JudikaturJustiz12Os125/98

12Os125/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Oktober 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Oktober 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ludwig S***** wegen des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 28. Mai 1998, GZ 20 Vr 968/96-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ludwig S***** wurde des Finanzvergehens der versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt, weil er als geschäftsführender Gesellschafter der C*****-GmbH vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung der Umsatz-, Körperschafts-, Gewerbe- und Kapitalertragsteuer sowie der Alkoholabgabe für die Kalenderjahre 1990 und 1991 um insgesamt 4,949.064 S (in der dem Urteilsspruch zu entnehmenden Gliederung nach Abgabenart und Veranlagungsjahr) zu bewirken suchte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3 und 5 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der die mangelnde Entbindung des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Finanzbeamten O***** als Nichtigkeitsgrund relevierende Beschwerdeeinwand (Z 3) geht ins Leere, weil immer dann, wenn (wie hier - ON 3) Anzeigepflicht (vorliegend des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz) nach § 84 StPO besteht, eine Amtsverschwiegenheit hinsichtlich des der Anzeige zugrundeliegenden Tatsachensubstrats nicht in Betracht kommt (Mayerhofer StPO4 § 84 ENr 3, § 151 EGr 14).

Soweit die Verfahrensrüge darüber hinaus geltend macht, daß "gemäß § 252 Abs 1 StPO" amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen von Zeugen festgehalten sind, "nur dann" verlesen werden dürfen, wenn über die Verlesung Ankläger und Angeklagter einverstanden sind und in diesem Konnex allein rügt, daß "dem Protokoll weder eine ausdrückliche Zustimmung zur Verlesung entnommen werden kann, noch der Angeklagte zu den einzelnen Punkten der Aussage befragt wurde", erweist sie sich schon mangels jedweder Konkretisierung (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.

Der von der Beschwerde in der behaupteten Vernachlässigung detaillierter Befragung des Angeklagten erblickte Verfahrensmangel kann mit dem herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht dargestellt werden.

Aber auch der Einwand, die Feststellung des strafbestimmenden Wertbetrages sei "unvollständig oder zumindest offenbar unzureichend begründet" (Z 5), geht ins Leere.

Die Tatrichter folgten dazu den als unbedenklich erachteten Schätzungsannahmen der Abgabenbescheide des Finanzamtes St.Pölten und der als verläßlich bewerteten Aussage des als Zeugen vernommenen Steuerprüfers des Finanzamtes St.Pölten O***** in der Hauptverhandlung, wonach zur Eruierung des strafbestimmenden Wertbetrages unter Verwertung der vorliegenden Erhebungsergebnisse der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich eine auf einer mittleren Besucherfrequenz basierende Durchschnittsberechnung der Einkünfte der im Unternehmen tätigen Prostituierten erstellt wurde (269 f).

Entgegen dem Beschwerdestandpunkt gab der Zeuge O***** dazu nicht an, daß die Beschäftigung von 50 bis 100 Frauen "in vier Jahren" als Schätzungsparameter herangezogen wurde, sondern daß nach vier Jahren noch feststellbar war, daß "in dieser Zeit", somit ersichtlich im Tatzeitraum, schätzungsweise 50 bis 100 Frauen (vgl 313 bis 317, 415 ff/I, wonach im Zeitraum 7/90 bis 9/92 mehr als 100 Prostituierte im vom Angeklagten geführten Unternehmen tätig waren) entsprechende Unternehmensumsätze tätigten.

Im Hinblick darauf, daß der in Rede stehenden Schätzung weiters ein auf der Basis der Beschäftigung von durchschnittlich (bloß) 11 Prostituierten pro Monat und jeweils eines Separeebesuches täglich an jeweils 20 Arbeitstagen eines Monats unter Einbeziehung von Branchenerfahrungen ermitteltes Prostitutionsmindesteinkommen mitzugrundegelegt wurde (1045/I, 271/II), kommt der von der Beschwerde ferner aufgeworfenen Frage, "wie lange die jeweilige Frau dort beschäftigt war" keine entscheidungswesentliche Relevanz zu. Der vermeintliche Begründungsmangel liegt somit nicht vor.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich - partiell auf rein spekulativer Basis - die für den Schuldspruch entscheidenden Unternehmensumsätze und die subjektiven Tatbestandserfordernisse problematisiert, bekämpft er, indem er von den tatrichterlichen abweichende, für ihn günstigere Würdigungsvarianten plausibel zu machen sucht, nach Inhalt und Zielrichtung in Wahrheit in (hier) unzulässiger Weise die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.