JudikaturBVwG

L511 2291453-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
28. August 2025

Spruch

L511 2291453-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA über Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ungeklärt, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark vom 03.04.2024, Zahl: XXXX , den Beschluss:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid vom 03.04.2024, Zahl: XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der minderjährige Beschwerdeführer wurde am 31.01.2024 in Österreich geboren. Am 16.02.2024 stellte die Mutter des Beschwerdeführers für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [AS] 1-30).

1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA] wies mit Bescheid vom 03.04.2024, Zahl: XXXX , diesen Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III) (AS 67-75).

1.3. Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt I des am 05.04.2024 zugestellten Bescheides mit Schreiben vom 29.04.2024 fristgerecht Beschwerde (AZ 77, 95-103).

2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 02.05.2024 die Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 1 (AS 1-109]).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Der minderjährige Beschwerdeführer wurde am 31.01.2024 in Österreich geboren. Die Mutter ist syrische Staatsangehörige, der Vater türkischer Staatsangehöriger. Der Auszug aus dem Zentralen Melderegister [ZMR] führt als Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Türkei an (AS 7, 9-11, 25-27).

1.2. Das BFA stellte im angefochtenen Bescheid ohne weitere Begründung fest, der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Syrien (AS 69-70).

1.3. Zur syrischen Staatsbürgerschaft

Das Gesetz erlaubt die Weitergabe der Staatsbürgerschaft durch die Mutter nur, wenn das Kind in Syrien geboren wurde, und der Vater „unbekannt“ ist. In der Praxis wird betroffenen Kindern die Staatsbürgerschaft jedoch nicht immer zuerkannt (STDOK 8.2017 - Anm.: zur Lage von Kindern ohne Registrierung oder registrierte Vaterschaft siehe auch weiter unten). Wenn ein Kind im Ausland geboren wurde, kann es die syrische Staatsbürgerschaft nur erlangen, wenn der Vater syrischer Staatsbürger ist. Die Mutter kann ihre syrische Staatsbürgerschaft nicht an ein im Ausland geborenes Kind weitergeben (USDOS 20.3.2023).

[Auszug aus Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Syrien, 27.03.2024; 100]

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgt durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), beinhaltend insbesondere die vorgelegten Passkopien und Auszüge aus dem ZMR (AS 7, 25-27).

2.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar ohne weitere Interpretation aus den jeweils zitierten Aktenteilen, und ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.

2.3. Die Feststellungen zum syrischen Staatsbürgerschaftsgesetz sind dem Länderinformationsblatt Syrien zu entnehmen. Dieses wird von der Staatendokumentation herausgegeben und es bestand kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung

zu A) Zurückverweisung des Verfahrens

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 BVwGG iVm § 7 BFA-VG sowie dem AsylG. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das BFA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).

3.1.Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG

3.1.1.Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes [VwGH] zu § 28 VwGVG verlangt es das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 17.03.2016, Ra2015/11/0127; 29.04.2015, Ra2015/20/0038; 26.06.2014, Ro2014/03/0063 RS29).

3.1.2. Fallbezogen stellte das BFA ohne weitere Begründung fest, der Beschwerdeführer sei syrischer Staatsangehöriger.

Dies steht jedoch sowohl mit den Eintragungen im ZMR, wonach der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger ist, als auch mit den Länderinformationen in Widerspruch. Diesen zufolge vermag die Mutter des Beschwerdeführers ihre Staatsbürgerschaft nicht an den in Österreich geborenen Beschwerdeführer weitergeben.

Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass der Vater des Beschwerdeführers türkischer Staatsangehörige ist, hätte das BFA Ermittlungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers durchführen müssen, was jedoch unterblieben ist.

Gerade bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates handelt es sich zweifellos um eine zentrale Frage im Asylverfahren (vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra2014/20/0013; 16.04.2009, 2008/19/0706; 20.02.2009, 2007/19/0535), welche grundsätzlich von der Behörde erster Instanz zu klären ist, da ansonsten im Fall der Klärung des Herkunftsstaates durch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte sich an die Feststellung knüpfende Ermittlungsverfahren zum Herkunftsstaat vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde.

Damit sind gegenständlich jene Ermittlungstätigkeiten unterlassen worden, welche für die Beurteilung des Sachverhaltes unabdingbar sind und es wäre somit das gesamte erforderliche Ermittlungsverfahren zum zentralen Kern des Verfahrens, nämlich der Feststellung der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, erstmalig durch das BVwG durchzuführen (vgl. dazu VwGH 09.03.2016, Ra2015/08/0025 mwN; 10.09.2014, Ra2014/08/0005).

3.1.3.Wenn die belangte Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht iSd § 39 Abs. 2 AVG keine geeigneten Schritte gesetzt hat, um die erforderlichen Beurteilungen vornehmen zu können, oder Ermittlungen unterlässt, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden, steht die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und die Zurückverweisung der Angelegenheit an dieselbe im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 17.03.2016, Ra2015/11/0127), weshalb gegenständlich das dem BVwG gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das BFA zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen ist.

4.Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG und bewegt sich im vom VwGH eng gesetzten Rahmen der Zulässigkeit einer Zurückverweisung. Etwa zur Zulässigkeit einer zurückverweisenden Entscheidung bei Fehlen jeglicher Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde VwGH 30.03.2017, Ra2014/08/0050; 09.03.2016, Ra2015/08/0025 und VwGH 17.03.2016, Ra2015/11/0127 sowie grundlegend VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.