JudikaturJustiz11Os86/21p

11Os86/21p – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. August 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. August 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen G***** S***** und M***** N***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 7. April 2021, GZ 50 Hv 13/21w 177, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der M***** N***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung der diese Angeklagte betreffenden Subsumtion der vom Schuldspruch I umfassten Taten unter § 148 zweiter Fall StGB und demgemäß im M***** N***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der M***** N***** im Übrigen und die Nichtigkeitsbeschwerde der G***** S***** werden zurückgewiesen.

Mit ihrer Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird die Angeklagte M***** N***** auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Die Akten werden dem Landesgericht Wiener Neustadt rückgemittelt, das entsprechende Aktenteile dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die verbleibende Berufung der Angeklagten M***** N***** und die Berufung der Angeklagten G***** S***** zuzuleiten hat.

Den Angeklagten G***** S***** und M***** N***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen – im zweiten Rechtsgang ergangenen (vgl 11 Os 136/20i) – Urteil wurden G***** S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB (Ⅰ und ⅠⅠ) und M***** N***** eines solchen Verbrechens nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (Ⅰ) schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie „mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, K***** F***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorspiegelung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit sowie unter Vorspiegelung erfundener Notsituationen, in zahlreichen Angriffen zu Handlungen, die diesen am Vermögen schädigten,

Ⅰ) verleitet, und [zwar] ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2014 bis zum 17. Juli 2015 G***** S***** alleine und in Folge G***** S***** und M***** N***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter bis zumindest 18. Jänner 2020 in O***** und anderen Orten zur Übergabe von Bargeld und Durchführung einer Vielzahl von Überweisungen an sie in mehrfach jeweils 5.000 übersteigender Höhe,

ⅠⅠ) zu verleiten versucht, und zwar G***** S***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zu Beginn des Jahres 2020 von Rumänien aus zur Überweisung von weiteren Geldbeträgen in nicht mehr feststellbarer Höhe, wobei es beim Versuch blieb, weil K***** F***** der Aufforderung nicht nachkam,

wobei sie durch die Tat einen insgesamt 300.000 übersteigenden Schaden herbeiführten und den schweren Betrug nach § 147 Abs 2 StGB gewerbsmäßig begingen bzw zu begehen suchten.“

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die getrennt ausgeführten, jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten.

[4] Zur Nichtigkeitsbeschwerde der G***** S*****:

[5] Indem die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) das Unterbleiben einer Auseinandersetzung des Erstgerichts mit Beweisergebnissen zur mangelnden Fälligkeit des Darlehens und der Vereinbarung einer Aufrechnung der „ausgeliehenen Geldbeträge“ mit Arbeitsleistungen der beiden Angeklagten kritisiert, spricht sie keine entscheidende Tatsache (RIS Justiz RS0117499) an, weil die Tatrichter – insoweit unbekämpft – zusätzlich fehlende Rückzahlungswilligkeit der Angeklagten festgestellt haben (US 4, 10 f, 16). Soweit die Rüge solcherart eine allfällige Schadenskompensation ( Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 78) ansprechen will (der Sache nach Z 9 lit a oder 10), über geht sie argumentationslos, dass maßgebender Zeitpunkt für den Vergleich von Leistung und Gegenleistung immer die Vornahme der kritischen Verfügung (RIS Justiz RS0094217; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 81) und ein gleichzeitig nach außen in Erscheinung tretender Aufrechnungswille (RIS Justiz RS0094353, RS0094393; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 115) ist.

[6] Die Tatsachenrüge (Z 5a) bekämpft unter Hinweis auf RIS Justiz RS0094517 (wonach Betrug ausscheide, wenn sich der Darlehensgeber in Kenntnis der die Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers begründenden Umstände in der ungewissen Erwartung, es werde sich die wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers bessern, zur Zuzählung bestimmen lässt und damit entweder die Realität falsch einschätzt oder bewusst auf die Gefahr hin handelt, dass der Empfänger des Darlehens seinen Rückzahlungsverpflichtungen nicht [rechtzeitig] werde nachkommen können) die „Kausalität der Täuschung“. Gemeint ist damit offenbar die Konstatierung der Tatrichter, K***** F***** habe den von M***** N***** bestätigten falschen Ausführungen der G***** S***** vertraut und (irrtümlich – Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 55) daran geglaubt, dass diese, wie versprochen, die Geldbeträge zurückbezahlen bzw abarbeiten werde (US 4).

[7] Die hiezu relevierten Passagen aus den Angaben des Opfers vermögen schon angesichts der – von der Rüge übergangenen – Feststellungen zur (weiteren) Vorgabe der Angeklagten , in Rumänien „wertvolle Grundstücke“ zu besitzen und eine Apotheke zu erben (vgl US 4), keine erheblichen Bedenken im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes hervorzurufen (RIS Justiz RS0 11 7499, RS0118780). Im Übrigen schließt die Erkennbarkeit der wahren Sachlage, Nachlässigkeit oder Leichtgläubigkeit des Geschädigten eine Tauglichkeit der Täuschung nicht aus (vgl RIS Justiz RS0094032) und käme im Fall, dass K***** F***** die Täuschung durchschaut hätte, Betrugsversuch in Betracht ( Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 17; zur Abgrenzung von Versuch und Vollendung vgl im Übrigen RIS Justiz RS0122137).

[8] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruchpunkt Ⅰ behauptet, das Erstgericht hätte Feststellungen zu den jeweiligen Täuschungshandlungen treffen und diese „nachvollziehbar“ der Erst- oder Zweitangeklagten zuordnen müssen, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Ausführung des materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0099810), weil sie die sämtliche Betrugstaten betreffenden Feststellungen (US 4) zur täuschungskausalen Vorgabe von Zahlungsfähig- und willigkeit durch G***** S***** übergeht.

[9] Deren Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der repetitiven Äußerungen der Verteidigung dazu – bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung der Genannten folgt (§ 285i StPO).

[10] Zur Nichtigkeitsbeschwerde der M***** N*****:

[11] Soweit sich das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) und der Tatsachenrüge (Z 5a) mit jenem der G***** S***** deckt, ist auf die diesbezüglichen Ausführungen zu deren Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

[12] Die Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a) an der „undifferenzierten Behandlung“ der beiden Angeklagten, obwohl M***** N***** durch ihr Verhalten und ihre Äußerungen (bloß) das Vertrauen des K***** F***** in die von G***** S***** behaupteten „Schwierigkeiten“ bestärkt habe, orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (erneut RIS Justiz RS0099810), wonach auch M***** N***** vorgegeben hat, Geld für notwendige Operationen in Rumänien zu benötigen, die Behauptungen ihrer Tochter täuschungskausal bestätigte und die Durchführung der Überweisungen unterstützte (US 4). Weshalb die Täterschaftsform – entgegen ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0117604) – subsumtionsrelevant sein sollte, erklärt die Rüge im Übrigen nicht.

[13] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde der M***** N***** bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[14] Zutreffend zeigt die Rüge hingegen auf (Z 5), dass die Verwendung der verba legalia des § 70 StGB in den Entscheidungsgründen (US 10) im Gegenstand die Annahme der Qualifikation des § 148 zweiter Fall StGB nicht mängelfrei tragen (RIS Justiz RS0119090).

[15] Das Urteil enthält zur subjektiven Tatseite zwar die für den Tatbestand des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB erforderlichen Feststellungen zum (qualifizierten) Bereicherungsvorsatz der Beschwerdeführerin. Ob diese die Vermögensvermehrung aber für sich selbst (US 10, 12, 17) oder zugunsten eines Dritten, insbesondere ihrer Tochter G***** S***** angestrebt hat ( Jerabek/Ropper in WK² StGB § 70 Rz 10, 14), wird im Ersturteil widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) beantwortet (vgl nämlich US 10, wonach nicht festgestellt werden konnte, „ob bzw in welcher konkreten Höhe M***** N***** etwas von den K***** F***** herausgelockten Geldbeträgen erhielt“).

[16] Dies führte – im Ergebnis im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits nach nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO).

[17] Mit ihrer Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war die Angeklagte M***** N***** auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen. Die Entscheidung über die verbleibende Berufung der Genannten kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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