JudikaturBVwG

I423 2321012-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2025

Spruch

I423 2321012-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Daniela GREML über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Julia KOLDA als Erwachsenenvertreterin gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2025, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , den Beschluss:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, wurde mit Urteil vom XXXX 2022 zu GZ XXXX unter Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Geisteskrankheit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

2. Mit Schreiben vom 25.10.2022 ersuchte die MA35 das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Folgenden als belangte Behörde oder BFA bezeichnet, um eine fremdenpolizeiliche Stellungnahme aufgrund eines Antrags des Beschwerdeführers vom 09.03.2021 auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte (plus)“.

3. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25.01.2023 wurde dem Beschwerdeführer persönlich mitgeteilt, dass eine Beweisaufnahme stattgefunden habe und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot beabsichtigt sei. Ihm wurde eine Stellungnahmefrist von 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung eingeräumt.

4. Nachdem eine schriftliche Stellungnahme nicht einlangte, ersuchte das BFA mit E-Mail vom 29.02.2024 die Vollzugsanstalt um Mitteilung, ob der Beschwerdeführer erwachsenenvertreten sei. Mit E-Mail vom selbigen Tag wurde dem BFA der Erwachsenenvertreter bekanntgegeben.

5. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 19.12.2024 wurde dem Beschwerdeführer über den am 29.02.2024 und erneut 16.08.2024 bekanntgegebenen Erwachsenenvertreter mitgeteilt, dass eine Beweisaufnahme stattgefunden habe und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot beabsichtigt sei. Ihm wurde eine Stellungnahmefrist von 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung eingeräumt.

6. Mit Bescheid des BFA vom 17.07.2025 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.), ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

7. Mit E-Mail vom 07.08.2025 ersuchte die mit Beschluss vom 30.01.2025 zu XXXX bestellte Erwachsenvertreterin um rechtswirksame Zustellung. Am 29.08.2025 wurde der verfahrensgegenständliche, Bescheid von der nunmehrigen Erwachsenenvertreterin übernommen.

8.In der gegen den Bescheid am 22.09.2025 eingelangten Beschwerde wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die Bestimmung des FPG unrechtmäßig angewandt und das Verwaltungsverfahren mangelhaft durchgeführt worden sei, weshalb sich der Beschwerdeführer in seinen von Art. 2 und Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt erachte. Ferner verletze der Bescheid das rechtliche Gehör. Das BFA übergehe zudem, dass der Beschwerdeführer die Straftat in einem Zustand völliger Zurechnungsunfähigkeit verübt habe, weshalb er nicht verurteilt, sondern zur Behandlung in einem forensisch therapeutischen Zentrum untergebracht wurde. Das BFA habe keine Feststellungen zur Frage der konkreten Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeit des Beschwerdeführers in der Türkei getroffen und auch nicht zu seinen aktuellen Therapien.

9. Am 03.10.2025 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Urteil des XXXX vom XXXX 2022 zu GZ XXXX wurde der Beschwerdeführer in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Er wurde für schuldig befunden, am 08.05.2022 in Wien unter dem Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Geisteskrankheit (§ 11 StGB), die auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie mit schubhaftem Verlauf und Residualentwicklung mit zunehmender kognitiver Basisstörung, versucht zu haben, eine näher bezeichnete Person zu töten, indem er mit einem Jausenmesser mit 10,5 cm langer Klinge mehrfach auf ihn einstach, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil die näher bezeichnete Person ihn letztlich körperlich abwehren bzw. überwältigen und die Polizei verständigen konnte. Der Beschwerdeführer hat hierdurch eine Tat begangen, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist und die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB zuzurechnen wäre.

Das Recht des Beschwerdeführers auf Gehör wurde nicht gewahrt.

Insgesamt hat das BFA jegliche Ermittlungsschritte zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts in Hinblick auf den aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, auf seine aktuelle persönliche Situation, die konkreten Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei und auch auf etwaige Rückkehrhindernisse bzw. –befürchtungen vor dem Hintergrund der herkunftsstaatsspezifischen Gegebenheiten unterlassen.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den angefochtenen Bescheid und die dagegen erhobene Beschwerde sowie in den vorgelegten Verwaltungsakt.

Das Urteil vom XXXX 2022, auf dem die näheren Feststellungen beruhen, liegt im Verwaltungsakt ein (AS 181 ff).

Hinsichtlich der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 19.12.2024 bleibt zwar zu berücksichtigen, dass diese in der Adresszeile an den zum damaligen Zeitpunkt bestellten Erwachsenenvertreter adressiert ist (AS 217), wie Auskünfte vom 29.02.2024 (AS 203) und vom 16.08.2024 erkennen lassen (AS 215). Dieser Erwachsenvertreter wurde jedoch mit Beschluss vom 30.01.2025 seines Amtes enthoben und die nunmehrige Erwachsenenvertreterin bestellt (Beschluss vom 30.01.2025, XXXX , AS 262). Die Zustellung der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme erfolgte laut Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid am 04.07.2023 [zwangsläufig gemeint wohl am 04.07.2025] an den zwischenzeitig enthobenen Erwachsenvertreter. Diese Ausführungen zur „nachweislich gegen Unterschriftsleistung“ (Bescheid S 4) erfolgten Zustellung können nicht nachvollzogen werden, weil ein entsprechender Rückschein oder eine Übernahmebestätigung nicht aktenkundig ist. Erstmalig wurde der nunmehrigen Erwachsenenvertreterin ein Dokument am 14.08.2025 zugestellt (AS 252). Um was es sich dabei handelt, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt mangels Zustellverfügung oder entsprechend in diesem Zeitraum datiertem Dokument nicht. Der angefochtene und Bescheid ist mit 17.07.2025 ausgewiesen bzw. ist eine elektronische Signierung mit 22.08.2025 erfolgt (AS 293), sodass jedenfalls nach Zustellung des Dokuments am 14.08.2025 an die Erwachsenenvertreterin bis zur Bescheiderlassung nur knapp eine Woche verstrichen ist. Sollte am 14.08.2025 ein Parteiengehör an die Erwachsenenvertreterin zugestellt worden sein, war die mögliche Frist zur Beantwortung von nur einer Woche jedenfalls zu kurz. Das Recht des Beschwerdeführers auf Gehör wurde damit nicht gewahrt.

Dass das BFA jegliche Ermittlungsschritte zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts in Hinblick auf den aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, auf seine aktuelle persönliche Situation, die konkreten Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei und auch auf etwaige Rückkehrhindernisse bzw. –befürchtungen vor dem Hintergrund der herkunftsstaatsspezifischen Gegebenheiten unterlassen hat, ergibt sich aus dem Umstand der Nichtwahrung des Rechts auf Gehör des Beschwerdeführers, was in den diesbezüglich fehlenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid, der im Verwaltungsakt einliegt (AS 273 ff), seinen Niederschlag findet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Nach § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Beschwerdevorlage unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell dem des § 66 Abs. 2 AVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 28 VwGVG Anm. 11). Bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 f AVG sind auch die Bedeutung und die Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen. Die Einräumung eines Instanzenzugs darf nicht "zur bloßen Formsache degradiert" werden, indem sich das Asylverfahren mangels sachgerechten Eingehens und brauchbarer Ermittlungsergebnisse [in erster Instanz] "einem eininstanzlichen Verfahren [...] nähert", in dem eine ernsthafte Prüfung des Antrages erst bei der zweiten und letzten Instanz beginnt und auch endet (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).

Die Begründung eines Bescheids hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. Als Sachverhalt hat sie daher alle Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 28.07.1994, 90/07/0029 mwH).

Dennoch kommt eine Aufhebung des Bescheids nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen, besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (§ 37 AVG) "lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden" (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, zB weil es das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 f VwGVG verneint und von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG keinen Gebrauch macht, dessen ungeachtet selbst zu entscheiden. Die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Zurückverweisungsmöglichkeit ist nämlich eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte.

Im vorliegenden Fall hat das BFA die erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts unterlassen und nicht einmal ansatzweise ermittelt. Es steht weder fest, wie sich der aktuelle Gesundheitszustand des mittlerweile seit mehreren Jahren in medizinischer Behandlung befindlichen Beschwerdeführers darstellt, noch seine aktuelle persönliche Situation – in Österreich aber auch in der Türkei – die konkreten Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei, noch etwaige Rückkehrhindernisse bzw. –befürchtungen vor dem Hintergrund der herkunftsstaatsspezifischen Gegebenheiten. Die Möglichkeit, rechtliches Gehör zu finden, wurde dem Beschwerdeführer aufgrund der Zustellung der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zuerst an den enthobenen Erwachsenenvertreter und dann bei Bescheiderlassung knapp eine Woche nach Zustellung der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme an die nunmehrige Erwachsenenvertreterin verwehrt. Dem Beschwerdeführer wurde damit keine Möglichkeit eröffnet, binnen angemessener Frist Stellung zu nehmen. Ihn persönlich zu befragen, wurde nicht einmal versucht, ist eine persönliche Ladung zu einem Einvernahmetermin nämlich gänzlich unterblieben. Der Beschwerdeführer befindet sich um Maßnahmenvollzug, ist für die belangte Behörde greifbar und ist eine persönliche Befragung durch den psychischen Gesundheitszustand nicht per se ausgeschlossen. Der angefochtene Bescheid vom 17.07.2025, elektronisch signiert am 22.08.2025, lässt letztlich in seinem Inhalt auch erkennen, dass der belangten Behörde keine konkreten Feststellungen möglich waren.

Im Ergebnis hat das BFA damit jegliche Ermittlungstätigkeit in Hinblick auf den aktuellen Gesundheitszustand, die aktuelle persönliche Situation, die konkreten Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei sowie etwaige Rückkehrhindernisse bzw. –befürchtungen an das Bundesverwaltungsgericht delegiert.

Es wird also im fortgesetzten Verfahren zunächst diese Umstände zu erfragen haben und sich mit möglichen Beweismitteln, nicht nur durch die Erwachsenenvertreterin des Beschwerdeführers, sondern in Hinblick auf die konkreten Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei auch durch spezifische länderkundliche Ermittlungen auseinanderzusetzen haben.

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderlichen Feststellungen durch das Gericht selbst, verglichen mit Feststellungen durch das BFA nach Zurückverweisung der Angelegenheiten, mit einer wesentlichen Zeitersparnis oder Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wären.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Gericht selbst verglichen mit einer solchen durch die BFA-Dienststelle in XXXX mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, zumal der Beschwerdeführer in XXXX , Oberösterreich, untergebracht und die Erwachsenenvertreterin des Beschwerdeführers in XXXX aufhältig ist, womit ihre Anreise nach XXXX in die Außenstelle des BVwG deutlich länger dauern und kostenintensiver sein würde.

Da somit die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Hinsichtlich dem vom BFA ausgesprochenen Einreiseverbot bleibt festzuhalten, dass der VwGH in seiner Rechtsprechung zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen festgehalten hat, dass das FrPolG 2005 (im Gegensatz zu früheren Fremdengesetzen) in seinem (damaligen) § 60 Abs. 4 – dabei handelte es sich um die inhaltlich idente Vorläuferbestimmung des § 53 Abs. 6 FrPolG 2005 – ausdrücklich vorsieht, dass einer Verurteilung nach (dem damaligen) § 60 Abs. 2 Z 1 FrPoG 2005 (vgl. nunmehr § 53 Abs. 3 Z 1 FrPolG 2005) eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten ist (vgl. VwGH 22.10.2020, Ro 2020/20/0001).

Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zwar vor, wenn wegen der dem Fremden angelasteten Tathandlung (in dem zitierten Verfahren versuchter Mord gemäß §§ 15 Abs. 1, 75 StGB) eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausgesprochen wird, weil die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht (§ 53 Abs. 6 FPG). Ein Verschulden an der von ihm ausgehenden Gefährdung muss ihm – in Einklang mit Art. 9 Abs. 3 der RL 2003/109/EG – nicht angelastet werden (vgl. VwGH 14.10.2020, Ra 2020/22/0009 mwN). Für die Frage, ob ein Einreiseverbot erlassen werden darf, ist jedoch auf den Zeitpunkt der hypothetischen Ausreise bzw. der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung abzustellen. Für die Dauer des Freiheitsentzuges, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde, ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung allerdings gemäß § 59 Abs. 4 FPG aufgeschoben. Das gilt sinngemäß auch für die Dauer der gemäß § 21 Abs. 1 StGB verfügten Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Bei der Gefährdungsprognose ist daher auf den Zeitpunkt der (hypothetischen) Entlassung des Fremden aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher abzustellen. Entscheidend für die diesbezügliche Beurteilung ist, ob dann etwa eine Behandlung und Medikation Gewähr dafür bieten, dass eine Gefährdung aufgrund der psychischen Erkrankung künftig auszuschließen sein wird (vgl. VwGH 20.12.2022, Ra 2022/21/0127 mwN), was das BFA bei seiner Entscheidung – wobei zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers mangels Hinweise auf eine zeitnahe Entlassung aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher kaum absehbar ist – zu beachten haben wird.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Erfordernissen einer umfänglichen Sachverhaltsermittlung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen einer Zurückverweisung an die Erstbehörde ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.