JudikaturJustiz10ObS129/19x

10ObS129/19x – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Mag. Claus Marchl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2019, GZ 8 Rs 47/19v 12, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 27. August 2018, GZ 9 Cgs 79/18p 7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 69,80 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld für das von ihr als Krisenpflegemutter betreute (am 25. 11. 2016 geborene) Krisenpflegekind A***** für den Zeitraum vom 6. 6. 2017 bis 18. 7. 2017.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, zur Subsumierung des Begriffs „Krisenpflegeeltern“ unter den Begriff „Pflegeeltern“ bestehe divergierende oberstgerichtliche Rechtsprechung. Weiters gebe es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu, unter welchen Voraussetzungen im Fall der Unterbringung eines Kindes auf einem Krisenpflegeplatz eine „dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft“ iSd § 2 Abs 6 KBGG vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch – ist die Revision nicht zulässig.

1.1 Im vorliegenden Fall gelangt das KBGG idF BGBl I 2016/53 zur Anwendung. Bezogen auf diese Rechtslage hat der Oberste Gerichtshof die im Zulassungsausspruch angesprochenen Fragen mittlerweile in der Entscheidung 10 ObS 65/19k ausführlich beantwortet.

2.1 Zum Begriff der Krisenpflegeeltern wurde klargestellt, dass die Entscheidungen 8 Ob 54/11s und 1 Ob 129/15z nicht zur Frage der Abgrenzung der Begriffe „Krisenpflegeeltern“ und „Pflegeeltern“ ergingen, sondern ausschließlich die Rechtsmittellegitimation von Dauerpflegeeltern im Obsorgeverfahren betrafen, weshalb den dort getroffenen Aussagen für die Auslegung des Begriffs „Pflegeelternteil“ in § 2 Abs 1 KBGG in der Fassung BGBl I 2016/53 keine maßgebliche Bedeutung zukomme.

2.2 Weiters wurde in der Entscheidung 10 ObS 65/19k ausgeführt, dass zur Frage, wann bei einer Krisenpflege von einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen werden kann, das Ziel einer Krisenunterbringung entweder die Reintegration in den familiären Bereich oder aber – sofern dies nicht möglich ist – eine dauerhafte Unterbringung bei Pflegeeltern ist. Charakteristisch für eine Krisenpflegeunterbringung ist daher, dass zum Zeitpunkt der Übernahme der Krisenpflege die Dauer des Verbleibs des Kindes in der Regel noch nicht absehbar ist. Erklären sich Krisenpflegeeltern bereit, ein Kind für einen unbestimmten Zeitraum (solange es nötig ist), in ihrem Haushalt zu betreuen, wird vor diesem Hintergrund mit dem ersten Tag der Übernahme ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 6 KBGG begründet. Eine ex-post-Differenzierung danach, wie lange diese Betreuung tatsächlich dauert, ist für die Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld nicht relevant.

3. Von dieser Rechtsprechung weicht die Rechtsansicht, auch im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld erfüllt, nicht ab.

4.1 Die in der Revision angesprochene – den Kinderbetreuungsgeldanspruch von Krisenpflegeeltern betreffende – Neuregelung mit dem Bundesgesetz BGBl I 2019/24 ist rückwirkend mit 1. 7. 2018 in Kraft getreten. Sie ist im vorliegenden Fall, der eine Krisenpflegeunterbringung vom 6. 6. 2017 bis 18. 7. 2017 zu Grunde liegt, noch nicht anwendbar.

4.2 Für Geburten vor dem 1. 3. 2017 (wie im vorliegenden Fall) bezieht sich die in § 5 Abs 4 KBGG idF BGBl I 2014/35 enthaltene zweimonatige Mindestbezugsdauer nur auf den Bezugswechsel zwischen den Eltern, ohne dass daraus eine allgemeine Mindestbezugsdauer abzuleiten wäre (10 ObS 115/13d).

5. Im Hinblick darauf, dass mittlerweile die Entscheidung 10 ObS 65/19k ergangen ist und in der Revision auch keine (anderen) Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt werden, ist die Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung inhaltlich auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RS0112296).