JudikaturJustiz12Os156/85

12Os156/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Heinrich A wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23.Feber 1983, GZ. 23 E Vr 2953/82-5, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Hein, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23.Feber 1982, GZ. 23 E Vr 2953/82-5, verletzt insoweit, als Heinrich A auch des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt wurde, das Gesetz in dieser Bestimmung. Das bezeichnete Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Teil des Schuldspruchs sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß §§ 288 Abs. 2 Z. 3, 292 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Heinrich A wird von der Anklage, er habe in der Zeit vom 14.September bis zum 27.Oktober 1982 in Linz mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, aus einer Anlage, die der Zuführung von Energie dient, nämlich der Kabelfernsehanlage der Firma B C, Energie in unbekanntem Wert entzogen und hiedurch das Vergehen der Entziehung von Energie nach § 132 Abs. 1 StGB. begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Für das ihm laut dem aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallende Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB. wird Heinrich A nach § 126 Abs. 1 StGB. zu einer Geldstrafe von 100 (einhundert) Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 50 (fünfzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt; der Tagessatz wird mit 140 (einhundertvierzig) S bestimmt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 2 Jahren bedingt nachgesehen.

Die Probezeit hat mit der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils begonnen.

Text

Gründe:

Am 16.November 1982 erstattete die Bundespolizeidirektion Linz gegen den 43-jährigen Magistratsbeamten Heinrich A

Strafanzeige wegen Verdachts der schweren Sachbeschädigung und der Entziehung von Energie, weil der Genannte am 14.September 1982 das durch den Dachboden seines Wohnhauses führende Gemeinschaftsfernsehkabel der Firma B C, die in Linz ein Kabelfernsehsystem betreibt, angebohrt, daran ein zweipoliges Litzenkabel angeschlossen und dieses zu seinem Fernsehapparat geführt hat, sodaß er alle von dem genannten Unternehmen vermittelten Fernsehprogramme empfangen konnte; am 25.Oktober 1982 trat infolge dieses unberechtigten Anschlusses im gesamten Kabelfernsehsystem eine Störung auf, wodurch bei etwa 800 Kabelfernsehteilnehmern der Empfang ausfiel und ein - offenbar in den Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes begründeter - Schaden von 11.113,24 S entstand (S. 5 ff.). Auf Grund dieser Anzeige stellte die Staatsanwaltschaft Linz am 1. Dezember 1982 gegen Heinrich A Strafantrag wegen 1. Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB. und 2. Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs. 1 StGB. (ON. 3), weil der Genannte

(zu 1.) am 14.September 1982 eine fremde Sache, nämlich ein Gemeinschaftsfernsehkabel der Firma B C durch Anzapfen beschädigt und hiedurch am Kabelfernsehsystem einen Schaden in der Höhe von 11.113,24 S herbeigeführt und

(zu 2.) in der Zeit vom 19.September bis zum 27.Oktober 1982 mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, aus einer Anlage, die der Zuführung von Energie dient, nämlich der Kabelfernsehanlage der Firma B C, Energie in nicht bekanntem Wert entzogen habe.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23.Feber 1983, GZ. 23 E Vr 2953/82-5, wurde Heinrich A im Sinne dieses Strafantrages der beiden bezeichneten Vergehen schuldig erkannt und hiefür nach §§ 28, "37", 126 Abs. 1 StGB. zu einer - gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen - Geldstrafe von 120 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt; der Tagessatz wurde mit 140 S bestimmt. Dieses Urteil wurde gemäß §§ 458 Abs. 2, 488 Z. 7 StPO. in Form eines Protolls- und Urteilsvermerks beurkundet, in dem hinsichtlich des erwiesenen Sachverhalts auf den Strafantrag der Staatsanwaltschaft Bezug genommen wird.

Rechtliche Beurteilung

Das bezeichnete Urteil steht, wie die Generalprokuratur in ihrer deshalb gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - im Schuldspruch wegen Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs. 1 StGB. (Punkt 2. des Schuldspruchs) mit dem Gesetz nicht im Einklang. Das Vergehen nach § 132 Abs. 1 StGB. begeht, wer mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, aus einer Anlage, die der Gewinnung, Umformung, Zuführung oder Speicherung von Energie dient, Energie entzieht. Bei einem Kabelfernsehsystem handelt es sich aber nicht um eine solche Anlage. Ein derartiges System stellt vielmehr einen Teil einer Fernsehempfangseinrichtung dar, die als solche dem Begriff einer Funkanlage als einer Unterart der Fernmeldeanlagen im Sinne des FernmeldeG. (BGBl. 1949/170 i.d.g.F.) und der (auf Gesetzesstufe stehenden) Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen (BGBl. 1965/333 i. d.g.F. in Verbindung mit dem Bundesgesetz BGBl. 1972/267; früher:

Rundfunkverordnung; vgl. hiezu Art. I Abs. 2 des zuletzt bezeichneten Bundesgesetzes) entspricht. Gemäß § 1 FernmeldeG. sind Fernmeldeanlagen alle technischen Anlagen zur Übertragung, Aussendung oder zum Empfang von Zeichen, Schriften, Bildern, Schallwellen oder Nachrichten jeder Art, sei es auf dem Draht- oder Funkweg, auf optischem Wege oder mittels anderer elektromagnetischer Systeme. Elektrische Einrichtungen dieser Art, bei denen die Elektrizität als Übertragungs-, Aussendungs- oder Empfangsmittel auf drahtlosem Wege oder unter Verwendung von Leitungsanlagen bei Anwendung von Frequenzen über 10 kHz (Hertzsche Wellen) dient, sind Funkanlagen (§ 4 Abs. 1 FernmeldeG.). Zu diesen zählen auch die Fernsehsende- und Fernsehempfangseinrichtungen (vgl. §§ 4 Abs. 2, 6 Abs. 2, 11 Z. 4, 26 Abs. 1 Z. 2 FernmeldeG.; § 1 Abs. 2, Abs. 3 ff. der Verordnung BGBl. 1965/333 i.d.g.F.).

Auch wenn für eine Funk- und damit auch eine Fernsehanlage zur Übertragung, Aussendung oder zum Empfang (Verstärker )Impulse in Form elektrischer Energie nötig sind, so zählt eine derartige Anlage dennoch nicht zu jenen Anlagen, auf die § 132 Abs. 1 StGB. abstellt, weil sie nicht ihrem Wesen nach der Umformung oder Zuführung von Energie dient. Anlagen im Sinne des § 132 Abs. 1 StGB. sind aber nur solche, deren Zweckbestimmung in der Gewinnung, Umformung, Zuführung oder Speicherung von Energie gelegen ist. Abgesehen davon ist der für eine Fernsehrundfunk-Empfangsanlage auch über lange Zeiträume erforderliche Strombedarf - der Richtwert für die Energieaufnahme aus einer Gemeinschaftsantennenanlage (vgl. § 2 Abs. 4 der Verordnung BGBl. 1965/333 i.d.F. BGBl. 1977/345) beläuft sich auf ca. 0.0001 W, woraus sich ein Stromverbrauch in der Höhe etwa des 250.000.Teiles des Verbrauches einer 25 W-Glühbirne ergibt - derart unbedeutend, daß er als praktisch nicht meßbar und wirtschaftlich nicht aktuell außer Betracht bleiben kann (vgl. Kienapfel BT. II § 132 RN. 5, 6).

Aus dem Gesagten folgt, daß der unberechtigte Empfang von mittels eines Kabelfernsehsystems übertragener Fernsehsendungen nicht dem Tatbestand des § 132 Abs. 1 StGB. unterfällt. Ein solcher Empfang, der - ebensowenig wie etwa das "Schwarzsehen" oder das "Schwarzhören" - auch nicht eine Leistungserschleichung (im engeren Sinn) oder einen Mißbrauch eines Automaten (dessen Leistung man sich nur gegen vorheriges Entgelt verschaffen kann) im Sinne des § 149 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB. darstellt, ist vielmehr nicht gerichtlich strafbar.

Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu erkennen.

Bei der hiedurch erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen das Geständnis, die vollständige Schadensgutmachung und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Beschuldigten, dessen Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen ist eine Geldstrafe in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe tatschuldangemessen. Die Höhe des Tagessatzes war - wie schon in erster Instanz - mit 140 S zu bestimmen. Weiters war die Strafe - ebenfalls wie schon in erster Instanz - gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit bedingt nachzusehen. Dabei war auszusprechen, daß die Probezeit mit der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils beginnt (vgl. SSt. 47/53; 13 Os 102/76 u.a.).