JudikaturJustiz11Os23/07b

11Os23/07b – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20. November 2006, GZ 412 Hv 3/06x-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der - im Übrigen unberührt bleibende - Wahrspruch der Geschworenen, wonach die von der Hauptfrage 1 umfasste Tat eine schwere Körperverletzung zur Folge gehabt habe, damit der darauf beruhende Schuldspruch - der im Übrigen unberührt bleibt - in der Unterstellung der Tat unter die Qualifikation des § 201 Abs 2 erster Fall StGB sowie demzufolge der Strafausspruch - jedoch nicht der unbekämpfte Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche - aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Mit seiner aus § 345 Abs 1 Z 13 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruches verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian R***** aufgrund des Wahrspruches der Geschworenen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster „und dritter" Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 22. März 2006 in Wien eine Person mit Gewalt zur Vornahme und Duldung von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen genötigt, indem er Verica J***** auf ein Bett stieß, mit einem Knie ihren Bauch fixierte, ihr mit der Hand gegen das Gesicht schlug, sie aufforderte, sich völlig zu entkleiden, sie mit einem Gürtel wiederholt auf ihr Gesäß und ihre Oberschenkel sowie ihre Scheide schlug, sie in ihre Duschkabine zerrte und kalt abbrauste, wiederholt in eine Brustwarze biss, von ihr einen Mundverkehr an seinem Geschlechtsteil durchführen ließ, sie zwang, sich Kerzen in ihre Scheide zu stecken, ihr dabei wiederholt in das Gesicht schlug, seine ganze Hand in ihre Scheide und seine Finger in ihren After steckte und sie dann aufforderte seine Finger abzulecken, wobei die Tat bei Verica J***** eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte und die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch (ca 2 Stunden) in einen qualvollen Zustand versetzt und besonders erniedrigt wurde.

Die Geschworenen hatten die anklagekonforme (ON 32 iVm S 37/II) Hauptfrage in Richtung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster und dritter Fall StGB bejaht und die Zusatzfrage in Richtung § 11 StGB verneint; weitere Fragen waren ihnen nicht vorgelegt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte wendet sich dagegen mit einer aus § 345 Abs 1 Z 4, 12 und 13 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert an sich zutreffend, dass entgegen § 340 Abs 2 StPO der Obmann der Geschworenen nicht die an diese gerichteten Fragen, sondern bloß deren Bezeichnung („Hauptfrage 1", „Zusatzfrage 1") verlas (S 61, 103/II). Es ist jedoch unzweifelhaft erkennbar, dass diese Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 345 Abs 3 StPO), weil eine Verwechslung der Fragen und Antworten aktuell auszuschließen ist.

Die mit Subsumtionsrüge (Z 12) vorgenommene Bekämpfung der Qualifikation des durch die Tat bewirkten längerzeitigen Versetzens der vergewaltigten Person in einen qualvollen Zustand (§ 201 Abs 2 dritter Fall StGB) negiert die Gesamtheit der festgestellten Tathandlungen in einer ebenfalls konstatierten Zeit von ca 2 Stunden (US 3, 4) und entzieht sich mit beweiswürdigenden Spekulationen zur Dauer der Vergewaltigung einem meritorischen Eingehen. Mit Blick auf §§ 290 Abs 1 Satz 2, 344 StPO sei auf die ständige Judikatur zu diesem Qualifikationsmerkmal verwiesen (Schick in WK² § 201 Rz 33; Mayerhofer StGB5 § 201 E 31a, 32, 32a; 11 Os 132/02 ua), weshalb ebenso wenig ein Grund für ein amtswegiges Vorgehen des Obersten Gerichtshofes besteht wie gemäß § 362 Abs 1 Z 1 StPO hinsichtlich des in Zweifel gezogenen Zeitraumes der Tathandlungen, die nicht bloß durch jene Zeit, während der der Angeklagte Lichtbilder des Opfers anfertigte, begrenzt war (vgl S 137, 139, 145, 171, 243 ff/I). Die Subsumtionsrüge (Z 12) gegen die Annahme der Qualifikation der besonderen Erniedrigung erschöpft sich in der Behauptung, die im Wahrspruch festgestellten tatbestandserfüllenden Tatsachen „könnten nicht nochmals gesondert als besonders erniedrigend gewertet werden". Dabei versäumt sie jedoch jegliche juristische Argumentation zum Verhältnis dieser Qualifikation mit jener des längeren qualvollen Zustandes, die zusammen und rechtlich gleichwertig den dritten Fall in § 201 Abs 2 StGB darstellen (RIS-Justiz RS0095318 und Mayerhofer StGB5 § 201 E 31) und deshalb nicht gesondert voneinander angefochten werden können. Da im Gegenstand die Anfechtung des längeren qualvollen Zustandes erfolglos blieb, fehlt der Rüge der besonderen Erniedrigung somit der Bezugspunkt, zumal sie überdies die über die dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen hinaus konstatierten Vorgänge außer Acht lässt und somit nicht der Erledigung nach §§ 285c Abs 2, 286 ff StPO bedarf.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Zutreffend macht der Beschwerdeführer jedoch einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605, 613 und 616) zum Qualifikationsmerkmal der schweren Körperverletzung nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB geltend: Diesbezüglich ist dem Wahrspruch nämlich lediglich der Begriff „posttraumatische Belastungsstörung" zu entnehmen, was nicht einmal als Feststellung einer Schädigung an der Gesundheit (vgl dazu Burgstaller/Fabrizy in WK² § 83 Rz 10; s auch RIS-Justiz RS0030778, RS0030792, RS0031111) ausreicht und daher umsoweniger die Annahme der in Rede stehenden Qualifikation begründen kann (13 Os 36/01, JBl 2002, 129; 12 Os 79/04, JBl 2005, 670 und folgend Schick in WK² § 201 Rz 30).

Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst hatte somit noch nicht einzutreten, vielmehr ist die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung zur entsprechenden Konkretisierung der Hauptfrage (vgl hiezu S 467 f/I, 53 f/II) im Sinne der von der Aufhebung betroffenen Qualifikation (Schindler, WK-StPO § 312 Rz 34) - was aber entgegen der Ansicht des Nichtigkeitswerbers nicht den bloß in der Rechtsbelehrung erforderlichen Hinweis auf die für die Verwirklichung der Erfolgsqualifikation notwendige Fahrlässigkeit betrifft (aaO Rz 46) - nicht zu vermeiden, weshalb im spruchgemäßen Ausmaß gemäß §§ 285e, 344 StPO vorzugehen war.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde aus § 345 Abs 1 Z 13 StPO sowie der Berufung war der Angeklagten auf die Kassation des Sanktionsausspruches zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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