JudikaturJustiz10Os71/81

10Os71/81 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Mai 1981

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Robl als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermann A und andere wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 Z 2 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über den Antrag des Angeklagten Walter B auf Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung von Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Walter B und Kurt C jeweils gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 28. Jänner 1981, GZ 4 a Vr 339/80-115, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung wird verweigert.

Die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten und die Berufung des Angeklagten Walter B werden zurückgewiesen.

Über die Berufung des Angeklagten Kurt C wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (unter anderem) Kurt C und Walter B des Vergehens der (schweren) Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 Z 2

(im Tenor versehentlich: Z 4) StGB als Beteiligte nach § 12 (dritter Fall) StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß sie am 28. September 1979 (in Wien) zu der von mindestens drei Personen in verabredeter Verbindung mit Faustschlägen und Fußtritten verübten vorsätzlichen leichten Körperverletzung an Gerald D und Hans E beitrugen, indem sie die Täter durch Mitgehen an den Tatort in ihrem Verhalten bestärkten.

Der Angeklagte Walter B hat gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zwar rechtzeitig angemeldet, aber (nach der am 17. März 1981 erfolgten Urteilszustellung an seinen Verteidiger erst am 9. April 1981, also) verspätet ausgeführt. Er beantragt die Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Ausführungsfrist mit der Begründung, die langjährig in der Anwaltschaft tätige und verläßliche Sekretärin seines Verteidigers habe die betreffende Frist zwar richtig im Fristenbuch vorgemerkt, doch sei der Verteidiger am letzten Tag der Frist infolge einer gesundheitlichen Stärung nur für ganz kurze Zeit in seine Kanzlei gekommen; dabei habe es die Sekretärin irrtümlich unterlassen, ihn auf den nahenden Fristablauf hinzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesem Vorbringen vermag der Wiedereinsetzungswerber indessen nicht darzutun, daß es ihm ohne seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten (§ 364 Abs 1 Z 1 StPO). Denn eine Nachlässigkeit der Sekretärin dahin, daß sie den Handakt nicht ohnedies bereits - zeitgerecht und mit einem Hinweis auf den (im Fristenbuch richtig vorgemerkten) Endtermin - zur Ausarbeitung der Rechtsmittel an den Verteidiger vorgelegt gehabt hätte, wird im Antrag gar nicht behauptet. Waren aber die betreffenden Unterlagen zu diesem Zweck schon dem Verteidiger (ad personam) übergeben worden, dann oblag es im Fall einer Unpäßlichkeit, die ihn veranlaßte, 'sich in häusliche Pflege zurückzuziehen', primär ihm selbst, innerhalb der verbleibenden (und nach seinen Dispositionen offenbar dazu noch ausreichenden) Frist für eine rechtzeitige Ausführung der (keineswegs umfangreichen oder schwierigen) Rechtsmittel vorzusorgen; daß er daran etwa durch seine gesundheitliche Stärung gehindert gewesen wäre, wird gleichfalls im Antrag nicht einmal andeutungsweise vorgebracht. In der Unterlassung einer derartigen Vorsorge liegt selbst dann ein Mangel an Sorgfalt, wenn es außerdem auch noch die Sekretärin durch einen Irrtum verabsäumt hat, ihn ihrerseits nochmals auf den bevorstehenden Fristablauf aufmerksam zu machen. Sollte es aber allenfalls - wie der Vollständigkeit halber bemerkt sei - zu den Gepflogenheiten des Verteidigers gehören, sich Fristenstücke überhaupt erst am letzten Tag vorlegen zu lassen, was nach der Antragsbegründung immerhin möglich wäre, dann hätte er sich zur pflichtgemäßen Wahrung der Interessen seiner Klienten vor dem Verlassen der Kanzlei, zumal nach bloß ganz kurzer Anwesenheit, jedenfalls aus eigenem vergewissern müssen, ob nicht insoweit vorher noch entsprechende Veranlassungen zu treffen seien.

Die begehrte Wiedereinsetzung war daher zu verweigern. Dementsprechend waren die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten B schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, weil der Rechtsmittelwerber weder bei der Anmeldung noch in einer fristgerechten Ausführung einen der im Gesetz angegebenen Nichtigkeitsgründe oder jene Punkte des Erkenntnisses bezeichnet hat, durch die er sich in der Straffrage beschwert findet (§§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2; 296 Abs 2, 294 Abs 4

StPO).

Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kurt C gegen den eingangs bezeichneten Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu. Die Feststellung, daß der Beschwerdeführer - im Gegensatz zu einigen anderen (darum freigesprochenen), aber ebenso wie eine Reihe von weiteren Angeklagten - den Vorsatz hatte, die (unmittelbaren) Täter durch sein Mitfahren und Verharren am Tatort in ihrem auf die allfällige Herbeiführung einer (voraussichtlich mit Verletzungen verbundenen) tätlichen Auseinandersetzung gerichteten Vorhaben zu bestärken, ist im Urteil keineswegs unbegründet geblieben; das Erstgericht stützte sie vielmehr darauf, daß (auch) er zugegeben habe, über Aufforderung durch Peter F - ihm bei einer Konfrontation mit Schülern, die seinen Bruder mißhandelt hätten, zu helfen - an den Tatort gekommen zu sein (S 16 f/II). Diese Begründung entspricht im Hinblick auf die Angaben des Beschwerdeführers vor der Polizei, wonach er auf Veranlassung durch Peter F mit anderen Angeklagten zum Tatort gefahren sei und sich dort am Raufhandel beteiligt habe (S 113/I = S 223 in ON 87), durchaus der Aktenlage; jener Verantwortung aber, deren Inhalt sohin durch die Urteilsgründe (gleichzeitig in sinngemäßer Zusammenfassung) aktengetreu wiedergegeben wird, konnte das Jugendschöffengericht - ungeachtet dessen, daß der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung behauptete, er sei nur aus Neugierde hingefahren (S 538/I) - im Rahmen seiner Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) folgen. Die Mängelrüge (Z 5) hält daher einer Überprüfung nicht stand.

Mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinwieder versucht der Beschwerdeführer, eine Unrichtigkeit der Beurteilung seines Verhaltens als Tatbeitrag (oder 'entfernte Mittäterschaft') zu dem ihm angelasteten Vergehen daraus abzuleiten, daß seine bloße Anwesenheit am Tatort (objektiv) keine die unmittelbaren Täter in ihrem Vorhaben bestärkende Wirkung entfaltet habe, weil es dabei im Hinblick auf die große Zahl der Anwesenden auf einen mehr oder weniger gar nicht angekommen sei. Damit geht er aber nicht von den im Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen aus; hat doch das Erstgericht ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß auch er zu jenen Personen gehörte, die dadurch, daß sie im Sinn der vorausgegangenen (konkludenten) Vereinbarung zum Tatort mitfuhren und zur allfälligen Unterstützung der unmittelbaren Täter dort verharrten - weshalb ihnen im übrigen richtigerweise nicht bloß ein Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB), sondern selbst unmittelbare Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) zum Vergehen nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 Z 2 StGB (als deliktstypische Sondertäterschaftsform) anzulasten gewesen wäre (vgl EvBl 1979/146, 1977/225; Leukauf-Steininger, Komm2, RN 14 zu § 12, RN 11, 12 zu § 84) -, letztere effektiv in ihrem Vorhaben bestärkten (S 17/II). Mit dem in Rede stehenden Einwand - dessen rechtliche Bedeutsamkeit deshalb nicht erärtert zu werden braucht - bringt der Beschwerdeführer demnach den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der nur durch einen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz aufgezeigt werden kann, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Über die Berufung dieses Angeklagten dagegen ist gesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden (§ 296 Abs 3 StPO).

Rechtssätze
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