Spruch
L519 2176530-2/46E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch KAPFERER LECHNER DELLASEGA Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2021, Zl. 1103927806-210738816, wegen §§ 56 und § 10 Abs. 3 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 und 55 FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2025 zu Recht erkannt:
A)
Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 30.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19.10.2017, Zl. 16-1103927806-160152404, abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.06.2020, G311 2176530-1/21E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 18.06.2020 in Rechtskraft.
Die Behandlung der Beschwerde des BF wurde mit Beschluss des VfGH vom 18.01.2021, E 4049/2020-5, abgelehnt.
Der BF wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 22.10.2018, rechtskräftig am XXXX , nach Teilstattgabe seiner Strafberufung durch das Landesgericht Klagenfurt vom XXXX , Zl: XXXX , wegen sexueller Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlung gemäß § 218 Abs. 1a StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (gesamt daher EUR 400,00) und im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen verurteilt.
Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.
Der BF stellte am 04.06.2021 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.
Er begründete diesen Antrag mit der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung. Darüber hinaus führte er begründend an, dass er über 8 abgeschlossene Schuljahre und eine Frisörausbildung verfüge, ein Einkommen in Höhe von 1.300 EUR erwirtschafte, in Österreich eine Freundin habe und bei der Betreuung deren Großmutter helfe und er sich hier einen österreichischen Freundeskreis aufgebaut habe.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 02.07.2021, Zl. 1103927806-210738816, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung
gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).
Die Abweisung des Antrages des BF begründete das BFA dahingehend, dass der BF die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfülle und die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin verwies der BF darauf, dass er die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 56 erfülle und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle, auf seine Integration und sein Privatleben und dass bei Rückkehr des BF in den Irak eine Gefährdung nach Art. 3 der EMRK nicht ausgeschlossen werden könne.
Der Verwaltungsakt langte am 28.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde der Gerichtsabteilung L529 zugeteilt.
Am 12.01.2022 langte beim BVwG eine Nachreichung zur Beschwerdevorlage „Ermittlung der Ehefähigkeit – Korrektur“ mit gleichlautender Wohnanschrift der zukünftigen Ehepartner und beabsichtigter Eheschließung am 21.01.2022 ein (OZ 9). Mit OZ 12 (19.01.2022) erfolgte die Vorlage eines Berichtes der LPD Kärnten vom 04.01.2022 betreffend XXXX und XXXX wegen Verdachtes auf Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen u. –Partnerschaften ohne Bereicherung. Dem Bericht zufolge leben die zukünftigen Ehepartner seit 18.11.2021 gemeinsam in Klagenfurt.
Am 13.01.2022 wurde vom damals zuständigen Richter eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der BF Gelegenheit hatte, zum gegenständlichen Verfahren Stellung zu nehmen.
Mit OZ 13 (Eingang am 20.01.2022) erfolgte die Vorlage des mit OZ 9 übermittelten Formulares ein weiteres Mal. Mit OZ 15 erfolgte die Übermittlung dieses Formulares (Ermittlung Ehefähigkeit) neuerlich, allerdings mit geänderter Wohnanschrift bei XXXX (nunmehr XXXX , XXXX ). Zuletzt erfolgte eine weitere Nachreichung (OZ16; 07.04.2022) dieses Formulares (Ermittlung Ehefähigkeit) mit gleichlautender Adresse der beiden zukünftigen Ehepartner in XXXX , XXXX und beabsichtigtem Termin für die Eheschließung am 20.04.2022.
Der BF heiratete die österreichische Staatsangehörige XXXX am 20.04.2022 im österreichischen Bundesgebiet.
Am 25.04.2025 erging die Entscheidung im Beschwerdeverfahren und wurde die Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen.
Dagegen erhob der BF am 29.04.2022 eine außerordentlichen Revision an den VwGH.
Am 25.01.2023 wurde dem BF von der NAG-Behörde ein Aufenthaltstitel „EU-Familienangehöriger“, gültig bis 25.01.2028, erteilt.
Die eingebrachte außerordentliche Revision wurde teilweise mit Beschluss zurückgewiesen soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 richtete bzw. wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.02.2025, Ra 2022/17/0085-14 zum anderen der Revision Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründet wurde die teilweise Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses damit, dass die unterbliebene Auseinandersetzung mit der vom Revisionswerber behaupteten Inanspruchnahme des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts durch seine Ehegattin das angefochtene Erkenntnis mit einem sekundären Feststellungsmangel belaste. Ausgehend davon war das Erkenntnis, soweit damit die Rückkehrentscheidung und die darauf aufbauenden weiteren Spruchpunkte bestätigt wurden, wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Das Verfahren wurde aufgrund der zwischenzeitlichen Auflassung der Gerichtabteilung L529 der nunmehr zuständigen Gerichtabteilung L519 zugewiesen.
Die Gerichtsabteilung L519 führte am 23.04.2025 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung des BF, seiner rechtsfreundlichen Vertretung, der Ehegattin des BF als Zeugin sowie eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durch. Das Bundesamt blieb der mündlichen Verhandlung entschuldigt fern.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF heiratete die österreichische Staatsangehörige XXXX am 20.04.2022 im österreichischen Bundesgebiet.
Laut im Akt einliegenden IZR-Auszug wurde dem BF von der zuständigen NAG-Behörde am 25.01.2023 ein Aufenthaltstitel „(EU-)Familienangehöriger“, gültig bis 25.01.2028, erteilt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt und der Person des BF ergeben sich aus dem Erkenntnis des Bundeverwaltungsgerichtes vom 25.04.2022, GZ L529 2176530-2/19E sowie der am 23.04.2025 stattgefunden mündlichen Verhandlung und dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.02.2025, Ra 2022/17/0085-14 . Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt konnte aufgrund der vorliegenden Aktenlage sowie der Einvernahme des BF am 23.04.2025 zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.
Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Verfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des BFA unter zentraler Berücksichtigung des schriftlichen Antrages des BF, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie der Beschwerdeergänzung und Urkundenvorlage vom 14.04.2025. Zudem wurden aktuelle Auszüge aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich sowie ein aktueller Sozialversicherungsdatenauszug aus dem AJWEB eingeholt.
Der BF ist seit dem 20.04.2022 mit der österreichische Staatsangehörigen XXXX in aufrechter Ehe zum Entscheidungszeitpunkt verheiratet. In der Verhandlung am 23.04.2025 legte der BF eine Originalheiratsurkunde des Standesamtes XXXX vom 20.04.2022 vor. Die Eheschließung des BF ergibt sich auch aus dem Eintrag „Urkunde“ im ZMR (OZ 35). Dem Fremdenregister war die Erteilung der Aufenthaltskarte zu entnehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann nach § 56 Abs. 1 AsylG 2005 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn er bei der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist (Z. 1), davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines durchgängigen Aufenthaltes rechtmäßig (Z. 2) und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z. 3).
Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z. 1 und 2 vor, ist nach Abs. 2 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Die belangte Behörde hatte diesen Antrag gemäß § 56 AsylG 2005 abgewiesen, weil im Falle des BF kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliege und sie auch die Voraussetzungen des § 60 AsylG nicht erfülle.
Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen ist allerdings nach § 58 Abs. 9 AsylG 2005 unter anderem auch dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet (Z. 1), oder bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt (Z. 2) soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
Der BF heiratete am 20.04.2022 eine österreichische Staatsangehörige und stellte er bei der NAG-Behörde am 01.07.2022 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „(EU-)Familienangehöriger“. Wie festgestellt, hat der BF erfolgreich die Ausstellung einer Aufenthaltskarte bei der NAG-Behörde beantragt, da ihm diese erteilt wurde.
Da dem BF zwischenzeitig ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG zuerkannt wurde, ist dieses Aufenthaltsrecht bei der gegenständlichen Entscheidung zu berücksichtigen.
Einem Fremden, der mit einem in Österreich lebenden, sein unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmenden EU-Bürger aufrecht verheiratet ist (unabhängig davon, ob die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist), kommt die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zu, und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG vorliegt (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349, mwN).
Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. VwGH 31.08.2017, Ra 2017/21/0133; VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0014). Dies ordnet das Gesetz im Falle des § 52 Abs. 2 FPG – wie er gegenständlich vorliegt – auch ausdrücklich, und zwar im letzten Satz dieses Absatzes, an.
Der BF verfügt aktuell über ein Aufenthaltsrecht nach einem anderen Bundesgesetz. Gem. § 52 Abs 2 FPG war daher die Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen ebenfalls ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.
