JudikaturJustiz11Os27/15b

11Os27/15b – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. August 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zonsics als Schriftführer in der Strafsache gegen Romana A***** und weitere Angeklagte wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Erich Ac***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Mai 2014, GZ 14 Hv 80/13t 145, zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A/I/1 und A/II, demgemäß auch in den Strafaussprüchen der Karin S***** und des Erich Ac***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Der Angeklagte Erich Ac***** wird mit seinen Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Freisprüche weiterer Angeklagter enthält, wurden soweit für die amtswegige Maßnahme von Bedeutung Karin S***** des Vergehens der Untreue nach §§ 2, 153 Abs 1, 12 dritter Fall StGB (A/I/1) sowie Erich Ac***** des Vergehens der Untreue nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1, StGB (A/II) schuldig erkannt.

Danach haben in G***** im Zeitraum April 2009 bis Anfang September 2011

A/I/1 Karin S***** als Kontrollorgan der Se***** GmbH, eingesetzt bei den H*****, bei sechs bis acht Kontrollen die ihr durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Arbeitsvertrag eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, und zwar zivilrechtliche Ansprüche der Se***** GmbH namens der H***** gegen Personen geltend zu machen, die sich die Beförderung durch die dem öffentlichen Verkehr dienende Einrichtung der H***** ohne das nach den Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen dieser Einrichtung festgesetzte Entgelt ordnungsgemäß zu entrichten, verschafft hatten, wissentlich missbraucht, indem sie

a) im Rahmen von Fahrscheinkontrollen bei Vorweisen eines ungültigen Fahrscheines die Einhebung des nach den Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen festgesetzten Entgelts samt vorgesehenem Zuschlag unterließ, und es dabei ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass dadurch den H***** ein 3.000 Euro nicht übersteigender Vermögensnachteil entsteht;

b) dazu beigetragen, indem sie ihrer Tochter Franziska S***** einen mit ihrer Dienstnummer gekennzeichneten Fahrschein übergab, die diese im Fall der Fahrscheinkontrolle in die Lage versetzte, dass von der Einhebung der für eine ohne gültigen Fahrschein durchgeführte Fahrt zu bezahlende Konventionalstrafe abgesehen werde, wobei sie wusste, dass die bei der H***** als Kontrollorgane eingesetzten Mitarbeiter der Se***** GmbH dadurch wissentlich ihre durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Arbeitsvertrag eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, und zwar zivilrechtliche Ansprüche der Se***** GmbH namens der H***** gegen Personen geltend zu machen, die sich die Beförderung durch die dem öffentlichen Verkehr dienende Einrichtung der H***** ohne das nach den Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen dieser Einrichtung festgesetzte Entgelt samt vorgesehenem Zuschlag ordnungsgemäß zu entrichten verschafft hatten, missbrauchten, und es dabei ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass dadurch den H***** ein 3.000 Euro nicht übersteigender Vermögensnachteil zugefügt wird;

A/II Erich Ac***** Karin S***** und einen weiteren Mitarbeiter, und zwar Pawel B*****, zu der zu A/I/1/a geschilderten Vorgangsweise bestimmt, indem er sie anwies, im Rahmen ihrer Tätigkeit bei Vorweisen gekennzeichneter ungültiger Fahrscheine die Einhebung des nach den Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen festgesetzten Entgelts samt vorgesehenem Zuschlag zu unterlassen, wobei Erich Ac***** wusste, dass die Mitarbeiter der Se***** GmbH dadurch wissentlich ihre durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Arbeitsvertrag eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, und zwar zivilrechtliche Ansprüche der Firma Se***** GmbH namens der H***** gegen Personen geltend zu machen, die sich die Beförderung durch die dem öffentlichen Verkehr dienende Einrichtung der H***** ohne das nach den Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen dieser Einrichtung festgesetzte Entgelt ordnungsgemäß zu entrichten, missbrauchen, wobei er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass dadurch den H***** ein 3.000 Euro nicht übersteigender Vermögensnachteil entsteht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch A/II richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erich Ac*****.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass den Schuldsprüchen A/I/1 und A/II ein nicht geltend gemachter Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) zum Nachteil der Angeklagten anhaftet, der von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Nach den erstgerichtlichen Annahmen setzte die Se***** GmbH als externe Dienstleisterin Eigenpersonal ein, um im Auftrag der Ho***** GmbH (kurz: H*****) in Verkehrsmitteln, die von der H***** betrieben wurden, Fahrscheinkontrollen durchzuführen. Den Mitarbeitern der Se***** GmbH, Karin S***** und Pawel B*****, wurde „durch Arbeitsvertrag die Befugnis eingeräumt, namens der H***** zivilrechtliche Ansprüche der Se***** GmbH geltend zu machen ,“ und zwar gegen jene Personen, die sich die Beförderung durch Betriebsmittel der H***** verschafft hatten, ohne das dafür festgesetzte Entgelt zu entrichten. Wurde anlässlich einer Fahrscheinkontrolle in einem öffentlichen Verkehrsmittel einem Kontrolleur kein gültiger Fahrschein vorgezeigt, war eine Gebühr von 60 Euro einzuheben. Zudem gingen die Tatrichter von einem durch Erich Ac***** veranlassten wissentlichen Befugnismissbrauch der Karin S***** und des Pawel B***** und einer von den Angeklagten durch die Tathandlungen gewollten Schädigung der H***** aus. Infolge der Anweisung des Erich Ac***** haben nach dem Urteilssachverhalt sowohl Karin S***** als auch Pawel B***** die dargelegte Befugnis wissentlich missbraucht, indem sie im Rahmen von Fahrscheinkontrollen bei Vorweisen eines ungültigen Fahrscheines die Einhebung des nach den Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen der Einrichtung festgesetzten Entgelts samt vorgesehenem Zuschlag bei mehreren Kontrollen unterließen (US 13 f).

Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung nach § 153 StGB nicht.

Der Tatbestand der Untreue setzt voraus, dass der Vermögensnachteil demjenigen erwächst, über dessen Vermögen der Täter verfügt, oder den zu verpflichten er befugt ist ( Kirchbacher/Presslauer in WK 2 StGB Rz 36 mwN).

Untreue ist Missbrauch rechtlich eingeräumter Verfügungsmacht; der Täter ist nach seiner Vertretungsmacht nach außen, nicht aber nach seinen Verpflichtungen im Innenverhältnis zu seinem Tun berechtigt (RIS Justiz RS0094545; RS0094733).

Eine den Mitarbeitern der Se***** GmbH eingeräumte rechtliche Vertretungsmacht über das Vermögen der H***** zu verfügen, ist den Festellungen nicht zu entnehmen. Diese gehen vielmehr von „zivilrechtlichen Ansprüchen der Se***** GmbH namens der H*****“, einer Dispositionsbefugnis durch den "Arbeitsvertrag" und dem Willen zur Schädigung der H***** aus.

Zu A/I/1/b fehlen zudem Feststellungen, nach denen die durch Übergabe eines speziell gekennzeichneten Fahrscheines unterstützte Tathandlung zumindest in das Versuchsstadium gelangte (US 15; RIS Justiz RS0090016; RS0090539; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 94, 96 f und 109 f). Ein mangels konkreter Verwendung des Fahrscheines bloß versuchter Beitrag wäre straflos ( Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 108 ff).

Damit ist die amtswegige Aufhebung des Urteils im spruchgemäßen Umfang bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Rückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Erstgericht unumgänglich (für den zweiten Rechtsgang vgl RIS Justiz RS0094677).

Mit seinen Rechtsmitteln war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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