JudikaturBVwG

I424 2301912-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
21. August 2025

Spruch

I424 2301912-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Barbara EBNER, Bakk.phil. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (in der Folge: BBU GmbH), gegen Spruchpunkt I. des Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA/belangte Behörde) vom 13.09.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl BGBl. I. 100/2005 in der geltenden Fassung (in der Folge: AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 13.09.2024 zu der Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF), eines syrischen Staatsbürgers, auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, der BF sei keiner Bedrohung oder Verfolgung seitens der freien syrischen Armee bzw. des syrischen Regimes ausgesetzt gewesen und habe er keinen Fluchtgrund glaubhaft und in sich schlüssig darlegen können. Insbesondere weil er sein Fluchtvorbringen zwischen Erstbefragung und Einvernahme vor dem BFA steigerte und auch nach den vorgebrachten Verfolgungshandlungen noch jahrelang unbehelligt in seiner Heimatregion leben konnte, wies die belangte Behörde den Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab.

2. Mit dem am 16.10.2024 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des vorangeführten Bescheides. Zusammengefasst wurde im Wesentlichen vorgebracht, der BF habe im Jahr 2013 einen Einberufungsbefehl erhalten und sei deshalb mit seiner Familie aus XXXX in seinen Heimatort zurückgezogen. Als dieser Heimatort ( XXXX bzw. XXXX ) von den der Türkei nahestehenden Milizen 2018 angegriffen worden sei, habe der BF seinen Herkunftsort für wenige Monate verlassen und Zuflucht in einem Dorf in der Nähe von XXXX gesucht. Als auch dieser Ort von der FSA bzw. den türkischen Milizen besetzt worden sei, sei der BF in seinen Heimatort zurückgekehrt. Bei der Rückkehr sei er gemeinsam mit seinem Cousin festgenommen worden. Ihm sei vorgeworfen worden, er arbeite mit den Kurden zusammen und sein Bruder sei Mitglied der kurdischen Partei. Es seien drei weitere Festnahmen des BF erfolgt. Der BF habe sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeld immer wieder freikaufen können. Einen Monat bevor der BF Syrien verlassen habe, sei sein Cousin wieder von der FSA inhaftiert worden, weil ihm vorgeworfen worden sei für den kurdischen Nachrichtendienst gearbeitet zu haben. Der BF sei von seinem Schwiegervater informiert worden, dass auch ihm eine Inhaftierung drohe und sei daraufhin geflüchtet.

Der BF befinde sich im wehrpflichtigen Alter und wolle den Reservedienst nicht ableisten. Er verweigere dies aus politischen sowie aus Gewissensgründen und verweigere auch die Bezahlung einer Gebühr zur Befreiung vom Wehrdienst.

Das Gebiet aus dem der BF stamme stehe seit 2018 unter Kontrolle der Türkei bzw. mit der Türkei verbündeter Milizen. Dem BF drohe eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit.

Abschließend wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheids amtswegig aufgreifen, sowie den angefochtenen Spruchpunkt I. beheben und dem BF den Status der Asylberechtigten zuerkennen. In evntu solle der angefochtene Bescheid hinsichtlich des ersten Spruchpunktes behoben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückverwiesen sowie die ordentliche Revision zugelassen werden.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden in weiterer Folge vom BFA vorgelegt und sind am 05.11.2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

4. Mit Ladungen vom 20.05.2025 wurden die belangte Behörde, der BF vertreten durch die BBU GmbH und die Dolmetscherin für die arabische Sprache zur mündlichen Verhandlung am 17.07.2025 geladen.

5. Mit Schreiben vom 27.05.2025 teilte die belangte Behörde mit, dass die Teilnahme der Behörde an der mündlichen Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Ungeachtet dessen, werde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

6. Mit Schreiben vom 09.07.2025 ersuchte die BBU GmbH um Bestellung eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch Kurmanji, da es sich um die Muttersprache des BF handle, er sich in dieser Sprache präziser ausdrücken und komplexen Sachverhalten besser folgen könne, weshalb weniger Interpretationsspielraum oder Platz für Missverständnisse bestehe.

7. Mit Schreiben vom 10.07.2025 teilte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen mit, dass ein zwingender Grund für den Wechsel der Dolmetscherin nicht erkannt werden kann, zumal der BF in der Ersteinvernahme angab, er habe „exzellente arabisch Kenntnisse“, die Einvernahme des BF vor der belangten Behörde ebenfalls in arabischer Sprache erfolgte und es dabei keine vom BF geschilderten Probleme gegeben habe. Vielmehr gab der BF an, er habe den Dolmetscher verstanden und seien seine Angaben richtig und vollständig protokolliert worden.

8. Am 17.07.2025 fand die mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF und seiner Rechtsvertreterin unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die arabische Sprache statt. Zu Beginn der Verhandlung erläuterte die Richterin, dass sich die Situation in Syrien aufgrund des Machtwechsels im Herbst 2024 wesentlich geändert habe. Das Regime von Baschar al-Assad sei nicht mehr an der Macht und wurde der BF daher befragt, welche Fluchtgründe er aufrechterhalten bzw. vorbringen wolle. Der BF teilte mit, dass er von den in XXXX präsenten Milizen, mit denen er bereits vor der Ausreise Probleme gehabt habe, nach wie vor auf der Flucht sei. Diese Milizen hätten in XXXX nach wie vor die Kontrolle, es gäbe keine Sicherheit und komme es öfters zu Entführungen und Tötungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen

II.1.1. Identität und Herkunftsstaat

Der volljährig BF heißt XXXX und wurde am 01.07.1983 in XXXX bzw. XXXX im Unterbezirk XXXX im Bezirk XXXX in Syrien in unmittelbarer Nähe zur Grenze mit der Türkei geboren. Er ist Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Er ist Staatsangehöriger von Syrien und verheiratet. Der BF hat drei minderjährige Kinder für die er gemeinsam mit seiner Gattin das Sorgerecht trägt.

Seine Identität steht fest.

Der BF leidet an keiner psychischen oder physischen Beeinträchtigung und ist erwerbsfähig.

II.1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise

Der BF beherrscht die arabische und die nordkurdische Sprache (Kurmanji) auf dem Niveau der Muttersprache in Wort und Schrift.

Die ersten zehn Lebensjahre lebte der BF in seinem Geburtsort, bevor er nach XXXX übersiedelte. Dort lebte er bis 2013, bevor er wieder nach XXXX zurückkehrte. Unmittelbar vor der Ausreise war der BF etwa einen Monat bei seiner Tante in XXXX wohnhaft.

Der BF besuchte in Syrien drei Jahre lang die Schule, hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war im Herkunftsstaat als Kellner und Landwirt erwerbstätig.

Der BF hat seinen Militärdienst in Syrien von 2002 bis 2005 abgeleistet. Er war Fußsoldat und Wache, hatte den Dienstgrad eines Rekruten inne und absolvierte die Grundausbildung.

II.1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

In Syrien leben die Mutter, die Ehefrau sowie drei minderjährige Kinder des BF.

Ein Bruder und zwei Schwestern des BF leben in der Türkei, ein weiterer Bruder hält sich als Asylwerber in den Niederlanden auf und eine Schwester hält sich als Asylwerberin in Deutschland auf.

Der BF hat regelmäßig Kontakt mit seiner Familie.

II.1.4. Ausreisemodalitäten

Die BF fasste den Entschluss zur Ausreise aus Syrien im Herbst 2022.

Er verließ Syrien im November 2022 zu Fuß und illegal in Richtung Türkei. Er durchreiste die Türkei, Griechenland, Albanien, Serbien und Ungarn bevor er spätestens am 29.11.2022 illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste. Ursprünglich wollte der BF nach Deutschland weiterreisen, dort wurde ihm jedoch die Einreise verweigert.

Er durchreiste auf dem Weg nach Österreich mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte er nicht um Schutz an. Es wurde nicht dargelegt, dass ihm dort die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht auch möglich gewesen wäre oder, dass Flüchtlinge dort keinen Schutz erlangen könnten.

II.1.5. Strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen bzw. sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rechtskräftigen gerichtlicher Verurteilungen auf. Das Vorliegen von rechtskräftigen Verwaltungsstrafen wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der Polizei bzw. den Verwaltungsstrafbehörden einschließlich dem Bundesamt nicht mitgeteilt und ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt der belangten Behörde.

II.1.6. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen; Erlebnisse im Zusammenhang mit staatlichen/nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von dem BF vorgebrachten Problemen, die ihn persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwarten:

De facto ist die Kontrolle über das Gouvernement XXXX unter der gegenwärtigen syrischen Regierung, den kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (demokratische Kräfte Syriens; in der Folge: SDF) und den von der Türkei unterstützten Milizen – insbesondere der Syrischen Nationalen Armee (SNA) – dergestalt aufgeteilt, dass die syrische Regierung den Süden des Gouvernements, die SDF Teile des Gouvernements im Osten und Nordosten und die SNA den Norden bzw. Nordwesten einschließlich des gesamten Bezirks XXXX (Heimatbezirk des BF), der Stadt XXXX und des Unterbezirks XXXX , in welchem sich der Herkunftsort des BF findet, kontrolliert.

Menschen kurdischer Ethnie (in der Sprache der GFK: Rasse) müssen im von den türkischen Streitkräften bzw. mit diesen verbündeten Gruppen besetzten Teil Nordwestsyriens mit gutem Grund befürchten, dass sie in diesen Gebieten alleine auf Grund der Zugehörigkeit zur Ethnie (in der Sprache der GFK: Rasse) der Kurden und Kurdinnen von den dortigen Machthabern – konkret türkische Streitkräfte bzw. mit diesen verbündeten Gruppierungen – verfolgt werden, ohne dass der syrische Staat schutzwillig oder -fähig ist.

Dem BF wird von der SNA eine Verbindung zu kurdischen Gruppierungen bzw. der DAANES unterstellt.

II.1.7. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

II.1.7.1. Zur Situation vor dem 08.12.2024

Im angefochtenen Bescheid wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11, vom 27.03.2024 zitiert. Zur Situation der Kurden und Kurdinnen geht für die Zeit vor dem 08.12.2024 daraus hervor und wird (auch) zum besseren Verständnis für die Zeit nach dem 08.12.2024 festgestellt:

KurdInnen

Im Jahr 2011, kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, lebten zwischen zwei und drei Millionen Kurden in Syrien. Damit stellten sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Heute dürfte die absolute Zahl der Kurden im Land aufgrund von Flucht und Vertreibung deutlich niedriger sein. Die Lebensumstände waren für die Kurden in Syrien lange Zeit noch kritischer als in der Türkei und im Iran (SWP 1.2019). Die Behörden schränkten den Gebrauch der kurdischen Sprache in der Öffentlichkeit, in Schulen und am Arbeitsplatz ein und verboten kurdischsprachige Publikationen und kurdische Feste (HRW 26.11.2009). Jegliche Bemühungen der Kurden, sich zu organisieren [Anm.: mit Ausnahme der zeitweisen Förderung der PKK als außenpolitisches Instrument] oder für ihre politischen und kulturellen Rechte einzutreten, wurden unterdrückt. In den Gebieten unter Kontrolle kurdischer Milizen hat sich seither die Lage nach Einschätzung von Human Rights Watch 'dramatisch' verbessert (FH 9.3.2023).

In der Gesamtbetrachtung stellt sich die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts jedoch trotz Menschenrechtsverletzungen der Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat – PYD) und ihres bewaffneten Arms der Volksverteidigungseinheiten (YPG - Yekîneyên Parastina Gel) als insgesamt weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und jihadistischer Gruppen befinden (AA 29.3.2023). Die provisorische Verfassung dieser Gebiete erlaubt lokale Wahlen, aber die ultimative Kontrolle wird von der PYD ausgeübt (FH 9.3.2023). Die syrische Regierung erkennt die Legitimität der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an. Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verschaffte den Kurden aber auch mehr Freiheiten, indem in diesen Gebieten zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden kann (MRG 3.2018).

Für die Türkei hat es Priorität, die kurdisch-geprägte Autonomie zu beenden [Anm.: zu Militäraktionen der Türkei und zu den mit ihr verbündeten Gruppen siehe die jeweiligen Abschnitte im Kapitel "Sicherheitslage"], und die syrische Regierung möchte ihre Autorität wieder bis zur türkischen Grenze ausdehnen (CMEC 20.12.2022).

Die Lage von KurdInnen in Gebieten außerhalb der Selbstverwaltungsgebiete

KurdInnen sind seit Jahrzehnten staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dazu zählt auch das Vorgehen gegen kurdische AktivistInnen (FH 9.3.2023). Die kurdische Bevölkerung (mit oder ohne syrische Staatsbürgerschaft) sieht sich offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung, Repressionen sowie vom Regime geförderter Gewalt ausgesetzt. Das Regime begrenzt weiterhin den Gebrauch der kurdischen Sprache sowie die Publikation von Büchern und anderen Materialien auf Kurdisch ebenso wie Ausdrucksformen kurdischer Kultur. Das Regime, die Pro-Regime-Einheiten wie auch der sogenannte Islamische Staat (IS) und bewaffnete Oppositionsgruppen, wie die von der Türkei unterstützte Syrian National Army (SNA), verhaften, foltern, töten oder misshandeln in sonstiger Weise zahlreiche kurdische AktivistInnen und Einzelpersonen wie auch Mitglieder der Syrian Democratic Forces (SDF) (USDOS 20.3.2023).

Laut UN-Kommission kommt es in den pro-türkischen Gebieten weiterhin zu Entführungen und [Lösegeld-]Erpressungen. So verhaften, schlagen und entführen SNA-Mitglieder weiterhin kurdische Frauen in Afrin und Ra's al-'Ayn. In fünf von 33 Entführungen von Frauen und Mädchen von Jänner bis Oktober 2022 in Afrin sollen türkische Behörden involviert gewesen sein - darunter zwei Vorwürfe bezüglich Anwendung von Folter. In einem Fall soll die Entführte in die Türkei verbracht worden sein, während elf Entführte inzwischen wieder freigelassen wurden (USDOS 20.3.2023).

NGO-Berichten zufolge vermieden es FrauenrechtsaktivistInnen, öffentlich über ihre Arbeit zu sprechen, oder zogen sich aus lokalen Organisationen, die sich für Geschlechtergleichheit einsetzen, zurück, weil sie gezielter Gewalt durch die SNA und religiöse Individuen ausgesetzt waren. Kurdische Aktivistinnen waren besonders davon betroffen, weshalb manche ihr Engagement in der Öffentlichkeit gänzlich einstellten (USDOS 20.3.2023).

Viele kurdische Zivilisten in Gebieten, die bis 2018 zu den Selbstverwaltungsgebieten gehörten und dann unter Kontrolle der SNA gerieten, wurden zwei Mal zum Ziel: Erst waren sie zwangsweise von der YPG eingezogen worden - teilweise noch als Kinder - oder waren sonst mit der Selbstverwaltung verbunden, ohne eine Wahl zu haben. Dann wurden sie von der SNA genau wegen dieser Verbindungen zur Selbstverwaltung verhaftet und gefangen gehalten (USDOS 20.3.2023).

Im Zuge der türkischen Militäroperation „Friedensquelle“ im Nordosten von Syrien Anfang Oktober 2019 kam und kommt es Berichten zufolge zu willkürlichen Tötungen von Kurden durch Kämpfer der – mit den türkischen Truppen verbündeten – Milizen der SNA sowie zu Plünderungen und Vertreibungen von Kurden, Jesiden und Christen (ÖB Damaskus 1.10.2021) [Anm.: Siehe hierzu besonders auch Überkapitel Ethnische und religiöse Minderheiten].

Laut SNHR waren durch SNA-Gruppen mit Ende Dezember 2022 4.022 Personen unrechtmäßig gefangen oder verschwinden gelassen, darunter 365 Kinder und 882 Frauen. Hinzukamen Verhaftungen durch die SNA, welche den gesetzwidrigen Transfer von syrischen StaatsbürgerInnen in die Türkei nach sich zog (USDOS 20.3.2023) [Anm.: siehe dazu auch Länderinformationen im COI-CMS zu Türkei].

II.1.7.2. Zur Situation nach dem 08.12.2024

II.1.7.2.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 12, 08.05.2025

Nunmehr steht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 12, 08.05.2025 zur Verfügung, welches betreffend die Herkunftsregion des BF keine relevanten Neuerungen aufweist. Auszugsweise wird daraus soweit entscheidungsrelevant wiedergegeben:

Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).

Die Karte zeigt die Aufteilung Syriens unter den bewaffneten Gruppierungen Ende Februar 2025:

TWI 28.2.2025

In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby 16.12.2024). Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).

Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).

Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara' bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017–2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte (TWI 28.2.2025). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025). Anfang Jänner 2025 hinderten lokale Gruppierungen, die in der Provinz Suweida operieren, einen Militärkonvoi der DMO an der Einfahrt in die südsyrische Provinz. Quellen erklärten gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung auf Anweisung des geistlichen Oberhaupts der monotheistischen Gemeinschaft der Drusen, Hikmat al-Hijri, getroffen wurde, der betonte, dass keine militärische Präsenz von außerhalb der Provinz erlaubt sei. Die Quellen erklärten, dass der Militärkonvoi in die mehrheitlich drusische Provinz Suweida kam, ohne sich vorher mit den lokalen Gruppierungen in der Provinz abzustimmen (AJ 1.1.2025a). Etana zufolge soll die HTS zunehmend versucht haben, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte. In intensiven Verhandlungen im Gebäude des Gouvernements Dara'a wurde die Auflösung sowohl des 5. Korps als auch der Gruppen von Ahmad al-'Awda (die einst die 8. Brigade des 5. Korps bildeten) sowie anderer ehemaliger Oppositionsgruppen aus der Stadt Dara'a und at-Tafas angestrebt. Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al-'Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte (Etana 17.1.2025). Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben (National 14.4.2025), schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt (Etana 16.4.2025). [Weitere Informationen zu den Gruppierungen in Südsyrien sowie zu ihrer Entwaffnung finden sich in den Kapiteln Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Ash-Shara's politisches Projekt eines zentralisierten Syriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die „Nation“ spalten könnte – eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht (TWI 28.2.2025).

Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes

Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).

In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet (Etana 22.2.2025). Das Middle East Institute berichtet auch von eindeutig sektiererischen Verstößen, wie die Zerstörung eines Schreins im ländlichen Hama durch zwei sunnitische Zivilisten und Fälle von Schikanen an Kontrollpunkten, konstatiert aber, dass die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten scheinen. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025). Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha [Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen Anm.] befindet (MEI 21.1.2025).

Seit islamistische Rebellen im Dezember den langjährigen repressiven Machthaber Bashar al-Assad stürzten, kam es in mehreren Gebieten zu Zusammenstößen und Schießereien, wobei Sicherheitsbeamte bewaffnete Anhänger der vorherigen Regierung beschuldigten (FR24 1.3.2025). In mehreren Gebieten in Syrien kommt es weiterhin zu Zwischenfällen mit verirrten Kugeln. Im Februar sind bei solchen Vorfällen 18 Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, getötet und vier weitere, darunter zwei Kinder, verwundet worden. Die Opfer verteilen sich auf die von der Regierung in Damaskus, der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kontrollierten Gebiete. Diese Zwischenfälle werden durch die Verbreitung von Waffen unter der Zivilbevölkerung verschärft (SOHR 24.2.2025b). Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara'a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt (Etana 22.2.2025). Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben (AJ 10.3.2025c). Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden) (TWI 10.3.2025). Die Anhänger des gestürzten Assad-Regimes riefen zu einem Aufstand auf. Ungefähr zur Zeit der ersten Angriffe gab eine Gruppierung, die sich selbst als "Militärrat für die Befreiung Syriens" bezeichnet, eine Erklärung ab, in der sie schwor, die Regierung zu stürzen (FT 10.3.2025). Unmittelbar nach dem Hinterhalt riefen die syrischen Sicherheitskräfte zu einer allgemeinen Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus auf und zur Ausrottung ehemaliger Regimegegner (TWI 10.3.2025). Sicherheitskräfte, die durch Verstärkung unterstützt wurden, begannen, gegen die Loyalisten des Assad-Regimes zu kämpfen und sie aus den Dörfern an der Küste Syriens zurückzudrängen. Die Loyalisten zogen sich aufs Land zurück, wobei sie Staatseigentum niederbrannten und mordeten. Als syrische Regierungstruppen und bewaffnete Zivilisten begannen, in alawitische Dörfer im Nordwesten Syriens einzudringen, tauchten Videos von Misshandlungen auf. Zivilisten berichteten von Massenmorden durch Sicherheitskräfte, was von Menschenrechtsgruppen bestätigt wurde (Guardian 10.3.2025). Laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) war es ein Fehler, dass die Regierung in Damaskus in den Moschen zur Mobilisierung aufgerufen hatte. Dies habe zu einem Zustrom von Kämpfern von außerhalb der Region geführt, um Alawiten zu massakrieren (Sky News 9.3.2025a). Laut einem Freiwilligen der Nichtregierungsorganisation Weißhelme kamen Menschen aus allen Städten Syriens, um Rache zu üben (C4 9.3.2025). Die überwiegende Mehrheit der rechtswidrigen Tötungen von Zivilisten und Gefangenen durch syrische Sicherheitskräfte wurde laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) von zwei bestimmten Fraktionen sowie von Personen begangen, die sich Militärkonvois angeschlossen hatten. Konkret waren die beiden Fraktionen, die für die meisten Tötungen von Zivilisten verantwortlich sind, die Suleiman Shah Division [auch: Abu Amsha-Division oder Amsha-Division] und die Hamza-Division. Beide Fraktionen und ihre Anführer stehen wegen mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter Vergewaltigung und Folter, unter US-Sanktionen (Guardian 10.3.2025). Laut Washington Institute for Near Eeast Policiy umfasste die Mobilisierung drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA: Jaysh ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah Division und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA gelisteten Gruppierung Ansar at-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten (TWI 10.3.2025). Die Gruppierungen stehen nominell unter der Schirmherrschaft des neuen Staates, wobei Abu Amsha zum Leiter der Militärbrigade der Provinz Hama ernannt wurde. In Wirklichkeit übt der Staat jedoch nur begrenzte Kontrolle über sie aus. Die Bewaffneten, die die Massaker verübten, seien keine Bewohner der syrischen Küste, sondern stammten aus anderen Gouvernements und seien teilweise ausländischer Herkunft wie Usbeken, Tschetschenen und zentralasiatische Kämpfer (Sky News 9.3.2025a). Am 9.3.2025 gab eine syrische Sicherheitsquelle an, dass sich die Kämpfe in der Umgebung der Städte Latakia, Jabla und Baniyas etwas beruhigt hätten, während die Streitkräfte die umliegenden Berggebiete durchsuchten, in denen sich schätzungsweise 5.000 pro-Assad-Aufständische versteckt hielten (Sky News 9.3.2025b). Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen die Überreste des Regimes in den Küstengebieten bekannt. Er betonte, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Arbeit wieder aufnehmen können, um die Rückkehr zum normalen Leben vorzubereiten, und dass die Sicherheitskräfte weiter daran arbeiten werden, die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten (SANA 10.3.2025a). Der Gouverneur von Tartus betonte am 9.3.2025, dass die Provinz nach dem Sieg über die Überreste des untergegangenen Regimes eine allmähliche Rückkehr ins öffentliche Leben erlebt (SANA 9.3.2025a). In den meisten Vierteln der Stadt Latakia hat am 10.3.2025 das normale Leben wieder begonnen, nachdem die Angriffe der Überreste des ehemaligen Regimes vereitelt und die Sicherheit in der Stadt wiederhergestellt wurde (SANA 10.3.2025b). Nach der Ankündigung der Regierung in Damaskus über den Abschluss der Sicherheitskampagne an der syrischen Küste stürmten Gruppen von bewaffneten Männern, die dem Verteidigungsministerium angehören, die Stadt Harison in der Umgebung von Baniyas, wo sie Häuser und Eigentum von Zivilisten plünderten und in Brand setzten (SOHR 10.3.2025c). Die Lage in den Städten mag stabiler sein, aber in ländlicheren Gegenden finden abseits der Medien eklatante Rechtsverletzungen statt. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter (Sky News 9.3.2025a).

Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe variierte stark (Guardian 9.3.2025). Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR), das umfassende Dokumentationsstandards anwendet und als unabhängig gilt, haben Anhänger des Assad-Regimes 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilisten und 172 syrische Sicherheitskräfte, während syrische Sicherheitskräfte 396 Menschen getötet haben, darunter Zivilisten und entwaffnete Kämpfer (Guardian 10.3.2025). Syrische Sicherheitsquellen gaben an, dass mehr als 300 ihrer Mitglieder bei Zusammenstößen mit Angehörigen der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee, bei koordinierten Angriffen und Hinterhalten auf ihre Streitkräfte getötet wurden (Sky News 9.3.2025b). Es wurden Massengräber mit Dutzenden von toten Mitgliedern gefunden (AJ 9.3.2025). Die syrischen Sicherheitskräfte töteten 700 ehemalige Soldaten und bewaffnete Männer, die dem ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad treu ergeben waren, oder sogenannte Regimeüberreste (Arabiya 9.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Darüber hinaus wurden 125 Mitglieder der Sicherheitskräfte und 150 alawitische Kämpfer getötet (Sky News 9.3.2025a). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). Laut der Vereinten Nationen kam es zu Tötungen ganzer Familien (UN News 9.3.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zog am 11.3.2025 Bilanz und verzeichnete eine Gesamtzahl von 1.093 Todesopfern vom Eintreffen bewaffneter Männer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bis zum 11.3.2025. Insgesamt wurden 44 Massaker verübt (SOHR 11.3.2025). Eine nicht näher genannte Beobachtungsgruppe verzeichnete der BBC zufolge mehr als 1.500 Todesopfer, darunter 1.068 Zivilisten (BBC 10.3.2025). Laut Aussage des Leiters von SOHR wurden Zehntausende Häuser geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). Ein Freiwilliger der syrischen NGO Weißhelme (White Helmets) berichtete, dass seine Organisation am 5.3.2025 auf mehr als 40 Brände im Küstengebiet reagieren musste, bevor in der darauffolgenden Nacht die Schießerei begonnen hatte. Es wurde auch einer der Krankenwagen der Weißhelme angegriffen, ebenso das Krankenhaus und Kontrollpunkte (C4 9.3.2025).

Diese Eskalation war nicht auf Latakia im Westen Syriens beschränkt, denn auch in anderen Gebieten am Rande der Hauptstadt Damaskus und in Dara'a kam es zu bewaffneten Zusammenstößen (AlHurra 8.3.2025). Unbekannte bewaffnete Männer in einem Auto warfen am 10.3.2025 Granaten und eröffneten das Feuer mit Maschinengewehren auf das Hauptquartier der allgemeinen Sicherheitskräfte im Stadtteil al-Mezzeh in Damaskus. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften (SOHR 10.3.2025d).

Übergangspräsident ash-Shara' richtete einen dreißigtägigen Untersuchungsausschuss, der die tatsächlichen Geschehnisse untersuchen soll, ein. Im Gegensatz zu den früheren Ernennungen der Übergangsregierung für Ausschüsse, Ministerien und Provinzämter sind die sieben Mitglieder dieses neuen Ausschusses nicht mit HTS oder ihrer Verbündeten in Verbindung gebracht worden (TWI 10.3.2025). Der Ausschuss soll seinen Bericht dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ash-Shara', spätestens 30 Tage nach der Entscheidung zur Bildung des Ausschusses vorlegen (BBC 9.3.2025a). Er hat zur Aufgabe, die Ursachen, Umstände und Bedingungen aufzudecken, die zu diesen Ereignissen geführt haben, die Verletzungen zu untersuchen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt war, die Verantwortlichen zu identifizieren, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Armee zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und diejenigen, die nachweislich an den Verbrechen und Verletzungen beteiligt waren, an die Justiz zu verweisen (SANA 9.3.2025b). Am 9.3.2025 begannen die Behörden, gegen diejenigen vorzugehen, die Gewalttaten gegen Zivilisten begangen hatten. Die syrische Übergangsregierung verhaftete sogenannte undisziplinierte Gruppen, die in den letzten Tagen während der Säuberungsaktionen Sabotageakte begangen hatten. Sie sollen strafrechtlich verfolgt werden, weil sie die Anweisungen des Kommandos missachteten (Arabiya 9.3.2025).

Nordsyrien

Die Sicherheitslage in Nordsyrien ist nach wie vor instabil, da verschiedene Fraktionen um Kontrolle und Einfluss konkurrieren (SCR 30.1.2025). Nach al-Assads Sturz und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt der Nordwesten Syriens eine der unruhigsten und komplexesten Regionen des Landes. Die neuen Machthaber bestehen aus einem Bündnis verschiedener islamistischer Fraktionen, wobei insbesondere Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in Idlib und Teilen Aleppos eine führende Rolle einnehmen. Trotz der formellen Übernahme der Macht kommt es in der Region weiterhin zu Machtkämpfen zwischen rivalisierenden islamistischen Gruppen, Widerstandszellen Assad-treuer Kräfte und externen Bedrohungen durch Luftangriffe und Grenzkonflikte (VB Amman 9.2.2025). Teile des Nordostens Syriens, insbesondere Ost-Aleppo, ar-Raqqa und al-Hasaka, sind von Feindseligkeiten, Zusammenstößen und Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern (Improvised Explosive Devices - IED) betroffen (UNOCHA 12.2.2025). Idlib ist nun das Zentrum der islamistischen Verwaltung in Syrien, bleibt aber eine hochgradig instabile Region. Während HTS als dominierende Kraft die Kontrolle beansprucht, gibt es weiterhin Konflikte mit anderen Fraktionen sowie Widerstand durch kleinere Gruppierungen, die nicht vollständig in die neue Ordnung integriert wurden. Trotz des Sturzes al-Assads bleiben die syrischen Lufträume gefährdet durch israelische Angriffe auf iranische oder mit Iran verbundene Gruppierungen, während Russland gelegentlich gezielte Angriffe auf dschihadistische Gruppierungen in der Region durchführt. Spannungen zwischen HTS, anderen islamistischen Gruppierungen und lokalen Milizen sorgen für eine fragile Sicherheitslage mit regelmäßigen Attentaten und bewaffneten Auseinandersetzungen. Die anhaltende Instabilität, fehlende Grundversorgung und wirtschaftliche Notlage haben die humanitäre Situation in Idlib weiter verschärft. Aleppo bleibt eine der strategisch wichtigsten Städte Syriens, ist jedoch weiterhin zwischen verschiedenen Akteuren umkämpft. Während islamistische Gruppierungen Teile der Stadt kontrollieren, gibt es in anderen Bezirken noch Präsenz ehemaliger regierungstreuer Milizen oder autonomer kurdischer Einheiten. In nördlichen Teilen Aleppos gibt es weiterhin Spannungen zwischen türkisch unterstützten Milizen und kurdischen Einheiten der SDF. In Teilen Aleppos kommt es weiterhin zu gezielten Attentaten, Entführungen und Sprengstoffanschlägen gegen islamistische Führungspersonen, was auf eine aktive Widerstandsbewegung hindeutet. Die Stadt bleibt schwer beschädigt, und der Wiederaufbau schreitet nur schleppend voran, da sich die neuen islamistischen Machthaber auf militärische Kontrolle und weniger auf infrastrukturelle Erholung konzentrieren (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium gab bekannt, dass es einen Angriff der SDF an der Ashrafiya-Front Anfang März 2025 in Aleppo-Stadt zurückgeschlagen hat. Das syrische Verteidigungsministerium hat aus mehreren Gebieten militärische Verstärkung an die Kampffronten gegen die SDF in Aleppo geschickt (AJ 10.3.2025c). Die syrische Armee hat nach eigenen Angaben Mitglieder der kurdisch geführten SDF festgenommen, als diese aus dem Viertel al-Ashrafiya nach Aleppo eindrangen (BBC 9.3.2025a).

Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Seitdem der friedliche Aufstand gegen das Assad-Regime Ende 2011 in den bewaffneten Konflikt überging, bildeten sich bewaffnete Gruppierungen auf fast der gesamten syrischen Landkarte, angefangen bei Offizieren und Soldaten, die vom Regime übergelaufen waren, bis hin zu Gruppierungen, die sich aus lokalen und religiösen Gruppierungen zusammensetzten. Sie standen im Konkurrenzkampf einerseits untereinander und andererseits kämpften sie gegen die Regimekräfte, die ihnen bis 2018 schwere Verluste zufügten. Danach wurden viele Gruppierungen aufgelöst. Andere übersiedelten unter russischer Schirmherrschaft im Rahmen von Abkommen nach Nordsyrien oder blieben auf der Basis von "Versöhnungsabkommen" unter russischer Schirmherrschaft und Garantien bzw. direkten Abmachungen mit dem Assad-Regime weiter bestehen. Im Zuge der Kampfhandlungen im Spätherbst 2024 schienen die Oppositionskämpfer gut organisiert zu sein und arbeiteten in einem Bündnis unter dem Namen Abteilung für militärische Operationen (Department of Military Operations - DMO) zusammen (Asharq 9.12.2024). Für die Großoffensive "Abschreckung der Aggression", die am 17.11.2024 startete und zum Sturz des Präsidenten al-Assad führte, hatten sich die Rebellen monatelang vorbereitet (NYT 1.12.2024). Im Laufe des vergangenen Jahres entwickelten die Kämpfer eine neue Methode, die sich auf die Verwendung von Drohnen stützte (Guardian 8.12.2024). Von den ersten Tagen der Offensive an veröffentlichte die von den Rebellen geführte DMO mehrere Videos von Angriffen auf Militärfahrzeuge und Versammlungen von Soldaten des syrischen Regimes mit sogenannten Shaheen-Drohnen, die eine große Effektivität und Genauigkeit beim Treffen der Ziele zeigten. Für diese Drohnen wurden eigens die Shaheen-Bataillone geschaffen (AJ 10.12.2024). Diese Bataillone sind für ihr hohes Maß an Fachwissen und ihre Präzision bekannt. Sie sollen von Offizieren aus Osteuropa ausgebildet worden sein (IndepAr 5.12.2024). Für die Ausbildung soll die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sogar eine eigene Drohnenakademie betrieben haben (LF 13.12.2024). Zum ersten Mal in der Geschichte des Syrienkonflikts war die bewaffnete Opposition nun in der Lage, den Luftraum zu kontrollieren (IndepAr 5.12.2024). Die verschiedenen Drohnentypen trugen dazu bei, eine Art Gleichgewicht im Luftraum zu erreichen, gemeinsam mit der Tatsache, dass die Russen den Großteil ihres Luftarsenals aus Syrien abgezogen hatten, weil sie mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt waren (AJ 10.12.2024). Die Drohnen, die in niedriger Höhe fliegen, greifen Fahrzeuge und gepanzerte Fahrzeuge an, feuern Raketen auf Soldaten ab, oder es sind Selbstmorddrohnen, die sich schnell auf Fahrzeuge und Panzer stürzen und sich sofort mit jedem Objekt, das mit ihnen kollidiert, in die Luft sprengen. Einer Warnung Russlands zufolge soll die HTS über mehr als 250 fortschrittlicher Drohnen verfügt haben. Gerüchten zufolge unterhielt die HTS im Nordwesten Syriens eine Fabrik zur Herstellung von Drohnen mit Düsentriebwerken und Sprengbomben gemeinsam mit ausländischer Unterstützung (IndepAr 5.12.2024), wie beispielsweise durch uigurische Ingenieure der Turkistan Islamic Party (TIP, die aus Dschihadisten besteht, die aus China stammen und sich im ländlichen Latakia und Idlib niedergelassen haben). Sie beaufsichtigen die Herstellung der Drohnen für ein monatliches Gehalt von bis zu 4.000 Dollar (Nahar 29.11.2024). Die Entwicklung dieser Waffen soll in kleinen Werkstätten, untergebracht in Garagen, Häusern, ehemaligen Schulgebäuden, Lagerhäusern und anderen Orten, die schwer zu entdecken sind, passiert sein (LF 13.12.2024). HTS hat eine komplexe Infrastruktur aufgebaut, um den Einsatz von Drohnen zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Einsatz von 3-D-Drucktechnologie zur Herstellung von Teilen, die nicht ohne Weiteres aus kommerziellen Quellen bezogen werden können (LF 13.12.2024).

Der Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) fehlt es an ausreichendem Personal, um das ganze Land zu verwalten und die Posten zu bemannen. Es werden entweder andere Gruppierungen mit an Bord geholt werden müssen, oder möglicherweise auch ehemalige Soldaten (PBS 16.12.2024). Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppierungen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Associated Press berichtete am 16.12.2024, dass Polizeikräfte des Assad-Regimes verschwunden sind und an ihre Stelle Polizeikräfte der Syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Gouvernements - SSG) - der von der HTS geführten Regierung, die bis zum Sturz al-Assads in Idlib regierte - getreten waren. Sie bearbeiten Fälle von kleineren Diebstählen und Straßenkrawalle (AP 15.12.2024b). Die Polizisten der SSG sollen 4.000 Mann stark sein, wobei die Hälfte davon weiterhin in Idlib operiere, während die andere Hälfte in Damaskus und anderen Teilen Syriens für Ordnung sorgen. Obwohl manche von ihnen religiöse Symbole tragen, ließen sie andersgläubige Minderheiten weitgehend in Ruhe (AP 15.12.2024b). Die Kräfte, die Syriens neuem Machthaber zur Verfügung stehen, sind unzureichend. Die 30.000 Mann starke HTS ist nun über das ganze Land verteilt (Economist 5.3.2025). In Damaskus ist in den wichtigsten Bereichen nur Militärpersonal der HTS zu sehen, das ein Gefühl der Sicherheit vermittelt und versucht, den Verkehr zu regeln – allerdings mit begrenztem Erfolg. Dies ist nicht nur eine Folge der begrenzten Kapazitäten der HTS, die nun an ihre Grenzen stoßen, da sie ein ganzes Land und nicht nur einen Teil einer Provinz verwalten müssen. Es ist auch ein Symptom für den abrupten Zusammenbruch der traditionellen Sicherheitsstrukturen. In den meisten Städten wurden in den ersten Tagen nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes Polizeistationen und Gerichte geschlossen, und Diebstähle – sowohl von Autos als auch von Häusern – nahmen aufgrund des Mangels an neu ausgebildeten Polizisten zu (AGSIW 4.3.2025). Während des Umsturzes am 8.12.2024 wurden die meisten Polizeistationen in Damaskus von Plünderern verwüstet, wobei Ausrüstung und Unterlagen geplündert oder zerstört wurden. Die Polizei gab an, dass die Hälfte der etwa 20 Polizeistationen inzwischen wiedereröffnet wurde, aber sie jeweils nur mit zehn Beamten besetzt sind, die größtenteils aus Idlib kommen. Zuvor waren es 100 bis 150 Mann (REU 23.1.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei regeln Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). HTS hat sich auf ihre eigenen Einheiten und die ihrer engen Verbündeten verlassen, um die vier von Minderheiten dominierten Gouvernements zu sichern. Zu diesen gehören vor allem die Einheiten der Allgemeinen Sicherheit (auch: General Security) des Innenministeriums der ehemaligen syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG). Diese Kräfte sind im Wesentlichen schwer bewaffnete Polizisten, die eingesprungen sind, um Unterstützung zu leisten, während neue lokale Polizeikräfte noch aufgebaut werden. Die Abteilung für militärische Operationen hat auch Einheiten im ganzen Land eingesetzt, um die überlastete Allgemeine Sicherheit zu unterstützen und weitere Sicherheitslücken zu schließen. DMO-Einheiten führen gezielte Razzien gegen bewaffnete Zellen durch, halfen anfangs bei der Überwachung von Städten und besetzten zeitweise Kontrollpunkte. Ende Dezember 2024 wurden viele Einheiten aus den Küstenstädten abgezogen und auf Kontrollpunkte und Stützpunkte beschränkt, wo sie durch wachsende lokale Polizeikräfte ersetzt wurden. Am problematischsten waren die ausländischen Kämpfergruppen innerhalb der Eliteeinheit Rote Brigaden von DMO und HTS, die viele der Razzien der neuen Regierung anführt (MEI 21.1.2025). Die Sicherheitskräfte des alten Regimes wurden aufgelöst. Frühere Versprechen, die Polizei auf ihre Posten zurückzurufen, wurden nicht eingehalten. Die Menschen wurden aufgefordert, sich erneut auf ihre Stellen zu bewerben, aber das Verfahren ist undurchsichtig und soll Alawiten abschrecken. Ash-Shara' hat sich größtenteils an die Sicherheitskräfte seiner Verwaltung in Idlib gewandt, um den Personalmangel auszugleichen. Erfahrene Offiziere des alten Regimes sind jetzt Taxifahrer. In diesem Vakuum stellen die örtlichen Gemeinden ihre eigenen Bürgerwehren zusammen (Economist 5.3.2025).

Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA)

Mehr als die Hälfte der über 60 in Syrien bestehenden bewaffneten Gruppierungen gehört zur von der Türkei unterstützten Syrian National Army. Ihre Stärke beträgt mindestens 80.000 Mann und ihre Hauptaufgabe ist die Bekämpfung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) (DNewsEgy 3.2.2025). Die Jabhat ash-Shamiya, die Bewegung Nour ad-Din-Zenki, die islamische Bewegung Ahrar ash-Sham im nördlichen Umland von Aleppo und die Gruppe ash-Shahba beteiligten sich an den Vorbereitungen für die Operation "Abschreckung der Aggression" im Sommer 2024, während die übrigen Fraktionen auf direkte Anweisungen aus Ankara warteten, wie die Nationale Befreiungsfront in Idlib, die Tausende von Kämpfern aus allen Untergruppierungen der Abteilung für militärische Operationen zur Verfügung stellte (Quds 11.1.2025). Sie könnte ca. 50.000 Kämpfer umfassen. Die SNA steht grundsätzlich in Konkurrenz mit der HTS. Ihre Anführer haben erklärt, dass sie schwere Waffen abgeben würde im Gegenzug für hohe Funktionen in der neuen syrischen Armee. Ihre Kleinfeuerwaffen werden sie behalten. Manche Anführer möchten ihr Einkommen, das sie durch Schmuggel über die türkisch-syrische Grenze erhalten, nicht aufgeben (Economist 14.1.2025). Im Widerspruch dazu wird die HTS von der von Ankara unterstützten Nationalen Befreiungsfront (National Liberation Front - NLF) unterstützt, die von Oberst Fadlallah al-Hajji angeführt wird, dem militärischen Befehlshaber der Faylaq ash-Sham und gleichzeitig stellvertretenden Verteidigungsminister in der Übergangsregierung (Quds 11.1.2025). Die NLF schloss sich im Oktober 2019 der SNA an (MEE 7.12.2024).

Die Suleiman Shah Division (auch: al-Amshat) wird von Mohammad Hussein al-Jassim, bekannt als Abu Amsha, angeführt, einer umstrittenen Figur, die sich schweren Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sieht. Seine Truppen haben ihren Sitz in Sheikh al-Hadid in 'Afrin und erstrecken sich auf Teile des nördlichen Landesteils von Aleppo. Die Hamza-Division (auch: Hamzat) kontrolliert al-Bab, Jarablus und 'Afrin und steht unter dem Kommando von Saif Bolad (Abu Bakr), einem prominenten Führer der von der Türkei unterstützten SNA. Im Jahr 2023 verhängte das US-Finanzministerium direkte Sanktionen gegen die beiden Fraktionen und beschuldigte sie, in den von ihnen kontrollierten Gebieten „Kriegsverbrechen und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen“ zu begehen. Menschenrechtsberichten zufolge waren diese von der Türkei unterstützten Gruppierungen an „systematischen ethnischen Säuberungsaktionen“ und groß angelegten „Massakern“ gegen Zivilisten in Banias, Tartus und Latakia beteiligt, bei denen Hunderte von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, getötet wurden (LebDeb 10.3.2025).

Die syrischen Sicherheitskräfte forderten Anfang März 2025 nach Zusammenstößen mit Anhängern des Assad-Regimes eine allgemeine Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus an. Drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA folgten diesem Aufruf: Jaish ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA benannten Gruppe Ansar al-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten. Die meisten lokalen Berichte deuten darauf hin, dass die überwiegende Zahl der von Regierungstruppen verursachten zivilen Todesfälle Anfang März 2025 in der Küstenregion von einer Mischung aus SNA-Fraktionen, ausländischen Kämpfern und zufälligen Zivilisten begangen wurde (TWI 10.3.2025).

Alle Gruppierungen der Syrischen Nationalen Armee sind an der Operation "Morgenröte der Freiheit" gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) beteiligt (Quds 11.1.2025).

Fahim 'Issa, einer der prominentesten Militärkommandeure in Nordsyrien, sagte, dass die Fraktionen der SNA derzeit nicht bereit sind, sich zusammenzuschließen, weil sie sich in den Kämpfen gegen die SDF mit türkischer Unterstützung engagieren, was im Gegensatz zu ash-Shara's Ansatz steht, die Angelegenheit mit den kurdischen Kämpfern zu regeln (Quds 11.1.2025).

Die Motivationen der Kämpfer in der SNA sind alles andere als einheitlich. In Interviews wurden drei Hauptmotive im gesamten Korps der SNA hervorgehoben: Erstens sind die Kämpfer von Loyalität und Stammesverbundenheit angetrieben und verlassen sich auf verwandtschaftliche Bindungen und das Vertrauen in die lokale Führung. Zweitens werden sie eher durch wirtschaftliche Faktoren motiviert, wobei viele von ihnen im Schmuggel und in der Kontrolle des lokalen Marktes tätig sind. Drittens sind einige Kämpfer, insbesondere an der Levante-Front, ideologisch motiviert und vertreten revolutionäre Ideale und umfassendere Visionen des gesellschaftlichen Wandels (NLM 25.2.2025).

Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Türkei

Die Türkei hatte mehrmals seit 2016 militärisch in Syrien interveniert, um kurdische Kämpfer und den Islamischen Staat zu bekämpfen. Sie unterstützt ausgewählte Oppositionsgruppierungen und hat Pufferzonen in Teilen des syrisch-türkischen Grenzgebiets etabliert. Die Türkei unterhält weiterhin eine beträchtliche Militärpräsenz in Nordsyrien und hat Milizen, wie die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA) ausgebildet und bewaffnet (CIA 31.7.2024). Die SNA untersteht de facto der Autorität der Türkei, ebenso wie die Syrische Interimsregierung (Syrian Interim Government - SIG). Obwohl die Präsenz der Türkei ein gewisses Maß an Stabilität in die Region bringt, gilt ihre Kontrollzone in Nordsyrien als die unsicherste und am brutalsten regierte (BI 27.1.2023). Die SNA ist in Legionen und weiter in Fraktionen unterteilt. Die Fraktionskommandanten folgen dem Kommando der Legionen. Die Anzahl der Fraktionen variiert in den einzelnen Legionen (GCSP 10.2020). Die Türkei unterstützt die Rebellen vor allem zur Eindämmung der Milizen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG), die sie beschuldigt, eine Erweiterung der im Inland verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (Partiya Karkerên Kurdistanê - PKK), [die die Türkei und auch die EU als Terrororganisation gelistet hat Anm.] zu sein (BBC 10.12.2024). Die türkische Armee ist in weiten Teilen Nordsyriens präsent und verfügt nach Angaben von Jusoor for Studies über 125 militärische Stellungen, darunter 12 Basen und 113 Stellungen. Die meisten dieser Stellungen wurden im Anschluss an türkische Militäroperationen eingerichtet, die vermutlich auf nicht deklarierten Vereinbarungen im Rahmen des Astana-Prozesses beruhten (SyrInd 13.3.2024). Der türkische Außenminister sagte am 15.2.2025, sein Land würde seine militärische Präsenz im Nordosten Syriens überdenken, wenn die neue Führung des Landes die PKK eliminieren würde (AP 15.2.2025). Einige Experten gehen davon aus, dass die Großoffensive, die zum Sturz al-Assads geführt hat, nicht ohne die Zustimmung der Türkei erfolgen hätte können, die Türkei bestreitet die führende Oppositionsgruppierung Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) unterstützt zu haben (BBC 10.12.2024).

II.1.7.2.2. Syria: Country Focus der European Union Agency for Asylum von Juli 2025

Aus dem (englischsprachigen) Bericht „Syria: Country Focus” der EUAA von Juli 2025 (https://www.ecoi.net/en/file/local/2127045/2025_07_EUAA_COI_Report_Syria_Country_Focus.pdf; abgerufen am 18.08.2025) wird übersetzt Folgendes festgestellt:

Kurden

Die Kurden bilden mit einer geschätzten Bevölkerungszahl von 2 bis 2,5 Millionen oder bis zu 10 % der Vorkriegsbevölkerung von 23 Millionen die größte ethnische Minderheit in Syrien. Die kurdische Bevölkerung konzentriert sich auf die Regionen Afrin, Kobani und Jazira, Stadtteile von Aleppo und Damaskus sowie in geringerem Maße auf mehrere Bezirke der Stadt Raqqa.

Während eines Besuchs in Afrin in der Provinz Aleppo Mitte Februar 2025 versprach der Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa, die Autorität der neuen Regierung in der Region auszuweiten und Verstöße wie willkürliche Verhaftungen, Erpressung, Beschlagnahmung von Eigentum und Abholzung zu beenden, die von den von der Türkei unterstützten SNA-Fraktionen begangen wurden, die das Gebiet seit 2018 kontrollieren. Am 10. März 2025 unterzeichneten Al-Sharaa und der SDF-Kommandeur Mazloum Abdi eine vorläufige Vereinbarung, um mit der Integration der SDF in die neue syrische Armee zu beginnen. Die Vereinbarung versprach auch, dass Kurden das Recht auf Staatsbürgerschaft und andere verfassungsmäßige Rechte erhalten würden, darunter die Verwendung und der Unterricht der kurdischen Sprache, während Vertriebene in ihre Heimat zurückkehren könnten. Anfang April 2025 verließen die SDF-Truppen die überwiegend kurdischen Stadtteile Sheikh Maqsoud und Ashrafieh im Norden Aleppos, die seit 2015 unter ihrer Kontrolle standen.

Obwohl pro-türkische Gruppierungen Berichten zufolge ihre militärische Präsenz in Afrin seit April 2025 reduziert haben, erklärte Nadine Maenza, Präsidentin des Sekretariats der International Religious Freedom (IRF) und ehemalige Vorsitzende der United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF), in einem Interview mit dem kurdischen Medienunternehmen Rudaw, dass es aufgrund der Unterstützung der Türkei für Al-Sharaa weiterhin schwierig sei, die von der Türkei unterstützten Milizen zu entfernen. Im April 2025 berichtete Syrians for Truth Justice (im Originaltext: STJ), dass trotz offizieller Ankündigungen über die Auflösung der SNA-Fraktionen diese Gruppen, einschließlich der ihnen angeschlossenen Militärpolizei, weiterhin in Afrin aktiv sind, wobei einige ihrer Mitglieder an andere Orte verlegt wurden. In ähnlicher Weise stellte Human Rights Watch im Mai 2025 fest, dass zwar die meisten SNA-Kontrollpunkte entfernt worden waren, die Fraktionen jedoch weiterhin von ihren früheren Stützpunkten aus operierten. In Bezug auf Afrin stellte jedoch ein kurdischer Aktivist, der Ende April 2025 vom Medienunternehmen Syria Direct interviewt wurde, fest, dass zwischen 70 % und 80 % der SNA-Fraktionen die Stadt verlassen hätten.

Wie Human Rights Watch feststellte, wurden SNA-Kämpfer trotz ihrer früheren Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen in die syrischen Streitkräfte integriert, wobei einige Kommandeure in hohe Regierungs- und Militärämter berufen wurden. Nach der Rückeroberung von Manbij von den SDF im Dezember 2024 sollen SNA-Fraktionen an Plünderungen von Häusern und Geschäften von Kurden beteiligt gewesen sein. Aus Angst vor Verhaftung oder Ermordung flohen viele kurdische Einwohner aus der Stadt.

Im Januar und Februar 2025 nahmen laut Quellenangaben die Militärpolizei und die Suleiman-Shah-Brigade (al-Amshat) in Afrin Personen fest, darunter auch Rückkehrer in die Region, wobei in einigen Fällen Erpressung zur Freilassung stattfand. Am 7. Februar 2025, einen Tag nach dem Einmarsch der Militärpolizei in Afrin, wurden Berichten zufolge sechs Personen festgenommen, von denen vier beschuldigt wurden, „pro-SDF-Parolen gerufen zu haben, während sie die Delegation der Allgemeinen Sicherheit begrüßten“. Sie wurden 18 Tage später freigelassen. Während die Festnahmen durch die SNA im März laut Berichten zurückgingen, blieben Hunderte von Menschen in von der SNA betriebenen Gefängnissen inhaftiert, die von der Türkei überwacht werden. Wie Syrians for Truth Justice (im Originaltext: STJ) im April 2025 feststellte, blieben die Gefängnisse und Haftanstalten in Afrin in Betrieb und wurden Berichten zufolge dazu genutzt, eine große Anzahl kurdischer Häftlinge festzuhalten, die von verschiedenen SNA-Fraktionen „unter vorgeschobenen Anschuldigungen” wie angeblicher Zugehörigkeit zur PKK, SDF oder DAANES festgenommen worden waren.

Nach dem Regierungswechsel kehrten kurdische Familien, die seit 2018 aus Afrin und anderen Gebieten vertrieben worden waren, die von der türkischen Militäroperation „Olivenzweig” betroffen waren, in ihre Dörfer zurück. Anfang April 2025 berichtete das Medienunternehmen Welat unter Berufung auf den Kurdischen Nationalrat (im Originaltext: „EKNS“; [Anmerkung: gemeint ist ENKS - Encumena Nistimani ya Kurdi li Suriye) in Afrin, dass mehr als 20.000 kurdische Familien zurückgekehrt seien. Laut Syria Direct ist die Zahl der Rückkehrer nach Afrin im April 2025 gestiegen, wodurch der Anteil der kurdischen Bevölkerung in der Stadt Berichten zufolge auf schätzungsweise 60-70 % der Gesamtbevölkerung angestiegen ist. Im März 2025 berichtete Rudaw, dass einige Siedlerfamilien von vertriebenen Arabern Afrin verlassen hatten und in einigen Fällen ganze Dörfer aufgegeben hatten. Wie Ende April 2025 berichtet wurde, sind in einigen Dörfern bis zu 90 % der ehemaligen Bewohner zurückgekehrt, obwohl die Rückkehrquoten in der Region variieren. Bis Ende Mai 2025 waren Berichten zufolge viele Siedlungen in Afrin verlassen worden, nachdem die SNA-Familien weggezogen waren.

Wie Syria Direct am 30. April 2025 berichtete, hat die neue Regierung keine offizielle Erklärung abgegeben, um die Rückkehr zu fördern und die Sicherheit der Rückkehrer zu gewährleisten. Darüber hinaus hat die neue Regierung, wie Rudaw im April 2025 feststellte, keine Entscheidung getroffen, die Rückkehr nach Afrin zu unterstützen, sodass einige Rückkehrerfamilien auf eigene Faust zurückkehren, während andere die Hilfe des Kurdischen Nationalrats (im Originaltext: ENKS) in Anspruch nehmen.

Im April 2025 berichteten Quellen, dass die anhaltende Präsenz von SNA-Milizen in Afrin kurdische Binnenflüchtlinge daran hindert, zurückzukehren. Viele kurdische Rückkehrer hatten Schwierigkeiten, ihre Häuser zurückzugewinnen, die von SNA-Kommandanten und -Kämpfern oder von Syrern, die aus anderen Teilen des Landes vertrieben worden waren, übernommen worden waren. Rückkehrer wurden oft zur Zahlung von Geldbeträgen aufgefordert, um ihre Häuser zurückzubekommen, wobei Al-Amshat Berichten zufolge zwischen 2.000 und 5.000 US-Dollar von zurückkehrenden Familien erpresste und Olivenbauern Steuern auferlegte. Zwischen Dezember 2024 und Januar 2025 sollen SNA-Kämpfer neun Einwohner von Afrin wegen nicht gezahlter Steuern festgenommen und von jedem bis zu 3.800 US-Dollar für ihre Freilassung erpresst haben. Wie im April 2025 berichtet wurde, erpresste die Ahrar al-Sharqiya-Fraktion der SNA in Rajo im Bezirk Afrin Ladenbesitzer und beschlagnahmte Eigentum von Vertriebenen.

Zusätzlich zu Verletzungen von Haus-, Land- und Eigentumsrechten und „potenziellen Spannungen mit den Aufnahmegemeinden“ während der Rückkehr in den Norden Aleppos waren die Kurden ständig mit der Verweigerung des Zugangs zu zivilen Dokumenten und grundlegenden Dienstleistungen konfrontiert. Wie das European Network on Statelessness (im Originaltext: ENS) feststellte, der Regierungswechsel in Syrien eine Gelegenheit bieten könnte, das Problem der Staatenlosigkeit anzugehen, von dem ein Teil der kurdischen Bevölkerung betroffen ist, wurden keine Informationen über den rechtlichen Status der staatenlosen Kurden unter der Übergangsregierung gefunden.

II.1.7.2.3. ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in XXXX und türkisch kontrollierten Gebieten; Verhältnis der syrischen Übergangsregierung zur SNA und zur Türkei vom 20.03.2025

Aus der genannten Quelle wird folgendes festgestellt:

Es kommt nach wie vor zu Übergriffen auf insbesondere kurdische RückkererInnen in die Region XXXX . Personen, denen eine Verbindung zur autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens unterstellt wird, haben mit Repressionen zu rechnen. Es liegen Berichte vor, dass RückkehrerInnen von bewaffneten Gruppen festgenommen worden seien, da sie beschuldigt wurden Verbindungen zur kurdisch geführten Verwaltung in der Region zu unterhalten. Kurdische Häuser sind besetzt worden und es wurde Lösegeld für die Rückgabe der Häuser verlangt. Es kommt in der Region um XXXX weiterhin zu Entführungen, Festnahmen und Angriffen von bzw. auf kurdische Zivilisten durch Mitglieder der einzelnen SNA-Gruppierungen.

II.1.7.2.4. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation SYRIEN „ XXXX , Kontrolle“ vom 04.06.2025

Kräfte der zur Zentralregierung gehörenden allgemeinen Sicherheit sollen in XXXX für Sicherheit sorgen, es kommt aber weiterhin zu Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen durch von der Türkei unterstützte Gruppen. Diese operieren von ihren ehemaligen Stützpunkten aus. Es gibt weiterhin Angriffe auf ziviles Eigentum in der Region XXXX .

II.2. Beweiswürdigung

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, der von ihm vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Einsichtnahme in die bereits vom BFA beigeschafften länderkundlichen Informationen (Version 11 vom 27.03.2024), die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften aktuellen länderkundlichen Informationen betreffend den Herkunftsstaat des BF (Version 12 vom 08.05.2025), in die Anfragebeantwortung von ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research an Documentation zu Syrien betreffend Sicherheitslage in XXXX und türkisch kontrollierten Gebieten; Verhältnis der syrischen Übergangsregierung zur SNA und zur Türkei [a-12593] vom 20.03.2025 (in der Folge: Anfragebeantwortung ACCORD) sowie in die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend die Kontrolle im Bezirk XXXX vom 04.06.2025 (in der Folge: Anfragebeantwortung Staatendokumentation) sowie in den Bericht „Syria: Country Focus” der EUAA von Juli 2025 zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF.

Auskünfte aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, der Grundversorgungsdatenbank, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger und dem Strafregister wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt, zuletzt am 09.07.2025. Wenn in der Beweiswürdigung auf diese Auszüge verwiesen wird, dann – außer es wird explizit anders erwähnt – auf diese aktuellste Version der im Akt befindlichen Auszüge.

Die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen des BF liefern den vollen Beweis iSd § 15 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. 51/1991 in der geltenden Fassung (in der Folge: AVG) über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung und können mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden. Der BF trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.

Der BF legte im erstinstanzlichen Verfahren folgende Beweisurkunden vor (AS 27ff, 30, 32ff, 39ff, 75f, 83ff):

- Auszug aus dem Melderegister (Zivilregister) (in deutscher Übersetzung s. AS 29)

- Geburtsurkunde des BF (in deutscher Übersetzung s. AS 31)

- Auszug aus dem Eheregister (in deutscher Übersetzung s. Aktenseite 35)

- Auszug aus dem Melderegister (Zivilregister) betreffend die Ehefrau des BF (in deutscher Übersetzung s. AS 36)

- Auszug aus dem Melderegister (Zivilregister) betreffend die Kinder des BF (in deutscher Übersetzung s. AS 42, 46, 50)

- Geburtsurkunden der Kinder des BF (in deutscher Übersetzung s. AS 43, 48, 49)

- Identitätskarte im Original (bei Einvernahme vor dem BFA sichergestellt)

- Personalausweis des BF aus Syrien (bei Einvernahme vor dem BFA sichergestellt; in deutscher Übersetzung s. AS 91)

- Antrag auf Erteilung einer Anklageauskunft und entsprechende Anklageauskunft, wonach gegen den Cousin des BF ein Verfahren wegen der Zwangsrekrutierung zugunsten des Feindes anhängig sei. Der Cousin sei im November 2023 aus der Haft entlassen worden und sei für August 2024 der nächste Gerichtstermin angesetzt (in deutscher Übersetzung s. AS 77)

- Entlassungsschein betreffend den Cousin des BF (in deutscher Übersetzung s. AS 79)

- Unterlagen betreffend den abgeleisteten Militärdienst des BF (in deutscher Übersetzung s. AS 81f)

- Teilnahmebestätigung Modul „Sicherheit Polizei“ vom 22.03.2024 (s. AS 97)

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.1. Identität und Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Identität, zum Herkunftsstaat, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zum Familienstand des BF stützen sich auf seine Angaben im erstinstanzlichen Verfahren (s. Ersteinvernahme und Niederschrift BFA Seite 5f) und bestätigte der BF diese Angaben in der mündlichen Verhandlung (s. Verhandlungsprotokoll [in der Folge: VH-P] Seite 4). Die Feststellungen zum Geburtsort ergeben sich aus den Angaben des BF (s. Niederschrift BFA Seite 5 und VH-P Seite 4) in Zusammenschau mit der Einsicht auf die Website https://syria.liveuamap.com/ (abgerufen am 18.08.2025).

Dass die Identität des BF feststeht, wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, da der BF einen syrischen Personalausweis im Original vorlegen konnte. Da auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Umstände bekannt wurden, die an der Identität des BF Zweifel aufkommen hätten lassen, schließt sich das Gericht der Feststellung an.

Vor dem BFA gab der BF an, er habe in Syrien eine Knie- und eine Leistenbruchoperation gehabt. In Österreich stehe er wegen den Knieschmerzen wieder in ärztlicher Behandlung (s. Niederschrift BFA Seite 3). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigte der BF nochmals, dass gesundheitlich Alles unter Kontrolle sei und er wegen dem Knie in Behandlung stehe (s. VH-P Seite 3).

II.2.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise

Die Sprachkenntnisse des BF wurden auf Basis seiner Angaben im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt (s. Ersteinvernahme und Niederschrift BFA Seite 2). Die Ersteinvernahme, die Einvernahme vor dem BFA sowie die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden unter Beiziehung von Dolmetschern bzw. Dolmetscherinnen für die arabische Sprache durchgeführt. Der BF hat seine diesbezüglichen Sprachkenntnisse somit unter Beweis gestellt. Der BF bestätigte seine Sprachkenntnisse in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 4).

Die Feststellungen zum Lebenslauf des BF stützen sich auf seine Angaben im erstinstanzlichen Verfahren (s. Ersteinvernahme und Niederschrift BFA Seite 5ff, 8, 12) und bestätigte der BF seine Angaben nochmals in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 4, 7). Die Feststellungen zum Herkunftsort ergeben sich aus den Angaben des BF (s. VH-P Seite 4) in Zusammenschau mit der Einsicht auf die Website https://syria.liveuamap.com/ (abgerufen am 18.08.2025).

Die Feststellung zur Ableistung des Militärdienstes ergeben sich aus den Angaben des BF (s. Niederschrift BFA Seite 9, VH-P Seite 4) und dem vorgelegten Militärbuch (Aktenseite [in der Folge: AS] 81ff).

II.2.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zum familiären Netzwerk der BF in Syrien sowie zu den Lebensverhältnissen seiner Angehörigen stützen sich auf die Angaben der BF im erstinstanzlichen Verfahren (s. Ersteinvernahme und Niederschrift BFA Seite 6) und in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 5).

Dass der BF regelmäßig Kontakt mit seiner Familie hat, gab er vor dem BFA an (s. Niederschrift BFA Seite 6).

II.2.4. Ausreisemodalitäten

Dass der BF den Entschluss zur Ausreise aus Syrien im Herbst 2022 bei seiner Tante in XXXX einen Monat vor der Ausreise im Oktober fasste, gab dieser im Rahmen der Befragung durch das BFA an (s. Niederschrift BFA Seite 7) und bestätigte diese Angabe im Wesentlichen in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 6f).

Die Feststellungen zur Ausreise aus Syrien und zur Einreise nach Österreich stützen sich auf die Angaben des BF im Rahmen der Ersteinvernahme. Dass er später in der Einvernahme vor dem BFA die Ausreise mit Oktober 2022 und in der mündlichen Verhandlung mit September angab (s. Niederschrift BFA Seite 7; s. VH-P Seite 6), ist aufgrund der vergangen Zeit nachvollziehbar und stellen nur geringfügige Abweichungen zu den ursprünglichen, der Ausreise zeitlich näher liegenden und damit aus Sicht des Gerichts verlässlicheren Aussagen dar.

Dass der BF auf seinem Weg nach Österreich mehrere sichere Staaten durchreiste und dort keinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Akt und der festgestellten Reiseroute. Dass der BF in den durchreisten Staaten nicht um Schutz hätte ansuchen können, wurde von ihm nicht vorgebracht und ist ein solcher Umstand dem Gericht auch von Amts wegen nicht bekannt.

II.2.5. Strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen bzw. sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Die Feststellungen zur Unbescholtenheit des BF ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem vorliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

II.2.6. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen; Erlebnisse im Zusammenhang mit staatlichen/nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der BF vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwarten:

Die Feststellungen zu den Machtverhältnissen in der Herkunftsregion des BF gründet sich auf die Einsicht in die auf der Website des „Carter Center“ veröffentlichte Übersichtskarte (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html; Stand 01.07.2025; abgerufen am 18.08.2025) in Zusammenschau mit der Anfragebeantwortung ACCORD sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation.

Im Rahmen der Ersteinvernahme gab der BF an, in Syrien herrsche Krieg und sei die Sicherheits- und Wirtschaftslage schlecht. Er wolle eine bessere Zukunft für sich und seine Familie haben.

Vor dem BFA schilderte der BF, sein Heimatort sei bei seiner Ausreise aus Syrien unter Kontrolle der FSA gestanden (s. Niederschrift BFA Seite 5). Er werde in Syrien von der FSA und der Assad-Regierung gesucht. Bereits 2018 sei er in XXXX durch die FSA festgenommen worden (s. Niederschrift BFA Seite 7). Er habe das Land verlassen, weil er von den dortigen Rebellen mehrmals inhaftiert worden sei. Sie seien zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihn befragt. Seine Landwirtschaft sei durch die Rebellen zerstört worden und hätten ihn diese nie in Ruhe gelassen. Sein Cousin habe für den kurdischen Nachrichtendienst gedient und sei in Haft gewesen. Auch sei dem BF vorgeworfen worden, sein Bruder sei Mitglied der kurdischen Partei. Der BF befürchte im Falle einer Rückkehr inhaftiert und bestraft zu werden (s. Niederschrift BFA Seite 8).

Nachdem die FSA ihre Heimatregion angegriffen habe, sei der BF in ein kurdisches Gebiet gegangen. Nach einem Monat sei er zurückgekehrt. Bei der Rückkehr sei er von der FSA kontrolliert worden und hätten sie herausgefunden, dass sein Cousin und sein Bruder bei den Kurden gedient hätten. Der BF und sein Cousin seien inhaftiert worden und sei er in der Haft gefoltert worden (s. Niederschrift BFA Seite 9). Dies sei im Mai 2018 gewesen. Ihm sei vorgeworfen worden, er arbeite mit den Kurden zusammen. Er sei 20 Tage in Haft gewesen. Er sei dann noch drei Mal festgenommen worden. Das erste Mal nach drei Monaten, wobei er zwei Tage in Haft gewesen sei. Dies wiederum wegen des Vorwurfs, er hätte für die Kurden spioniert. Er sei entlassen worden, da die Vorwürfe sich nicht bestätigt hätten. Die nächste Inhaftierung erfolgte im Januar 2019. Es seien alle Dorfbewohner inhaftiert worden, weil die FSA ein Geschäft habe ausrauben wollen. Im Mai 2019 sei die vierte Inhaftierung erfolgt, weil der BF Brennholz in der Wüste gesammelt habe und ihm vorgeworfen worden sei, er versorge Leute in den Bergen. Nach der Zahlung von Bestechungsgeld sei der BF immer wieder freigekommen. Nach der vierten Inhaftierung habe die FSA seine Landwirtschaft zerstört (s. Niederschrift BFA Seite 10ff).

In der mündlichen Verhandlung bestätigte der BF die Angaben vor dem BFA nochmals. Sein Bruder habe bei der kurdischen Partei gedient und sei auch ihm vorgeworfen worden, mit dieser Partei zu kooperieren (s. VH-P Seite 6f). Wenn der BF in seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht geringfügig von Angaben vor dem BFA abweicht, scheint dies nachvollziehbar in Anbetracht der verstrichenen Zeit und der Tatsache, dass der BF keine Kenntnisse über die juristisch wesentlichen Punkte des Sachverhaltes hat. Die wesentlichen Eckpunkte des Sachverhaltes stellte der BF jedoch nachvollziehbar und übereinstimmend dar.

Der BF erklärte in der mündlichen Verhandlung auch, die Lage der Kurden in XXXX sei sehr schlecht und würden sie dort diskriminiert werden. Es seien Kurden nach XXXX zurückgekehrt, doch als diese gesehen hätten, wie die Menschen dort behandelt würden, hätten sie XXXX wieder verlassen. Nur Kurden würden dort derartig diskriminiert werden, Arabern würde nichts passieren (s. VH-P Seite 8).

Diese Angaben stehen in Einklang mit den vorliegenden Länderinformationen, wonach die von der Türkei unterstützte und im Herkunftsgebiet des BF vorherrschende SNA wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden in Nordwesten Syriens angeklagt wurde. Hauptaufgabe der SNA ist die Bekämpfung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte, was es auch nachvollziehbar macht, dass gerade Personen, denen eine Verbindung zu diesen kurdischen Kräften nachgesagt wird, besonders gefährdet sind.

Menschenrechtsberichten zufolge waren die unter anderem auch in der Region von XXXX tätige Suleiman Shah Division und die Hamza-Division der von der Türkei unterstützten SNA an „systematischen ethnischen Säuberungsaktionen“ und groß angelegten „Massakern“ gegen Zivilisten in Banias, Tartus und Latakia beteiligt, bei denen Hunderte von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, getötet wurden. Dies lässt es für das erkennende Gericht nachvollziehbar erscheinen, dass es tatsächlich um die Verfolgung einer bestimmten Volksgruppe geht.

Während eines Besuchs in XXXX in der Provinz XXXX Mitte Februar 2025 versprach der Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa, die Autorität der neuen Regierung in der Region auszuweiten und Verstöße wie willkürliche Verhaftungen, Erpressung, Beschlagnahmung von Eigentum und Abholzung zu beenden, die von den von der Türkei unterstützten SNA-Fraktionen begangen wurden, die das Gebiet seit 2018 kontrollieren. Aufgrund der Unterstützung der Türkei ist es für Al-Sharaa weiterhin schwierig sei, die von der Türkei unterstützten Milizen tatsächlich zu entfernen. Im April 2025 berichtete Syrians for Truth Justice (im Originaltext: STJ), dass trotz offizieller Ankündigungen über die Auflösung der SNA-Fraktionen dieser Gruppen, einschließlich der ihnen angeschlossenen Militärpolizei, weiterhin in XXXX aktiv sind. In ähnlicher Weise stellte Human Rights Watch im Mai 2025 fest, dass zwar die meisten SNA-Kontrollpunkte entfernt worden waren, die Fraktionen jedoch weiterhin von ihren früheren Stützpunkten aus operierten. In Bezug auf XXXX stellte jedoch ein kurdischer Aktivist, der Ende April 2025 vom Medienunternehmen Syria Direct interviewt wurde, fest, dass zwischen 70 % und 80 % der SNA-Fraktionen die Stadt verlassen hätten.

Der der Aussicht gestellte Abzug von SNA-Truppen aus der gegenständlichen Region wurde somit de facto nicht umfassend vollzogen. Wenn sich die Truppenstärke vor Ort auch reduziert haben mag, steht die Herkunftsregion des BF dennoch unter Kontrolle der SNA-Truppen.

Während die Festnahmen durch die SNA im März laut Berichten zurückgingen, blieben Hunderte von Menschen in von der SNA betriebenen Gefängnissen inhaftiert, die von der Türkei überwacht werden. Wie Syrians for Truth Justice (im Originaltext: STJ) im April 2025 feststellte, blieben die Gefängnisse und Haftanstalten in XXXX in Betrieb und wurden Berichten zufolge dazu genutzt, eine große Anzahl kurdischer Häftlinge festzuhalten, die von verschiedenen SNA-Fraktionen „unter vorgeschobenen Anschuldigungen” wie angeblicher Zugehörigkeit zur PKK, SDF oder DAANES festgenommen worden waren.

Somit lässt sich nicht nur das Fluchtvorbringen, wonach der BF bereits vier Mal willkürlich verhaftet worden sei unter Beachtung der Länderinformationen nachvollziehen, sondern erscheinen dem erkennenden Gericht auch die Rückkehrbefürchtungen des BF glaubhaft und nachvollziehbar.

Nach dem Regierungswechsel kehrten kurdische Familien, die seit 2018 aus XXXX und anderen Gebieten vertrieben worden waren, die von der türkischen Militäroperation „Olivenzweig” betroffen waren, in ihre Dörfer zurück. Gleichzeitig berichteten jedoch Quellen im April 2025, dass die anhaltende Präsenz von SNA-Milizen in XXXX kurdische Binnenflüchtlinge daran hindert, zurückzukehren. Zwischen Dezember 2024 und Januar 2025 sollen SNA-Kämpfer neun Einwohner von XXXX wegen nicht gezahlter Steuern festgenommen und von jedem bis zu 3.800 US-Dollar für ihre Freilassung erpresst haben. Wie im April 2025 berichtet wurde, erpresste die Ahrar al-Sharqiya-Fraktion der SNA in XXXX im Bezirk XXXX Ladenbesitzer und beschlagnahmte Eigentum von Vertriebenen. Zusätzlich zu Verletzungen von Haus-, Land- und Eigentumsrechten und „potenziellen Spannungen mit den Aufnahmegemeinden“ während der Rückkehr in den Norden XXXX , waren Kurden mit der Verweigerung des Zugangs zu zivilen Dokumenten und grundlegenden Dienstleistungen konfrontiert.

Die vorgebrachte Rückkehrbewegung lässt sich ebenfalls aus dem Länderinformationsblatt nachvollziehen, genauso wie die Tatsache, dass Rückkehrwillige teilweise auch zögern, wenn sie die Lage vor Ort kennen. Auch das Vorbringen, Zivilisten würden festgenommen und nur gegen Zahlung von Bestechungsgeld freikommen, es würde zu Übergriffen auf Laden- und Landbesitzer kommen, lässt sich aus den dargestellten Länderinformationen zwanglos nachvollziehen.

Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass es für eine Bedrohung oder Verfolgung nicht (unbedingt) darauf ankommt, ob Verfolgungshandlungen bereits vor der Ausreise stattgefunden haben, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgung (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was letztlich anhand der Situation im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Jedoch schilderte der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht plausibel und schlüssig, dass er bereits vor seiner Ausreise aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden und seines Bruders, der für die kurdische Partei tätig war, drangsaliert, belästigt und inhaftiert worden sei. Seine Landwirtschaft sei zerstört worden und habe sei nur durch Zahlung von Bestechungsgeld aus der Haft entlassen worden. Für das erkennende Gericht ist vor dem Hintergrund der unter Punkt II.1.7. auszugsweise wiedergegebenen Länderinformationen, wonach KurdInnen in von türkischen Kräften kontrollierten Gebieten zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt sind und es zu Vertreibungen, Plünderungen und Beschlagnahmungen kommt, nachvollziehbar, dass Kurden aus XXXX befürchten, dass die Türkei bestrebt ist, Kurden in dieser Region zu marginalisieren. Nachdem den Länderfeststellungen zufolge auch hunderte Vorfälle von Misshandlungen und Diskriminierungen durch von der Türkei unterstützte Gruppierungen an KurdInnen – darunter willkürliche Verhaftungen, Folter und Verschwindenlassen – dokumentiert sind sowie Plünderungen und Enteignungen in XXXX weit verbreitet sind, erweisen sich die Rückkehrbefürchtung des BF als nachvollziehbar und glaubwürdig.

Auch wenn der BF im behördlichen Verfahren auch andere Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates angeführt hat, so ändert dies nichts an der festgestellten und momentan vorherrschenden Bedrohungslage von KurdInnen im zumindest auch von türkischen Kräften und mit diesen verbündeten Gruppierungen beherrschten Distrikt XXXX . Vor dem Hintergrund der Länderinformationen ist daher für das erkennende Gericht nachvollziehbar, dass sich eine Person, die der kurdischen Volksgruppe angehört, fürchtet, in ein von der Türkei und mit diesen verbündeten Milizen kontrolliertes Gebiet zurückzukehren, da die Länderinformationen nur den Schluss zulassen, dass die Türkei und die mit diesen verbündeten Kräfte versuchen, KurdInnen in diesen Gebieten auch unter Einsatz von Gewalt und anderen extralegalen Mitteln zu vertreiben. Sohin war die Feststellung zu treffen, dass Menschen kurdischer Ethnie (in der Sprache der GFK: Rasse) im von den türkischen Streitkräften bzw. mit diesen verbündeten Gruppen besetzten Teil Nordwestsyriens mit gutem Grund befürchten müssen, dass sie in diesen Gebieten alleine auf Grund der Zugehörigkeit zur Ethnie (in der Sprache der GFK: Rasse) der Kurden und Kurdinnen von den dortigen Machthabern – konkret türkische Streitkräfte bzw. mit diesen verbündeten Gruppierungen – verfolgt werden, ohne dass der syrische Staat schutzwillig oder -fähig ist.

Im Falle des BF ist zudem darauf hinzuweisen, dass er glaubwürdig und durchgehend erklärte, sein Bruder stehe mit der kurdischen Partei in Verbindung und würde auch ihm eine Verbindung zu den kurdischen Gruppen unterstellt werden. Die allgemeine Lage von Kurden und Kurdinnen in der Region XXXX in Zusammenschau mit der konkreten Situation des BF, dem jedenfalls eine Verbindung zu kurdischen Gruppierungen bzw. der DAANES unterstellt wurde, lässt für das erkennende Gericht keinen anderen Schluss zu, als dass dem BF im Falle einer Rückkehr in seine Heimatregion jedenfalls eine asylrelevante Verfolgung drohen würde. Wenn die Berichtslage zu Angehörigen der kurdischen Volksgruppe zwar inhomogen sein mag, so geht aus den vorliegenden Berichten jedenfalls klar hervor, dass Kurden und Kurdinnen, denen eine Verbindung zur DAANES nachgesagt wird, jedenfalls in der Region um XXXX als im asylrechtlichen Sinn gefährdet anzusehen sind.

Dass der syrische Staat in Bezug auf die dargestellte Bedrohungslage nicht schutzfähig bzw. -willig ist, ergibt sich aus den Länderinformationen wonach es der Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) an ausreichendem Personal fehlt, um das ganze Land zu verwalten und die Posten zu bemannen. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppierungen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die Kräfte, die Syriens neuem Machthaber zur Verfügung stehen, sind jedenfalls unzureichend. Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren.

II.2.7. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Zu den zur Feststellung der asylrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material.

Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen im Verfahren nicht entgegen, insbesondere bezog sich der Rechtsvertreter des BF unter anderem auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 12, vom 08.05.2025 und den Bericht „Syria: Country Focus“ der EUAA von Juli 2025 (s. VH-P 9f), als er in der mündlichen Verhandlung vortrug, dass es Schwierigkeiten für Rückkehrer*innen nicht nur bei Verbindungen zur DAANES gäbe und sich keine Verbesserung der Lage der Kurden in XXXX habe feststellen lasse.

Die ACCORD-Anfragebeantwortung stellt ein differenziertes und uneinheitliches Bild der Lage in XXXX dar. Teilweise werden auch Quellen zitiert, die davon berichten, die Lage hätte sich deutlich gebessert und gebe es nun keine Hindernisse mehr für RückkehrerInnen. Gleichzeitig wird jedoch auch für den Zeitraum von Januar und Februar 2025 von dokumentierten Fällen berichtet in denen Personen nach ihrer Rückkehr willkürlich inhaftiert worden seien. Der Verbleib der Festgenommenen sei teilweise unbekannt. Auch im März 2025 seien kurdische Zivilisten in XXXX Stadt angegriffen worden. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass es einzelne Anzeichen für eine Besserung der Lage in und um XXXX gibt, gleichzeitig muss jedoch angemerkt werden, dass diese Berichte in der Minderzahl sind und die übrigen unter II.1.7. zitierten Quellen keine - nachhaltige - Besserung der Situation in der fraglichen Region darlegen.

Auch die Ausführungen in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation sind teils widersprüchlich. Insbesondere in der Zusammenschau mit der erwähnten ACCORD Anfragebeantwortung ergibt sich für das erkennende Gericht das Bild, dass die vorsichtigen Anzeichen einer Besserung der Lage in XXXX kein kontinuierlich fortschreitender Prozess sind. Die ACCORD-Anfragebeantwortung ist von März 2025. In der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation von Juni 2025 werden teilweise dieselben Quellen verwendet. Soweit jüngere Quellen herangezogen werden, berichten diese weiterhin von einer SNA-Präsenz und Übergriffen in der Region.

II.3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes BGBl. I. 10/2013 in der geltenden Fassung (in der Folge: BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge: GFK) droht.

Flüchtling im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 7.06.1995, 94/20/0836; 23.07.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht „zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht“ (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat „nicht gewillt oder nicht in der Lage“ sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Im Asylverfahren stellt das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559).

Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erscheint es nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Verfassungsgerichtshof leitete aus dem Umstand, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 die Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung „insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden [dient] und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen [hat]“, ab, dass an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweiswürdigung keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind (vgl. VfGH 20.02.2014, Zl. U 1919/2013-15, 1921/2013-16, VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017, mit zusätzlichem Hinweis, „dass die später im Verwaltungsverfahren gemachte Aussage zur versuchten Vergewaltigung der Zweitrevisionswerberin nicht im Gegensatz zu den Angaben in der Erstbefragung steht“).

Zur Beantwortung der Frage, wo sich die Heimatregion des Asylwerbers befindet, bedarf es einer Auseinandersetzung damit, welche Bindungen der Asylwerber zu den in Betracht kommenden Städten – etwa in Hinblick auf familiäre und sonstige soziale Kontakte und örtliche Kenntnisse – aufweist [vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0192] (VwGH 09.03.2023, Ra 2022/19/0317).

Um eine relevante Lageänderung (im Sinn des Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention) annehmen zu können, bedarf es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraumes (VwGH 01.03.2007, 2003/20/0111, mwN).

Vor dem Hintergrund der Berichtslage, wonach der syrische Präsident Baschar al-Assad nach seinem Sturz am 08.12.2024 aus Syrien geflüchtet ist und dessen Regime seither nicht mehr existiert, lässt sich aus einem Teil des Vorbringen des BF im erstinstanzlichen Verfahren (Verfolgung durch das Assad-Regime) keine Gefährdung des BF im Fall einer (hypothetischen) Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ableiten. Jedoch war dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aus folgendem Grund zuzuerkennen:

Der BF lebte unmittelbar vor seiner Ausreise aus Syrien zirka zehn Jahre lang im Distrikt XXXX - überwiegend in seinem Geburtsort und einen Monat vor der Ausreise in XXXX . Unter Zugrundelegung der oben zitierten höchstgerichtlichen Judikatur ist daher unzweifelhaft der Schluss zu ziehen, dass in Bezug auf den aus XXXX stammenden und vor der Ausreise 10 Jahre in XXXX lebenden BF XXXX als seine Herkunftsregion zu qualifizieren ist.

Im Lichte der Feststellungen ist glaubhaft, dass sich eine Person, die der kurdischen Ethnie angehört, fürchtet, in ein in der Hand der Türkei und mit dieser verbündeten Milizen kontrolliertes Gebiet zurückzukehren, da die Feststellungen zur Lage in diesen Gebieten nur den Schluss zulassen, dass die Türkei und mit dieser verbündeten Milizen versuchen, die Kurden in diesen Gebieten unter Einsatz von Gewalt und anderen extralegalen Mitteln zu marginalisieren. Der BF legte glaubhaft dar, dass er der Volksgruppe der Kurden angehört und ist – wie soeben ausgeführt – seine Herkunftsregion XXXX . In Zusammenschau mit der glaubhaften Darstellung des BF, dass ihm aufgrund der Tätigkeiten seines Bruders eine Verbindung zu den kurdischen Kräften bzw. der kurdischen Partei unterstellt werde, liegt aus Sicht des Gerichts eine glaubhafte Verfolgungsangst aus Gründen der Zugehörigkeit zur – in der Sprache der GFK – „Rasse“ (Ethnie) der Kurden im von der Türkei und mit dieser verbündeten Milizen besetzten Distrikt XXXX vor.

Den Feststellungen zufolge befindet sich die Herkunftsregion des BF außerhalb des Einflussgebiets der gegenwärtigen syrischen Regierung, weshalb der syrische Staat nicht in der Lage ist dem BF dort Schutz zu bieten.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht im vorliegenden Fall gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz AsylG 2005 nicht, da dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054, Rz 13 mwN).

Im gesamten Verfahren sind keine Anhaltspunkte für einen Asylausschlussgrund im Sinne des § 6 Abs. 1 AsylG 2005 hervorgekommen. Aus diesem Grund ist dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Da der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde Folge zu geben war und der BF das Vorbringen betreffend den Wehrdienst bzw. Reservewehrdienst im früheren Assad-Regime in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhielt, war auf dieses Vorbringen nicht einzugehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. 10/1985 (in der Folge: VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.