JudikaturJustiz11Os141/14s

11Os141/14s – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Dezember 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jochen G***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, AZ 27 HR 231/14h (mittlerweile 18 Hv 42/14v) des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 13. Oktober 2014, AZ 11 Bs 305/14m (ON 42 der Hv Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Jochen G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Soweit sie sich gegen Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch wendet, wird sie zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 22. September 2014, GZ 27 HR 231/14h 26, lehnte der Einzelrichter des Landesgerichts Feldkirch den Enthaftungsantrag des Jochen G***** ab und setzte die über ihn am 9. August 2014 verhängte (ON 8) und mit Beschluss vom 22. August 2014 (ON 11) fortgesetzte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Verdunkelungs und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 und 3 lit a, b und c StPO neuerlich fort.

Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit der Maßgabe nicht Folge, dass der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 StPO zu entfallen hat, und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO an.

Dabei erachtete das Beschwerdegericht Jochen G***** dringend verdächtig, in Dornbirn und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15 fache der Grenzmenge übersteigenden Menge mit an die kontinuierliche Tatbegehung geknüpftem Additionsvorsatz anderen in einer Vielzahl von Angriffen durch Verkauf überlassen zu haben, und zwar

a) von Mai 2014 bis 5. August 2014 320 Gramm Marihuana und 440 Gramm hochwertiges Kokain an Christian H*****

b) von Anfang 2014 bis Juli 2014 von 300 Gramm Cannabis und 120 Gramm Kokain an Aaron M*****.

Die als sehr wahrscheinlich eingestufte Annahme der Überlassung einer das 15 fache der Grenzmenge übersteigenden Menge leitete das Oberlandesgericht aus den die Qualität betreffenden Angaben des Rolf K***** und Stefan B***** ab (BS 6; ON 6 S 91 f; ON 29 S 23). Durch die Bezeichnung der Fundstelle in den Akten wurde vom Beschwerdegericht ein das Kokain betreffender Reinheitsgehalt von 55 % bis 85 %, somit ein solcher, der zumindest dem Übersteigen des 15 fachen der Grenzmenge entspricht, hinreichend deutlich angenommen.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Oberlandesgericht dabei den dringenden Verdacht des Verbrechens des Suchgifthandels nach § 28a Abs 1 (zu ergänzen: fünfter Fall), Abs 2 Z 3 SMG.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde wendet mangelnde Verhältnismäßigkeit bzw Substituierbarkeit der Untersuchungshaft gegen gelindere Mittel ein.

Soweit sich die Beschwerde auch gegen nicht näher bezeichnete, vor Erschöpfung des Instanzenzugs ergangene Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch wendet, verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt (§ 1 Abs 1 GRB; RIS Justiz RS0061078) und war daher zurückzuweisen.

Nach § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO darf die Untersuchungshaft nicht verhängt oder aufrecht erhalten werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht.

Soweit die Unverhältnismäßigkeit behauptende Beschwerde bei der gegen das Beschwerdegericht gerichteten Argumentation weder die Bedeutung der Sache noch die zu erwartende Strafe thematisiert, sondern auf das Erfordernis einer stationären Therapie wegen Vorliegens einer Suchtproblematik, auf Verzögerungen bei der körperlichen Entwicklung, auf das Vorliegen einer schweren Erkrankung, einen Suizidversuch und die Gefahr der Verschlechterung seines Zustands durch die Haft verweist, geht die Kritik bereits im Ansatz fehl, weil weder die Frage der Vollzugstauglichkeit noch jene der Therapiebedürftigkeit ein Kriterium der Zulässigkeit der Untersuchungshaft betrifft (vgl RIS-Justiz RS0118876; RS0113913; 14 Os 121/00, 14 Os 85/98, 14 Os 133/10f). Gesundheitlichen Bedenken wäre vielmehr durch ärztliche Betreuung, oder falls zur sachgemäßen Behandlung erforderlich durch Überstellung in ein Krankenhaus zu begegnen.

Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerde-verfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der im § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt (RIS Justiz RS0117806). Das Oberlandesgericht leitete die hohe Gefahr weiterer Tatbegehung des bereits zwei Mal nach dem SMG Vorbestraften Beschuldigten und die Nichtannahme der Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel (§ 173 Abs 5 StPO) aus einer vernetzten Betrachtung mehrerer Umstände, nämlich aus der bestehenden dringenden Verdachtslage, dem einschlägig getrübten Vorleben, der aktenkundigen Rückfallslabilität sowie der langjährigen Suchtgiftergebenheit des Jochen G***** ab, der trotz beruflicher und sozialer Integration in der Suchtgiftszene verblieb (BS 6 ff). Die Möglichkeit der Substituierung der Haft durch stationäre Therapie verneinte das Beschwerdegericht, weil dem in den Akten befindlichen Schreiben der Z***** GmbH lediglich eine bloß unter mehreren Bedingungen in Aussicht gestellte Therapieplatzreservierung zu entnehmen sei. Den Entscheidungsgründen zufolge stand einem Vorgehen nach § 173 Abs 5 StPO überdies entgegen, dass eine von Jochen G***** vom 26. bis 30. April 2014 zur Entwöhnung und zur Herbeiführung eines Reflexionsprozesses durchgeführte Nescure Basic Therapie erfolglos geblieben sei (BS 7 f).

Entgegen der eine Scheinbegründung behauptenden Grundrechtsbeschwerde, die auf das Prinzip „Therapie statt Strafe“ verweist, die Unterlassung der Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie zum Nachweis einer Jochen G***** betreffenden Suchterkrankung kritisiert und moniert, dass die Entscheidung nicht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne Anhörung der Mutter des Beschwerdeführers getroffen worden sei, sind die dargelegten Erwägungen des Beschwerdegerichts unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Im Übrigen wies das Oberlandesgericht die Verteidigung zu Recht darauf hin, dass über die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden war (§ 89 Abs 1 StPO).

Indem die Beschwerde unter Bezugnahme auf eine hier nicht den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung bildende Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz in einer anderen Strafsache vorbringt, dass eine Haftverbüßung nachhaltige Wirkung habe oder spekuliert, dass die Mehrzahl der Straftäter nie mehr rückfällig würden, dem erfolgreichen Abschluss einer stationären Therapie Chancen bis zu 63 % einräumt und auf dieser Basis das von Jochen G***** ausgehende Risiko „für mehr als überschaubar bis nicht vorhanden“ hält, zeigt sie mit Blick auf die Verdachtslage weder eine Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft noch eine Willkür der Begründung deren mangelnder Substituierbarkeit auf.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher in diesem Umfang ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Rechtssätze
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