JudikaturJustiz11Os76/02

11Os76/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef E***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 13. August 2001, GZ 3 U 143/01x-8, und des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. November 2001, AZ II Bl 268/01, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Verurteilten und seines Verteidigers Dr. Sarlay, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Urteile des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 13. August 2001, GZ 3 U 143/01x-7, und des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. November 2001, AZ II Bl 268/01, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 170 Abs 1 StGB.

Die Urteile werden aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Josef E***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 6. Februar 2001 in Kolsass an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers durch Außerachtlassung aller dafür notwendigen Sicherheitsvorkehrungen bei Schweißarbeiten eine Feuersbrunst verursacht, wodurch ein Schaden in der Höhe von ca 100.000 S entstand, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 13. August 2001, GZ 3 U 143/01x-7, wurde Josef E***** des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Danach hat er am 6. Februar 2001 in K***** dadurch, dass er bei Schweißarbeiten im Haus des Helmut L***** die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen außer Acht ließ, wodurch Schweißperlen durch einen Kabelkanal in den Keller gerieten und dort eine Entzündung bewirkten, fahrlässig eine Feuersbrunst verursacht.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. November 2001, AZ II Bl 268/01 (GZ 3 U 143/01-12 des Bezirksgerichtes Hall in Tirol) wurde seiner dagegen erhobenen Berufung nur hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe Folge gegeben, während sie im Übrigen verworfen wurde.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen führte der Angeklagte in der Fernsehwerkstätte des genannten Hauses Schweißarbeiten durch. Dabei gelangten Schweißperlen durch einen Kabelkanal und durch ein Loch im Fußboden in das darunter liegende Kellerabteil und entzündeten dort ein Spannleintuch, das zur Abdeckung eines Hardtops verwendet wurde. Infolge dessen brach in diesem Kellerabteil ein Brand aus, wobei das Hardtop völlig zerstört und das Gebäude sowie diverse Leitungen stark beschädigt wurden. Weiters entstanden im Kellerabteil und in einem Teil des Kellergeschoßes durch die Brandentwicklung starke Rußschäden. Der Schaden betrug insgesamt ca 185.000 S. Auf Grund der trotz der raschen Brandentdeckung bereits bestehenden starken Rauchentwicklung war eine Brandbekämpfung mit Kleinlöschgeräten nicht mehr möglich. Vielmehr musste die Freiwillige Feuerwehr Kolsass, die mit zwei Fahrzeugen und zwölf Mann zur Brandstelle ausgerückt war, mit schweren Atemschutzgeräten und einem HD-Rohr zum Brandherd in den Keller vordringen. Eine Brandbekämpfung mit gewöhnlichen Mitteln war sohin nicht mehr möglich (US 4). Zwar blieb der Brand auf Grund seiner raschen Entdeckung und des schnellen Feuerwehreinsatzes auf den Ausbruchsbereich im Regal im Keller beschränkt, doch befand sich im Kellerabteil noch genügend andere Brandlast in Form von Holz und zwei abgestellten Öltanks (US 6 f).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, stehen die angeführten Urteile des Bezirksgerichtes Hall in Tirol und des Landesgerichtes Innsbruck mit dem Gesetz (§ 170 Abs 1 StGB) nicht im Einklang. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Feuersbrunst ein - in räumlicher Hinsicht - ausgedehnter, also nicht bloß auf einzelne Gegenstände beschränkter, sondern sich weiter ausbreitender Brand zu verstehen, der mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist (SSt 50/51 = EvBl 1980/71 ua). Essentielles Begriffsmerkmal einer Feuersbrunst ist daher - neben der Unbeherrschbarkeit des Feuers - seine gewisse räumliche Ausdehnung, wobei die beiden Begriffsmerkmale insoweit eng zusammen hängen, als einerseits das Feuer gerade auf Grund seiner bereits erreichten Ausdehnung unbeherrschbar sein muss, andererseits aber auch die Unbeherrschbarkeit gerade das Maß der erforderlichen Ausdehnung ist. Somit muss es sich um ein auf Grund seiner Ausdehnung (zumindest abstrakt) gemeingefährliches Feuer handeln, wobei sich die Gefährlichkeit aus seiner bereits vorhandenen Größe ergeben muss; die Möglichkeit der zukünftigen Vergrößerung eines (noch) kleinen Feuers genügt nicht (Kienapfel/Schmoller BT III §§ 169-170 Rz 6, 11 und 14). In diesem Sinn ist eine Feuersbrunst beispielsweise gegeben, wenn ein gesamter Wohnblock, Supermarkt, Bahnhof, eine Kirche oder Tankstelle oder zumindest ein aus mehreren Geschoßen oder einer größeren Zahl von Zimmern bestehendes Einfamilienhaus brennt (Kienapfel/Schmoller aaO Rz 13 mwN). Hingegen hat die Rechtsprechung das Vorliegen einer Feuersbrunst bei einem Dachbodenbrand verneint, bei dem ein Kinderwagen und ein Türblatt brannten und verkohlten sowie eine Plastikwanne schmolz, der Brand (nur) teilweise über den Dachboden und auf den Fußboden reichte, die Holzdachkonstruktion (lediglich) Abbrandspuren zeigte und das Feuer - wenn auch mit Einsatz der Feuerwehr - innerhalb von dreißig Minuten gelöscht war (EvBl 1980/159).

Gleiches muss für den gegebenen Fall gelten, in dem der Brand auf ein Regal in einem Kellerabeteil beschränkt war und selbst die Rußschäden nur einen Teil des Kellergeschoßes betrafen. Daran ändert der Umstand nichts, dass das Feuer nur durch die Feuerwehr bekämpft werden konnte, zumal Anlass für deren Einsatz nicht die Ausdehnung des Brandes, sondern die starke Rauchentwicklung war. Auch die - durch den Feuerwehreinsatz beseitigte - Gefahr eines weiteren Ausbreitens des Feuers vermag seine Beurteilung als Feuersbrunst nicht zu begründen (vgl EvBl 1980/159).

Angesichts dieser räumlichen Ausdehnung des Brandes wäre dessen Herbeiführung unter Verfolgung eines Vorsatzes iS des § 169 StGB nicht als vollendete, sondern nur als versuchte Brandstiftung zu beurteilen gewesen; beim Fahrlässigkeitsdelikt nach § 170 Abs 1 StGB kommt ein Versuch aber rechtlich nicht in Betracht (vgl Hager/Massauer WK2 §§ 15, 16 Rz 9 mwN).

Rechtssätze
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