicher Nichtigkeitsgrund geltend gemacht, sondern nach Art einer unzulässigen Schuldberufung die erstgerichtliche Beweiswürdigung bekämpft (vgl 11 Os 101/99).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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