JudikaturJustiz10Ob81/05t

10Ob81/05t – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef W*****, Pensionist, *****, Bundesrepublik Deutschland, und 2. Stiftspfarre N*****, beide vertreten durch Dr. Georg Schober, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Herbert W*****, Kaufmann, *****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Rudolf Rammel, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, und den Nebenintervenienten auf der Seite der beklagten Partei Dr. Alois S*****, öffentlicher Notar, *****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Ungültigkeit eines Testaments (EUR 72.500), über die außerordentliche Revision des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 11. Mai 2005, GZ 13 R 17/05y-17, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In einem am 7. 6. 1996 errichteten Testament hatte die am 29. 1. 2004 verstorbene Paula P***** den Erstkläger Josef W*****, die Zweitklägerin Stiftspfarre N*****, den Beklagten Herbert W***** und (den schließlich vorverstorbenen) Dipl. Ing. Dr. Wilhelm W***** zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt.

Nachdem für Paula P***** am 8. 8. 1996 eine einstweilige Sachwalterin für dringende Angelegenheiten gemäß § 238 Abs 2 AußStrG aF bestellt worden war, die mit der Besorgung der finanziellen Angelegenheiten, insbesondere der Verwaltung des Pensionseinkommens und der Ersparnisse sowie der Liegenschaften betraut war, nahm der öffentliche Notar Dr. Alois S*****, der nunmehrige Nebenintervenient, am 10. 10. 1996 folgende mündliche letztwillige Anordnung der Paula P***** zu Protokoll:

„PROTOKOLL

aufgenommen am 10. 10. 1996 ... von mir Dr. Alois S*****,

öffentlicher Notar ... in der Wohnung ..., wohin ich mich über

Ersuchen der Partei begeben habe, betreffend die Errichtung einer

mündlichen letztwilligen Anordnung der Frau Amtsrat Paula P*****, ...

für welche mit Beschluss des Bezirksgerichtes W***** ... zum

einstweiligen Sachwalter bestellt worden ist, und erklärt Frau

Amtsrat Paula P***** in gleichzeitiger und ununterbrochener Gegenwart

der von mit als Akts- und zugleich als ersuchte Zeugen des letzten

Willens zugezogenen ... ihren letzten Willen wie folgt:

Erstens: Zunächst widerrufe ich alle bisher von mir errichteten letztwilligen Anordnungen und erkläre diese für rechtsunwirksam.

Zweitens: Ich setze hiemit meinen Cousin, Herrn Herbert W***** .... als Universalerben meines gesamten Nachlassvermögens ein. Meine sonstigen Verwandten und die Pfarre N***** sollen aus meinem Nachlass nichts erhalten, da sie sich um mich nicht kümmern.

Drittens: Diese letztwillige Anordnung habe ich bei vollen Verstandeskräften frei von Betrug, Zwang und wesentlichem Irrtum errichtet.

Die Partei und die Zeugen sind mir persönlich bekannt. Dieses von mir aufgenommene Protokoll wurde der Testatorin in gleichzeitiger und ununterbrochener Gegenwart der Zeugen, welche ... ununterbrochen anwesend waren und den Inhalt dieses Protokolls während dessen Verlesung eingesehen haben, ... von der Zeugin ... vorgelesen, von der Testatorin als ihrem letzten Willen entsprechend genehmigt und sohin von der Testatorin und den Zeugen vor mir, Notar, unterschrieben."

Die klagenden Parteien gaben aufgrund des Testaments vom 7. 6. 1996 bedingte Erberklärungen ab, der Beklagte aufgrund des Testaments vom 10. 10. 1996 eine unbedingte Erbserklärung.

Das Erstgericht gab der auf Feststellung der Ungültigkeit des Testaments vom 10. 10. 1996 gerichteten Erbrechtsklage statt. Die unter Punkt 3. des Testaments gewählte Formulierung als Erklärung der Erblasserin und nicht des protokollierenden Notars würde den erforderlichen Formvorschriften nicht gerecht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es verwarf die Anregung, einen Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich der §§ 568, 569 ABGB aF an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, und verwies im Übrigen auf die höchstgerichtliche Judikatur, wonach nach Bestellung eines einstweiligen Sachwalters die Gültigkeit eines notariellen Testaments des Betroffenen den Anschluss (die „Beirückung") des Ergebnisses der angemessenen Erforschung der Freiheit und Überlegtheit des letzten Willens des Erklärenden erfordere. Da das Protokoll über das Testament keinen solchen Vermerk des Notars enthalte, sei das Testament ungültig.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage von erheblicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu beantworten sei und das Berufungsgericht nicht von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des dem Verfahren auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass die §§ 568 und 569 ABGB durch das KindRÄG 2001, BGBl I 2000/135 (in Form einer klareren Fassung des Wortlauts) und durch das FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58, geändert wurden. Die nunmehrige Fassung ist gemäß Art IV § 3 FamErbRÄG 2004 anzuwenden, wenn die letztwillige Verfügung nach dem 31. 12. 2004 errichtet wurde. In der bis 31. 12. 2004 geltenden Fassung der §§ 568 und 569 ABGB konnten Personen, für die ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt ist, nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren. „Das Gericht muss sich durch eine angemessene Erforschung zu überzeugen suchen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe. Die Erklärung muss in ein Protokoll aufgenommen, und dasjenige, was sich aus der Erforschung ergeben hat, beigerückt werden" (§ 568 Satz 2 und 3 ABGB idF KindRÄG 2001; davor § 569 Satz 2 und 3 ABGB). Mit dem FamErbRÄG 2004 wurden diese beiden Sätze nicht geändert, sondern nur der erste Satz des § 568 ABGB, der nunmehr lautet: „Eine Person, für die ein Sachwalter nach § 273 bestellt ist, kann, sofern dies gerichtlich angeordnet ist, nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren; dies gilt nicht im Fall des § 597."

In seiner Zulassungsbeschwerde stellt der Nebenintervenient in den Vordergrund, dass auch die Judikatur der - nunmehr vom Gesetzgeber des FamErbRÄG 2004 bestätigten - Widersinnigkeit der §§ 568 f ABGB aF auch für „alte" Testamente Rechnung tragen solle. Die Notwendigkeit einer „Beirückung" bewirke nicht einen Schutz der unter Sachwalterschaft stehenden Person, sondern genau das Gegenteil, weil mangels eines Protokolls ihr Wille zunichte gemacht werde. Die Judikatur messe dem Formerfordernis der „Beirückung" eine Bedeutung zu, die ihr nicht zukomme, was dazu führe, dass die Konsequenz (Formnichtigkeit) der betroffenen Person schade. Überdies habe der Nebenintervenient in Punkt 3. des Testaments eine ausreichende „Beirückung" vorgenommen.

Angesichts der gesetzlichen Vorgaben in § 568 Satz 2 und 3 ABGB, die

auch durch das FamErbRÄG 2004 keine unmittelbare Änderung erfahren

haben, sieht der Oberste Gerichtshof keinen Grund, aus Anlass der

Revisionsausführungen von seiner gefestigten Judikatur zu den

Formvorschriften der §§ 568 f ABGB abzugehen (siehe schon 1 Ob

241/97s = SZ 71/7).

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 589/90 = EvBl

1991/34 ausgesprochen,

a) dass § 568 ABGB auch bei Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG (aF) zur Anwendung komme (in diesem Sinn bereits 2 Ob 595/85 = SZ 58/113), und

b) dass anlässlich der Testamentserrichtung einer im § 568 ABGB genannten Person durch den Richter - oder den Notar - geprüft werden müsse, ob die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe.

In der Entscheidung 9 Ob 710/91 = SZ 64/111 hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, dass der Zusatz iSd § 569 Satz 3 (nun § 568 Satz 3) ABGB ein Formgültigkeitserfordernis darstelle. Diese Rechtsansichten wurden in der Folge mehrfach bestätigt (zB 3 Ob

525/94 = NZ 1995, 132; 6 Ob 2125/96k = SZ 69/122; 1 Ob 241/97s = SZ

71/7; 1 Ob 373/97b = NZ 1999, 25; 8 Ob 265/98y = EFSlg 96.819,

zuletzt 6 Ob 129/05x; siehe auch die Judikaturübersicht bei Tschugguel, Letztwillige Verfügung und Sachwalterschaft, FS Weißmann [2003] 939 [940 ff]). Verfassungsrechtliche Bedenken hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls verneint (zuletzt 6 Ob 10/04w mwN). Die Gefahr einer „Falle" wurde (zumindest zum Teil) dadurch abgemildert, dass von der Judikatur an den Inhalt des „Protokolls" nach § 568 Satz 3 (früher § 569 Satz 3) ABGB keine hohen Anforderungen gestellt werden (RIS-Justiz RS0015407). Für die Formgültigkeit des Testaments wurde es als ausreichend angesehen, dass das Ergebnis der Erforschung der Willensfreiheit und Überlegtheit im Zusammenhang mit der Testamentserrichtung kurz festgehalten wird (vgl 2 Ob 218/00y = RZ 2000, 253; 4 Ob 49/03f = NZ 2003, 371 mwN, jeweils im Zusammenhang mit der Zuweisung der Parteirollen). Das vom Gesetz aufgestellte Gültigkeitserfordernis einer Protokollierung des Prüfungsvorgangs des Richters bzw Notar wurde und wird aber nicht in Zweifel gezogen (siehe etwa Welser in Rummel3, §§ 566 - 569 Rz 7 f; Apathy in KBB, §§ 568 - 569 Rz 5; Eccher in Schwimann, ABGB3 III §§ 568, 569 Rz 6 f). Wie erwähnt ist darin das Ergebnis der Nachforschung durch den Richter bzw Notar festzuhalten; die formelhafte Erklärung einer betroffenen Person im Testament selbst: „Diese letztwillige Anordnung habe ich bei vollen Verstandeskräften frei von Betrug, Zwang und wesentlichem Irrtum errichtet" genügt diesen Anforderungen nicht. Die Verletzung von gesetzlichen Formvorschriften, die eine Ungültigkeit eines Rechtsgeschäfts nach sich ziehen, macht immer den Willen eines Beteiligten zunichte, weshalb dieser Aspekt es für sich allein nicht zu rechtfertigen vermag, die Außerachtlassung der Formvorschrift zu ignorieren.

Dass das Berufungsgericht die formelle Ungültigkeit des Testaments vom 10. 10. 1996 angenommen hat, liegt im Rahmen der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.