JudikaturJustiz11Os8/19i

11Os8/19i – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. April 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Damian W*****, Kamil K*****, Marta D*****, Tomasz B***** und Anna Z***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall), 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten D***** und der Staatsanwaltschaft in Ansehung sämtlicher genannter Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 9. Oktober 2018, GZ 41 Hv 53/18g 279, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten D***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, jeweils unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Freisprüche der Beschwerdeführerin D***** und der weiteren Angeklagten von gleichartigen Vorwürfen sowie der Angeklagten Z***** zur Gänze, weiters einen Verfolgungsvorbehalt (§ 263 Abs 2 StPO) enthaltenden Urteil wurden

Damian W***** und Marta D***** des (im Umfang von I./ B./ als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB begangenen) Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 (zu ergänzen:) erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall), 15 StGB (I./) sowie

Kamil K***** und Tomasz B***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 (zu ergänzen:) erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall), 15 StGB (I./ A./),

B***** weiters eines, W*****, D***** und K***** jeweils mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach (richtig:) § 229 Abs 1 StGB (II./) und

W***** eines Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach haben – soweit zur Behandlung der Rechtsmittel von Relevanz – W*****, D*****, K***** und B***** von Anfang Dezember 2017 bis nachts zum 9. März 2018 in O***** und anderenorts (teils) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten und unbekannt gebliebenen Mittätern

I./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig und als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung in vierzehn im angefochtenen Urteil näher beschriebenen Fällen dort genannten Geschädigten Personenkraftwagen (samt darin befindlicher Wertgegenstände) in einem jeweils 5.000 Euro, hinsichtlich W***** und D***** insgesamt 300.000 Euro übersteigenden (Gesamt-)Wert durch Eindringen mit widerrechtlich erlangten Zugangscodes, nämlich durch Verlängerung der Funksignale von Keyless Go Systemen mittels „Funkstreckenverlängerer“ (US 14), weggenommen und dies (in zwei weiteren Fällen) versucht (A./) sowie dazu beigetragen (B./);

II./ durch im Urteil zu I./ A./ näher beschriebene Handlungen in den dort genannten Fahrzeugen befindliche Urkunden (B***** eine Urkunde), über die sie nicht verfügen durften, nämlich Zulassungsscheine, einen Reisepass, einen Führerschein, eine E Card sowie einen Personalausweis dort genannter Geschädigter, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten D***** und jene der Staatsanwaltschaft, die sich auf § 281 Abs 1 Z 7 und 9 lit a StPO stützt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten D*****:

Entgegen der (gegen Schuldspruch II./ gerichteten) Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist fallbezogen die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Angeklagten aus dem äußeren Geschehensablauf im Zusammenhalt mit der allgemeinen Lebenserfahrung (US 49 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Indem die Beschwerdeführerin unter Behauptung grundsätzlicher Unüblichkeit des Zurücklassens eines Reisepasses in einem versperrten Kraftfahrzeug für sich günstigere Schlussfolgerungen fordert, beschränkt sie sich darauf, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die tatrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen.

Aus welchen Gründen die aus den Angaben eines anderen Angeklagten im Zusammenhalt mit dem objektiven Tatgeschehen, insbesondere dem Wert der gestohlenen Fahrzeuge gezogenen Schlussfolgerungen der Tatrichter zur Annahme gewerbsmäßiger Tendenz (auch) durch die Beschwerdeführerin (US 48) den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS Justiz RS0099413, RS0116732) widersprächen, macht das weitere Vorbringen (Z 5 vierter Fall) nicht deutlich.

Die Schuldspruch II./ betreffende Subsumtionsrüge (Z 10 [nominell „Z 9a“]) übergeht die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der Wegnahme (auch) von im Urteil näher bezeichneten Urkunden (US 23) und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit. Die Behauptung, die Unterdrückung in einem Kraftfahrzeug befindlicher Urkunden wäre eine (ersichtlich gemeint: zufolge Konsumtion [vgl Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 58 ff] nicht gesondert strafbare) „typische Begleittat zu einem Autodiebstahl“ (vgl aber Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 229 Rz 49) entbehrt ebenso methodengerechter Ableitung aus dem Gesetz (RIS-Justiz RS0116565) wie jene, dass der Zulassungsschein eines gestohlenen Fahrzeugs „gebrauchsunfähig“ werde, sohin seine Rechtserheblichkeit (und damit seine Urkundeneigenschaft) verliere (vgl aber Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 223 Rz 42 f).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Soweit diese ihre Anklage (ON 256) im Umfang der „von Punkt II. des Anklagetenors unmissverständlich mitumfasste[n …] Unterdrückung der an den jeweiligen Pkw angebrachten Kennzeichentafeln“ als nicht erledigt erachtet (vgl dazu aber US 57), verkennt sie schon im Grundsätzlichen den – in der Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) als dem (unter Anklage gestellten) historischen Geschehen bestehenden – Gegenstand des (auch § 281 Abs 1 Z 7 StPO zugrunde liegenden) prozessualen Tatbegriffs (RIS Justiz RS0102147, RS0113754; Lewisch , WK StPO § 262 Rz 22 ff; Ratz , WK StPO § 281 Rz 502 ff und in WK 2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 19 ff) und zielt mit ihrer Kritik am Unterbleiben eines Freispruchs auf einen bei Idealkonkurrenz unzulässigen, weil bloß eine rechtliche Kategorie (strafbare Handlung; § 260 Abs 1 Z 2 StPO) betreffenden Subsumtionsfreispruch (RIS Justiz RS0120128; Lendl , WK StPO § 259 Rz 1 f) ab.

Unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion der dem Schuldspruch I./ A./ zugrunde liegenden Taten scheitert das eine anklagekonforme Verurteilung „der Angeklagten“ (auch) wegen der „weiteren Fakten nach § 229 Abs 1 StGB (Unterdrückung der Kennzeichentafeln an den gestohlenen Kfz)“ anstrebende Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10 [nominell Z 9 lit a]) daran, dass in Ansehung der diesbezüglichen, im Urteil nicht enthaltenen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite (hinsichtlich konkret bezeichneter Angeklagter) die (prozessordnungsgemäße [RIS Justiz RS0118580]) Geltendmachung eines Feststellungsmangels unterblieb (vgl dazu RIS Justiz RS0127315).

Es muss daher dahinstehen, dass die rechtliche Annahme des Erstgerichts, „die Unterdrückung von Kfz Kennzeichentafeln [wäre] eine typische Begleittat zu einem Autodiebstahl […], sodass eine gesonderte Bestrafung nach § 229 Abs 1 StGB“ ausscheide (US 57), nicht mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung in Einklang steht (vgl etwa 11 Os 31/14i, 11 Os 19/15a, 13 Os 49/15b und 13 Os 86/17x; auch 15 Os 10/18m bei Raub eines Kraftfahrzeugs).

Soweit das Vorbringen (Z 10 [nominell wiederum Z 9 lit a]) die Subsumtion der den Schuldsprüchen I./ zugrunde liegenden Taten nach § 129 Abs 1 Z 1 „letzte Variante“ StGB (anstelle der „vorletzten Variante“) fordert, verkennt die Beschwerdeführerin (abermals grundsätzlich), dass die behauptete Verwechslung (wie auch das Vertauschen oder Zusammentreffen) von rechtlich gleichwertigen Begehungsformen bei einem alternativen Mischdelikt (wie § 129 Abs 1 Z 1 StGB) nicht (aus Z 10) angefochten werden kann (RIS Justiz RS0116655; Ratz , WK StPO § 281 Rz 649).

Lediglich der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass der von der Beschwerdeführerin behauptete „uneinheitliche Meinungsstand“ aus den von ihr dazu genannten Belegstellen (soweit sich diese überhaupt auf die relevierte Rechtsfrage beziehen) nicht abzuleiten ist, weil das (hier in Rede stehende) Abfangen von Funksignalen zur anschließenden Öffnung eines Schlosses durchgehend als die Verwendung eines widerrechtlich erlangten Zugangscodes angesehen wird (vgl Stricker in WK 2 StGB § 129 Rz 72 und 102 ff; Salimi in WK 2 StGB § 136 Rz 64 f; Kienapfel/Schmoller , BT II 2 § 129 Rz 43; Leukauf/Steininger/Messner , StGB 4 § 129 Rz 21a; EBRV StRÄG 205 689 BlgNR 25. GP 22 f).

In Ansehung der Angeklagten Z***** blieb die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (trotz umfassender Anmeldung – ON 1 Teil II S 67) gänzlich unausgeführt, sodass darauf nicht einzugehen war.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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