JudikaturJustiz11Os26/08w

11Os26/08w – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dong Hai W***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Juni 2007, GZ 095 Hv 35/07y 236, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, wird in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Schuldspruch II, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dong Hai W***** des Verbrechens der schweren Nötigung als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (I.) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien und an anderen Orten

I. „in der Zeit von 27. April 2000 bis Anfang Juni 2000 in wiederholten Angriffen" (US 10 jedoch: ein Angriff vor dem 27. April 2000) einen unbekannten Täter dazu bestimmt, Chu Yun T***** und Jiang Tao T***** durch telefonische Äußerungen, nämlich

1. am 27. April 2007 des Inhalts, er fordere 2,6 Mio ATS, ansonsten werde etwas passieren;

2. am 30. April 2000 des Inhalts, wenn er das Geld nicht bekäme, werde er nicht mit einem Gewehr, sondern mit einer Bombe in das Geschäftslokal der Familie T***** kommen und alle in die Luft sprengen;

3. am 2. Mai 2000 durch die Äußerung, wenn er nicht 1,3 Mio ATS bekäme, werde etwas passieren;

4. am 8. Mai 2000 durch die Äußerung, wenn die Familie T***** das Geld nicht hätte, müsse er etwas nachhelfen, sie sollten ihn nicht unterschätzen,

sohin durch gefährliche Drohung mit Sprengmitteln, zur Zahlung der genannten Geldbeträge zu nötigen, wobei es beim Versuch blieb;

II. im Februar 1996 ein fremdes Gut, das ihm anvertraut worden war, nämlich einen im Eigentum der L***** stehenden Lkw Mercedes Benz im Wert von 150.000 ATS (10.900 Euro), sich oder Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder Dritte dadurch unrechtmäßig zu bereichern, „indem er das Fahrzeug in die Y***** GmbH einbrachte und die Ratenzahlungen einstellte".

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 8, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zum Schuldspruch I.:

Dem Eingehen auf die umfangreiche Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass das Gericht gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO verpflichtet ist, in der schriftlichen Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung mit Bestimmtheit anzugeben, welche Taten als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah.

Das erkennende Gericht ist jedoch weder gehalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen und Verfahrensergebnisse im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen, noch sich mit den Beweisresultaten in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen auseinanderzusetzen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 428).

Dass aus den (formell einwandfrei) ermittelten Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, die Erkenntnisrichter sich aber mit plausibler Begründung für eine diesem abträgliche Variante entschieden haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) mit Mängelrüge unbekämpfbar.

Die unter Nichtigkeitsdrohung stehende Begründungspflicht besteht ausschließlich für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen. Darunter sind solche zu verstehen, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (§§ 260, 270 Abs 2 Z 4, 5, 281 Abs 1 Z 5 StPO; Ratz , WK StPO § 281 Rz 21 ff, 399 ff).

Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ist dann gegeben, wenn das Gericht bei der Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den Aussagen vernommener Personen nicht würdigt oder seinen Feststellungen widerstreitende Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es die Beweise für stichhaltig erachtet.

Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und grundlegenden empirischen Erfahrungssätzen über Kausalzusammenhänge ein Schluss auf die zu begründende Tatsache nicht ziehen lässt. Der gegen bloß willkürlich getroffene Feststellungen gerichtete Nichtigkeitsgrund ist jedoch nicht gegeben, wenn die angeführten Gründe bloß nicht genug überzeugend erscheinen oder wenn neben dem nichtigkeitsfrei gezogenen Schluss noch andere Folgerungen denkbar sind.

Aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt.

Die in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, welche erst in der Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch über entscheidende Tatsachen führen, kann aus Z 5 nicht bekämpft werden, es sei denn, die Tatrichter hätten in einem besonders hervorgehobenen Einzelpunkt erkennbar eine notwendige Bedingung für Feststellungen hinsichtlich einer entscheidenden Tatsache erblickt (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 399 ff; 409 f; 12 Os 38/04 uva).

Soweit sich der Beschwerdeführer bezüglich der Feststellung, der Angeklagte habe es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass die von ihm beauftragte Person den Mitgliedern der Familie T***** mit Tod, Entführung oder Bombenanschlägen drohen wird, um sie zur Geldübergabe zu bewegen (US 10, 20), auf den Grundsatz „in dubio pro reo" beruft, verlässt er den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl dazu RIS Justiz RS0102162). Mit dem Vorbringen, dass weder die vom Angeklagten der Familie T***** per Fax übermittelten Schreiben noch die unmittelbar von ihm geführten Telefonate Drohungen beinhalten, beschränkt er sich auf eine in dieser Form im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter, die sich auf das Wissen des Angeklagten stützten, dass ihn die Familie T***** für den Täter eines im April 1997 auf Jiang Hang T***** verübten Attentats mit einer Schusswaffe hielt, und der gut informierte Anrufer durch die Äußerung, er werde nicht mit einem Gewehr, sondern mit einer Bombe in das Geschäft der T*****s kommen, gerade darauf Bezug nahm (US 8, 20).

Gleiches gilt für die - gegenteilige Lebenserfahrung behauptende - Kritik an der tatrichterlichen Ableitung für die Annahme, der Angeklagte wäre davon ausgegangen, dass die bloße Einschaltung eines Dritten nicht genüge, um die Familie T***** zur Befriedigung seiner Forderungen zu bewegen, und hätte deshalb die qualifizierte Nötigung in Auftrag gegeben (US 20). Der Vergleich mit Rechtsanwälten und Inkassobüros versagt mangels jeglichen Fallbezugs.

Die Konstatierungen zu den inkriminierten Telefonanrufen gründeten die Tatrichter auf die für insgesamt glaubwürdig befundenen Aussagen der Zeugen Jiang Tao T***** und Chu Yun T***** in Verbindung mit den Ergebnissen der Rufdatenrückerfassung; sich daraus ergebende zeitliche Differenzen berücksichtigten sie ebenso wie Erinnerungslücken der letztgenannten Zeugin (US 17 f).

Indem die Rüge die tatrichterliche Beurteilung der Aussagen dieser Zeugen mit „im Wesentlichen widerspruchsfrei" (US 18) als aktenwidrig kritisiert, weil diese tatsächlich Widersprüche aufgewiesen hätten, verkennt sie das Wesen dieses formellen Begründungsmangels.

Dem Beschwerdestandpunkt entgegen handelte es sich fallbezogen um kein erhebliches ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 421; 11 Os 116/04, EvBl 2005/81, 356 mwN) - und somit zur Erreichung voller Bestimmtheit iSv § 270 Abs 2 Z 5 StPO (11 Os 41/05x ua) gesondert erörterungsbedürftiges - Verfahrensergebnis, was die Zeugin Chu Yun T***** im Detail zur Entgegennahme des ersten Anrufes und zu den Aufzeichnungen über die Telefonate sagte, wann sich der Anrufer mit dem Namen Du B***** vorstellte, wann die Anrufe und die jeweiligen Anzeigeerstattungen erfolgten, wer von den Ehegatten T***** die einzelnen Gespräche führte und wieweit das Telefax vom 5. Mai 1997 als „Erpresserbrief" einzustufen sei.

Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch psychologische Vorgang als solcher ist der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS Justiz RS0106588).

Indem der Beschwerdeführer der Überlegung der Tatrichter, wonach sich die Annahme der Beauftragung des unmittelbaren Täters durch den Angeklagten „naheliegenderweise" daraus ergebe (US 19), dass sonst niemand Interesse an der Befriedigung der Forderung des Angeklagten gehabt hätte, die spekulative Möglichkeit der Tatbegehung durch irgendeinen über den Konflikt zwischen dem Angeklagten und der Familie T***** informierten Dritten entgegenhält, zieht er sich neuerlich bloß darauf zurück, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer lediglich im Einzelrichterverfahren im Gesetz vorgesehenen Weise in Frage zu stellen.

Dem Aktenwidrigkeit behauptenden Beschwerdevorbringen zuwider hat das Erstgericht lediglich festgestellt, dass die Telefonate vom 30. April 2000, 2. Mai 2000 und 8. Mai 2000 verifiziert worden wären. Die Konstatierung des Mitschnitts eines Telefonats bezog sich - aktenkonform - auf das (nicht inkriminierte) Telefongespräch vom 20. Mai 2005 (vgl US 17 iVm US 19).

Die Erwägungen des Nichtigkeitswerbers zu seiner Einschätzung der Stellung des „Du B*****" lassen keinen Zusammenhang mit entscheidenden Tatsachen erkennen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt zunächst im Wesentlichen das bereits zur Mängelrüge ausgeführte Argument der zeitlichen Divergenz zwischen den Angaben der Zeugen Chu Yun T***** und der Rufdatenrückerfassung betreffend die Telefonate vom 27. April 2000. Damit werden aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch wegen Bestimmung zu qualifizierter Nötigung tragenden entscheidenden Tatsachen erweckt.

Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt der Mehrzahl von Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS Justiz RS0118780, RS0119583).

Die Beschwerdekritik an der - auf Basis der Übersetzung der gerichtlich beeideten Dolmetscherin und Übersetzerin Mag. U***** in der Hauptverhandlung erfolgten - Feststellung, wonach die Ehegatten T***** (auch) im letzten Absatz des per Fax an sie übermittelten Schreibens des Angeklagten vom 5. Mai 2000 eine Drohung mit einer schrecklichen, gegen ihre Familie gerichteten Tat erblickt hatten (US 13), betrifft keine vom Schuldspruch umfasste Tat.

Die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts in den Entscheidungsgründen sind - der Rechtsrüge (Z 9 lit a) entgegen - nicht der Anknüpfungspunkt für die Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeit. Ein Rechtsfehler läge nur dann vor, wenn der im Erkenntnis über die Schuld (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) zum Ausdruck kommende rechtliche Schluss aus dem gesamten Sachverhaltssubstrat des Urteils nicht ableitbar wäre ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 413; jüngst 13 Os 75/07i).

Mit der Behauptung, die Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, dass der Angeklagte einen Dritten dazu bestimmte, die Familie T***** anzurufen und durch „Einschüchterung" zur Geldübergabe „zu bewegen" (US 22), würden den Schuldspruch nicht zu tragen vermögen, verfehlt die Rüge diesen gesetzlichen Bezugspunkt, weil sie die Feststellungen US 10 übergeht, die unter anderem eine iSv § 106 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierte gefährliche Drohung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) enthalten.

Auch darüber hinaus entbehrt das Vorbringen einer prozessförmigen Darstellung, weil ohne Ableitung aus dem Gesetz lediglich behauptet wird, die festgestellte Anstiftung zu einer Drohung mit Sprengmitteln (US 10) sei zu einer begründeten Besorgniserregung ungeeignet.

Inwiefern zur Beurteilung der deliktsspezifischen Eignung der Drohung die Konstatierung notwendig sein sollte, welche Vorsichtsmaßnahmen die Polizei den Ehegatten T***** deshalb empfohlen hat, vermag der Nichtigkeitswerber ebenfalls nicht fundiert aufzuzeigen, zumal es angesichts des normierten Merkmals der bloßen Eignung einer Äußerung zur Herbeiführung einer solchen Folge rechtlich unerheblich ist, ob sie beim Bedrohten oder einem Dritten tatsächlich Besorgnis erregt hat ( Jerabek in WK² § 74 Rz 33).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu vom Angeklagten erstatteten Äußerung gemäß § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen.

Zum Schuldspruch II.:

Abweichend von der Formulierung des Anklagevorwurfs (ON 206), der Angeklagte habe das „Fahrzeug nach Polen verkauft" (S 229/II), hat das Erstgericht den Angeklagten schuldig erkannt, den ihm anvertrauten, im Eigentum der L***** stehenden Lkw Mercedes Benz sich oder einem Dritten mit Bereicherungsvorsatz dadurch zugeeignet zu haben, dass er ihn „in die Y***** GmbH einbrachte" (US 6, 7).

Dem auf § 281 Abs 1 Z 8 gestützten Beschwerdevorbringen zuwider wurde dadurch keine die Vorschrift des § 267 StPO verletzende Überschreitung der Anklage bewirkt, denn das Gericht ist an die Auffassung des Anklägers nur so weit gebunden, als die Straftat in der Anklage individualisiert ist (RIS Justiz RS0098484), was fallbezogen vor allem durch die Beschreibung des Tatobjekts und des Tatopfers sowie des vom Angeklagten ins Auge gefassten strafgesetzwidrigen Erfolgs geschah ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 512). Die Identität der Tat geht auch dann nicht verloren, wenn das Urteil - wie hier - abweichend von der Anklage andere, in den Rahmen des Gesamtverhaltens des Angeklagten fallende Handlungen, aus denen der strafgesetzwidrige Erfolg resultiert, in den Kreis seiner Erwägungen einbezieht und den in der Anklage individualisierten Sachverhalt einer anderen rechtlichen Beurteilung unterzieht (neuerlich RIS Justiz RS0098484, Ratz , WK StPO § 281 Rz 513).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zur fehlenden Zueignungshandlung aber ist berechtigt.

Unter Zueignen iSd § 133 Abs 1 StGB ist eine Überführung eines Gutes bzw des in ihm verkörperten Wertes in das eigene freie Vermögen oder das eines Dritten zu verstehen. Dadurch muss zwar nicht eine dauernde Sachherrschaft über die Sache begründet werden; erforderlich ist aber, dass es sich um eine widerrechtliche (weil sonst nur dem Eigentümer zukommende) Verfügung handelt, die die Sicherheit des Berechtigten, je wieder zur Sache zu gelangen, ernsthaft in Zweifel stellt, sie also der Möglichkeit ihres endgültigen Verlustes preisgibt. Ein Vorenthalten allein ist nicht tatbildlich (RIS Justiz RS0094102, RS0094222; 15 Os 12/01, EvBl 2001/144 = RZ 2002/3, 41).

Die Erstrichter (US 6, 7) gingen jedoch lediglich davon aus, dass der Angeklagte das ihm als Geschäftsführer einer Gesellschaft anvertraute Fahrzeug „als sein Vermögen" in eine andere Gesellschaft „einbrachte", den Leasinggeber davon und vom späteren ungeklärten Verbleib des Wagens nicht informierte und sämtliche Zahlungen einstellte. Dabei hielt er es nach den tatrichterlichen Annahmen ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass das Fahrzeug dem Leasinggeber entzogen wird und er seine Vermögenssituation bzw die der Firma Y***** verbessert, obwohl er wusste, dass ihm das Fahrzeug vom Eigentümer nur zum entgeltlichen Gebrauch überlassen wurde.

Offen bleibt danach, inwiefern - vor allem im Hinblick auf die (zumindest) in der Person des Geschäftsführers bestehende Personalunion zwischen den Gesellschaften, deren Sitz am selben Ort (Wien) und den gleichen Unternehmensgegenstand - die Leasinggeberin dadurch im Vergleich zur Nutzung des Fahrzeugs (ausschließlich) zu Gunsten der einen Gesellschaft größerer Gefahr des Verlustes ihres Eigentums ausgesetzt gewesen wäre. Die „Einstellung der Ratenzahlung" stellt per se keine Zueignungshandlung dar.

Schon bei nichtöffentlicher Beratung zeigt sich die Unmöglichkeit einer Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof, vielmehr ist bei aufrecht erhaltenem Anklagevorwurf die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden (§ 285e StPO).

Ohne dass es des Eingehens auf die weiteren Rechtsmitteleinwände bedurft hätte, war daher mit Aufhebung des Schuldspruchs II - somit überdies des gesamten Strafausspruchs - vorzugehen.

Dem vom Beschwerdeführer aus § 281 Abs 1 Z 8 StPO zutreffend gerügten Verstoß gegen § 262 StPO ist durch die Erörterung im Rechtsmittelverfahren der Boden entzogen, weil damit der Schutz- und Warnfunktion dieser Bestimmung im Sinne einer Fairness des Verfahrens (Art 6 Abs 1, Abs 3 lit a, lit b MRK) auch für das neu durchzuführende Verfahren ausreichend entsprochen wurde (11 Os 65/08f mwN).

Der Umstand, dass die Nötigung beim Versuch blieb, wird bei der Strafbemessung im zweiten Rechtsgang ebenso zu beachten sein (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Sen]) wie die bloß einmalige Bestimmungshandlung (US 10).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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