JudikaturJustiz11Os9/06t

11Os9/06t – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Betroffenen Ali B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB (§§ 107 Abs 1 und Abs 2; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 6. Dezember 2005, GZ 23 Hv 107/05s-54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Betroffenen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen Abartigkeit von höherem Grad beruht, mehrere Beamte der Justizanstalt Linz

(I) am 13. Februar 2005, am 6. Mai 2005 und am 11. Mai 2005 gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, sowie

(II) am 13. Februar 2005 während der Vollziehung ihrer Aufgaben, nämlich seiner Fixierung und Verbringung in einen Sonderhaftraum, vorsätzlich am Körper verletzt,

sohin Taten begangen, die jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind und die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie der (richtig:) schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB zuzurechnen wären.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 10 und (richtig:) 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen geht fehl. Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht stütze die Feststellung, es sei zu befürchten, dass der Betroffene unter dem Einfluss einer wahnhaften Störung in Zukunft Delikte mit schweren Folgen begehen werde, die - unter weniger strukturierten Bedingungen als in der Haft - zu einer noch gravierenderen Delinquenz als jener der Anlasstaten führen werden (US 6), aktenwidrig auf das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr. K*****, trifft nicht zu, weil diese Expertise sehr wohl entsprechende Aussagen enthält (S 277 iVm S 199, 215).

Indem das Erstgericht die - durch kein Beweismittel in Zweifel gesetzten - Konstatierungen zur Gefährlichkeitsprognose mängelfrei auf diese Aussagen sowie - ebenso aktenkonform - auf ein weiteres psychiatrisches Gutachten (S 303 iVm S 53, 95) stützt (US 7), wird es dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO jedenfalls gerecht. Die Subsumtionsrüge (Z 10) wird mit dem Vorbringen zu II des Urteilsspruchs nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, weil ihr die gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen sind, denen die Tat nach Ansicht des Beschwerdeführers zu unterstellen wäre (SSt 50/32; zuletzt 11 Os 34/04). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das Erstgericht die - zutreffende - Rechtsansicht, die diesbezüglichen Tathandlungen wären im Fall der Zurechnungsfähigkeit dem Tatbestand der §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB zu unterstellen, hinreichend zum Ausdruck bringt (US 2, 8) und demnach die - auf einem offensichtlichen Schreibfehler basierende - Fehlbezeichnung als Vergehen der „gefährlichen" Körperverletzung (US 2) unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe bedeutungslos ist.

Auch die Beschwerdebehauptung, die zu I des Urteilstenors beschriebenen Tathandlungen seien (bei Zurechnungsfähigkeit) nicht dem Tatbestand des § 107 Abs 2 StGB, sondern dem des § 107 Abs 1 StGB zu unterstellen, lässt die gesetzeskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes vermissen, weil die angestrebte rechtliche Konsequenz nicht (methodisch vertretbar) aus dem Gesetz abgeleitet, sondern bloß - begründungslos - behauptet wird (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Das Argument der Sanktionsrüge (richtig: Z 11), die Verwirklichung des Tatbestands der gefährlichen Drohung komme als Prognosetat iSd § 21 Abs 1 StGB nicht in Betracht, trifft nicht zu. Bei der Beurteilung, ob die vom Gesetz verlangten schweren Folgen vorliegen, sind nämlich nicht nur die tatbestandsmäßigen Folgen, sondern darüber hinaus alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, also Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, der gesellschaftliche Störwert einschließlich der Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen, zu berücksichtigen (JBl 1998, 667; zuletzt 15 Os 89/05k). Da gerade eine gefährliche Drohung mit dem Tod geeignet ist, beim Opfer die Besorgnis auszulösen, tatsächlich getötet zu werden, stellt sie somit auch eine mögliche Prognosetat nach § 21 Abs 1 StGB dar (12 Os 48/02, SSt 64/30).

Mit dem Vorbringen, die Anordnung der Unterbringung sei „unangemessen" und „unverhältnismäßig", wird bloß ein Berufungsgrund geltend gemacht (vgl 11 Os 97/04, 13 Os 14/05s).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Rechtssätze
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