JudikaturJustiz12Os134/20b

12Os134/20b – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramsanwärterin Mag. Pateisky in der Strafsache gegen Christoph K***** wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 23. September 2020, GZ 36 Hv 31/20p 57, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Reisner zu Recht erkannt:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch sowie der zugleich mit dem Urteil ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten aufgehoben und in diesem Umfang

1) in der Sache selbst erkannt:

Spruch

Für die dem Angeklagten zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB wird Christoph K***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie des § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von

24 Monaten

verurteilt.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

2) der

B e s c h l u s s

gefasst:

Vom Widerruf der dem Angeklagten mit Urteilen des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 20. Oktober 2016, AZ 20 Hv 31/16s, und vom 17. August 2017, AZ 30 Hv 35/17d, sowie des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 19. Juli 2018, AZ 1 U 24/18f, gewährten bedingten Strafnachsicht, wird abgesehen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christoph K***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./1./ und 2./) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II./) schuldig erkannt und dafür (vom Erstgericht in der schriftlichen Urteilsausfertigung zutreffend als rechtsirrig beurteilt [US 3 und 12]) gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 19. November 2019, AZ 20 Hv 42/19p, zu einer (Zusatz )Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

Danach hat er

I./ in B***** (Deutschland) mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Gewahrsamsträgern der A***** unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, und zwar:

1./ am 29. Mai 2019 Bargeld in der Höhe von 1.380 Euro sowie eine nicht mehr festzustellende Anzahl an Zigarettenpackungen, indem er den Verkaufsraum der Tankstelle mit einem Tuch und einer Kapuze vermummt und mit einer Axt bewaffnet betrat, auf den dort anwesenden Tankstelleninhaber Rudolf E***** und den Kunden Rudolf P***** zuging und die Genannten dadurch, dass er ihnen die Axt angsteinflößend vorhielt und mit dieser wiederholt gegen den Thekentisch, den Verkaufstresen, das Zigarettenregal und die Geldkasse sowie gegen einen Sessel, den Rudolf E***** schützend vor sein Gesicht hielt, schlug, zur Ausfolgung von Bargeld und Wertgegenständen aufforderte;

2./ am 20. Juni 2019 Bargeld in der Höhe von 435 Euro und zehn Packungen Zigaretten, indem er den Verkaufsraum der Tankstelle mit einem Schlauchschal vermummt und mit einer Axt bewaffnet betrat, auf die dort anwesende Mitarbeiterin Irina H***** zuging und diese durch die Äußerung „Money, Money, Money!“ und unter Vorhalt der Axt zur Ausfolgung von Bargeld und Wertgegenständen aufforderte;

II./ am 20. Jänner 2020 in der Justizanstalt G***** eine fremde Sache, und zwar die Fassadendämmung der Fensterlaibung des Haftraums beschädigt, indem er mit einem Buttermesser Teile der Dämmung abschnitt bzw abtrug.

[2] Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm § 53 Abs 3 StGB wurde (von der Staatsanwaltschaft unbekämpft) vom Widerruf der dem Angeklagten mit Urteilen des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 20. Oktober 2016, AZ 20 Hv 31/16s, und vom 17. August 2017, AZ 30 Hv 35/17d, sowie des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 19. Juli 2018, AZ 1 U 24/18f, jeweils gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die gegen den Strafausspruch aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Recht.

[4] Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) weist zutreffend darauf hin, dass bei einem Vorgehen nach § 31 StGB sämtliche der der nachträglichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten vor dem Vor Urteil erster Instanz begangen worden sein müssen (vgl RIS Justiz RS0112524 [T13]); Ratz in WK 2 StGB § 31 Rz 2). Die Bedachtnahme auf das eingangs bezeichnete Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis war daher – mit Blick auf den Zeitpunkt der zu II./ abgeurteilten Tat – verfehlt.

[5] Aufhebung des Sanktionsausspruchs ist die Folge.

[6] Bei der erforderlichen Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), vier einschlägige Vorstrafen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), die Tatbegehung während offener Probezeiten (vgl RIS Justiz RS0111324) sowie den raschen Rückfall (vgl RIS Justiz RS0091041). Als mildernd waren die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 15 StGB) und das reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) zu berücksichtigen.

[7] Auf Basis dieser Strafbemessungsgründe erachtete der Oberste Gerichtshof die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten als angemessen. Bedingte Strafnachsicht (§§ 43 f StGB) kam im Hinblick auf das einschlägig getrübte Vorleben schon aus generalpräventiven Gründen nicht in Betracht.

[8] Ein Widerruf war nicht auszusprechen.

[9] Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Strafbemessung zu verweisen.

[10] Bleibt zu den Ausführungen der Generalprokuratur anzumerken, dass die zu den Schuldsprüchen I./1./ und 2./ getroffenen Urteilsfeststellungen (US 1 f iVm 6 ff: Tatbegehung in Deutschland) die Annahme inländischer Gerichtsbarkeit tragen. Vorliegend kommt mit Blick auf die Tatbegehung eines Österreichers in Deutschland nicht § 64 StGB, wohl aber § 65 StGB zur Anwendung, was zur Folge hat, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der in Frage kommenden identen ausländischen Norm durch geeignete Tatsachenfeststellungen zu klären sind (vgl jüngst 11 Os 49/20w).

[11] Raub nach § 249 Abs 1 dStGB ist zwar weitgehend mit § 142 Abs 1 StGB ident; die deutsche Bestimmung erfordert aber abweichend davon vor allem die Absicht des Täters, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen (vgl Sander in MüKoStGB 3 § 249 Rz 36).

[12] Derartige Konstatierungen hat das Erstgericht im Ergebnis (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 19) – wenn auch disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung – getroffen, indem es davon ausging, dass der Angeklagte in beiden Fällen die „Tankstelle ausrauben wollte“ (US 11). Ein Feststellungsdefizit in Bezug auf die Strafbarkeit nach ausländischem Recht ist somit nicht auszumachen.

[13] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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