JudikaturJustiz11Os145/02

11Os145/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Dezember 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weiser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Joseph A***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Juli 2002, GZ 043 Hv 59/02p-90, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch und demgemäß im Strafausspruch sowie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben. Die Sache wird in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Joseph A***** (richtig: nur) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich Heroin und Kokain sowie in geringerem Umfang auch Haschisch und Marihuana mit jeweils nicht mehr feststellbarem, zumindest aber durchschnittlichem Wirkstoffgehalt in Verkehr gesetzt, indem er es an nachgenannte Personen verkaufte, und zwar:

1. von Anfang 1999 bis 30. Mai 2000 in Teilmengen insgesamt rund 26 Gramm Heroin und von Dezember 2000 bis 30. November 2001 in Teilmengen insgesamt rund 150 Gramm Heroin an Werner S*****;

2. von April bis 30. November 2001 in Teilmengen rund 150 Gramm Heroin an Birgit N*****;

3. von Anfang Jänner bis Mitte Mai 2001 in Teilmengen insgesamt rund neun bis zwölf Gramm Heroin und 4,5 bis sechs Gramm Kokain an Michael K*****;

4. von Sommer bis Ende November 2001 in Teilmengen insgesamt rund 1,5 Gramm Kokain an Maja A*****;

5. von August bis November 2001 in Teilmengen insgesamt rund zwölf Gramm Kokain an Denise M*****;

6. von Ende September bis Mitte/Ende November 2001 in Teilmengen rund 40 Gramm Marihuana an Suleiman H***** und Christian F*****;

7. von September bis Ende November 2001 in Teilmengen insgesamt zwölf bis achtzehn Gramm Haschisch und Marihuana an Harald H*****;

8. von 1998 bis 30. November 2001 in zahlreichen Fällen weitere nicht mehr feststellbare Mengen Heroin und Kokain an unbekannte Abnehmer. Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass das Urteil mit einer vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit behaftet ist, welche sich zu seinem Nachteil auswirkt. In der rechtlichen Beurteilung führt das Erstgericht zutreffend die Gesetzeslage sowie die ständige Judikatur zur Begehung des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG an. Danach kann das Verbrechen nach Abs 2 leg cit auch durch eine Folge von Einzelakten begangen werden, wenn diese objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden und wenn dabei auf der subjektiven Tatseite der mindestens bedingte Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfasst (Mayerhofer Nebenstrafrecht4 § 28 SMG E 9f). Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 28 Abs 3 erster Fall SMG erfordert, dass der Täter zwar in der Absicht handelt (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch wiederkehrendes Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge (das ist die im § 28 Abs 2 SMG bezeichnete Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Unerheblich ist dabei jedoch, ob die von der Absicht des Täters auf fortlaufende Einnahmegewinnung umfassten großen Suchtgiftmengen auf einmal oder bewusst kontinuierlich in Teilmengen in Verkehr gesetzt werden sollen. Es kann daher auch ein fortlaufendes - der Zielsetzung des § 70 StGB entsprechendes - Tatgeschehen, bei dem die Grenzmenge überschritten wurde, nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG qualifiziert sein, sofern der Vorsatz des Täters bei Vornahme der die Grenzmenge erreichenden Teilakte darauf gerichtet war, die Tat durch weitere Teilakte, die jeweils zur Summierung des Suchtgiftes zu einer großen Menge führen sollen, zu wiederholen (JBl 2001/802; 15 Os 139/00 ua).

Das Erstgericht hat zur subjektiven Tatseite lediglich festgestellt:

"Bei der Durchführung seiner Suchtgiftgeschäfte nahm es der Angeklagte zumindest billigend in Kauf, dass die von ihm verkaufte Suchtgiftmenge geeignet war, eine Gefahr für Menschen und ihre Gesundheit darzustellen und fand sich damit ab, wobei er es in der Absicht tat, durch den wiederkehrenden Verkauf sein Einkommen zu verbessern" (US 8).

Diese Konstatierungen vermögen die Unterstellung der Tat unter § 28 Abs 2 sowie Abs 3 erster Fall SMG nicht zu tragen. Weder ein Vorsatz auf Inverkehrsetzen einer großen Menge Suchtgift noch auf kontinuierliche Begehung unter Einbeziehung des Additionseffektes wurde festgestellt. Zur Gewerbsmäßigkeit ist nur eine Verbesserung des Einkommens angeführt, nicht jedoch die Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung einer Tat nach § 28 Abs 2 SMG eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Diese Feststellungsmängel gereichen dem Angeklagten zum Nachteil und erfordern eine neue Hauptverhandlung. Das Urteil war daher aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten in einer nichtöffentlichen Sitzung sofort aufzuheben.

Mit seinen Rechtsmitteln war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bleibt anzumerken, dass auch ein Begründungsmangel (Z 5) im Sinne der Beschwerde vorliegt, weil sich die Tatrichter mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens, insbesondere den Aussagen der Zeugen Christian F***** und Denise M***** in der Hauptverhandlung nicht auseinandergesetzt und zum Urteilsfaktum 8 keine ausreichende und überprüfbare Begründung gegeben haben. Hingegen sind sie bei der Strafzumessung zu Recht von dem für Erwachsene geltenden Strafrahmen ausgegangen, weil die Sondervorschrift des § 36 StGB dann nicht anzuwenden ist, wenn der Rechtsbrecher das gleiche Verbrechen vor und nach Erreichung der Altersgrenze begangen hat (vgl Mayerhofer Nebengesetze4 § 5 JGG E 8ff).

Im erneuerten Verfahren wird das erkennende Gericht insbesondere die subjektive Tatseite zu klären, ausreichend festzustellen und tragfähig zu begründen haben.

Rechtssätze
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