JudikaturJustiz11Os27/03

11Os27/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Harald Eduard K***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht 6. Dezember 2002, GZ 031 Hv 153/02y-41, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Klinner, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Harald Eduard K***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I) und des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Z 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

I. Herbert G***** dadurch, dass er ihm den Wirkstoff "Oxazepam" verabreichte, wodurch dieser infolge Übermüdung einschlief, sohin mit Gewalt gegen seine Person, fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar

A) am 25. Mai 2002 einen Bargeldbetrag von zumindest 80 EUR,

B) am 31. Juli 2002 einen Bargeldbetrag von zumindest 70 EUR;

II. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung derartiger Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachgenannte Personen durch die Behauptung, er sei als Kriminalbeamter zur Einhebung der anführten Bargeldbeträge berechtigt, mithin durch Täuschung über Tatsachen, indem er sich fälschlich für einen Beamten ausgab, wobei er jeweils eine Totalfälschung eines Dienstausweises vorwies und zum Teil auch Bankauftragsbestätigungen, auf denen er als Empfänger den Vermerk "Bundespolizei-Sicherheitsbüro" angebracht hatte, vorlegte, sohin falsche Urkunden und falsche Beweismittel benutzte, zur Ausfolgung nachstehend angeführter Bargeldbeträge, somit zu Handlungen, die diese am Vermögen schädigten bzw geschädigt hätten,

A) verleitet, und zwar

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch A:

In der undifferenziert ausgeführten Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) vermisst der Beschwerdeführer Feststellungen über die Erinnerungsfähigkeit des Zeugen G***** und kritisiert das Ergebnis der Beweiswürdigung, wonach an der "grundsätzlichen Glaubwürdigkeit" des Zeugen kein Zweifel bestehe als undeutlich.

Sein Einwand versagt schon deshalb, weil ihm die entscheidungswesentliche Relevanz fehlt. Geht doch aus den Erwägungen der Tatrichter (US 19 f) unmissverständlich hervor, dass sich die "etwas verwirrenden Angaben" des Zeugen lediglich auf die Höhe des ihm entwendeten Geldbetrages beziehen. Das Erstgericht ist aber ohnehin von der niedrigeren der von diesem genannten Summen ausgegangen (US 21).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen bedurfte es auch keiner Auseinandersetzung mit der - nach Ansicht des Angeklagten wegen der insbesondere aufgrund des krankheitsbedingt eingeschränkten Allgemeinzustandes des Zeugen G***** auch sonst bestehenden Diebstahlsgelegenheit nicht gegebenen - Sinnhaftigkeit einer Verabreichung des Beruhigungsmittels, weil das (bloße) Motiv des Täterverhaltens fallbezogen keine entscheidungswesentliche - also für die rechtliche Beurteilung oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebliche - Tatsache betrifft (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 26b).

Schließlich ist auch der Vorwurf einer unzureichenden Begründung der Feststellung einer Beifügung von Oxazepam in die dem Zeugen G***** vorgelegten Liptaueraufstrichbrote nicht berechtigt, weil sich der Schöffensenat keineswegs damit begnügt hat, im Zusammenhang mit der Behauptung des Angeklagten, G***** hätte auch Suchtabhängige vom Karlsplatz zu Hause empfangen, nur auf die fehlende Deckung durch aktenkundige Beweisergebnisse und dass es sich um eine "völlig aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung" handle (US 19), zu verweisen, sondern aufgrund der festgestellten Medikamentenbeimischung, der übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und des Zeugen G***** hinsichtlich der Verabreichung der Liptaueraufstrichbrote zum Verzehr, der Schilderung der Vergiftungssymptome durch das Tatopfer und des Gutachtens des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. V***** welchen Beweisergebnissen nur völlig unkonkrete, spekulative Behauptungen des Angeklagten gegenüberstanden, in mängelfreier, den Grundsätzen logischen Denkens entsprechender Beweiswürdigung auf die Täterschaft des Beschwerdeführers schloss. Tatsächlich vermag dieser weder formelle Begründungsfehler hinsichtlich entscheidungswesentlicher Tatsachen noch eine Unvertretbarkeit der beweiswürdigenden Erwägungen aufzuzeigen, sondern laufen seine Einwände auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Anfechtung der freien richterlichen Beweiswürdigung hinaus.

Gleiches gilt für die Kritik an der unterbliebenen Auseinandersetzung mit den divergierenden Angaben des Zeugen G***** hinsichtlich der Höhe der entfremdenden Geldbeträge, des (zunächst vermissten, dann jedoch wiedergefundenen) Mobiltelefons und der vom Angeklagten mit dem Geld durchgeführten Einkäufe, wobei der Beschwerdeführer sowohl die bezügliche Urteilsbegründung (US 19 f) als auch den Umstand übergeht, dass ihm die Wegnahme des Mobiltelefons gar nicht angelastet wurde.

Verfehlt ist auch die in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vertretene Auffassung, die Verabreichung betäubender Mittel stelle keine Gewalt im Sinne des § 142 StGB dar. Neben physischer Kraftentfaltung ist nämlich nach gesicherter Rechtsprechung und herrschender Lehre der Einsatz eines Betäubungsmittels, dessen chemische Wirkstoffe zu einem einer längeren Bewusstlosigkeit des Opfers gleichzusetzenden Schlaf führen, Gewalt im Sinne von § 142 Abs 1 StGB (vgl Eder-Rieder in WK2 Rz 22; Mayerhofer StGB5 E 4; Fabrizy StGB8 Rz 2; Kienapfel BT II3 Rz 27 jeweils zu § 142 StGB). Im Zusammenhang mit dem Verbrechen der Vergewaltigung normiert § 201 Abs 1 letzter Satz StGB, dass eine Betäubung sogar als schwere Gewalt anzusehen ist. Die in der Beschwerde zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes betreffen lediglich die physische Gewaltanwendung und sind daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch B:

Das gegen die Qualifikation gewerbsmäßiger Begehung der Betrügereien gerichtete Beschwerdevorbringen (undifferenziert Z 5 und Z 10) übergeht prozessordnungswidrig, dass der erkennende Schöffensenat seine Feststellungen zur subjektiven Tatseite mit den tristen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten, seiner Beschäftigungs-, Einkommens-, und Vermögenslosigkeit sowie der Tatwiederholung innerhalb kurzer Zeit begründet hat (US 27). Dass er zur Feststellung der subjektiven Tatseite die verba legalia benützte, stellt weder einen formellen Begründungsmangel (Z 5) noch einen Feststellungsmangel im Sinne der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO dar, zumal der Rechtsmittelwerber nicht angibt, welche anderen Konstatierungen hätte getroffen werden müssen.

Der Rüge zuwider bedurfte es auch keiner Auseinandersetzung mit jenem Teil der Verantwortung des Angeklagten, wonach dieser die Betrügereien vom 23. Juli bis 1. Augst 2002 zum Zwecke der Beschaffung von Drogen zur Selbstmordverübung mit einer Überdosis dieser Suchtmittel begangen habe, weil das behauptete Motiv gewerbsmäßige Tatgegehung nicht ausschließt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Harald Eduard K***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 142 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit welcher er eine wesentliche Herabsetzung der Freiheitsstrafe beantragt.

Das durch zahlreiche Vorstrafen getrübte Vorleben des Angeklagten lässt bisher nicht die geringsten Ansätze erkennen, dass er einen rechtstreuen und arbeitsamen Lebenswandel zu führen gewillt ist. Er hat sich daher seine Mittellosigkeit selbst zuzuschreiben. Damit liegt - entgegen der Berufung - der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 10 StGB nicht vor (Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 16). Die geringe Schadenssumme stellte keinen besonderen Milderungsgrund dar. Das teilweise Geständnis wurde bei der Strafzumessung ohnedies berücksichtigt.

Die Höhe der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe ist insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall ein Monat nach Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe durchaus angemessen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.