JudikaturJustiz10Ob6/17f

10Ob6/17f – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Schramm, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** AG *****, vertreten durch Dr. Kurt Bayr und Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Stadt Innsbruck, 6020 Innsbruck, Maria Theresien Straße 18, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 7.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. September 2016, GZ 2 R 171/16k 22, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Oktober 2016, GZ 2 R 171/16k 24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 29. April 2016, GZ 18 C 483/15w-18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision sowie die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin (Sachversicherer) begehrt nach § 364a ABGB iVm § 67 VersVG den Ersatz einer nach einem Wasserschaden erbrachten Versicherungsleistung. Die Beklagte hätte als Straßenhalterin verhindern müssen, dass Niederschlagswasser von der gegenüberliegenden Liegenschaft über die Straße auf die versicherte Liegenschaft gelangte.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens. Es ließ nachträglich über Antrag der Klägerin die Revision zur Klärung der Fragen zu, ob, gegebenenfalls unter welchen Umständen eine Immissionshaftung auch dann bestehe, wenn die Immission ihren Ausgang von einem anderen Grundstück nehme und durch das Grundstück des in Anspruch Genommenen nur hindurch gehe, und ob das Tiroler Straßengesetz eine Haftung allenfalls begründe, einschränke oder ausdehne.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision der Klägerin ist entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch nicht zulässig.

1.1 So wie die Vorinstanzen qualifiziert die Klägerin die (auch) an der versicherten Liegenschaft vorbeiführende Straßenanlage als behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB. Sie leitet daraus ab, dass ihr ausschließlich ein Ausgleichsanspruch im Sinn dieser Bestimmung zusteht. Dieser setze voraus, dass eine durch die Änderungen der Abflussverhältnisse geschaffene Einwirkung kausal für den eingetretenen Schaden gewesen sei, also den Schaden verursacht oder vergrößert habe. Das treffe hier zu.

1.2 Wie die Klägerin selbst darlegt, setzt die (analoge) Anwendung des § 364a ABGB nach Rechtsprechung und Lehre voraus, dass die Immission unmittelbar von der schadensverursachenden Anlage ausgeht und für deren Betrieb typisch ist, also die Schäden adäquat verursacht hat (RIS Justiz RS0010670 [T4; T5]; Winner in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 364a ABGB Rz 18 [Stand 1. 7. 2016, rdb.at]; Eccher/Riss in KBB 4 § 364a ABGB Rz 4).

1.3 Der Oberste Gerichtshof sieht es als maßgebend an, ob der Eintritt des Schadens durch eine Immission für den Haftpflichtigen ein kalkulierbares oder kalkuliertes Risiko bildet, das er zu seinem Nutzen eingegangen ist (4 Ob 89/10g = RIS Justiz RS0010670 [T7]; RS0010448 [T3]). Verlangt wird ein gewisser Sachzusammenhang zwischen Schädigung und Verfügungsmacht des Grundeigentümers, indem dieser die Liegenschaft in einen den Schaden hervorrufenden Zustand versetzt bzw in einem solchen belässt oder dort eine schadenstiftende Tätigkeit ausübt bzw diese durch Dritte duldet (RIS Justiz RS0010448). So hat der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 9/86 die Haftung einer Stadtgemeinde für Schäden, die durch das Ausströmen von Wasser aus dem Kanal unter einer öffentlichen Straße auf einem privaten Nachbargrundstück entstanden waren, abgelehnt, weil die Stadtgemeinde für das schadenstiftende Verhalten dritter Personen (Öffnen eines Kanaldeckels durch unbefugte Personen) nicht verantwortlich zu machen sei.

1.4 Ebenso wie die Beurteilung der Frage, ob ein den Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB rechtfertigender Kausalzusammenhang zwischen Immission und Schaden besteht (siehe etwa 1 Ob 196/06i und 1 Ob 182/10m), hängt auch das Vorliegen des von der Rechtsprechung geforderten Sachzusammenhangs zwischen Verfügungsbefugnis des Grundeigentümers und schädigender Immission von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS Justiz RS0112033).

1.5 Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kam es durch die – schon infolge des Verstoßes gegen § 53 Abs 1 Tiroler Straßengesetz rechtswidrige – Ableitung des Oberflächenwassers von der gegenüberliegenden Liegenschaft in Verbindung mit von dort mitgeführtem Oberflächenmaterial (Rindenmulch und Blättern), welches das Rigol verstopfte, zu der den Schaden verursachenden Überschwemmung der versicherten Liegenschaft. Die Eigentümer der Nachbarliegenschaft hatten eine über dem Niveau der versicherten Liegenschaft gelegene Parkfläche asphaltieren lassen. Als Folge dieser Baumaßnahme wurde mangels Entwässerungsmaßnahmen das gesamte Oberflächenwasser (im Zuge eines Gewitters am Schadenstag) direkt auf die Straße geleitet. Auf diese Weise wurden die Abflussverhältnisse in Richtung des gegenüberliegenden Grundstücks negativ beeinflusst. Die beklagte Partei wusste weder von der – ausschließlich auf einer privaten Liegenschaft vorgenommenen – Baumaßnahme noch von den negativen Auswirkungen auf die Abflussverhältnisse. Ein zusätzliches Gefährdungspotential haben die Eigentümer der versicherten Liegenschaft durch Errichtung eines Zubaus selbst geschaffen. Dabei wurden ein natürlicher, zuvor als Sickerfläche dienender Böschungsbereich entfernt und der gesamte Zufahrtsbereich asphaltiert. Nicht für die Entwässerung umliegender Flächen geeignete Lichtschächte wurden niveaugleich mit der Asphaltoberkante ausgeführt. Das in den Lichtschächten aufgestaute Wasser drang in das Hausinnere ein und verursachte jenen Schaden, den die Klägerin letztlich deckte. Die Oberflächenentwässerung der Straße hatte zum Schadenszeitpunkt den technischen Vorgaben entsprochen.

1.6 Angesichts der festgestellten, zum Schadenseintritt führenden Umstände ist es keine zu korrigierende Beurteilung des Berufungsgerichts, wenn es die schadenstiftende Immission durch Niederschlagswasser, Rindenmulch und Blätter nicht als von der Straße ausgehende Immission qualifizierte und deshalb einen Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB verneinte.

1.7 Dieses Ergebnis widerspricht der – in Revision und Freistellungsbeschluss zitierten – Entscheidung 7 Ob 66/02k nicht. Dort waren die Beschleunigung der Fließgeschwindigkeit durch die Straße selbst (Asphaltierung) als typische Einwirkung und nicht die negativen Auswirkungen auf die Abflussverhältnisse durch Baumaßnahmen auf anderen an der Straße liegenden Liegenschaften zu beurteilen.

2. Der Freistellungsbeschluss des Berufungsgerichts (§ 508 Abs 5 ZPO) wurde der Beklagten am 9. 12. 2016 zugestellt. Die Revisionsbeantwortung wurde am 19. 1. 2017 beim Erstgericht – anstelle nach § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Berufungsgericht – eingebracht. Für die Rechtzeitigkeit der Revisionsbeantwortung wäre der Zeitpunkt des Einlangens beim zuständigen Berufungsgericht maßgeblich gewesen (RIS Justiz RS0043678). Die Revisionsbeantwortung ist jedoch nicht innerhalb der vierwöchigen Frist (§ 507a Abs 1 ZPO) beim Berufungsgericht eingelangt. Sie ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Rechtssätze
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