JudikaturJustiz10ObS124/11z

10ObS124/11z – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Cadilek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Martin Schloßgangl, Rechtsanwalt in Steyr, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hille-geist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. August 2011, GZ 11 Rs 88/11g 31, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. April 2011, GZ 30 Cgs 20/09w-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat seine Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 14. Mai 1967 geborene Kläger hat eine Lehre als Stukkateur mit Lehrabschlussprüfung erfolgreich absolviert. In den letzten 15 Jahren vor Antragstellung (dem 8. Oktober 2008) war er 87 Beitragsmonate als Stukkateur und weitere 14 Monate als Leasingfacharbeitskraft in diesem Beruf tätig. Aufgrund seiner medizinischen Einschränkungen ist er nicht mehr in der Lage, die Tätigkeit eines Stukkateurs (oder eines Monteurs im Trockeninnenausbau) zu verrichten.

Von April 2001 bis Februar 2003 absolvierte der Kläger im Rahmen einer von der Unfallversicherungsanstalt gewährten beruflichen Rehabilitationsmaßnahme eine Umschulung zum Sozialpädagogen in Form eines vom Berufsförderungsinstitut angebotenen viersemestrigen Ausbildungskurses mit parallel geführter Praxisausbildung. Die Tätigkeit eines Sozialpädagogen kann der Kläger trotz seiner medizinischen Einschränkungen noch ausüben.

Sozialpädagogen betreuen Jugendliche oder Kinder in unterschiedlichen Einrichtungen wie Internaten, Lehrlings- und Schülerheimen, Tagesheimen und insbesondere Horten. Ein weiterer expandierender Teil des Arbeitsmarkts besteht im Bereich der Jugendwohlfahrt; diese betrifft die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die aufgrund familiärer Schwierigkeiten einer Fremdunterbringung bedürfen, wie zB in Wohngemeinschaften. Ein weiteres Einsatzgebiet ergibt sich in Sonderbereichen, wie zB der Betreuung körperlich und/oder geistig behinderter Kinder und Jugendlicher. Bei den Einsatzgebieten eines Sozialpädagogen handelt es sich um einen in den letzten Jahren expandierenden Arbeitsmarkt. Die Anzahl der Arbeitsplätze hat im Zeitraum 2000 bis 2009 zugenommen. Unter Berücksichtigung des medizinischen Leistungskalküls des Klägers und seiner beruflichen Qualifikation bestehen für ihn realistische Chancen nach etwa sechs Monaten einen Arbeitsplatz in diesem Berufsfeld zu erlangen. Auf Basis der 2003 abgeschlossenen Ausbildung könnte der Kläger auch heute eine Arbeitsstelle erhalten, wenngleich nicht in allen Einsatzgebieten, in denen Sozialpädagogen tätig sind; er müsste zumeist betriebsinterne Einarbeitungs- und Einschulungen in der Dauer von einigen Wochen absolvieren. Der Umstand, dass der Kläger seit dem Abschluss der Ausbildung nicht als Sozialpädagoge tätig war, vermindert seine Einsetzbarkeit nicht. Die Ausbildung ist auch heute in den Grundzügen unverändert geblieben.

Trotz Abschluss seiner Ausbildung zum Sozialpädagogen war der Kläger niemals in diesem Beruf tätig. Nach Beendigung der Umschulung war er vorerst als Wacheorgan und dann (wiederum) als Stukkateur beschäftigt; zeitweise war er arbeitslos.

Mit Bescheid vom 3. März 2009 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab.

Der Kläger brachte vor, das im Zuge der Umschulung der AUVA zum Beruf eines Sozialpädagogen erworbene Zertfikat sei im praktischen Berufsleben kaum wertvoll. Seine bisherigen Bemühungen, einen Arbeitsplatz in diesem Beruf zu erlangen, seien nicht erfolgreich gewesen. Auch sei seit dem Abschluss der Ausbildung ein Zeitraum von nunmehr sieben Jahren verstrichen, weshalb die Umschulung die Verweisungstätigkeit nicht mehr erweitere. Hätte er vor Beginn der Ausbildung gewusst, dass es sich um eine solche handle, die nicht einmal mit einer Prüfung abschließe, sondern bei der nur auf ein bestimmtes Anwesenheitserfordernis abgestellt werde, hätte er die Ausbildung nicht durchgeführt.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und nahm den Standpunkt ein, die Tätigkeit als Stukkateur wäre dem Kläger weiterhin zumutbar.

Das Erstgericht wies (im ersten Rechtsgang) das Klagebegehren ab.

In seiner Berufung gegen diese Entscheidung brachte der Kläger vor, die Umschulung wäre ihm unter der Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit nicht zumutbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung (im ersten Rechtsgang) Folge und hob das Urteil des Erstgerichts auf. Es vertrat die Rechtsansicht, auch eine abgeschlossene berufliche Rehabilitationsmaßnahme, der sich ein Versicherter in der Vergangenheit unterzogen habe, sei noch im Nachhinein im Rahmen eines Verfahrens über die Zuerkennung der Invaliditätspension nach den entsprechenden Zumutbarkeitskriterien zu prüfen. Da zu dieser Frage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig.

Ein solcher wurde jedoch von keiner der Parteien erhoben.

Nach Verfahrensergänzung wies das Erstgericht das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Rechtlich ging es davon aus, dass der Kläger iSd § 255 Abs 1 ASVG in Bezug auf seinen ursprünglich erlernten Beruf als Stukkateur invalid sei; er sei aber auf den im Rahmen der Umschulung erlernten Beruf des Sozialpädagogen verweisbar. Obwohl er seit dem Abschluss seiner Ausbildung zum Sozialpädagogen eine Tätigkeit in diesem Beruf niemals aufgenommen habe, sei er infolge entsprechender Nachfrage am Arbeitsmarkt in der Lage, in diesem Beruf Fuß zu fassen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach (diesmal) aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Rechtlich ging es davon aus, dass die Umschulung zum Sozialpädagogen eine zumutbare Maßnahme der Rehabilitation darstelle, weil es sich von den Ausbildungsinhalten, den Einsatzbereichen und der Tätigkeit her um einen vergleichbar qualifizierten Beruf wie jenen des Stukkateurs und Trockenausbauers handle und eine realistische Chance bestehe, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Ausbildung zum Sozialpädagogen befähige zu einer geistigen Arbeit im Sinne einer höheren nicht kaufmännischen Tätigkeit, die einen Berufsschutz eröffnen könne und wesentlich über den Durchschnitt einer Arbeiter- oder Hilfsarbeitertätigkeit hinausgehe. Vergleiche man die Aufgaben eines Sozialpädagogen, die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bestehe, mit dem Berufsbild eines Stukkateurs (Verputzen von Wänden im Innen- und Außenbereich und der Herstellung von Leichtbauwänden sowie abgehängten Decken), könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Ausübung des Berufs eines Sozialpädagogen mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden wäre. Die Zumutbarkeit der Umschulung sei selbst dann zu bejahen, wenn die zweijährige Ausbildung zum Sozialpädagogen lediglich 570 Übungseinheiten in der Theorie und 480 Praxisstunden umfasse, während die dreijährige Lehrzeit eines Stukkateurs und Trockenausbauers mindestens 1260 Unterrichtseinheiten in der Berufsschule erfordere.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Klägers ist zulässig, weil zur entscheidungswesentlichen Frage der Verweisbarkeit nach § 255 Abs 6 ASVG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht; die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte die beklagte Partei, es möge der Revision der klagenden Partei keine Folge gegeben werden.

Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, die Umschulung sei schon deshalb nicht als Rehabilitationsmaßnahme zu berücksichtigen, weil sie nicht von der Pensionsversicherungsanstalt, sondern der Unfallversicherungsanstalt gewährt worden sei. Zudem sei ihm die Umschulungsmaßnahme zum Sozialpädagogen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner abgeschlossenen Lehrausbildung als Stukkateur sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit in diesem Beruf nicht zumutbar, weil sie keinen „neuen“ Berufsschutz begründe. Dass die Umschulung nicht auf den Erwerb von vergleichbar qualifizierten Kenntnissen und Fähigkeiten gerichtet sei, ergebe sich schon daraus, dass sie nur 570 Übungseinheiten in der Theorie und 480 Praxisstunden umfasse. Da ein Berufsschutz genießender Versicherter nur auf berufsschutzerhaltende Tätigkeiten verwiesen werden dürfe, müsse dies auch für die berufliche Rehabilitation gelten. Er habe bis heute keinen Arbeitsplatz als Sozialpädagoge finden können.

Dazu ist auszuführen:

Dass dem Kläger in seinem ursprünglich erlernten Beruf als Stukkateur Berufsschutz zukommt und er infolge seiner medizinischen Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, diesen Beruf auszuüben, ist unstrittig. Zu beurteilen ist nur mehr, ob er auf die Tätigkeit eines Sozialpädagogen verwiesen werden kann.

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ auch für Versicherte gilt, denen ein Berufsschutz zukommt (RIS-Justiz RS0113672). Den gesetzlichen Bestimmungen ist eine Einschränkung dahingehend, dass dem Versicherten im Rahmen der beruflichen Rehabilitation nur eine Berufsausübung im Rahmen des (bisherigen) Verweisungsfeldes ermöglicht werden soll, nicht zu entnehmen (10 ObS 49/00d, SSV-NF 14/44 ua). Nach § 198 Abs 1 ASVG soll der versicherte Versehrte durch die beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation in die Lage versetzt werden, seinen früheren oder, wenn dies nicht möglich ist, einen neuen Beruf auszuüben. Eine Einengung auf den bisherigen Beruf ist aus § 198 ASVG nicht zu entnehmen, vielmehr verpflichtet das Gesetz den Unfallversicherungsträger ganz allgemein zur beruflichen Rehabilitation, um den Wiedereinstieg in den bisherigen Beruf oder einen anderen Beruf zu ermöglichen. § 198 Abs 1 ASVG ist auch im Bereich der Pensionsversicherung anzuwenden. Die Rehabilitation knüpft somit nicht notwendigerweise am bisherigen Beruf an (RIS-Justiz RS0113672; RS0113173 [T2]), sondern ermöglicht dem Versicherten auch die Ausbildung für eine neue berufliche Tätigkeit. Es kann demnach grundsätzlich auch zu einer Umschulung eines überwiegend in erlernten Berufen tätig gewesenen Versicherten auf einen anderen vergleichbar qualifizierten Beruf mit anderer Ausbildung und anderen zur Ausübung erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten kommen (10 ObS 49/00d, SSV-NF 14/44).

2. Macht ein Versicherter von der Möglichkeit der beruflichen Rehabilitation erfolgreich Gebrauch, ist der Berufsschutz nicht mehr nur auf seine ursprüngliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er nach wie vor nicht in der Lage ist, eingrenzt. Der Gesetzgeber hat die Verweisbarkeit ausgedehnt. Der Versicherte ist bei Prüfung der Voraussetzungen für die Invalidität jedenfalls auf Tätigkeiten verweisbar, für die er unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit durch Leistungen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 255 Abs 5 ASVG). Konsequenz dieser erweiterten Verweisbarkeit ist, dass Invalidität nicht mehr gegeben ist, wenn der Versicherte die Tätigkeit, auf die er rehabilitiert worden ist, ausüben kann (10 ObS 49/00d, SSV-NF 14/44 mwN).

3. Wurde dem Versicherten durch Maßnahmen der Rehabilitation die Ausübung eines neuen Berufs ermöglicht, dann gilt er auch als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit in den Berufen, zu denen ihn die Rehabilitation befähigt hat, auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist (§ 255 Abs 6 ASVG).

4. § 255 Abs 6 ASVG ist dahin zu verstehen, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, den Berufsschutz des erfolgreich Rehabilitierten auf jenen Beruf zu übertragen, zu dem ihn die Rehabilitation befähigt hat ( Teschner in Tomandl [Hrsg], SV-System 22. Erg. Lfg 382). Das in § 255 Abs 6 ASVG enthaltene Wörtchen „auch“ steht lediglich im Zusammenhang mit der hier nicht gegebenen Weitergewährung der Pension an einen im § 300 Abs 1 ASVG bezeichneten Pensionisten. Der Ausdruck „auch“ macht nur deutlich, dass für die Beurteilung, ob in diesem Fall die Voraussetzung für die bereits vor Rehabilitation zuerkannte Pension noch gegeben sind, § 255 Abs 3 ASVG heranzuziehen ist ( Teschner/Widlar/Pöltner , ASVG § 255 110. Erg.-Lfg Anm 14).

Solange die Voraussetzungen des § 255 Abs 6 ASVG nicht vorliegen, verhindert die erfolgreiche Rehabilitation den Pensionsanfall. Die erfolgreiche Rehabilitation wirkt insofern als Leistungsausschlussgrund (10 ObS 314/99w, SSV-NF 14/2; RIS Justiz RS0113174).

5. Gleichgültig für die Frage der Verweisbarkeit ist, ob die Rehabilitation aus der Unfall- oder aus der Pensionsversicherung gewährt wurde ( Teschner , SV-System 22. Erg.-Lfg 382). Zwar kommen der Unfallversicherung und der Pensionsversicherung unterschiedliche Aufgaben zu. Während es bei der Unfallversicherung primär um die Linderung bzw Beseitigung der Versehrtheit, also der durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursachten Behinderung geht, liegt bei der Pensionsversicherung die Zielsetzung der Rehabilitationsleistung in der Wiedereingliederung in das Berufsleben und die Verhinderung und Beseitigung von Invalidität und Berufsunfähigkeit. Erbringt aber ein Träger Rehabilitationsmaßnahmen, erfüllt er damit zugleich die Verpflichtung des anderen Trägers. Es ist daher nicht von Bedeutung, ob die Rehabilitation aus der Unfallversicherung oder aus der Pensionsversicherung gewährt wurde (vgl 10 ObS 26/03a, SSV NF 18/30; 10 ObS 347/88 mwN, SSV-NF 3/142; Teschner in Tomandl [Hrsg], SV System, 15. Erg Lfg 376; Jabornegg/Resch , Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [73 f]). Infolge des allgemeinen Zwecks beruflicher Rehabilitation ist auch die im Rahmen der Unfallversicherung erfolgreich abgeschlossene Ausbildung des Klägers für den Beruf des Sozialpädagogen beim Verweisungsfeld für Invalidität zu berücksichtigen.

6. Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit ausgezeichnet, dass der Kläger trotz erfolgreicher Absolvierung der Umschulung zum Sozialpädagogen eine Tätigkeit in diesem Beruf niemals aufgenommen hat, obwohl ausreichend Arbeitsplätze in diesem Beruf zur Verfügung gestanden wären und weiterhin zur Verfügung stehen.

6.1. Nach der Ansicht von Jabornegg und Resch bleibt diese Situation für die Erweiterung des Verweisungsfelds ohne Auswirkungen. In ihrem Aufsatz Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [74] vertreten sie den Standpunkt, eine Bedachtnahme auf die umgeschulte Tätigkeit beim Verweisungsfeld setze grundsätzlich nur die erfolgreiche Ausbildung bzw Umschulung voraus, nicht aber dass der Versicherte auch tatsächlich in dem umgeschulten Beruf tätig war. Dies ergebe sich unmittelbar aus der Anordnung des § 255 Abs 4 ASVG (aF) bzw des § 273 Abs 2 ASVG (aF), wonach dann, wenn jemand durch Leistungen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sei, jedenfalls Tätigkeiten als zumutbar gelten, zu denen die Rehabilitation befähigt.

6.2. B. Karl (Rehabilitation in der Pensionsversicherung, DRdA 2008/103 [110]) vertritt die Ansicht, die Arbeitslosigkeit könne jedenfalls dann nicht zum Anfall der Pension führen, wenn der Versicherte die Möglichkeit gehabt hätte, nach der Rehabilitation eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Andernfalls hätte es der Versicherte in der Hand, den in der Wiedereingliederung in das Berufsleben bestehenden Erfolg der Rehabilitation zu vereiteln, indem er zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten ausschlägt. Eine durch die Rehabilitation bewirkte Wiedereingliederung in das Berufsleben liege somit immer dann vor, wenn der Betreffende im erweiterten Verweisungsfeld die Möglichkeit hat, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Diesen überzeugenden Argumenten ist zu folgen. Dass der Kläger seinen Rehabilitationsberuf seit der erfolgreichen Beendigung der Ausbildung niemals ausgeübt hat, obwohl ihm dies nach den Feststellungen durchaus möglich gewesen wäre, hat demnach außer Betracht zu bleiben.

7. Dem Umstand, dass ein Pensionswerber nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme (tatsächlich) keinen konkreten Arbeitsplatz erlangt hat, kommt für die Frage des Pensionsanfalls iSd § 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz ASVG keine Bedeutung zu (10 ObS 314/99w, SSV NF 14/2). Dies wurde vor allem damit begründet, dass im österreichischen Pensionsversicherungsrecht die abstrakte und nicht die konkrete Betrachtungsweise Tradition hat. Demnach bleibt das Vorbringen des Revisionswerbers, er habe nach Absolvierung der Umschulung zum Sozialpädagogen in diesem Beruf tatsächlich keinen Arbeitsplatz finden können, für die Beurteilung seiner Verweisungsmöglichkeiten ohne Einfluss.

8. Auch sein Einwand der Unzumutbarkeit der Umschulung ist nicht überzeugend:

8.1. Der Nichtanfall einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit kann grundsätzlich nur dann eintreten, wenn dem Versicherten die Rehabilitationsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar sind (§§ 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz und § 307b ASVG). Werden dem Versicherten Maßnahmen der Rehabilitation gewährt und sind ihm diese Maßnahmen zumutbar, so ist im Anstaltsverfahren zwar das Bestehen der geminderten Arbeitsfähigkeit festzustellen. Die Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit fällt aber erst dann an, wenn durch die Rehabilitationsmaßnahme die Wiedereingliederung des Versicherten in das Berufsleben nicht bewirkt werden kann (§ 86 Abs 3 Z 2 ASVG). Erachtet ein Versicherter die ins Auge gefasste Rehabilitationsmaßnahme als nicht zumutbar, kann er einen derartigen vom Pensionsversicherungsträger erlassenen Bescheid durch Klage bei Gericht anfechten. Im gerichtlichen Verfahren ist dann ausgehend von der geminderten Arbeitsfähigkeit als Vorfrage des Geldleistungsanspruchs zu prüfen, ob die im Anstaltsverfahren angebotene bzw für ihn ins Auge gefasste Maßnahme der Rehabilitation zumutbar ist (10 ObS 53/02w, SSV NF 16/24; 10 ObS 49/00d, SSV NF 14/44; 32. ASVG Novelle 181 BlgNR 14. GP 46).

8.2. Anderes gilt im vorliegenden Fall, in dem der Kläger fünf Jahre nach erfolgreichem Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme die Klage auf Gewährung der Invaliditätspension erhebt. Wie sich aus § 255 Abs 6 ASVG ergibt, ist nach Gewährung von Maßnahmen der Rehabilitation, durch die das im § 300 Abs 3 ASVG angestrebte Ziel erreicht wurde, (nur) zu prüfen, ob der Versicherte als invalid gilt, weil seine Arbeitsfähigkeit in den Berufen, zu denen ihn die Rehabilitation befähigt hat, infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist. Solange diese Voraussetzung nicht vorliegt, wirkt wie oben bereits ausgeführt die erfolgreich abgeschlossene Rehabilitationsmaßnahme als Leistungsausschlussgrund. Nicht mehr Verfahrensgegenstand ist also die Frage, ob die mittlerweile Jahre zurückliegende, damals mit Zustimmung des Versicherten und unter dessen Mitwirkung erfolgreich abgeschlossene berufliche Rehabilitation diesem seinerzeit zumutbar war. Auf den im nunmehrigen Verfahren erhobenen Einwand des Klägers, die Umschulung zum Sozialpädagogen wäre ihm (doch) nicht zumutbar gewesen, muss demnach nicht eingegangen werden.

Der Revision kann somit kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage (RIS Justiz RS0085829 [T1]).

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