JudikaturJustiz11Os116/00

11Os116/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. März 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krische als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf T***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10. Jänner 2000, GZ 33 Vr 2419/98-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Wiesauer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Finanzamtes wird dahin Folge gegeben, dass die Anwendung der §§ 26 Abs 1 FinStrG, 43 Abs 1 StGB aus dem angefochtenen Urteil ausgeschaltet wird.

Im Übrigen wird dieser Berufung sowie jener des Angeklagten nicht Folge geben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf T***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG schuldig erkannt, weil er vom 10. April 1990 bis 10. Juni 1991 in Linz als Präsident des (Fußball )Vereins "LASK" vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von Lohnkonten (§ 76 EStG) eine Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe für den Zeitraum März 1990 bis Mai 1991 von insgesamt 1,546.658 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist nicht im Recht.

Die Ablehnung des Antrages auf Vernehmung des technischen Direktors (des Fußballvereins) Franz E***** als Zeuge bedeutet entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte, weil das Schöffengericht den Urteilsfeststellungen ohnedies die als Beweisthema genannten Umstände zugrundegelegt hat (vgl Beweisantrag S 154 und US 9).

Die Mängelrüge (Z 5) ist unbegründet.

Das Gericht ist gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO verpflichtet, die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen und darin mit Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen werden und aus welchen Gründen dies geschah. Dabei hat es die Beweismittel nicht nur einzeln sondern in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig zu prüfen und letztlich nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Es ist aber nicht verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen von Angeklagten und Zeugen sowie sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin zu erörtern und darauf zu untersuchen, wieweit die einzelnen Angaben oder Beweismittel für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen. Es hat vielmehr nur alle entscheidungswesentlichen Umstände einer Prüfung zu unterziehen und diese zu würdigen. Dass aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können, als es das Erstgericht getan hat, stellt einen Akt der freien Beweiswürdigung dar. Nur eine den Denkgesetzen widersprechende Begründung bewirkt einen Nichtigkeitsgrund (EvBl 1972/17 ua).

Dieser gesetzlichen Verpflichtung sind die Tatrichter nachgekommen. Sie haben ihre Feststellungen insbesondere auf die den Angeklagten belastenden Angaben des Zeugen Rudolf H***** vor dem Finanzamt Linz am 20. Juli 1994 gestützt (US 10). In ihrer Beweiswürdigung beachteten sie auch die davon abweichenden Aussagen dieses Zeugen in der Hauptverhandlung (US 13). Darüber hinaus haben sie alle wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens berücksichtigt und einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Beweiswürdigung entspricht den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens.

In seinem Rechtsmittel, welches das Urteil als undeutlich und unzureichend begründet sowie mit Widersprüchen und Aktenwidrigkeiten behaftet bezeichnet, versucht der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus einzelnen Beweisen, die er teils noch gesondert und nicht in ihrem Gesamtzusammenhang betrachtet, andere Ergebnisse abzuleiten als der Schöffensenat, wobei er dessen Begründung immer dann als "unschlüssig" bezeichnet, wenn sie seinen Interessen widerspricht. Damit zeigt er aber keinen formellen Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf, sondern bekämpft nur die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung; dies ist jedoch im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig.

Zudem verkennt der Nichtigkeitswerber den Begriff der Aktenwidrigkeit. Eine solche ist nämlich nur dann gegeben, wenn in der Urteilsbegründung als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angegeben wird, das nicht deren Inhalt bildet (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 185). Eine Aktenwidrigkeit in diesem Sinn wird aber nicht aufgezeigt.

Ein formeller Begründungsmangel liegt daher nicht vor.

Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) versagt.

Der Anfechtungstatbestand dieser Gesetzesstelle ist unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereiht und kommt daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleich (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5a E 1). Der Beschwerdeführer versucht dennoch nur neuerlich gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes anzukämpfen. Der Umstand, dass aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen auch andere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen darzutun (Mayerhofer aaO E 17). Eine unvollständige Ausschöpfung von Beweismitteln wird lediglich behauptet, aber nicht im Sinne einer genauen und bestimmten Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes dargetan.

Die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Die prozessordnungsgemäße Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat nämlich zur Voraussetzung, dass unter Heranziehung der tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen ein Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz vorgenommen und auf dieser Grundlage der Einwand entwickelt wird, dass dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Urteilssachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Auch die Behauptung von Feststellungsmängeln kann prozessordnungsgemäß nur unter Zugrundelegung aller tatsächlichen Urteilsannahmen erfolgen und erfordert die Darlegung, dass eben diese Urteilsannahmen nicht ausreichen, um eine umfassende und verlässliche Beurteilung vornehmen zu können, oder dass Verfahrensergebnisse auf bestimmte für diese Subsumtion rechtlich erhebliche Umstände hingewiesen haben und dessen ungeachtet eine entsprechende klärende Feststellung unterlassen wurde. Demgemäß ist eine Rechtsrüge, die einen Feststellungsmangel behauptet, aber dabei eine im Urteil festgestellte Tatsache verschweigt oder bestreitet, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9a E 5).

Der Einwand, die "Akontozahlungen" des Kassiers an Spieler und Trainer des Vereins hätten ausschließlich akontierte Kilometergelder und Diäten enthalten, negiert die gegenteiligen Feststellungen des Schöffengerichtes (US 5) und will nur neuerlich die Beweisergebnisse im Sinne des Beschwerdeführers umdeuten.

Soweit der Nichtigkeitswerber Feststellungsmängel zur objektiven und subjektiven Tatseite des Finanzvergehens behauptet, übergeht er sämtliche hiezu getroffenen Konstatierungen des Erstgerichtes (US 3 ff) und legt nicht dar, welche konkreten Lücken der Tatsachenkonkretisierung eine Gesetzesanwendung hindern.

Zur Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages vergleicht er wiederum nicht den Urteilssachverhalt mit dem Gesetz, sondern behauptet substanzlos deren Unrichtigkeit. Soweit er damit einen Begründungsmangel (Z 5) geltend macht, übergeht er die mängelfreien Ausführungen der Tatrichter hiezu (US 14f, 18).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (Z 9 lit b) ist Verjährung nicht eingetreten. Seine Vernehmung als Verdächtiger am 29. Juni 1994 durch das Finanzamt Linz, Prüfungsabteilung Strafsachen, begründet Verfahrensanhängigkeit im Sinn von § 31 Abs 4 lit b FinStrG, weil ihm die bei der Befragung - im Unterschied zu dem in der Beschwerde genannten, der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1983, Zl 81/16/0187 zugrunde liegende Fall - auf sein strafbares Verhalten hinweisenden Verdachtsmomente vorgehalten und die Taten, auf welche sich die Verfolgungshandlung bezog, solcherart individualisiert wurden (Dorazil/Harbich FinStrG § 31 EGr 18 und E 19a bis c, 19f). Bereits mit dieser Verfolgungshandlung wird der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt.

Darüber hinaus stellt das Schreiben des Finanzamtes Linz vom 28. Dezember 1995 (also ebenfalls noch vor Ablauf der Verjährungsfrist), womit vom Bezirksgericht Linz Buchhaltungsunterlagen beigeschafft wurden, eine Verfolgungshandlung dar; wird doch als "Gegenstand" dieser Note angeführt: "Strafrechtliche Vorerhebungen gegen Kommerzialrat Rudolf T***** und Prokurist Rudolf H***** (betreffend LASK)".

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Rudolf T***** nach § 33 Abs 5 FinStrG eine Geldstrafe von 500.000 S, an deren Stelle im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat zu treten hätte. Gemäß § 26 Abs 1 FinStrG, § 43 Abs 1 StGB wurde die Geldstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Bei der Strafzumessung wertete das Gericht als erschwerend keinen Umstand, als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des Rudolf T***** und das lange Zurückliegen der Tat.

Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufung des Angeklagten, welcher eine Herabsetzung der Geldstrafe und die Verringerung der Probezeit auf ein Jahr anstrebt, sowie die des Finanzamtes Linz, welches eine Erhöhung der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe sowie die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht begehrt.

Nur der Berufung der Finanzstrafbehörde erster Instanz kommt teilweise Berechtigung zu.

Die Tatrichter haben die Strafzumessungsgründe richtig angeführt und die Geldstrafe diesen sowie den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters entsprechend ausgemessen. Für eine Veränderung besteht auch unter Berücksichtigung des Tatzeitraumes von 14 Monaten kein Grund.

Bereits in der ersten Amtszeit von Rudolf T***** als Präsident des Fußballclubs LASK kam es infolge von Nichterfassung von Einkünften der Kaderspieler zu einer finanzbehördlichen Überprüfung und einer Anzeige gegen die damals verantwortliche Alosia W***** (die nunmehrige Gattin des Angeklagten) beim Spruchsenat des Finanzamtes Linz. Bei der Schlussbesprechung dieser Lohnsteuerprüfung war Rudolf T***** anwesend. Er wusste daher über die damals verkürzten Abgaben (US 2f). Daraus ergibt sich, dass der gegenständlichen Tat ein intensiver Täterwille zugrunde liegt, dem nur durch den tatsächlichen Vollzug der verhängten Geldstrafe begegnet werden kann. Dazu kommt, dass auch generalpräventive Gründe gegen eine bedingte Nachsicht sprechen, weil diese das Finanzvergehen insbesondere in der Fußballöffentlichkeit geradezu als Bagatelle hinstellen würde. Es war daher die bedingte Strafnachsicht aus dem angefochtenen Urteil auszuschalten.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

Rechtssätze
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