JudikaturJustiz11Os138/00

11Os138/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Samir E***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Einzelrichters des Jugendgerichtshofes Wien vom 28. Juli 2000, GZ 11 E Vr 293/00-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein und des Verteidigers Mag. Reissmann, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Die vom Einzelrichter des Jugendgerichtshofes Wien in der Strafsache gegen Samir E***** wegen §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 11 E Vr 293/00, am 28. Juli 2000 gefassten Beschlüsse (S 241) verletzen, soweit darin zum Ausdruck gebracht wird, dass die zeugenschaftliche Befragung des Kriminalbeamten Franz H***** über die Identität zweier Informanten keinen der Amtsverschwiegenheit unterliegenden Umstand betreffe, § 151 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 46 Abs 1 und Abs 4 B-DG.

Text

Gründe:

Gegen Samir E***** wurde im Verfahren AZ 11 E Vr 293/00 des Jugendgerichtshofes Wien ein Antrag auf Bestrafung wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und z 3 StGB sowie des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und Abs 2 StGB gestellt.

In der Hauptverhandlung vom 28. Juli 2000 verlangte der Einzelrichter vom als Zeugen vernommenen Kriminalbeamten Franz H***** die Mitteilung der Namen zweier Vertrauenspersonen, deren Informationen ua Gegenstand der Polizeianzeige waren (S 99, 239). Der Zeuge verweigerte die Preisgabe der Identität der Informanten unter Berufung auf seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und mit dem Hinweis, dass diese Personen der Begehung einer strafbaren Handlung nicht verdächtig seien. Zwei hierauf von der Anklagevertreterin gestellte Anträge auf Einholung einer Entscheidung der dem Beamten vorgesetzten Dienstbehörde über die Entbindung des Zeugen von der Amtsverschwiegenheit lehnte der Einzelrichter mit der Begründung ab, dass die Identität der Informanten nicht dem Amtsgeheimnis unterliege, weil es sich um "konkrete Zeugen zu einem konkreten Anklagevorwurf" handle (S 241). Nach Belehrung des Zeugen H***** durch den Einzelrichter über die möglichen Folgen einer Zeugnisverweigerung (§ 160 StPO) wurde die Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt.

Am 8. September 2000 verfügte der Einzelrichter die Abfertigung einer Note an das Bezirkspolizeikommissariat Währing mit dem Auftrag zur Bekanntgabe "von Namen und Anschriften der bisherigen Anonymzeugen" unter abermaligem Bezug auf § 160 StPO (S 1b verso des AV-Bogens). Dieses Ersuchen blieb bislang unbeantwortet.

Die vom Einzelrichter in der Hauptverhandlung am 28. Juli 2000 gefassten Beschlüsse stehen - wie der Generalprokuratur in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 151 Abs 1 Z 2 StPO ist die Vernehmung von Staatsbeamten als Zeugen bei sonstiger Nichtigkeit ihrer Aussage unzulässig, wenn sie durch ihr Zeugnis das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, sofern sie von dieser Verschwiegenheitspflicht nicht durch ihre Vorgesetzten entbunden sind.

Unter den Begriff des Amtsgeheimnisses (siehe Art 20 Abs 3 B-VG und § 46 Abs 1 B-DG) fallen ua alle Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.

Prinzipiell nicht dem Amtsgeheimnis unterstellt sind Umstände, die der Beamte als Organ im Dienste der Strafjustiz dem Gericht mitteilen muss (§ 24 letzter Satz StPO) oder hinsichtlich derer gemäß § 84 StPO Anzeigepflicht besteht.

Die Identität einer Person, die der Sicherheitsbehörde unter der Zusage der Wahrung ihrer Anonymität Informationen zur Aufklärung einer Straftat zukommen ließ und die nicht selbst in Verdacht der Begehung eines Offizialdelikts steht, gehört jedoch nach hM (Platzgummer Strafverfahren8 91; Bertel/Venier Strafprozessrecht6 Rz 369; Mayerhofer StPO4 Anm 5 zu § 151; Wedrac Vorverfahren 183; SSt 56/101 = EvBl 1986/135; EvBl 1993/30; 12 Os 87/00) - von der abzugehen kein Anlass besteht - nicht zu diesen mitteilungs- oder anzeigepflichtigen Tatsachen, sodass sie Gegenstand des Amtsgeheimnisses sein kann.

Nach Verneinung der Frage des Vorliegens eines der iSd §§ 24, 84 StPO mitteilungspflichtigen Umstände durch das Gericht obliegt die - vom Gericht zu beantragende - Entscheidung darüber, ob die begehrte Information tatsächlich ein Amtsgeheimnis darstellt und ob eine Entbindung des Beamten erfolgt, dessen Dienstbehörde (§ 64 Abs 4 B-DG; vgl Foregger/Fabrizy StPO4 § 151 Rz 9). Dabei steht dem Gericht eine Überprüfung oder Beurteilung der Beweggründe, welche die Dienstbehörde des Beamten veranlassen, eine Entscheidung dieser Art zu treffen, nicht zu.

Im konkreten Fall hat sich der als Zeuge vernommene Beamte in Bezug auf die beiden (nach der Aktenlage keiner strafbaren Handlung verdächtigen) Informanten unter Hinweis auf die Zusicherung der vertraulichen Behandlung ihrer Mitteilungen ausdrücklich auf das Amtsgeheimnis berufen (S 239). Weil die Identität dieser Vertrauenspersonen somit - der vom Einzelrichter vertretenen Ansicht zuwider - keinen für den Beamten dem Gericht iSd §§ 24, 84 StPO mitteilungspflichtigen Umstand darstellte, verletzten die angefochtenen Beschlüsse, soweit darin ausgesprochen wurde, dass die Befragung des Beamten zur genannten Thematik keinen Gegenstand betreffe, der unter den Begriff Amtsverschwiegenheit falle, § 151 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 46 Abs 1 und Abs 4 B-DG.

Mangels Wirkung der angefochtenen Beschlüsse zum Nachteil des Beschuldigten - ein Vorgehen im Sinn der Anträge der Staatsanwaltschaft ist im fortgesetzten Verfahren sowohl amtswegig wie auch über neuerlichen Antrag möglich - war die Gesetzesverletzung nur festzustellen (§ 292 StPO).

Rechtssätze
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