JudikaturJustiz12Os37/07v

12Os37/07v – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Moritz V***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten V***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 26. Jänner 2007, GZ 36 Hv 130/06a-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem Moritz V***** und Johannes C***** betreffenden Schuldspruch A, in dem Maria H***** betreffenden Schuldspruch D sowie in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch C dargestellten Tat als Vergehen der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB, damit auch in den Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnungen, ferner im Zuspruch an den Privatbeteiligten Claus R***** sowie die Johannes C***** betreffenden Beschlüsse nach § 494a StPO und die Moritz V***** und Natalie H***** betreffenden Beschlüsse nach § 50 Abs 1 StGB aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Moritz V***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftig gewordene Freisprüche beinhaltenden Urteil wurden Moritz V***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A), Johannes C***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A), des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB (B), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (E) sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (F) und Maria H***** des Vergehens der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15, 288 Abs 1 StGB als Bestimmungstäterin nach § 12 zweiter Fall StGB (C 1), des Vergehens der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB (C 2) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB als Bestimmungstäterin nach § 12 zweiter Fall StGB (D) schuldig erkannt. Danach haben

A. am 10. Juni 2006 in Wiener Neustadt Moritz V***** und Johannes C***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter dadurch, dass sie Claus R***** Tritte und Schläge versetzten und äußerten „Geh mit, sonst passiert was", den Genannten sodann zur nahen Bankfiliale zerrten, ihn aufforderten, seinen Bankomatcode sowie die maximal mögliche Summe als abzuhebenden Bargeldbetrag einzutippen, und Johannes C***** sodann die ausgeworfenen 120 Euro an sich nahm, mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

B. Johannes C***** allein Ende Mai/Anfang Juni 2006 an einem nicht mehr feststellbaren Ort eine echte Urkunde, nämlich den Mopedausweis des Alexander K***** dadurch, dass er das aufgeklebte Lichtbild gegen ein eigenes Lichtbild austauschte, mit dem Vorsatz verfälscht, das Dokument im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache zu gebrauchen, wobei er eine der in § 223 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen in Beziehung auf eine inländische öffentliche Urkunde beging;

C. Natalie H***** allein im Juni 2006 durch die an den Tatzeugen Claus R***** gerichtete telefonische Aufforderung, den Johannes C***** im gerichtlichen Strafverfahren durch die wahrheitswidrige Aussage zu entlasten versucht, dass dieser ihm anlässlich der unter Punkt A beschriebenen strafbaren Handlung keine Tritte versetzt und bei der Bedienung des Bankomaten lediglich auf die Taste „Bargeld" gedrückt habe,

1) Claus R***** zu bestimmen, vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen;

2) Johannes C*****, der die zu Punkt A beschriebene mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, der Verfolgung absichtlich zumindest zum Teil zu entziehen;

D. Natalie H***** allein in der Zeit zwischen Oktober 2005 bis 14. Februar 2006 in Wiener Neustadt in wiederholten Angriffen die abgesondert verfolgte Margit E***** durch die Aufforderung, sie solle bei den Unternehmen M***** und T***** Schmuckstücke, Kosmetikartikel, Stofftiere und weitere Utensilien stehlen, dazu bestimmt, fremde bewegliche Sachen Gewahrsamtsträgern der genannten Unternehmen mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

E. Johannes C***** am 7. April 2006 in Guntramsdorf im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Dragan M***** und einem weiteren unbekannten Mittäter Andreas G***** durch Schläge und Tritte vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch der Genannte Hämatome und Schwellungen im Gesichtsbereich erlitt;

F. Johannes C***** allein durch die zu E beschriebene Tathandlung, also mit Gewalt, Andreas G***** zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen der Wohnung, genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Moritz V***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der im Ergebnis Berechtigung zukommt.

Inhaltlich zutreffend rügt der Rechtsmittelwerber - allerdings entgegen der Beschwerdeauffassung lediglich die rechtliche Unterstellung unter das anzuwendende Strafgesetz (inhaltlich Z 10) und nicht die Strafbarkeit insgesamt betreffend - einen Mangel an Feststellungen zum Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung. Insoweit war aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde dieser den Schuldspruch A betreffende Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO auch von Amts wegen zugunsten des Johannes C***** (§ 290 Abs 1 StPO) wahrzunehmen.

Zum Schuldspruch A ging das Erstgericht davon aus, dass Moritz V***** und Johannes C***** den Vorsatz fassten, Claus R***** auszurauben, diesen gewaltsam zwangen, zur nächsten Bankfiliale zu gehen, und ihn aufforderten, sein gesamtes Geld abzuheben (US 11). Durch die Abhebung von Bargeld ohne Zustimmung des Claus R***** bereicherten sich diese beiden Angeklagten (US 12).

Trotz in der Beweiswürdigung angesprochener (allerdings nicht auf ihre Überzeugungskraft hin bewerteter) Verfahrensergebnisse, wonach Moritz V***** und Johannes C***** bloß gegenüber dem Erstangeklagten bestehende Schulden des Claus R***** eintreiben wollten (vgl US 13), unterließ das Schöffengericht jegliche (zur Abgrenzung von einer Nötigung notwendige) Urteilsannahmen zum Vorsatz beider Angeklagter auf unrechtmäßige Bereicherung, sondern begnügte sich mit der Annahme einer objektiv eingetretenen Bereicherung. Der Schuldspruch A war zur Gänze aufzuheben, weil § 142 Abs 1 StGB eine gegenüber § 105 Abs 1 StGB selbstständige Qualifikation darstellt und daher Teilrechtskraft insoweit nicht in Betracht kommt. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde. Im zweiten Rechtsgang wird zu klären sein, ob die beiden Angeklagten V***** und C***** durch Gewalt und gefährliche Drohung mehr Geld abnötigen wollten, als Claus R***** dem Erstangeklagten schuldete (vgl dazu S 77/I, 211/I und 125/II einerseits und S 79/I, 11/II, 21/II und 27/II; S 221/I und S 83/II sowie S 145 ff/I und S 35/II). Allenfalls wäre festzustellen, ob einer der Angeklagten den Vorsatz gefasst hatte, von Claus R***** gewaltsam mehr als das dem Moritz V***** geschuldete Geld einzutreiben. Schließlich wird in diesem Zusammenhang noch zu prüfen sein, ob die beiden Angeklagten oder auch nur einer von ihnen erst nach Beendigung von Gewalt und gefährlichen Drohungen das von Claus R***** am Bankomat behobene Geld mit dem Vorsatz wegnahm, sich in einem die von den Angeklagten vorgestellten Schulden des Claus R***** übersteigenden - in diesem Umfang daher unrechtmäßig - Betrag zu bereichern.

Darüber hinaus war betreffend Natalie H***** zu Schuldspruch C der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO und zu Schuldspruch D der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) wahrzunehmen:

Zu Schuldspruch D ging das Schöffengericht davon aus, dass Natalie H***** ihre Freundin Margit E***** dazu bestimmte, zahlreiche Diebstähle zu verüben. Weiters hielt das Erstgericht fest, dass Margit E***** in diversen Geschäften in Bereicherungsabsicht mehrere Gegenstände „entwendete" (US 15). Hiezu mangelt es an nach dem einheitstäterschaftlichen Grundprinzip der autonomen und individuellen Verantwortlichkeit jedes einzelnen Beteiligten notwendigen Feststellungen zu einem eigenständig zu prüfenden und auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz bei der Bestimmungstäterin (vgl Kienapfel/Höpfel AT12 E 4 Rz 31), zumal derartige Konstatierungen aus der angenommenen „Bestimmung zur Verübung von Diebstählen" nicht abgeleitet werden können. Zu Schuldspruch C 2 ist vorauszuschicken, dass Natalie H***** von der wider sie erhobenen Anklage einer Beitragstäterschaft zu der im Schuldspruch A beschriebenen Straftat von Moritz V***** und Johannes C***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde. Im Hinblick auf die aktenmäßig gedeckten Angaben dieser Angeklagten, wonach das zu Schuldspruch C inkriminierte Telefonat nach ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter als Mitbeschuldigte zum verfolgten Raub stattfand (S 83 f/I, 49/II), wären daher Feststellungen zu einer solcherart indizierten verdeckten Selbstbegünstigung iSd § 299 Abs 3 StGB (vgl Pilnacek in WK2 § 299 Rz 24 f) geboten gewesen. Damit zeigte sich bereits bei nichtöffentlicher Beratung, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden war (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Moritz V***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Eine Kostenersatzpflicht nach § 390a StPO bestand nicht, weil der einzige den Angeklagten Moritz V***** betreffende Schuldspruch aufzuheben war und damit schon die darauf gestützte Kostenersatzpflicht nach § 389 StPO entfiel (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

Rechtssätze
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