JudikaturJustiz11Os168/08b

11Os168/08b – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ivan M***** und Dragan F***** wegen Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 22. Juli 2008, GZ 31 Hv 59/08x 46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, der Angeklagten und ihres Verteidigers Dr.Gressel zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch (der rechtsrichtig auf § 336 StPO zu stützen gewesen wäre) des Angeklagten Ivan M***** enthaltenden, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Ivan M***** jeweils des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 12 dritter Fall, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1./) und des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (3./) sowie jeweils eines Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach §§ 12 dritter Fall, 241e Abs 1 StGB (2./), des Diebstahls nach § 127 StGB (4./) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (5./), Dragan F***** jeweils des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1./) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (3./) sowie jeweils eines Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (2./), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (4./), des Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 127 StGB (5./) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (6/) schuldig erkannt.

Danach hat bzw haben

Dragan F***** am 13. März 2008 in A*****

1./ Sebastian L***** dadurch, dass er eine Gaspistole gegen ihn richtete, ihn mithin gefährlich mit dem Tod bedrohte, und die Herausgabe der Bankomatkarte sowie die Bekanntgabe des PIN Codes forderte, zu Handlungen, nämlich zur Übergabe der Bankomatkarte und zur Bekanntgabe des PIN Codes genötigt;

2./ durch die unter 1./ genannte Tathandlung sich ein fremdes unbares Zahlungsmittel, nämlich die Bankomatkarte des Sebastian L***** mit dem Vorsatz verschafft, sich durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig zu bereichern;

3./ Sebastian L***** dadurch, dass er eine Gaspistole gegen ihn richtete und die Herausgabe von Bargeld forderte, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld von 1.500 Euro mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

4./ Sebastian L***** dadurch, dass er ihn in seiner Wohnung einsperrte, widerrechtlich gefangen gehalten und ihm die persönliche Freiheit entzogen;

5./ dadurch, dass er Ivan M***** die entfremdete Bankomatkarte des Sebastian L***** übergab und ihm den PIN Code bekanntgab, zur Ausführung der in der Hauptfrage VII. - gemeint: im Schuldspruch des Ivan M***** zu 4./ - genannten Straftaten des Ivan M***** beigetragen;

Ivan M*****

zu 1./, 2./ und 3./ von Ende Februar 2008 bis 13. März 2008 in A***** und in G***** dadurch, dass er Dragan F***** vorschlug, Sebastian L***** auszurauben, mit ihm die Tatausführung plante, ihm seine Gaspistole zur Verfügung stellte und am 13. März 2008 Chauffeur- und Aufpasserdienste leistete, zur Ausführung der in den Hauptfragen I., II. und III. - gemeint: in den Schuldsprüchen des Dragan F***** zu 1./, 2./ und 3./ - genannten Straftaten des Dragan F***** beigetragen;

4./ am 13. März 2008 fremde bewegliche Sachen nachgenannten Verfügungsberechtigten durch Bankomatbehebung mit der entfremdeten Bankomatkarte des Sebastian L***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

a./ Bargeld von 400 Euro Verfügungsberechtigten des Bankomaten der Volksbank;

b./ Bargeld von 400 Euro Verfügungsberechtigten des Bankomaten der Raiffeisenkasse;

Dragan F***** (zu 6./) und Ivan M***** (zu 5./) gemeinsam als Mittäter am 13. und 14. März 2008 in A***** und G***** dadurch, dass Dragan F***** dem Sebastian L***** das Mobiltelefon und den Wohnungsschlüssel wegnahm und die SIM Karte des Mobiltelefons aus dem fahrenden PKW warf, sowie dadurch, dass Ivan M***** das Mobiltelefon in die Salzach und den Wohnungsschlüssel in eine Mülltonne warf, Sebastian L***** geschädigt, indem sie fremde bewegliche Sachen aus dessen Gewahrsame dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen.

Die Geschworenen haben sämtliche Hauptfragen - mit Ausnahme der stimmeneinheitlich verneinten Hauptfrage VI.d nach von Ivan M***** als Beitragstäter begangener Freiheitsentziehung - bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagte mit einer gemeinsam ausgeführten, jeweils auf Z 6 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Dieser kommt keine Berechtigung zu.

Sowohl im Rahmen der Fragenrüge 345 Abs 1 Z 6 StPO) als auch der Subsumtionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO) kritisieren beide Beschwerdeführer unter Berufung auf eine Kommentarmeinung (Eder Rieder in WK2 § 142 Rz 66), wonach bei idealkonkurrierendem Zusammentreffen von Raub und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB kein Bedarf für einen Schuldspruch wegen Nötigung bestehe, dass sie zusätzlich zum Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, der Angeklagte Ivan M***** als Beitragstäter, schuldig erkannt worden seien. Sie lassen dabei jedoch außer Acht, dass ihnen aktenkonform - nicht nur die Abnötigung der Bankomatkarte des Beraubten, sondern auch die qualifizierte Erzwingung der Preisgabe des dazu gehörigen PIN Codes zur Last liegt, die weder vom Schuldspruch nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB noch von jenem nach § 241e Abs 1 StGB erfasst wird.

Insofern verfehlt die Fragenrüge, die sich an den Ergebnissen des Beweisverfahrens zu orientieren hätte, eine prozessförmige Darstellung ebenso wie die Subsumtionsrüge, die am Wahrspruch der Geschworenen Maß zu nehmen hätte.

Der Angeklagte Dragan F***** bekämpft weiters die gesonderte Stellung der Hauptfrage IV./ in Richtung des Vergehens der Freiheitsentziehung und argumentiert, es handle sich um eine - vom Verbrechen des schweren Raubes konsumierte - (insoweit nicht differenzierend) typische Begleit- bzw eine straflose Nachtat.

Richtig ist, dass beim Verbrechen des Raubes alle Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung des räuberischen Vorsatzes bis zur materiellen Vollendung der Tat als einer gesonderten strafrechtlichen Zuordnung nicht zugängliche Einheit anzusehen sind. Diese einheitliche Beurteilung verschiedener Phasen der Raubtat als eine einzige strafbare Handlung setzt einen unmittelbaren und sachlichen Zusammenhang zwischen ihnen voraus. Danach geht etwa eine gegen die Person des Opfers gerichtete Nötigung dann im Tatbestand des Raubes auf, wenn diese mit der Sachwegnahme noch im Zusammenhang steht (gleichgültig, ob als Mittel der Durchsetzung des deliktischen Vorhabens oder zur Sicherung der Beute und zur Einleitung der Flucht). Nur in einem solchen Fall liegt ein Scheinkonkurrenzverhältnis vor (RIS Justiz RS0093085, RS0093485).

Die Abnötigung des Bargelds erfolgte gegenständlich durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Gaspistole, sodass Konsumtion der Freiheitsentziehung als typische Begleittat ausscheidet. Diese setzte vielmehr erst nach materieller Vollendung des Raubes ein. Eine Nachtat ist nur straflos, wenn sie gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist und keinen über die Haupttat hinausreichenden Schaden bewirkt ( Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 31 Rz 66). Dies trifft auf die Freiheitsentziehung weder im Verhältnis zum bereits abgeschlossenen Raub noch übrigens in jenem zur Abnötigung von Bankomatkarte und PIN Code zu (für echte Konkurrenz nach Raubvollendung auch Eder Rieder in WK2 § 142 Rz 69). Weil das Raubopfer nach bereits erfolgter Abnötigung der Raubbeute einem erheblichen (überdies weder allein dem Erhalten der Beute noch dem Entkommen der Täter dienenden) Eingriff in das Rechtsgut der persönlichen Freiheit ausgesetzt war, konkurriert das Vergehen des § 99 Abs 1 StGB angesichts der Verwirklichung durch eine selbstständige Straftat mit schwerem Raub.

Entgegen den Beschwerdeausführungen unterstellte das Erstgericht somit rechtsfehlerfrei die von den Geschworenen aufgrund richtiger Rechtsbelehrung festgestellten Tathandlungen den Tatbildern der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB bzw der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, weswegen die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen waren.

Das Geschworenengericht verhängte über Ivan M***** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe von 5 ½ Jahren, über Dragan F***** nach derselben Gesetzesstelle eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren.

Bei der Strafzumessung wertete es das umfassende und reumütige Geständnis beider Angeklagter, bei Dragan F***** weiters die bisherige Unbescholtenheit und die Tatsache, dass sich beide Angeklagte freiwillig den Strafverfolgungsbehörden gestellt hätten, als mildernd; als erschwerend hingegen bei Ivan M***** die einschlägige Vorverurteilung und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit drei Vergehen, bei Dragan F***** das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit vier Vergehen.

Den gegen den Strafausspruch erhobenen Berufungen der Angeklagten, die eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafen unter das gesetzliche Mindestmaß und deren zumindest teilweise bedingte Nachsicht anstreben, kommt keine Berechtigung zu. Zwar sind, wie zutreffend ausgeführt, die Milderungsgründe um die Schadensgutmachung zu ergänzen, doch kann unter Berücksichtigung des beträchtlichen Handlungsunwerts, der Täterschuld und der jeweils mehrfachen Tatbegehung von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe keine Rede sein, zumal die freiwillige Stellung bei den Strafverfolgungsbehörden mit der Einschränkung zu sehen ist, dass beide Angeklagte bereits informiert waren, dass nach ihnen gefahndet werde. § 41 StGB dient als Korrektiv von im Einzelfall zu hohen Mindeststrafdrohungen etwa bei untergeordneter Beteiligung oder in Fällen atypisch leichter Verwirklichung schwerwiegender Straftaten (RIS Justiz RS0102152, RS0091376), seine Anwendung ist sohin auf Ausnahmekonstellationen beschränkt, die in dem konkreten Fall nicht zu ersehen sind. Ausgehend von dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen ist somit die über Dragan F***** ausgesprochene Sanktion als Mindeststrafe einer Reduktion unzugänglich, die über Ivan M***** verhängte Strafe, die diese nur um ein halbes Jahr überschreitet, angesichts der einschlägigen Vorstrafenbelastung ohnedies moderat, sodass auch deren Herabsetzung ausscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.