JudikaturJustiz11Os31/22a

11Os31/22a – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in der Strafsache gegen * A* und andere wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB, AZ 33 Hv 10/22p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des A* gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 17. Februar 2022, AZ 19 Bs 34/22x (ON 108 der Hv Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

* A* wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 30. Jänner 2021 wurde über * A* die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1, Abs 2 Z 2 und 3 lit b StPO verhängt und mehrfach (infolge von Haftbeschwerden auch durch das Beschwerdegericht), zuletzt mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Jänner 2022 (ON 99), jeweils wegen des dringenden Verdachts nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB subsumierter Taten (weiterhin) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO fortgesetzt.

[2] Der gegen den letztgenannten Beschluss erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss nicht Folge. Dabei ging es unter ausführlicher Darlegung (teils durch zulässigen Verweis auf frühere Entscheidungen in dieser Sache; vgl RIS Justiz RS0115236 [T1]) von einer dringenden Verdachtslage (im wesentlichen der – zwischenzeitig am 7. Februar 2022 gegen A* und * H* erhobenen und mittlerweile rechtswirksamen – Anklageschrift [ON 105] entsprechend) sowie von weiterhin bestehender Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO aus.

[3] Zugleich stellte das Beschwerdegericht eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§ 9 Abs 2, § 177 Abs 1 erster Satz StPO) durch „Anklageeinbringung erst am 7. Februar 2022“ fest (BS 1, 15 f). Ein Anspruch auf Enthaftung bestehe, weil nicht von unverhältnismäßig langer Verfahrensdauer auszugehen sei, nicht (BS 16 f; vgl RIS Justiz RS0120790 [insbes T13, T15]).

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts richtet sich die eine Verletzung der Bestimmung des § 178 Abs 2 StPO und insgesamt „überlange Verfahrensdauer“ relevierende, Grundrechtsbeschwerde des (nunmehr) Angeklagten.

[5] Die Bejahung oder Verneinung der Voraussetzungen für eine Fristüberschreitung nach § 178 Abs 2 StPO fällt in den Bereich gebundenen Ermessens. § 2 Abs 1 GRBG bezeichnet nur unrichtige Gesetzesanwendung als Grundrechtsverletzung und führt dabei „insbesondere“ einzelne gravierende Fälle namentlich an. Ermessensübung des Rechtsmittelgerichts innerhalb der gesetzlichen Grenzen kann nicht als unrichtig charakterisiert werden. Der Oberste Gerichtshof ist demnach nicht dazu aufgerufen, als weitere Haftbeschwerdeinstanz eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der angefochtenen Entscheidung zu setzen, vielmehr Rechtsfehler wahrzunehmen (vgl auch §§ 3 Abs 1 erster Satz, 7 Abs 1, 11 GRBG; RIS Justiz RS0121605, RS0133154).

[6] Indem die Beschwerde – ohne sich mit den Erwägungen des Oberlandesgerichts (BS 14 f) auseinanderzusetzen – bloß eigene Überlegungen zum „vermeintlich besonderen Umfang der Ermittlungen“ anstellt, zeigt sie keine Willkür der Ermessensübung auf (RIS Justiz RS0121605 [T5]). Die vom Beschwerdegericht für die Fristüberschreitung angeführten konkreten Gründe bewegen sich – was die Unvermeidbarkeit der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft betrifft – vielmehr innerhalb der Grenzen vertretbarer Ermessensabwägung.

[7] Soweit der Beschwerdeführer den zeitlichen Ablauf des Strafverfahrens darlegt und vermeint, die lange Verfahrensdauer, welche von ihm nicht verschuldet worden sei, habe zur Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft geführt, legt er entgegen § 3 Abs 1 erster Satz GRBG nicht konkret dar, in welcher (genau bezeichneten) Verzögerung der im Strafverfahren tätigen Behörden eine ins Gewicht fallende und somit grundrechtswidrige Säumigkeit vorliege ( Kier , WK StPO § 9 Rz 54; Kirchbacher/Rami , WK StPO § 177 Rz 3). Soweit explizit auf die Säumnis bis zur Einbringung der Anklageschrift hingewiesen wird, hat das Oberlandesgericht bereits eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen festgestellt, und damit dem Standpunkt des Beschwerdeführers, der insoweit somit nicht (mehr) beschwert ist, Rechnung getragen (vgl 15 Os 15/10k).

[8] Die Kritik, das Beschwerdegericht hätte aufgrund der „überlangen“ Verfahrensdauer die Enthaftung anordnen müssen (vgl aber RIS Justiz RS0120790 [insbes T13, T15]; RS0117747), setzt sich mit den Erwägungen des Oberlandesgerichts zur gegebenen Verhältnismäßigkeit der bisherigen Haftdauer nicht auseinander. Dessen unter Berücksichtigung der hafttragenden Faktenkomplexe (BS 4 ff) und der einschlägigen Vorstrafenbelastung getroffene Prognose über die zu erwartende Strafe (BS 16 f) erfolgte willkürfrei.

[9] Der Angeklagte wurde daher nicht im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt, weshalb seine Beschwerde abzuweisen war.

Rechtssätze
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