JudikaturJustiz12Os10/82

12Os10/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. März 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Nemec als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christine A und Christine B wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 und 15 StGB über die gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11.November 1981, GZ. 20 d Vr 729/81-32, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten Christine A sowie die Berufung der Angeklagten Christine B nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Doczekal und Dr. Maurer sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen die am 31.Juli 1945 geborene Christine A und die am 8. Februar 1943 geborene Christine B des Verbrechens des teils (in drei Fällen) vollendeten, teils (in einem Fall) versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143; 15 StGB schuldig erkannt. Zum weiteren Anklagevorwurf wegen eines am 26.November 1980 versuchten Raubes erging ein Freispruch, der unangefochten blieb. Die Geschwornen hatten - jeweils stimmeneinhellig - die an sie nach diesem Verbrechen gerichteten, für jede der beiden Angeklagten getrennt gestellten Hauptfragen 1.) bis 8.) bejaht und lediglich die Hauptfragen 9.) und 10.), ebenso wie die diesen korrespondierenden Eventualfragen 19.) und 20.), verneint. Die Zusatzfragen 21.) bis 28.) nach Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes im Sinne des § 11 StGB, die für jeden Tatzeitpunkt und für jede Angeklagte gesondert gestellt worden waren, wurden hinsichtlich der Schuldspruchfakten, bezogen auf die bejahten Hauptfragen, verneint. Folgerichtig ließen die Geschwornen die auf das Vorliegen von Bedrängnisdiebstahl gerichteten Eventualfragen 11.) bis 18.) ebenso unbeantwortet wie die (für die den verneinten Haupt- und Eventualfragen zugrundeliegenden Fakten gestellten) Zusatzfragen 29.) und 30.).

Dem Wahrspruch der Geschwornen zufolge haben die Angeklagten in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) A/ mit Gewalt gegen Personen, nämlich durch Verabreichung betäubender Medikamente, anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

Rechtliche Beurteilung

Den Beschwerdeausführungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Schon unter der Herrschaft des Strafgesetzes war es unbestritten, daß auch die listige narkotische Betäubung Gewalt darstellt (vgl. Slg. 3708; SSt. 25/68). Die Regierungsvorlage zum Strafgesetzbuch wollte (§ 77 Z. 6) klarstellen, daß 'unter Gewalt auch hier die Anwendung der Hypnose oder eines betäubenden oder berauschenden Mittels, um jemanden ohne seine Zustimmung bewußtlos oder widerstandsunfähig zu machen', zu verstehen sei. Auch der Justizausschuß (JA-Bericht, 16) war der Meinung, daß diese beiden Formen dem Begriff der Gewalt zu subsumieren seien, daß es aber, da die 'Gewalt' im Strafgesetzbuch als solche nicht definiert werde (vgl. § 74 Z. 5 StGB und Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, RN. 23 zu § 74), auch nicht notwendig sei, diese beiden besonderen Formen der Gewaltanwendung in den Begriffsbestimmungen anzuführen (vgl. Dokumentation StGB, 121). Wie in der Rechtsprechung (LSK. 1976/284) ist auch in der Lehre zum geltenden Strafgesetzbuch unbestritten, daß (weiterhin) Gewalt auch durch Verabreichung betäubender Mittel angewendet wird (siehe Leukauf-Steininger, RN. 6 zu § 142, RN. 24 zu § 74; Kienapfel, BT II, RN. 27 zu § 142). Bedrängnisdiebstahl (§§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 1 StGB) scheidet aus, soweit Raub anzunehmen ist. Wer daher die Hilflosigkeit des Betroffenen mit Mitteln und zum Zwecke des § 142 StGB herbeiführt, ist regelmäßig wegen Raubes zu bestrafen (LSK. 1979/340; Kienapfel, BT II, RN. 13 und 18 zu § 128 StGB; vgl. auch SSt. 13/52).

Soweit sich die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen der Sache nach auch gegen die den Geschwornen zum strafrechtlichen Begriff der Gewalt erteilte Rechtsbelehrung (S. 3) wendet, ist sie auf das oben Gesagte zu verweisen, wonach die - damit übereinstimmende - Rechtsbelehrung nicht unrichtig ist, sondern dem geltenden Gesetz durchaus entspricht.

Mithin ist die Unterstellung der wahrspruchmäßig festgestellten Taten der Angeklagten unter den Tatbestand des (teils vollendeten, teils versuchten) Raubes ohne Rechtsirrtum erfolgt. Es war somit die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Christine A zu verwerfen. Die beiden Angeklagten wurden nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu Freiheitsstrafen, Christine A in der Dauer von sieben Jahren und Christine B in der Dauer von sechseinhalb Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bei beiden Angeklagten als erschwerend die Wiederholung der Angriffe, bei Christine A eine einschlägige Vorstraftat (wegen versuchten Ladendiebstahls) und die Anstiftung der Christine B zur ersten Tat, mildernd bei beiden Angeklagten das wenn auch nur in geringem Maße reumütige Geständnis sowie, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist, bei Christine B auch ihr bisher ordentlicher Wandel sowie die Anstiftung durch Christine A zur ersten Tat. Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen unter Anwendung des § 41 StGB an.

Die Berufungen sind nicht berechtigt.

Von einem achtbaren Motiv - wie in der Berufung behauptet - kann bei der Angeklagten A keine Rede sein, denn sie hatte ein hinreichendes Einkommen, das ihr ermöglichte, auch ohne Begehung von Straftaten ihrer schwer erkrankten Mutter Geschenke zu machen. Die bloße Bereitschaft zur Schadensgutmachung erfüllt nicht die Voraussetzung des § 34 Z. 17 StGB Mit Recht hat das Erstgericht die Anstiftung (zur ersten Tat) bei A als erschwerend gewertet, obwohl es keiner besonderen überredungskunst bedurfte, um die Zweitangeklagte zur Mitwirkung am Raub zu bestimmen.

Bei Christine B wurde bereits vom Erstgericht als mildernd gewertet, daß sie zumindest zur ersten Straftat von A angestiftet wurde. Die durch die Einnahme von Medikamenten ('Adipex neu, R') - bedingt durch ihre abnorme Fettleibigkeit - bewirkte Enthemmung kann als weiterer Milderungsgrund herangezogen werden.

Beide Angeklagte haben die strafbaren Handlungen, obwohl sie in durchaus geregelten Lebensverhältnissen standen und auf die Beute nicht angewiesen waren, oftmals wiederholt und durch die Verabreichung von betäubenden Mitteln ihre bereits bejahrten Opfer ganz erheblich gefährdet. Auch wenn man ihr Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, höher bewertet, als es das Erstgericht tat, kann von einem überwiegen der Milderungsgründe im Sinne des § 41 StGB überhaupt keine Rede sein. Ebenso ist eine Herabsetzung der vom Geschwornengegericht gefundenen angemessenen Strafen nicht gerechtfertigt.

Den Berufungen war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.