JudikaturJustiz11Os158/01

11Os158/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. März 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ernst Leopold F***** wegen § 21 Abs 1 (§§ 107 Abs 1 und Abs 2; 15, 87 Abs 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. August 2001, GZ 5a Vr 605/01-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Betroffenen und seines Verteidigers Dr. Trappel zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst Leopold F***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Danach hat er in Wien unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte,

1) am 3. Februar 2001 Auguste P*****, auf die er zuvor massiv eingeschlagen hatte, durch die Äußerung, er werde sie abstechen bzw sie umbringen, gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

2) am 9. April 2001 dadurch versucht, Auguste P***** eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen, dass er mit einem Stanleymesser auf sie losging und ihr Kratzwunden an der rechten und linken Halsseite vom Ohr abwärts sowie eine Kratzwunde am Hals zufügte,

mithin mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Taten begangen, die ihm außerhalb dieses Zustandes als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie als Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 16, 87 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wären. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, welcher jedoch - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, deren Argumentation sich der Oberste Gerichtshof anschließt - keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Tatsachenrüge (Z 5a) zum Faktum 1) weist der Betroffene auf seine stets leugnende Verantwortung sowie auf die Angaben seiner Mutter Auguste P***** hin, wonach Worte wie "ich bringe dich um" in der Familie öfter gefallen, auch von dieser selbst gegenüber ihrem Sohn gebraucht, aber "nicht so wortwörtlich genommen" worden seien (S 539/I) und wonach sie auch keine Angst vor einer Realisierung der Drohung gehabt habe (S 541 unten/I).

Damit vermag er aber keine sich aus dem Akteninhalt ergebenden erheblichen Bedenken gegen die dem Schuldspruch zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Es trifft zwar zu, dass Auguste P***** in der Hauptverhandlung die gelegentliche Verwendung derartiger Worte dem Betroffenen gegenüber eingeräumt hat, doch übergeht der Beschwerdeführer die daran anschließenden Hinweise der Zeugin auf seine brutale Vorgangsweise, welche sie in diesem Fall zur Annahme der Ernsthaftigkeit der Drohung veranlasst habe (S 539, 541/II), und lässt im Übrigen außer Betracht, dass die Erfüllung des Tatbestandes des § 107 StGB die tatsächliche Versetzung des Bedrohten in Furcht und Unruhe nicht zur Voraussetzung hat (Leukauf/Steininger Komm3 RN8; Foregger/Fabriziy StGB7 Rz 5; Mayerhofer StGB5 Anm 4; Schwaighofer WK2 Rz 9; jeweils zu § 107 StGB). Dass es sich bei der inkriminiertne Drohung nach Meinung des Beschwerdeführers bloß um eine nicht ernst gemeinte Äußerung gehandelt hätte, hat das Erstgericht unter Hinweis auf sein gewaltättiges Verhalten zutreffend abgelehnt, weshalb die darauf bezogenen Beschwerdeeinwände auf eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung hinauslaufen. Im Rahmen der Z 5a wendet sich der Beschwerdeführer aber auch gegen ihm zur Anlasstat 2) unterstellte Absicht, seiner Mutter eine schwere Körperverletzung zuzufügen, indem er auf die unterbliebene Verwendung der Klinge, der Art der zugefügten Verletzungen ("Kratzwunden") sowie darauf hinweist, dass sich aus dem gesamten Akteninhalt keine Hinweise auf eine solche Absicht ergäben.

Abgesehen davon, dass nach dem Sachverständigengutachten die festgestellten (Kratz )Verletzungen ohne Einsatz eines Teils der Klinge gar nicht möglich gewesen wären (S 547/I), was der Beschwerdeführer im Übrigen auch im Wesentlichen bestätigte (S 525/I), lässt schon die aktenkundige - in der Regel mit Lebensgefahr verbundene - Begehungsweise (Zufügen von Verletzungen mit einer scharfen Messerklinge im Halsbereich und im Gesicht, verbunden mit der Äußerung "ich zerschneid' dir das Gesicht" - S 219, 255, 533, 543; 547/I) auf die Absicht des Nichtigkeitswerbers schließen, seine Mutter schwer zu verletzen (Leukauf/Steininger aaO § 87 RN 5; 14 Os 36/93). Auch mit diesem Vorbringen vermag der Betroffene keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit entscheidender Tatsachen zu erwecken.

Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Faktum 1), es fehle an Feststellungen darüber, dass es dem Betroffenen "gerade darauf ankam", seine Mutter in Furcht und Unruhe zu versetzen, ist insofern beizupflichten, als mit dem Wort "wollen" allein - angesichts der in jeder Vorsatzform enthaltenen Willenskomponente - noch nicht die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters umschrieben wird (Leukauf/Steininger aaO § 5 RN 5; 10 Os 25/81). Aus den Feststellungen zum gesamten Tatgeschehen, insbesondere den die Drohung begleitenden Gewalttätigkeiten (US 5 f) im Zusammenhalt mit der Urteilsannahme, dass "der Betroffene durch die angeführten Äußerungen Auguste P***** in Furcht und Unruhe versetzen wollte ..." (US 6) ergibt sich die Annahme der Tatrichter, dass es ausschließlicher Zweck dieser Drohung war, das Tatopfer in einen Zustand der Furcht und Unruhe zu versetzen, sodass es einer zusätzlichen Verbalisierung der damit unmissverständlich konstatierten Absicht nicht bedurfte.

Auch in Ansehung des Faktums 2) haftet dem Ersturteil kein entscheidungsrelevanter Feststellungsmangel an.

Denn der Beschwerdeauffassung zuwider stellen die entsprechenden Urteilsannahmen (US 6, 7: "... führte das Stanleymesser mit der ausgefahrenen Klinge dreimal gegen ihren Kopf, wobei es ihm darauf ankam, seine Mutter dadurch schwer zu verletzen"; "Der Betroffene wollte dadurch seine Mutter schwer verletzen. Es kam nur deshalb zu keinen schweren Schnittverletzungen, weil die Klinge zu wenig aus der Halterung ragte und der Betroffene damit nicht gerechnet hatte") eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der inneren Tatseite des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB dar. Mit dem Hinweis auf die beabsichtigten "schweren (Schnitt )Verletzungen" hat das Erstgericht ersichtlich auf den Begriff der "schweren Körperverletzung" iSd § 84 Abs 1 StGB Bezug genommen, der dahingehend definiert wird, dass darunter alle Tatfolgen mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit oder eine "an sich schwere" Verletzung oder Gesundheitsschädigung zu verstehen sind.

Da zur Erfüllung des inneren Tatbestandes des § 87 Abs 1 StGB die Absicht ausreicht, (auch nur) einen der im § 84 Abs 1 StGB genannten Erfolge herbeizuführen (Kienapfel BT I4 Rz 6; Burgstaller WK1 Rz 7, jeweils zu § 87 StGB), bedurfte es - mangels rechtlicher Relevanz - keiner weiteren Präzisierung der Erfolgsalternativen dieses Tatbestandes.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen war daher zu verwerfen.