JudikaturJustiz11Os46/79

11Os46/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 1979

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Jörg A wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach dem § 289 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Jugendschöffengericht vom 12. Dezember 1978, GZ 6 Vr 441/78-13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Harry Zamponi und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB (Punkt 2.) des Urteilssatzes) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfange dieser Aufhebung gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

In Ansehung des ihm weiterhin zur Last fallenden Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach dem § 289 StGB wird gemäß dem § 13 JGG der Ausspruch über die Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren aufgeschoben.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagte verworfen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30. November 1962 geborene Schlosserlehrling Jörg A 1.) des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach dem § 289 StGB und

2.) des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 8. Mai 1978 in Steyr ad 1.) vor der Bundespolizeidirektion Steyr als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung, er habe am 17. April 1978 nach einer Fußverletzung während des Turnunterrichtes seinem Turnlehrer Werner B den geschwollenen Fuß gleich gezeigt; B habe von ihm (A) verlangt, daß er das Torgerät, das ziemlich schwer sei, allein in eine hintere Ecke des Saales schaffe; er (A) habe den Weisungen des Turnlehrers nicht nachkommen wollen, dieser habe ihm aber einen Fußtritt in das Gesäß versetzt, damit er seinen Weisungen nachkomme; die Verbringung der Torgeräte sei für ihn (A) wegen des geschwollenen Fußes beschwerlich gewesen; der Turnlehrer habe von ihm auch noch verlangt, daß er von dem im Parterre eingerichteten Turnsaal über die Stiegen in die oberen Stockwerke laufe; der Arzt in der Unfallstelle habe ihm eine Woche Liegezeit verschrieben, falsch ausgesagt und ad 2.) durch diese unter Punkt

1.) beschriebenen Behauptungen den Hauptschullehrer Werner B der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt habe, indem er ihn des Vergehens der überanstrengung eines Jugendlichen oder Schonungsbedürftigen nach dem § 93 Abs 1 StGB falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a (sachlich: Z 10) und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Die Beschwerde ist nur zum Teil berechtigt, und zwar in Ansehung des Schuldspruches wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB

Rechtliche Beurteilung

Zunächst stellt die vom Beschwerdeführer dem Urteil mit dem erstbezogenen Nichtigkeitsgrund als Unvollständigkeit zum Vorwurf gemachte Nichterörterung der Angabe der Zeugin Brigitte A (der Mutter des Angeklagten), der ihren Sohn am 17. April 1978 in der Unfallstation des Landeskrankenhauses Steyr untersuchende Arzt habe dem Jungen 'Bettruhe verordnet' (S 41 und 127 dA), keinen Begründungsmangel des Urteils in Ansehung entscheidungswesentlicher Umstände dar. Dem Angeklagten wird als falsche Zeugenaussage vor der Bundespolizeidirektion Steyr ua seine Angabe zum Vorwurf gemacht, ihm sei 'eine Woche Liegezeit' verschrieben worden; daß ihm ärztlicherseits (auch) körperliche Schonung und Hochlagerung des Fußes verordnet worden war, hat das Erstgericht, gedeckt durch den Erhebungsbericht S 37 dA und den Inhalt der Krankengeschichte S 71 dA, ohnedies als erwiesen angenommen (S 132 dA).

Zu dem in Rede stehenden inkriminierten Aussageinhalt (eine Woche Liegezeit) war hingegen aus den Angaben der Brigitte A nichts Entscheidendes zu gewinnen, da sie nicht die Eignung hatten, die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse - durch die ua objektiviert werden konnte, daß dem Beschwerdeführer keinesfalls eine eine Woche dauernde Liegezeit verordnet worden war (vgl insb S 37 dA) - vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern.

Das Unterbleiben einer näheren Erörterung ihrer Angaben im Urteil bewirkte somit keine Unvollständigkeit desselben im Sinne des geltend gemachten formellen Nichtigkeitsgrundes (vgl ÖJZ-LSK 1979/82).

Entgegen der in der Mängelrüge vertretenen Meinung kommt aber auch der Frage, ob der Lehrer Werner B über die Vorfälle vom 17. April 1978 während des Turnunterrichtes und nach demselben, die dann den Anlaß für die urteilsgegenständliche Aussage des Angeklagten vor der Bundespolizeidirektion Steyr gaben, in der Folge noch mit Mitschülern des Angeklagten gesprochen hat (wie dies der Schüler Leopold C als Zeuge bekundete - S 123 dA) oder nicht (so zunächst die Zeugenaussage des Werner B lt S 117 unten dA), nach Lage des Falles keine für die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung des Erstgerichtes (: Glaubwürdigkeit des Zeugen Werner B) wesentliche und deshalb erörterungsbedürftige Bedeutung zu, zumal Werner B abschließend seiner Zeugenvernehmung ohnedies erklärte, dem Schüler D gegenüber die wegen des Vorfalls mit dem Angeklagten bereits anhängige gerichtliche Untersuchung und die Folgen einer unrichtigen Aussage erwähnt zu haben (S 118 oben dA). Im übrigen läßt die bezogene Zeugenaussage des Leopold C jedenfalls keine Anhaltspunkte für die in der Beschwerde ventilierte Möglichkeit einer beeinflussenden 'Besprechung' des Lehrers mit Mitschülern des Angeklagten erkennen (sS 123 dA).

Unberechtigt ist aber auch das auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Beschwerdevorbringen, mit dem sich der Angeklagte gegen die Nichtanwendung des § 10 JGG wendet.

Für die Zuerkennung dieses Schuldausschließungsgrundes ist erforderlich, daß der jugendliche Rechtsbrecher aus besonderen Gründen nicht reif genug ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Vorliegend erbrachten nun die Verfahrensergebnisse keinerlei Hinweise für das Vorhandensein derartiger reifeverzögernder Umstände beim Beschwerdeführer. Weder die konkrete Tatausführung und deren Anlaß noch - worauf das Erstgericht ausdrücklich Bezug nimmt - der bisherige Entwicklungsgang des Angeklagten weist in eine solche Richtung. Der im Urteil ohnedies festgestellte schlechte Schulerfolg des Angeklagten - auf den wiederum der Beschwerdeführer besonders Bezug nimmt - stellt an sich noch keine Entwicklungshemmung außergewöhnlichen Grades dar, die Rückschlüsse auf eine solche erhebliche Unreife des Angeklagten zuließe (vgl EvBl 1960/79); im Falle des Beschwerdeführers stand einer solchen Annahme zudem das Ergebnis der in der Hauptverhandlung verlesenen und im Urteil verwerteten Jugenderhebungen entgegen (ON 9, vgl insb P 24 bis 27 des Fragebogens).

Die dem Urteil zugrundeliegende Annahme, daß der zur Tatzeit immerhin schon im 16. Lebensjahr und in Berufsausbildung stehende Angeklagte die Einsicht in das Unrechtmäßige seiner Handlungsweise (: Falschbeschuldigung seines Lehrers im Zuge einer falschen Zeugenaussage vor der Polizei) besaß, außerdem in der Lage war, dieser Einsicht gemäß zu handeln und demgemäß sein Tun strafrechtlich voll zu verantworten hat, ist mithin in tatsächlicher Hinsicht zureichend begründet, sohin mängelfrei und auch in rechtlicher Hinsicht zutreffend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagte war daher, insoweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 289 StGB richtet, als unberechtigt zu verwerfen.

Im Recht hingegen ist der Beschwerdeführer mit dem gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 (zweiter Fall) StGB gerichteten Vorbringen aus dem Grunde der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO

Dieses (hier mit dem Vergehen nach dem § 289 StGB tateinheitlich zusammentreffende) Verbrechen wurde dem Angeklagten vom Erstgericht angelastet, weil er durch den Inhalt seiner (objektiv und subjektiv) falschen Zeugenaussage den Hauptschullehrer Werner B des mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren strafbedrohten Vergehens der überanstrengung eines (Unmündigen) Jugendlichen (oder Schonungsbedürftigen) nach dem § 93 Abs 1 StGB bewußt wahrheitswidrig verdächtigt habe. Die (aus Bosheit oder Rücksichtslosigkeit erfolgte) überanstrenung ist aber im Sinne des § 93 Abs 1 StGB nur dann tatbildmäßig, wenn der Betroffene hiedurch (wenn auch nur fahrlässig) der konkreten Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung ausgesetzt war. Hiefür genügen aber keinesfalls bloß leichte Verletzungen oder Gesundheitsschädigungen im Maße von nicht über drei Tagen, wohl aber könnte eine Gesundheitsstörung von zumindest (ca) 14 Tagen die in Rede stehende Voraussetzung des § 93 Abs 1 StGB erfüllen (vgl § 88 Abs 2 Z 2, 3 und 4 StGB;

s Foregger-Serini, StGB2, Erl III zu § 93, S 176).

Da die von Jörg A am 17. April 1978 erlittene Verletzung (bloße Zerrung) nach der im Urteil als Feststellungsgrundlage bezogene Mitteilung des untersuchenden Arztes nur als leicht zu beurteilen ist (S 37 dA) und da diese Verletzung nach dem Urteilssachverhalt höchstens bis 21. April 1978 eine Gesundheitsstörung zur Folge hatte (sS 132 dA), fehlt es (auch) unter Zugrundelegung der Schilderung des Angeklagten im Zuge seiner falschen Zeugenaussage vor der Polizeidirektion Steyr über das angebliche Tatverhalten des Lehrers Werner B (in der im gegebenen Zusammenhang lediglich von einem geschwollenen Fuß und einer Woche Liegezeit die Rede ist) am Tatbestandserfordernis einer hiedurch im Sinne des § 93 Abs 1 StGB bewirkten konkreten Gefahr einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung des Angeklagten.

Rechtsirrig wurde daher dem Angeklagten vom Schöffengericht zum Vorwurf gemacht, mit seiner falschen Zeugenaussage Werner B des Vergehens nach dem § 93 Abs 1 StGB beschuldigt und hiedurch seinerseits das Verbrechen der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 (zweiter Fall) StGB begangen zu haben.

Die im Sinne der § 262, 267 StPO an sich indizierte Frage, ob Jörg A etwa den Hauptschullehrer Werner B fälschlich einer disziplinären Amtspflichtenverletzung bezichtigt und sich dadurch (nur) eines Vergehens nach dem § 297 Abs 1 (erster Fall) StGB schuldig gemacht hat, kann schon deshalb unerörtert bleiben, weil das Erstgericht eine Feststellung, daß B insoweit der Gefahr einer behördlichen Verfolgung (durch die Dienstaufsichts- oder Disziplinarbehörde) ausgesetzt war, nicht getroffen hat und nach der Aktenlage auch nicht hätte treffen können, zumal Werner B am Ende seiner Vernehmung als Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet hatte, daß die fälschlichen Anschuldigungen des Angeklagten zu keiner schulbehördlichen Untersuchung gegen ihn (B) geführt haben (S 118 dA).

Der dem Erstgericht mithin beim Schuldspruch wegen des Verbrechens nach dem § 297 Abs 1 StGB unterlaufene Subsumtionsirrtum (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) war daher wie im Spruch ersichtlich zu beheben. Bei der Beurteilung der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) war als mildernd sein bisheriger ordentlicher Lebenswandel als erschwerend hingegen nichts zu werten.

Diese Umstände lassen erwarten, daß sich der Angeklagte auch dann in Zukunft straflos halten wird, wenn ein sofortiger Strafausspruch unterbleibt. Da auch der Unrechtsgehalt der Tat im Hinblick auf die Gesamtsituation nicht übermäßig schwer wiegt, fehlen auch generalpräventive Erwägungen, die gegen die Anwendung des § 13 JGG sprächen.

Der Kostenausspruch beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.