Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Günther BACHKÖNIG über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2024, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.10.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am nächsten Tag erfolgte die Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass er sich vor dem Militärdienst fürchte.
2. Am 15.04.2024 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch-Kurmanji niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab wie bereits in der Erstbefragung an, dass er Syrien 2016 verlassen habe. Er fürchte sich vor der Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee. Als Kurde hätte er in Syrien keine Rechte gehabt.
3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 09.10.2024 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.11.2024 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer stamme aus Afrin und gehöre zur Volksgruppe der Kurden. Daher drohe dem Beschwerdeführer in seinem Heimatort Verfolgung durch das türkische Militär bzw der SNA aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit. Der Beschwerdeführer befinde sich zudem im wehrfähigen Alter und habe seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet. Im Falle einer Rückkehr werde er gegen seinen Willen rekrutiert und wäre gezwungen an Kriegsverbrechen teilzunehmen. Es drohe ihm Folter, Inhaftierung und Tod. Aufgrund seiner Herkunft aus einem Oppositionsgebiet, seiner illegalen Ausreise, seinem langen Auslandsaufenthalt und der Asylantrastellung im Ausland werde dem Beschwerdeführer auch eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
5. Am 02.06.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit geboten seine Fluchtgründe umfassend darzulegen und zu den aktuellen Länderinformationen, insbesondere zu der durch den Sturz des ehemaligen syrischen Regimes des Bashar al-Assad geänderten Lage im Herkunftsstaat, Stellung zu nehmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsbürger und wurde am XXXX . 2000 geboren. Er gehört der Volksgruppe der Kurden an, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und spricht die kurdische sowie arabische Sprache. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführers stammt aus einem dem Dorf XXXX , im Gouvernement Aleppo. Von der zweiten bis zur sechsten Schulstufe ist Beschwerdeführer in der Stadt Aleppo zur Schule gegangen und hat dort gewohnt, ehe er in der achten Klasse nach Afrin zurückgekehrt ist. In der Zeit, in der der Beschwerdeführer in Aleppo lebte, kehrte er jährlich in sein Heimatdorf zurück. 2016 hat der Beschwerdeführer mit seiner Familie Syrien verlassen.
Der B Beschwerdeführer ist verheiratet und hat keine Kinder. Die Ehefrau, Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern des Beschwerdeführer leben in der Türkei, zwei Schwestern leben in Syrien.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
1.2.1 Die Heimatregion des Beschwerdeführers ist das Dorf XXXX bzw der Distrikt Afrin im Gouvernement Aleppo, die sich unter der Kontrolle der Operation ‘Olive Branch’ bzw der mit der Türkei verbündeten Gruppen steht.
Die Türkei und mit der Türkei verbündete Milizen versuchen die kurdische Volksgruppe in denen von ihnen kontrollierten Gebieten unter Einsatz von Gewalt zu marginalisieren, zu entrechten und zu vertreiben. Es kommt zu Plünderungen, Festnahmen und Folter, Entführungen und Vergewaltigungen.
1.3. Zu maßgeblichen Situation in Syrien
1.3.1. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (LIB) Version 12, Stand 08.05.2025:
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay’at Tahrir ash- Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay’at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay’at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara’a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024). Die Karte zeigt die Aufteilung Syriens unter den bewaffneten Gruppierungen Ende Februar 2025:
In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby 16.12.2024). Die neuen defacto- Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).
Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara’ verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara’ zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten (LTO 9.12.2024). Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert (SYRDiplQ1 5.2.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung – die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat – steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach (AC 23.1.2025). Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war (AlMon 11.12.2024). Ash-Shara’ und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt (ISW 19.12.2024). Al-Bashir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden (AJ 15.12.2024a). Ash-Shara’, sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Kameraden, die der HTS oder anderen Gruppierungen angehören, sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren (Akhbar 31.12.2024). Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (AC 23.1.2025).
Die Regierung hat keinen Zeitplan für die Durchführung von Wahlen festgelegt. Ash-Shara’ stellte am 16.12.2024 fest, dass Syrien nicht bereit für Wahlen sei. Die Amtszeit der Übergangsregierung wurde bis März 2025 festgesetzt (ISW 16.12.2024). Am 29.3.2025 ernannte der Präsident die neue syrische Regierung. Diese besteht aus Technokraten, ethnischen Minderheiten und mehreren engen Vertrauten ash-Shara’s. Fast die Hälfte der Ernannten steht in keiner Verbindung zur HTS. Unter den Ernannten ist eine Frau, ein Angehöriger der drusischen Minderheit, ein Kurde und ein Alawit (FT 30.3.2025). Das einzige weibliche Kabinettsmitglied ist katholische Christin (VN 1.4.2025). Keiner davon erhielt ein wichtiges Ressort. Syrien-Experte Fabrice Balanche erklärte, dass wichtige Ressorts an „ehemalige Mitstreiter vergeben wurden, die bereits Teil der Syrischen Heilsregierung in der Provinz Idlib“ im Nordwesten Syriens waren (AlMon 30.3.2025). Der Verteidigungsminister und der Außenminister der Übergangsregierung behielten ihre Ämter. Innenminister Khattab war zuvor Leiter des Geheimdienstes (Independent 29.3.2025). Auch Außenminister ash-Shaibani behielt sein Amt (AlMon 30.3.2025). Mehrere der neuen Minister waren unter dem Assad-Regime tätig. Zu den ehemaligen Assad-Beamten gehören Yarab Badr, der neue Verkehrsminister, und Nidal ash-Sha’r, der zum Wirtschaftsminister ernannt wurde (NYT 30.3.2025). Die Mitglieder sind für fünf Jahre bestellt (FT 30.3.2025). Das Kabinett hat keinen Premierminister, da gemäß der vorläufigen Verfassung die Regierung einen Generalsekretär haben wird (Independent 29.3.2025). Ein neues Gremium, das Ende März per Dekret bekannt gegeben wurde, das Generalsekretariat für politische Angelegenheiten, gewährte ash-Shara’s Stellvertreter, Außenminister ash-Shaibani, weitreichende Befugnisse über die Führung von Ministerien und Regierungsbehörden – ähnlich der Rolle eines Premierministers (FT 30.3.2025).
Die Kurden im Nordosten Syriens stellen sich gegen die neu vorgestellte syrische Regierung. Das Kabinett spiegele nicht die Vielfalt des Landes wider, teilte die Demokratische Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) mit. Man sehe sich daher nicht an die Entscheidungen der neuen Regierung gebunden (Zeit Online 30.3.2025; vgl. Standard 30.3.2025; K24 30.3.2025). Obwohl der neuen Regierung mit Bildungsminister Mohammad Turko ein Kurde angehört, sind keine Vertreter der DAANES ins neue Kabinett berufen worden (MEE 30.3.2025). Einige Kritiker weisen auf die Diskrepanz zwischen ash-Shara’s Rhetorik bei Treffen mit internationalen Vertretern und dem vermeintlichen Fehlen eines integrativen Diskurses mit einheimischen Akteuren hin (Etana 10.1.2025). In den ersten fünfzig Tagen der neuen Regierung wurden in den Regierungsinstitutionen eine Reihe von Ernennungen vorgenommen, darunter neben den Ministern auch die meisten Gouverneure und Direktoren der wichtigsten Regierungsbehörden und Abteilungen, die eine hoheitliche Dimension haben, wie der Geheimdienst, die Zentralbank und der Kassationshof (AJ 27.1.2025a). Die Problematik besteht darin, dass der Kreis der Entscheidungsträger – zumindest derzeit - ein besonders kleiner, ausschließlich aus engsten Vertrauten aus Idlib bestehender ist, d. h. ein in sich geschlossener Kreis. Hinzu kommen bereits interne Unstimmigkeiten: So mancher militärischen Gruppierung und manchem Weggefährten aus Idlib geht der moderate Zugang der Übergangsbehörden bereits zu weit. War man in den ersten euphorischen Wochen nach der Machtübernahme noch zuversichtlich-optimistisch bzw. vielmehr überzeugt, die Erfahrungen aus dem Modell Idlib auf das ganze Land übertragen zu können (die Argumentation dabei: Idlib als erfolgreicher Mikrokosmos Gesamtsyriens, da ja bewaffnete Gruppen aus dem ganzen Land nach Idlib transferiert worden waren), so hat 50 Tage nach dem Fall des Regimes Assad die Realität die neuen Machthaber eingeholt. Das katastrophale administrative Erbe, die schlechte Wirtschaftslage, die schiere Größe und Vielfalt des Landes, sowie der Mangel an allem, auch an eigenem Fachwissen und Erfahrung. Die Verwaltung eines Stadtstaates (Idlib) hat eine ganz andere Dimension als die eines komlpexen, zerstörten Landes (SYRDiplQ1 5.2.2025).
Die Übergangsregierung kündigte an, dass eine umfassende nationale Dialogkonferenz, eine vorläufige Verfassungserklärung abgeben, einen Ausschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bilden und eine Übergangsregierung bestätigen wird, die die Macht von al-Bashirs Regierung übernehmen wird (AJ 27.1.2025a). Am 12.2.2025 bestätigten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass die syrische Präsidentschaft das Vorbereitungskomitee für die Nationale Konferenz gebildet hat bestehend aus fünf Männern und zwei Frauen (AJ 12.2.2025; vgl. Sky News 12.2.2025). Zur Vorbereitung der Konferenz hat das siebenköpfige Vorbereitungskomitee Anhörungen in den Gouvernements organisiert und manchmal mehrere zweistündige Sitzungen pro Tag abgehalten, um die 14 Provinzen Syriens in einer Woche abzudecken. Fünf Mitglieder des Komitees gehörten der HTS an oder stehen ihr nahe. Vertreter der Drusen oder Alawiten, zwei der großen Minderheiten in Syrien, waren nicht dabei (BBC 25.2.2025). Mit 12.2.2025 nahm dieses Komitee seine Arbeit auf, um die nationale Konferenz vorzubereiten und die Einladungen an die Teilnehmer zu verschicken (AJ 12.2.2025). Die sieben Mitglieder des Vorbereitungskomitees haben etwa 4.000 Menschen in ganz Syrien konsultiert, um Meinungen einzuholen, die bei der Ausarbeitung einer Verfassungserklärung, eines neuen Wirtschaftsrahmens und eines Plans für institutionelle Reformen helfen sollen, teilte das Komitee am 23.2.2025 Reportern mit (REU 23.2.2025; vgl. AlHurra 23.2.2025). Am 25.2.2025 fand die Konferenz zum Nationalen Dialog in Damaskus statt. Hunderte von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen waren anwesend, aber viele andere Persönlichkeiten und Gruppierungen waren nicht anwesend (AlHurra 25.2.2025). Ca. 400 Vertreter der Zivilgesellschaft, der Glaubensgemeinschaften, der Opposition und der Künstler nahmen teil (AlHurra 25.2.2025). Laut BBC waren es sogar 600 Teilnehmer (BBC 25.2.2025). Die Kurdische Autonomieverwaltung (Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien - DAANES) und ihr militärischer Arm, die SDF, haben keine Einladung zur Teilnahme an der Konferenz erhalten. Die Organisatoren hatten zuvor mitgeteilt, dass keine militärischen Einheiten oder Formationen, die noch ihre Waffen behalten, eingeladen wurden (AlHurra 25.2.2025). Nach der Eröffnung der Konferenz wurden die Teilnehmer in sechs Workshops eingeteilt, die sich mit zentralen Themen befassten, darunter „persönliche Freiheiten“, „Verfassungsaufbau“ und „Übergangsjustiz“. In der Abschlusserklärung der Konferenz wurde die rasche Bildung des provisorischen Legislativrats gefordert, der die Aufgaben der Legislative nach „Kriterien der Kompetenz und der gerechten Vertretung“ übernehmen soll (BBC 25.2.2025). Das Komitee der Dialogkonferenz gibt Empfehlungen heraus und erlässt keine Entscheidungen (AJ 21.2.2025). Diese Empfehlungen sollen in die Verfassungserklärung und den Plan für institutionelle Reformen einfließen, versichert der Sprecher des Komitees (AlHurra 23.2.2025; vgl. BBC 23.2.2025). Auf der Konferenz wurden mehrere Erklärungen abgegeben, darunter die Bildung eines Legislativrats, ein Bekenntnis zur Übergangsjustiz, zu den Menschenrechten und zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit. Eine am Ende der eintägigen Konferenz veröffentlichte Erklärung – die nur wenige Tage zuvor angekündigt wurde und vielen potenziellen Teilnehmern nur wenig Vorbereitungszeit ließ – ebnete den Weg für die Bildung eines siebenköpfigen Ausschusses, der mit der Ausarbeitung einer Übergangserklärung zur Verfassung beauftragt wurde (TNA 3.3.2025). Am 2.3.2025 gab die neue Regierung die Bildung dieses siebenköpfigen Ausschusses bekannt. Der Ausschuss besteht aus einem Expertenkomitee, dem auch zwei Frauen angehören und dessen Aufgabe es ist, die Verfassungserklärung, die die Übergangsphase regelt, in Syrien zu entwerfen. Das Komitee werde „seine Vorschläge dem Präsidenten vorlegen“, hieß es in einer Erklärung, ohne einen Zeitrahmen anzugeben (FR24 2.3.2025; vgl. BBC 3.3.2025). Weniger als zwei Stunden nach dieser Entscheidung wurden die Texte der Artikel, die in diese Erklärung aufgenommen werden sollen, bekannt, was bei den Syrern sowohl Bestürzung als auch Spott hervorrief, zumal die Informationen von arabischen Satellitenkanälen und nicht von lokalen Sendern stammten (Nahar 4.3.2025). Der Ausschuss stellte fest, dass die Verfassungserklärung die allgemeinen Grundlagen des Regierungssystems festlegen wird, um Flexibilität und Effizienz bei der Verwaltung des Staates in dieser sensiblen Zeit zu gewährleisten, um die politische und soziale Einheit und die territoriale Integrität des Landes zu bewahren. Die Ideen aus den nationalen Dialogen und Diskussionen, die in den Workshops zur Verfassungsgebung während der Nationalen Dialogkonferenz stattgefunden haben, sollen vom Ausschuss berücksichtigt werden (SANA 3.3.2025).
Am 13.3.2025 unterzeichnete ash-Shara’ die angekündigte Verfassungserklärung (NYT 14.3.2025). Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln (AlHurra 14.3.2025). Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor (BBC 14.3.2025). Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden (NYT 14.3.2025). Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC 14.3.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT 14.3.2025). Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara’ neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra 14.3.2025). Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Shara’-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As’ad ash-Shaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab (ISW 13.3.2025). Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“ (AlMon 30.3.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT 14.3.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra 14.3.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT 14.3.2025). Aussagen eines Mitglieds des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle (BBC 14.3.2025). Diese temporäre Verfassung konzentriert viel Macht in den Händen des Präsidenten. So werden dem Präsidenten die Exekutivgewalt und die Befugnis, den Ausnahmezustand zu erklären, gewährt (NYT 14.3.2025). Das Parlament ist nicht befugt, den Präsidenten anzuklagen, Minister zu ernennen oder zu entlassen oder die Exekutive zu kontrollieren (HRW 25.3.2025). Immerhin spricht die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Befugnis ab, allgemeine Amnestiegesetze zu erlassen, die al-Assad zuvor für sich monopolisiert hatte (AlHurra 14.3.2025). In der Verfassung ist Syrien als „arabische“ Republik definiert mit Arabisch als einziger Amtssprache (LSE 28.3.2025). Sie löste innerhalb Syriens viele Diskussionen aus. Umstritten sind insbesondere jene Passagen, die dem Präsidenten ein Machtmonopol einräumen (AlHurra 14.3.2025). Der Syrische Demokratische Rat, der politische Arm der kurdisch geführten Kräfte, die den Nordosten Syriens kontrollieren, erklärte, das neue Dokument sei „eine neue Form des Autoritarismus“ und kritisierte die seiner Meinung nach unkontrollierten Exekutivbefugnisse (NYT 14.3.2025). Das International Centre for Dialogue Initiatives schreibt, dass diese Reformen einseitig von einem ebenfalls vom Präsidenten ernannten Verfassungsausschuss ausgearbeitet wurden, der dann behauptete, ihre Legitimität stamme aus einem Dialogprozess. Die sogenannte Nationale Dialogkonferenz wurde so zu einem politischen Deckmantel für vorab festgelegte Verfassungsänderungen, die unter dem Deckmantel der Reform die autoritäre Herrschaft festigten (ICDI 4.4.2025). Trotz der weitverbreiteten Kritik an der aktuellen Verfassung ist keine kurzfristige Überarbeitung vorgesehen. Die vorliegende Fassung ist das Ergebnis eines beschleunigten Verfahrens, das unmittelbar nach der Nationalen Dialogkonferenz im Februar 2025 in Gang gesetzt wurde. Ein siebenköpfiges Gremium erarbeitete die Verfassung in kürzester Zeit und wird in ihrer aktuellen Form noch nicht ihren Ansprüchen für einen pluralistischen, freien und gerechten Staat gerecht (AdRev 3.4.2025).
Als Reaktion auf die neue Verfassung gründeten 34 verschiedene syrische Parteien und Organisationen am 22.3.2025 eine Allianz, die Allianz für gleiche Staatsbürgerschaft in Syrien (Syrian Equal Citizenship Alliance bzw. Tamasuk). Zu den Organisationen der Allianz gehört der Syrische Demokratische Rat (ISW 24.3.2025), die Partei des Volkswillens, die Demokratische Ba’ath-Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei (TNA 23.3.2025) sowie andere kurdische, christliche und drusische Gruppierungen (ISW 24.3.2025). Das Bündnis bezeichnet sich selbst nicht als Opposition und verlangt eine dezentrale Machtverteilung (TNA 23.3.2025).
Die Verfassung und das Parlament wurden während der dreimonatigen Übergangszeit ausgesetzt, so die interimistischen Behörden (Almodon 8.1.2025). Laut Leaks wird der Übergangspräsident die Volksversammlung innerhalb von 60 Tagen nach der Veröffentlichung der Verfassungserklärung ernennen. Die Volksversammlung wird 100 Mitglieder umfassen, wobei eine gerechte Vertretung der Komponenten und Kompetenzen berücksichtigt wird, und wird vom Präsidenten der Republik durch ein republikanisches Dekret für eine Amtszeit von zwei Jahren ernannt (Al-Hurra 3.3.2025). Am 29.12.2024 sagte ash-Shara’ in einem Interview, dass die Durchführung legitimer Wahlen eine umfassende Volkszählung benötige (Arabiya 29.12.2024). In einem Interview gab er an, dass es damit in Syrien freie, faire und integre Wahlen abgehalten werden können, einer Volkszählung, der Rückkehr der im Ausland lebenden Menschen, der Öffnung der Botschaften und der Wiederherstellung des legalen Kontakts mit der Bevölkerung bedarf. Darüber hinaus sind viele der Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden oder in Lagern in den Nachbarländern leben, nicht bei den Flüchtlingskommissionen registriert usw. (Economist 3.2.2025). Abgesehen von der wiederholten Aussage, dass Ausschüsse gebildet und Fachleute hinzugezogen würden, gab al-Shara nicht viel Aufschluss darüber, wie der Wahlprozess aussehen würde (NYT 30.12.2024). Ash-Shara’ hatte angemerkt, dass die Einrichtung dieser Ausschüsse in naher Zukunft unwahrscheinlich sei. Er teilte der BBC am 18.12.2024 mit, dass ein syrisches Komitee von Rechtsexperten zusammentreten werde, um eine Verfassung zu verfassen und über eine Reihe nicht näher bezeichneter rechtlicher Fragen, darunter den Alkoholkonsum, zu entscheiden. Es ist unklar, auf welche Rechtsexperten sich ash-Shara’ bezieht und ob diese Experten repräsentativ für die multiethnische, sektiererische und religiöse Bevölkerung Syriens sind oder ob es sich um HTS-nahe sunnitische Gelehrte handelt (ISW 19.12.2024).
Am 29.1.2025 versammelten sich die Führer der militärischen Gruppierungen, die an der militärischen Kampagne zum Sturz Assads beteiligt waren, zu einer Zeremonie im Präsidentenpalast, um den Sieg zu erklären. In der Siegeserklärung kündigten sie neun Schritte an, die in drei Hauptthemen unterteilt sind, wie beispielsweise: 1. Füllen des Machtvakuums durch die Annullierung der Verfassung von 2012, die Aussetzung aller Ausnahmegesetze, die Auflösung der während der Zeit des vorherigen Regimes gebildeten Volksversammlung und aller aus ihr hervorgegangenen Komitees und die Ernennung des Befehlshabers des militärischen Operationskommandos, Ahmed ash-Shara’, zum Präsidenten des Landes während der Übergangszeit. Bei der Zeremonie wurde die Auflösung von vier Institutionen, welche die Säulen der Herrschaft und Kontrolle des früheren Regimes darstellten und die Schaffung eines neuen Regimes behindern, angekündigt, nämlich: die Armee, die Sicherheitsdienste mit ihren verschiedenen Zweigen und alle damit verbundenen Milizen, die Arabische Sozialistische Ba’ath-Partei, die Parteien der Nationalen Progressiven Front und die ihnen angeschlossenen Organisationen, Institutionen und Komitees und das Verbot ihrer Wiedererrichtung auch unter einem anderen Namen und Rückgabe ihrer Vermögenswerte an den syrischen Staat (AJ 31.1.2025a). Die Ba’ath-Partei des gestürzten syrischen Machthabers Bashar al-Assad stellte nach eigenen Angaben mit 12.12.2024 sämtliche Aktivitäten ein. Dies gelte bis auf Weiteres, hieß es in einer auf der Website der Parteizeitung veröffentlichten Erklärung. Die Vermögenswerte und die Gelder der Partei würden unter die Aufsicht des Finanzministeriums gestellt, Fahrzeuge und Waffen sollen nach Parteiangaben an das Innenministerium übergeben werden. Die Ba’ath-Partei war seit 1963 in Syrien an der Macht (Tagesschau 12.12.2024). Viele Mitglieder der Parteiführung sind untergetaucht und einige aus dem Land geflohen. In einem symbolischen Akt haben die neuen Machthaber Syriens das ehemalige Hauptquartier der Partei in Damaskus in ein Zentrum umgewandelt, in dem ehemalige Mitglieder der Armee und der Sicherheitskräfte Schlange stehen, um sich registrieren zu lassen und ihre Waffen abzugeben (AP 30.12.2024). Am 11.2.2025 gab das Präsidialamt bekannt, dass die wichtigsten Oppositionsgremien Syriens, die im Exil tätig waren, Damaskus die von ihnen bearbeiteten Akten übergeben haben, als Teil der Bemühungen, die während des Konflikts gebildeten Institutionen „aufzulösen“. Dieser Schritt kommt der Abschaffung der wichtigsten unbewaffneten Oppositionsgruppen Syriens gleich und erinnert an ash-Shara’s Versuch, alle bewaffneten Gruppen aufzulösen und in die Armee zu integrieren (FR24 12.2.2025). Für die in den Kriegsjahren im und aus dem Ausland tätige Opposition hat man nur Geringschätzung (SYRDiplQ1 5.2.2025).
Während ash-Shara’ ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC 17.12.2024). Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen die HTS und ihren Anführer, ash-Shara’ (Rosa Lux 17.12.2024). Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die Kämpfer der HTS für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte (Spiegel 11.12.2024). Auch Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler spricht von Videos von Personen aus dem Umfeld der HTS, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024). Alberto M. Fernandez, Vizepräsident des Middle East Media Research Institutes, wiederum sieht nicht so sehr die Gefahr, dass Syrien nun ein islamischer Staat sein wird, sondern dass es ein gescheiterter Staat sein wird. Die Gefahr besteht eher darin, dass die Anarchie die Oberhand gewinnt und nicht das Scharia-Recht. Dennoch sehen auch sie, al-Shara’, seine Organisation die HTS und viele ihrer Verbündeten als Hardcore-Islamisten. Der beste Vergleich sind nicht der Islamische Staat (IS) und al-Qaida, sondern die Taliban und die Hamas, politische Projekte, die sowohl islamistisch als auch nationalistisch sind (MEMRI 9.12.2024). Etwa 70 % der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime, darunter auch Kurden, die etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen. Die arabischen Sunniten sind sich jedoch in ihren Zielen nicht einig, und viele wünschen sich für die Zukunft Syriens keinen islamischen Staat (SWI 13.2.2025).
Trotz der Kritik ergab eine im März 2025 im Auftrag von „The Economist“ durchgeführte Umfrage, an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, dass 81 % die Herrschaft von ash-Shara’ befürworten. Nur 22 % sind der Meinung, dass seine Vergangenheit als al-Qaida-Führer ihn für eine Führungsrolle disqualifiziert. Eine große Zahl der´Befragten gibt an, dass sie seine neue Ordnung als sicherer, freier und weniger konfessionell geprägt empfinden als das Regime von al-Assad. Etwa 70 % sind optimistisch, was die allgemeine Richtung des Landes angeht. Die zufriedenste Provinz ist Idlib, ash-Shara’s ehemaliges Machtgebiet, wo 99 der 100 Befragten sich optimistisch äußern. Tartus, wo Anfang März 2025 mehrere Massaker an der alawitschen Minderheit stattgefunden haben, ist die pessimistischste Provinz. Selbst dort gaben 49 % an, optimistisch zu sein, während 23 % sich pessimistisch äußerten. (Economist 2.4.2025).
Anfänglich drängten die Vereinten Nationen (VN) auf eine Rückkehr zum lange stagnierenden politischen Übergang auf der Grundlage der Resolution 2254 (National 9.12.2024). Die 2015 verabschiedete Resolution 2254 des Sicherheitsrates, die einen politischen Übergang in Syrien durch Verhandlungen zwischen der Regierung des gestürzten Regimes und der Opposition forderte, ist inzwischen gegenstandslos geworden, da das Regime, mit dem verhandelt werden sollte, gestürzt ist (AJ 28.12.2024a). Ash-Shara’ sieht keine Notwendigkeit mehr für den Arbeitsmechanismus der Vereinten Nationen in Syrien und macht keinen Hehl aus seiner mangelnden Bewunderung für den UN-Gesandten Geir Pedersen. Die neue Regierung hat kein Interesse mehr an der Resolution 2254 und ihren Bestimmungen. Ash-Shara’ sagte, dass die vergangenen Jahre die Ineffektivität der VN gezeigt hätten, weshalb er die Resolution mit dem Sturz des Regimes als hinfällig betrachte (Akhbar 31.12.2024).
Syrien steht auf der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen und HTS wird von der Europäischen Union, der Türkei und den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft (AJ 15.12.2024a). HTS wurde im Mai 2014 auf die Terrorliste der UN gesetzt, als der Sicherheitsausschuss zu dem Schluss kam, dass es sich um eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur al-Qaida handelt. Sie unterliegen drei Sanktionsmaßnahmen: Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbot und Waffenembargo. Das bedeutet, dass international von allen Mitgliedstaaten erwartet wird, dass sie diese Maßnahmen einhalten. Um HTS nicht mehr als Terrororganisation zu listen, müsste ein Mitgliedstaat die Streichung von der Liste vorschlagen, und dieser Vorschlag würde dann an den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrats weitergeleitet. Der Ausschuss, der sich aus Vertretern aller 15 Länder zusammensetzt, die den Sicherheitsrat bilden, müsste dann einstimmig beschließen, den Vorschlag zu genehmigen (UN News 12.12.2024). Die internationale Gemeinschaft akzeptierte in bilateralen und multilateralen Formaten, dass HTS, trotz ihrer Einstufung als terroristische Vereinigung, einen Platz am Verhandlungstisch benötigt (MEI 9.12.2024).
Das Präsidium der syrischen Übergangsregierung hat einen Beschluss zur Einrichtung einer Allgemeinen Behörde für Land- und Seehäfen gefasst, die verwaltungstechnisch und finanziell unabhängig und direkt mit dem Premierminister verbunden ist. Die Behörde für Land- und Seehäfen wird die Generalgesellschaft des Hafens von Tartus, die Generalgesellschaft des Hafens von Latakia, die Generaldirektion der Häfen und andere umfassen, erklärte das Präsidium in einer separaten Entscheidung und ernannte Qutaiba Ahmad Badawi zum Leiter der Behörde. Die neue Behörde wird die Ein- und Ausfahrt von Passagieren und Fracht und alles, was diese Aufgabe erleichtert, überwachen und organisieren, sagte sie. Die Behörde wird auch die Seeschifffahrt, die kommerziellen maritimen Angelegenheiten, die Häfen und den Seeverkehr beaufsichtigen und die für ihre Arbeit notwendigen kommerziellen Schiffe und Immobilien besitzen und leasen (LBCI 1.1.2025).
Ash-Shara’s Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara’, bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter ’Afrin, Suluk und Ra’s al-’Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara’ bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017–2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte (TWI 28.2.2025). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara’a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara’a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-’Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025). Anfang Jänner 2025 hinderten lokale Gruppierungen, die in der Provinz Suweida operieren, einen Militärkonvoi der DMO an der Einfahrt in die südsyrische Provinz. Quellen erklärten gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung auf Anweisung des geistlichen Oberhaupts der monotheistischen Gemeinschaft der Drusen, Hikmat al-Hijri, getroffen wurde, der betonte, dass keine militärische Präsenz von außerhalb der Provinz erlaubt sei. Die Quellen erklärten, dass der Militärkonvoi in die mehrheitlich drusische Provinz Suweida kam, ohne sich vorher mit den lokalen Gruppierungen in der Provinz abzustimmen (AJ 1.1.2025a). Etana zufolge soll die HTS zunehmend versucht haben, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara’a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-’Awda führte. In intensiven Verhandlungen im Gebäude des Gouvernements Dara’a wurde die Auflösung sowohl des 5. Korps als auch der Gruppen von Ahmad al-’Awda (die einst die 8. Brigade des 5. Korps bildeten) sowie anderer ehemaliger Oppositionsgruppen aus der Stadt Dara’a und at-Tafas angestrebt. Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al- ’Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte (Etana 17.1.2025). Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben (National 14.4.2025), schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt (Etana 16.4.2025). Ash-Shara’s politisches Projekt eines zentralisiertenSyriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die „Nation“ spalten könnte – eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht (TWI 28.2.2025).
Ahmed ash-Shara’ wurde 1982 (Rosa Lux 17.12.2024) als Ahmed Hussein ash-Shara’ in Saudi- Arabien als Kind syrischer Expatriates geboren. Ende der 1980er-Jahre zog seine Familie zurück nach Syrien (NYT 12.12.2024). Als junger Mann radikalisierte er sich während der blutigen zweiten Intifada, als die israelische Regierung auf palästinensische Selbstmordattentate mit brutaler Gewalt antwortete. Auch der 11.9.2001 prägte ihn (Rosa Lux 17.12.2024). Er ging 2003 in den Irak, um sich al-Qaida anzuschließen und gegen die US-Besatzung zu kämpfen. Arabischen Medienberichten und US-Beamten zufolge verbrachte er mehrere Jahre in einem amerikanischen Gefängnis im Irak. Zu Beginn des Bürgerkriegs tauchte er in Syrien auf und gründete die Jabhat an-Nusra, aus der sich schließlich Hay’at Tahrir ash-Sham entstand (NYT 12.12.2024). 2003 nahm er den Kriegsnamen Abu Mohammad al-Jolani an (Rosa Lux 17.12.2024). In einem vor einigen Jahren mit dem US-amerikanischen Sender PBS geführten Interview gab ash-Shara’ zu, dass er bei seiner Rückkehr nach Syrien finanzielle Unterstützung durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) erhielt, der zu diesem Zeitpunkt weite Teile des Iraks und Syriens besetzt hielt (DW 18.12.2024). Im Januar 2017 gründete er mit der HTS ein neues Bündnis verschiedener islamistischer Milizen, das sich dezidiert von der dschihadistischen al-Qaida und ihrem Ziel eines globalen Dschihads gegen den Westen lossagte (Rosa Lux 17.12.2024). Seit dem Bruch mit al-Qaida haben er und seine Gruppierung versucht, internationale Legitimität zu erlangen, indem sie globale dschihadistische Ambitionen ablehnten und sich auf eine organisierte Regierungsführung in Syrien konzentrierten (NYT 12.12.2024). 2013 setzten die USA ihn auf ihre Terrorliste und lobten später sogar ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen für Hinweise zu seiner Ergreifung aus. 2018 wurde dann auch die HTS von den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft, die Vereinten Nationen folgten (Rosa Lux 17.12.2024).
Als Teil des Übergangs von der Revolution zum Staatsaufbau arbeitet die neue syrische Regierung daran, diesen Aufbau zu stärken und zu konsolidieren, indem sie eine nationale Armee aufbaut, die alle militärischen Formationen und Gruppierungen umfasst, die sich aufgrund bestimmter Umstände und Fakten während der syrischen Revolution gebildet haben (AJ 29.1.2025).
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Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).
In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet (Etana 22.2.2025). Das Middle East Institute berichtet auch von eindeutig sektiererischen Verstößen, wie die Zerstörung eines Schreins im ländlichen Hama durch zwei sunnitische Zivilisten und Fälle von Schikanen an Kontrollpunkten, konstatiert aber, dass die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten scheinen. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025). Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha [Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen Anm.] befindet (MEI 21.1.2025).
Seit islamistische Rebellen im Dezember den langjährigen repressiven Machthaber Bashar al-Assad stürzten, kam es in mehreren Gebieten zu Zusammenstößen und Schießereien, wobei Sicherheitsbeamte bewaffnete Anhänger der vorherigen Regierung beschuldigten (FR24 1.3.2025). In mehreren Gebieten in Syrien kommt es weiterhin zu Zwischenfällen mit verirrten Kugeln. Im Februar sind bei solchen Vorfällen 18 Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, getötet und vier weitere, darunter zwei Kinder, verwundet worden. Die Opfer verteilen sich auf die von der Regierung in Damaskus, der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kontrollierten Gebiete. Diese Zwischenfälle werden durch die Verbreitung von Waffen unter der Zivilbevölkerung verschärft (SOHR 24.2.2025b). Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara'a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt (Etana 22.2.2025). Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben (AJ 10.3.2025c). Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden) (TWI 10.3.2025). Die Anhänger des gestürzten Assad-Regimes riefen zu einem Aufstand auf. Ungefähr zur Zeit der ersten Angriffe gab eine Gruppierung, die sich selbst als "Militärrat für die Befreiung Syriens" bezeichnet, eine Erklärung ab, in der sie schwor, die Regierung zu stürzen (FT 10.3.2025). Unmittelbar nach dem Hinterhalt riefen die syrischen Sicherheitskräfte zu einer allgemeinen Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus auf und zur Ausrottung ehemaliger Regimegegner (TWI 10.3.2025). Sicherheitskräfte, die durch Verstärkung unterstützt wurden, begannen, gegen die Loyalisten des Assad-Regimes zu kämpfen und sie aus den Dörfern an der Küste Syriens zurückzudrängen. Die Loyalisten zogen sich aufs Land zurück, wobei sie Staatseigentum niederbrannten und mordeten. Als syrische Regierungstruppen und bewaffnete Zivilisten begannen, in alawitische Dörfer im Nordwesten Syriens einzudringen, tauchten Videos von Misshandlungen auf. Zivilisten berichteten von Massenmorden durch Sicherheitskräfte, was von Menschenrechtsgruppen bestätigt wurde (Guardian 10.3.2025). Laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) war es ein Fehler, dass die Regierung in Damaskus in den Moschen zur Mobilisierung aufgerufen hatte. Dies habe zu einem Zustrom von Kämpfern von außerhalb der Region geführt, um Alawiten zu massakrieren (Sky News 9.3.2025a). Laut einem Freiwilligen der Nichtregierungsorganisation Weißhelme kamen Menschen aus allen Städten Syriens, um Rache zu üben (C4 9.3.2025). Die überwiegende Mehrheit der rechtswidrigen Tötungen von Zivilisten und Gefangenen durch syrische Sicherheitskräfte wurde laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) von zwei bestimmten Fraktionen sowie von Personen begangen, die sich Militärkonvois angeschlossen hatten. Konkret waren die beiden Fraktionen, die für die meisten Tötungen von Zivilisten verantwortlich sind, die Suleiman Shah Division [auch: Abu Amsha-Division oder Amsha-Division] und die Hamza-Division. Beide Fraktionen und ihre Anführer stehen wegen mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter Vergewaltigung und Folter, unter US-Sanktionen (Guardian 10.3.2025). Laut Washington Institute for Near Eeast Policiy umfasste die Mobilisierung drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA: Jaysh ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah Division und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA gelisteten Gruppierung Ansar at-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten (TWI 10.3.2025). Die Gruppierungen stehen nominell unter der Schirmherrschaft des neuen Staates, wobei Abu Amsha zum Leiter der Militärbrigade der Provinz Hama ernannt wurde. In Wirklichkeit übt der Staat jedoch nur begrenzte Kontrolle über sie aus. [Weitere Informationen über Rebellengruppierungen finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) Anm.] Die Bewaffneten, die die Massaker verübten, seien keine Bewohner der syrischen Küste, sondern stammten aus anderen Gouvernements und seien teilweise ausländischer Herkunft wie Usbeken, Tschetschenen und zentralasiatische Kämpfer (Sky News 9.3.2025a). Am 9.3.2025 gab eine syrische Sicherheitsquelle an, dass sich die Kämpfe in der Umgebung der Städte Latakia, Jabla und Baniyas etwas beruhigt hätten, während die Streitkräfte die umliegenden Berggebiete durchsuchten, in denen sich schätzungsweise 5.000 pro-Assad-Aufständische versteckt hielten (Sky News 9.3.2025b). Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen die Überreste des Regimes in den Küstengebieten bekannt. Er betonte, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Arbeit wieder aufnehmen können, um die Rückkehr zum normalen Leben vorzubereiten, und dass die Sicherheitskräfte weiter daran arbeiten werden, die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten (SANA 10.3.2025a). Der Gouverneur von Tartus betonte am 9.3.2025, dass die Provinz nach dem Sieg über die Überreste des untergegangenen Regimes eine allmähliche Rückkehr ins öffentliche Leben erlebt (SANA 9.3.2025a). In den meisten Vierteln der Stadt Latakia hat am 10.3.2025 das normale Leben wieder begonnen, nachdem die Angriffe der Überreste des ehemaligen Regimes vereitelt und die Sicherheit in der Stadt wiederhergestellt wurde (SANA 10.3.2025b). Nach der Ankündigung der Regierung in Damaskus über den Abschluss der Sicherheitskampagne an der syrischen Küste stürmten Gruppen von bewaffneten Männern, die dem Verteidigungsministerium angehören, die Stadt Harison in der Umgebung von Baniyas, wo sie Häuser und Eigentum von Zivilisten plünderten und in Brand setzten (SOHR 10.3.2025c). Die Lage in den Städten mag stabiler sein, aber in ländlicheren Gegenden finden abseits der Medien eklatante Rechtsverletzungen statt. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter (Sky News 9.3.2025a).
Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe variierte stark (Guardian 9.3.2025). Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR), das umfassende Dokumentationsstandards anwendet und als unabhängig gilt, haben Anhänger des Assad-Regimes 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilisten und 172 syrische Sicherheitskräfte, während syrische Sicherheitskräfte 396 Menschen getötet haben, darunter Zivilisten und entwaffnete Kämpfer (Guardian 10.3.2025). Syrische Sicherheitsquellen gaben an, dass mehr als 300 ihrer Mitglieder bei Zusammenstößen mit Angehörigen der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee, bei koordinierten Angriffen und Hinterhalten auf ihre Streitkräfte getötet wurden (Sky News 9.3.2025b). Es wurden Massengräber mit Dutzenden von toten Mitgliedern gefunden (AJ 9.3.2025). Die syrischen Sicherheitskräfte töteten 700 ehemalige Soldaten und bewaffnete Männer, die dem ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad treu ergeben waren, oder sogenannte Regimeüberreste (Arabiya 9.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Darüber hinaus wurden 125 Mitglieder der Sicherheitskräfte und 150 alawitische Kämpfer getötet (Sky News 9.3.2025a). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). Laut der Vereinten Nationen kam es zu Tötungen ganzer Familien (UN News 9.3.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zog am 11.3.2025 Bilanz und verzeichnete eine Gesamtzahl von 1.093 Todesopfern vom Eintreffen bewaffneter Männer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bis zum 11.3.2025. Insgesamt wurden 44 Massaker verübt (SOHR 11.3.2025). Eine nicht näher genannte Beobachtungsgruppe verzeichnete der BBC zufolge mehr als 1.500 Todesopfer, darunter 1.068 Zivilisten (BBC 10.3.2025). Laut Aussage des Leiters von SOHR wurden Zehntausende Häuser geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). Ein Freiwilliger der syrischen NGO Weißhelme (White Helmets) berichtete, dass seine Organisation am 5.3.2025 auf mehr als 40 Brände im Küstengebiet reagieren musste, bevor in der darauffolgenden Nacht die Schießerei begonnen hatte. Es wurde auch einer der Krankenwagen der Weißhelme angegriffen, ebenso das Krankenhaus und Kontrollpunkte (C4 9.3.2025).
Diese Eskalation war nicht auf Latakia im Westen Syriens beschränkt, denn auch in anderen Gebieten am Rande der Hauptstadt Damaskus und in Dara'a kam es zu bewaffneten Zusammenstößen (AlHurra 8.3.2025). Unbekannte bewaffnete Männer in einem Auto warfen am 10.3.2025 Granaten und eröffneten das Feuer mit Maschinengewehren auf das Hauptquartier der allgemeinen Sicherheitskräfte im Stadtteil al-Mezzeh in Damaskus. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften (SOHR 10.3.2025d).
Übergangspräsident ash-Shara' richtete einen dreißigtägigen Untersuchungsausschuss, der die tatsächlichen Geschehnisse untersuchen soll, ein. Im Gegensatz zu den früheren Ernennungen der Übergangsregierung für Ausschüsse, Ministerien und Provinzämter sind die sieben Mitglieder dieses neuen Ausschusses nicht mit HTS oder ihrer Verbündeten in Verbindung gebracht worden (TWI 10.3.2025). Der Ausschuss soll seinen Bericht dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ash-Shara', spätestens 30 Tage nach der Entscheidung zur Bildung des Ausschusses vorlegen (BBC 9.3.2025a). Er hat zur Aufgabe, die Ursachen, Umstände und Bedingungen aufzudecken, die zu diesen Ereignissen geführt haben, die Verletzungen zu untersuchen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt war, die Verantwortlichen zu identifizieren, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Armee zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und diejenigen, die nachweislich an den Verbrechen und Verletzungen beteiligt waren, an die Justiz zu verweisen (SANA 9.3.2025b). Am 9.3.2025 begannen die Behörden, gegen diejenigen vorzugehen, die Gewalttaten gegen Zivilisten begangen hatten. Die syrische Übergangsregierung verhaftete sogenannte undisziplinierte Gruppen, die in den letzten Tagen während der Säuberungsaktionen Sabotageakte begangen hatten. Sie sollen strafrechtlich verfolgt werden, weil sie die Anweisungen des Kommandos missachteten (Arabiya 9.3.2025).
Viele Beobachter sind sich einig, dass trotz der starken Präsenz interner Faktoren auch der externe regionale Faktor bei den Unruhen in der syrischen Küstenregion eine wichtige Rolle spielte. Syrische Sicherheitsquellen weisen darauf hin, dass Iran in die Ereignisse in der Region verwickelt war und dass er die Überreste des Regimes von Bashar al-Assad finanzierte und bewaffnete, die zwischen der Küste und der Provinz Homs unterwegs waren und aufgrund der instabilen Sicherheitslage in den Osten Syriens vordringen konnten (BBC 9.3.2025b). Israel drang nach dem Sturz des Assad-Regimes in Grenzdörfer in Syrien ein und bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zum Schutz seiner eigenen Sicherheit. Während israelische Politiker seit Monaten deutlich machen, dass sie beabsichtigen, ihre Truppen in den Grenzregionen zu belassen, die eigentlich eine von internationalen Friedenstruppen überwachte Pufferzone sein sollte, stellen ihre Erklärungen über ein entmilitarisiertes Südsyrien eine Eskalation dar, die die Spannungen innerhalb Syriens verschärft hat (NYT 25.2.2025). Israel hatte die Pufferzone auf dem syrischen Golan umgangen und das Rückzugsabkommen von 1974 verletzt, indem es in Quneitra und Dara'a eindrang und weiteres syrisches Gebiet besetzte, bis es den Berg Hermon erreichte (BBC 9.3.2025b). Israelische Streitkräfte führen weiterhin Angriffe in und jenseits des entmilitarisierten Grenzstreifens von 1974 zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und Quneitra durch. Versuche Israels, die Herzen und Köpfe der Menschen in Quneitra zu gewinnen, wurden wiederholt abgewiesen und fanden gleichzeitig mit Razzien, Schießereien und anderen Verstößen statt (Etana 22.2.2025). Israel führte seit dem Sturz von al-Assad Hunderte von Luftangriffen in ganz Syrien durch, bei denen Luftwaffenstützpunkte, Munitionsdepots, militärische Ausrüstung und Stellungen von Kräften, die der neuen Regierung treu ergeben sind, angegriffen wurden (SCR 30.1.2025). Am 1.3.2025 drohte der israelische Ministerpräsident Netanyahu und der Verteidigungsminister Katz der syrischen Übergangsregierung, in Syrien einzugreifen, um die Drusen zu beschützen (Enab 1.3.2025; vgl. TIS 1.3.2025). Berichten aus Syrien zufolge kam es zuvor im Rahmen einer Sicherheitskampagne in Jaramana, einem Vorort von Damaskus, zu Zusammenstößen zwischen den Behörden der neuen syrischen Regierung und örtlichen drusischen Kämpfern (TIS 1.3.2025). Kräfte von außen, die gemeinsam mit Assad die Macht verloren haben – Iran und seine Vasallen wie die libanesische Hisbollah –, haben Interesse daran, dass das neue Syrien scheitert (Standard 9.3.2025).
Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat Russland begonnen, seine Streitkräfte aus der strategisch wichtigen Marinebasis Tartus abzuziehen. Dieser Rückzug könnte das Machtgleichgewicht in der Region beeinflussen und Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Syrien haben (VB Amman 9.2.2025).
Ende Dezember wurde, einer syrischen Sicherheitsquelle von Al Jazeera zufolge, durch die Abteilung für militärische Operationen eine landesweite Sicherheitsoperation gestartet, um Überreste des untergegangenen Regimes zu jagen und militärische Kontrollpunkte an der Straße zum russischen Militärstützpunkt Hmeimim in Tartus einzurichten (AJ 28.12.2024b).
Die Internationale Koalition hat zwölf Sicherheitsoperationen gegen Zellen des Islamischen Staates (IS) durchgeführt, einige mit Beteiligung der SDF in verschiedenen Gebieten Syriens, wo diese Operationen zur Tötung von 14 Mitgliedern des IS führten, darunter zwei Anführer, sowie die Verhaftung von neun Personen, die beschuldigt werden, dem IS anzugehören und mit ihm zu kooperieren, darunter ein Ölinvestor (SOHR 23.2.2025). Die von den USA geführten internationalen Koalitionstruppen haben in Zusammenarbeit mit den SDF ein intensives militärisches Training mit schweren Waffen auf der Basis des Ölfeldes al-'Omar im Osten der Provinz Deir ez-Zour im Osten Syriens durchgeführt. Die Übungen sind Teil einer Reihe von Militärmanövern, die die Koalitionstruppen auf ihren Militärstützpunkten in den Provinzen Deir ez-Zour und al-Hasaka im Nordosten des Landes durchführen, um die Kampfbereitschaft und die operative Koordination mit den lokalen Partnern zu verbessern (TNA 27.2.2025).
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, sieht den Schlüssel, um die Voraussetzungen für ausreichende Lebensbedingungen und eine stabile Sicherheitslage zu schaffen, in der Elektrizität. Ohne diese gäbe es nicht nur extreme Unsicherheit. Die Lebensbedingungen, wie Kochen, Heizen, Transport usw. sind an Strom gekoppelt. Auch der Betrieb von Krankenhäusern und Schulen bedingt eine funktionierende Energieversorgung. Dauere der Zustand an, in dem nachts ganze Gegenden in völliger Dunkelheit lägen, sei ein "collapse of law and order" praktisch unvermeidlich. Die radikalen militanten Gruppierungen würden nur darauf warten, das Vakuum zu füllen (ÖB Amman 6.2.2025). […[
Der Islamische Staat (IS)
Die Instabilität wirkt sich auf Lager, Haftanstalten und andere Einrichtungen im Nordosten des Landes aus. 42.500 Personen, von denen einige mutmaßliche Verbindungen zu IS haben, sind weiterhin in Haft. Darunter sind 17.700 irakische Staatsangehörige und 16.200 syrische Staatsangehörige sowie 8.600 Staatsangehörige aus anderen Ländern (UN News 10.2.2025). Der IS ist in Syrien in zwei getrennten Gebieten verbreitet. Zum Ersten in der syrischen Jazira (Nordostsyrien), die von den von der Internationalen Koalition unterstützten SDF kontrolliert wird. Dort bewegt sich der IS in der südlichen Wüste der Provinz al-Hasaka, die auch mit der nordöstlichen Seite der Grenzstadt al-Bu Kamal verbunden ist, genauer gesagt mit der Stadt al-Baghouz, der letzten städtischen Hochburg des IS. Dieses Gebiet ist geografisch mit der Hatra-Wüste in der irakischen Provinz Ninive verbunden, trotz der Betonblöcke, die die beiden Länder trennen, bewegt sich der IS immer noch über die Grenze, wie ein Bewohner der ländlichen Provinz al-Hasaka gegenüber Al Jazeera bestätigt. Das zweite Gebiet, bekannt als al-Badiya ash-Shamiya (zu Deutsch: Syrische Wüste), befindet sich in der Nähe der Stadt Palmyra, östlich der Provinz Homs. Es zeichnet sich durch seine Weite aus und endet am Rande der meisten syrischen Provinzen und ist auch mit der irakischen Wüste al-Anbar verbunden, die eine wichtige Hochburg für den IS ist. Der IS profitierte früher von der Aufteilung des Einflusses entlang des Grenzstreifens zwischen den US-amerikanischen Streitkräften, die in der Militärbasis at-Tanf stationiert waren, und den iranischen Milizen, die al-Bu Kamal kontrollierten. Zusätzlich zu seiner relativ langen Erfahrung im Kampf und in der Anpassung an die Wüste konnte der IS seine Bewegung in diesem Gebiet zwischen den beiden Ländern aufrechterhalten (AJ 2.3.2025). Eine Reportage des Spiegels, bei der ein Journalist in die al-Badiya reiste und mit verschiedenen Personen vor Ort sprach, deutet an, dass der IS dort nicht mehr so stark präsent ist, sondern viele Überfälle und Angriffe von der gestürzten syrischen Regierung dem Islamischen Staat zugeschoben wurden (Spiegel 9.2.2025). Die Vielzahl der gegen den IS kämpfenden Parteien und der Zustand der Feindseligkeit oder Rivalität zwischen ihnen schuf einen Zustand der Verwirrung, der in der jüngsten Zeit (zwischen 2024 und 2023) offensichtlich wurde. Dies trug dazu bei, dass die Informationen über die Zahlen und Bewegungen der Organisation ungenau und sehr variabel sind, da es bis heute keine genaue Zahl für die Anzahl der IS-Kämpfer in Syrien gibt. Einige Quellen vor Ort deuten darauf hin, dass die Zahl der aktiven IS-Kämpfer in Syrien zwischen 900 und 1100 liegt, wobei sich der größte Teil von ihnen in der levantinischen al-Badiya befindet, während der kleinere Teil auf der syrischen Jazira (Nordostsyrien) verteilt ist (AJ 2.3.2025). Der IS hat die Sicherheitslücke ausgenutzt, die durch den Zusammenbruch des Regimes des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad im vergangenen Dezember entstanden ist, so der SDF-Anführer 'Abdi. Seither wurde der IS sichtbarer und aktiver. Die Terrorgruppe nutzt Waffenlager, die sie beschlagnahmt hat, nachdem sie von Assad-treuen Kräften aufgegeben wurden. Der IS werde auch immer mutiger und schicke Terroristen aus ihren Verstecken in der Badiya in die umliegenden Städte (VOA 27.2.2025). Am 10.2.2025 stellte ein UN-Beamter fest, dass die unbeständige Lage in Syrien sehr besorgniserregend ist. Es besteht die Gefahr, dass Bestände moderner Waffen in die Hände von Terroristen fallen. Die syrische Badiya-Region wird weiterhin als Zentrum für die externe Operationsplanung des IS genutzt und ist ein wichtiges Gebiet für dessen Aktivitäten (UN News 10.2.2025). Der Abzug der USA würde eine Stärkung des IS bewirken, weil die Gruppierung die Schwäche der neuen syrischen Übergangsregierung ausnutzen wird, die nicht in der Lage ist, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren. Beamte warnen, dass der Abzug der US-Streitkräfte die SDF alleine lassen und die Sicherheit von mehr als 20 Gefängnissen und Flüchtlingslagern bedrohen wird, in denen mehr als 50.000 Menschen, darunter etwa 9.000 IS-Kämpfer, untergebracht sind. Ohne die US-amerikanischen Streitkräfte könnten die SDF die Gefängnisse und Lager aufgeben und Tausenden von IS-Kämpfern die Flucht ermöglichen. Der türkische Außenminister Fidan sagte Anfang Januar, dass die Türkei bereit sei, die Kontrolle über die Gefängnisse zu übernehmen, in denen IS-Gefangene untergebracht sind (AlHurra 6.2.2025a). In den letzten Jahren, nachdem der IS seine letzten städtischen Hochburgen verloren hatte, führten IS-Gruppierungen Hunderte von militärischen und sicherheitspolitischen Operationen in Syrien durch, meist in Form von Schnellangriffen auf Stellungen iranischer Milizen und Angehörige der ehemaligen syrischen Regime-Armee, zusätzlich zu aufeinanderfolgenden Angriffen auf Öltankwagen, die Öllieferungen von den syrischen Jazira-Feldern zu den Raffinerien in Homs und Baniyas transportierten. Seit der Ankündigung des Sturzes des Assad-Regimes sind die Angriffe des IS zurückgegangen, abgesehen von den üblichen Angriffen in der syrischen Region Jazira und zwei Angriffen in der levantinischen Badiya, von denen einer auf das Gasfeld von Sha'er abzielte und ein Todesopfer forderte. Dieses relative Verschwinden ist nicht unbedingt von Dauer, sondern wahrscheinlich eher vorübergehend und auf mehrere Gründe zurückzuführen, von denen die wichtigsten sind: 1. fehlende militärische Ziele durch den Abzug der Iranischen Milizen und das Auflösen der Syrischen Arabischen Armee (SAA), 2. der Einsatz militärischer Gruppierungen, die der Syrischen Freien Armee (SFA) angehörten und mittlerweile dem syrischen Verteidigungsministerium unterstellt sind, um das Machtvakuum in der Region zu schließen und wichtige strategische Positionen insbesondere an der einzigen Verbindungsstraße zwischen Deir ez-Zour und Damaskus zu übernehmen (AJ 2.3.2025).
Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert (VB Amman 9.2.2025). Im Folgenden wir die Sicherheitslage je nach Region dargestellt:
Zentralsyrien
Nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme islamistischer Gruppen bleibt die Sicherheitslage auch in den Küsten- und Zentralregionen Syriens fragil und stark fragmentiert. Während einige Gebiete weitgehend unter der Kontrolle der neuen islamistischen Machthaber stehen, gibt es weiterhin Widerstand durch lokale Milizen, ehemalige Assad-treue Gruppen und ausländische Akteure (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Innenministerium hat seine Sicherheitsoperationen in verschiedenen Provinzen intensiviert und dabei Elemente des gestürzten Assad-Regimes ins Visier genommen, die ihre Bewegungen in einigen Gebieten verstärkt haben. In mehreren Gebieten, insbesondere in den ländlichen Gebieten von Damaskus, Homs und Tartus, fanden groß angelegte Sicherheitsoperationen statt, bei denen eine Reihe von bewaffneten Kämpfern festgenommen und andere bei direkten Zusammenstößen neutralisiert wurden. Sicherheitsberichte bestätigen, dass diese Gruppierungen die syrische Armee und die Sicherheitskräfte ins Visier genommen hatten, um die Sicherheit zu schwächen und Chaos zu stiften. Dabei nutzen sie die schwierige geografische Lage einiger Gebiete, um sich zu verstecken und ihre Reihen neu zu formieren (AAA 1.3.2025). Damaskus ist unter der Kontrolle islamistischer Gruppierungen. Während in einigen Vierteln eine gewisse Stabilität herrscht, sind Anschläge, Attentate und gezielte Angriffe rivalisierender Gruppen weiterhin an der Tagesordnung. Israelische Luftangriffe auf mutmaßliche Waffenlager oder Stellungen von pro-iranischen Milizen haben zugenommen, während in den Außenbezirken einzelne Widerstandszellen gegen die neuen Machthaber operieren. IS-Zellen und lokale Widerstandsgruppen greifen regelmäßig Kontrollpunkte an, was zu einer angespannten Lage führt (VB Amman 9.2.2025). Bei Zusammenstößen zwischen den Streitkräften der neuen Machthaber Syriens und bewaffneten Männern der Minderheit der Drusen in der Nähe von Damaskus am 1.3.2025 wurde eine Person getötet und neun weitere verletzt, wie ein syrischer Menschenrechtsbeobachter berichtet (FR24 1.3.2025). Interne Sicherheitskräfte haben in Begleitung lokaler bewaffneter Gruppen eine Sicherheitskampagne gegen die Wohnhäuser von Offizieren in der Stadt Qatana im Hinterland von Damaskus durchgeführt, bei der Dutzende von Bewohnern der Gegend verhaftet und eine Ausgangssperre verhängt wurden. Es kam wiederholt zu Hausdurchsuchungen, begleitet von Vandalismus, Plünderungen und Verhaftungen einer Reihe von Bewohnern, darunter Männer und Frauen (SOHR 28.2.2025a). Im Umland von Damaskus kam es am 27.2.2025 zu Zusammenstößen zwischen syrischen Sicherheitskräften und bewaffneten Männern, bei denen es Verletzte gab (Shafaq 27.2.2025). Die Zunahme von Gewalt und Kriminalität in den Minderheitengebieten Syriens bleibt die größte Herausforderung für die neuen Behörden seit dem Sturz des alten Regimes im Dezember 2024. Das Land hat einen Anstieg der Angriffe erlebt, sowohl von Überbleibseln des Regimes, deren Interessen nach dem Sturz al-Assads leiden und die versuchen, das Land zu destabilisieren, als auch von allgemeinen Straftätern (AAA 1.3.2025). Die ehemals von der Assad-Regierung gehaltenen Küstenregionen Latakia und Tartus, die als Hochburgen der alawitischen Gemeinschaft galten, sind mittlerweile unter der Kontrolle islamistischer Gruppen gefallen. Der Übergang verlief jedoch nicht ohne Widerstand, da lokale alawitische Milizen, Überreste regierungstreuer Einheiten und vereinzelt russische Kräfte um ihre Einflusszonen kämpften. Während die Küste früher als sicher galt, könnten neue Konflikte zwischen islamistischen Gruppen, Assad-treuen Einheiten und möglicherweise verbleibenden russischen Kräften in den kommenden Monaten entstehen (VB Amman 9.2.2025). In der Küstenregion ist die Sicherheitslage instabil und durch wiederholte Angriffe an Kontrollpunkten und kriminelle Aktivitäten wie Plünderungen, Raubüberfälle und Entführungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, gekennzeichnet (UNOCHA 12.2.2025). Die Region Latakia ist strategisch wichtig und beherbergt wichtige militärische Einrichtungen, die von der Assad-Regierung genutzt wurden. Russland hat hier noch Interessen, insbesondere im Hinblick auf den ehemaligen Militärflughafen Hmeimim. Vereinzelt wurden Kämpfe zwischen islamistischen Gruppen und zurückgebliebenen pro-Assad-Milizen gemeldet (VB Amman 9.2.2025). In den vergangenen zwei Monaten haben ehemalige Regimegruppierungen vier Operationen im Nordwesten des Landes durchgeführt, bei denen Angehörige der Abteilung für Militäreinsätze getötet und verletzt wurden (AAA 1.3.2025). In Tartus wurde die frühere russische Marinebasis Berichten zufolge von russischen Truppen teilweise geräumt, wobei unklar ist, ob sie vollständig aufgegeben wurde. Islamistische Gruppen haben die Kontrolle über die Stadt übernommen, aber die Präsenz von Untergrundzellen ehemaliger Assad-Anhänger könnte zu weiteren Spannungen führen (VB Amman 9.2.2025). Aufrufe zur Gewalt unter ehemaligen Assad-Anhängern haben viele Alawiten dazu veranlasst, in den syrischen Küstengouvernements Tartus und Latakia sowie in Homs zu den Waffen gegen die von HTS geführten Truppen zu greifen (LWJ 29.1.2025). Bewaffnete Männer auf zwei Motorrädern haben eine Polizeistation in der Stadt Savita in der Provinz Tartus angegriffen und Handgranaten geworfen, was zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen den Angreifern und dem Personal der Station führte, bei dem einer der Mitarbeiter der Station verletzt wurde. Unterdessen wurde ein junger Zivilist aus dem Hinterland von Tartus durch verirrte Kugeln getötet, als er in einem Auto unterwegs war, berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR 28.2.2025b). In Homs, Hama und Nordwestsyrien herrscht unterdessen relative Stabilität, abgesehen von einigen Unruhen im ländlichen Homs (UNOCHA 12.2.2025). Die zentrale Region Syriens, bestehend aus Homs und Hama, bleibt nach dem Sturz des Regimes eine Zone mit unklaren Machtverhältnissen. Die Stadt Homs, die einst ein zentrales Schlachtfeld im syrischen Bürgerkrieg war, ist nun ein Gebiet mit sporadischen Kämpfen zwischen islamistischen Gruppen und Widerstandsbewegungen, darunter ehemalige regierungstreue Milizen und lokale Stämme. Während die islamistischen Machthaber Kontrolle über die Stadt beanspruchen, gibt es Berichte über vereinzelte Scharmützel und Anschläge (VB Amman 9.2.2025). Kämpfer der Gruppierung Islamischer Staat (IS) haben am 10.12.2024 in der syrischen Region Homs mindestens 54 Menschen getötet, die alle ehemalige Mitglieder der Regierung von Bashar al-Assad gewesen sein sollen und nach deren Zusammenbruch versucht haben sollen zu fliehen (MEE 10.12.2024). Ähnlich wie Homs ist auch Hama von sozialen Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt. Einige ländliche Gebiete außerhalb der Stadt stehen noch unter Einfluss lokaler Gruppierungen oder einzelner Widerstandszellen, die sich der neuen Ordnung widersetzen. Die humanitäre Lage in beiden Städten bleibt kritisch, da die Infrastruktur stark beschädigt ist und viele der ehemaligen staatlichen Versorgungsstrukturen nicht mehr funktionieren. Ar-Raqqa, die ehemalige Hauptstadt des IS, bleibt ein Brennpunkt der Unsicherheit. Teile der Region sind nach wie vor von lokalen kurdischen Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kontrolliert, was die Spannungen zusätzlich erhöht. Nach der Übernahme islamistischer Gruppierungen in anderen Teilen des Landes ist die Lage in ar-Raqqa weiterhin angespannt, da sich verschiedene Gruppen um die Kontrolle streiten. IS-Schläferzellen sind weiterhin aktiv und haben in den letzten Monaten gezielte Anschläge auf islamistische Sicherheitskräfte und Verwaltungsstrukturen verübt. Letztlich bleibt auch die Sicherheitslage in Deir ez-Zour hochgradig instabil. Die Region war bereits zuvor ein zentrales Schlachtfeld gegen den IS, und obwohl sich die Machtdynamik geändert hat, sind Guerilla-Taktiken, Anschläge und bewaffnete Konflikte weiterhin an der Tagesordnung. Die Kontrolle über Deir ez-Zour ist stark fragmentiert, da verschiedene islamistische Gruppierungen, die SDF sowie lokale Stammesmilizen um Einfluss kämpfen. Die neuen islamistischen Machthaber Syriens haben keine einheitliche Kontrolle über die Region, da verschiedene Gruppen um Territorium ringen. HTS und andere Fraktionen versuchen, ihre Positionen zu stärken, was zu Zusammenstößen mit lokalen Stämmen und ehemaligen regierungstreuen Milizen führt. Die SDF hält weiterhin einige Gebiete, insbesondere im nördlichen und östlichen Teil der Provinz, was die Spannungen mit islamistischen Gruppen und türkisch unterstützten Milizen weiter verschärft. Der IS ist weiterhin aktiv und nutzt das Machtvakuum, um Schläferzellen zu reaktivieren. In ländlichen Gebieten verübt der IS regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, Checkpoints und lokale Stammesführer, die mit den neuen Machthabern kooperieren. Die sich verschlechternde Sicherheitslage ermöglicht es dem IS, erneut Rekruten anzuwerben, insbesondere unter den wirtschaftlich benachteiligten Stämmen. Deir ez-Zour war schon vor dem Sturz al-Assads ein Zentrum für Schmuggel und illegalen Ölhandel, eine Situation, die sich nun weiter verschärft hat. Kriminelle Netzwerke, bewaffnete Stämme und ehemalige regierungstreue Gruppen kontrollieren Teile der Ölfelder und Routen für Schmuggelware, was zu bewaffneten Auseinandersetzungen um wirtschaftliche Ressourcen führt. Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal, da Versorgungslinien unterbrochen wurden und viele Menschen ohne Einkommen oder humanitäre Hilfe auskommen müssen (VB Amman 9.2.2025).
Südsyrien
Nach dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt die Sicherheitslage im Süden Syriens fragil und unvorhersehbar. Die neuen Machthaber versuchen, die Kontrolle über das Land zu festigen, stehen aber vor internen Machtkämpfen, Widerstand lokaler Milizen und anhaltenden ausländischen Interventionen (VB Amman 9.2.2025). Israel griff Syrien bereits vor dem Sturz al-Assads an und gibt an, damit den Zustrom von Waffen und Geld aus Iran an die militante Hizbollah-Gruppe im Libanon eindämmen zu wollen. Seit 8.12.2024 hat Israel Gebiete nahe der gemeinsamen Grenze besetzt und militärische Einrichtungen angegriffen (NYT 25.2.2025). Seit dem 8.12.2024 hat Israel seine Militäroperationen in Syrien intensiviert, die Pufferzone besetzt und die Kontrolle über den Berg Hermon vervollständigt sowie seine Operationen in Quneitra und Rif Dimashq ausgeweitet (AJ 8.2.2025). Die israelische Armee gab bekannt, dass Bewaffnete am 31.1.2025 das Feuer auf ihre Streitkräfte in der Gegend von Quneitra auf der syrischen Seite des besetzten Golan eröffnet haben, zum ersten Mal seit ihrem Einmarsch in Syrien und ihrer Besetzung der Pufferzone nach dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad (AJ 1.2.2025). Seit 25.2.2025 fliegt Israel Luftangriffe im Süden Syriens, die Aussagen des israelischen Verteidigungsministers Katz zufolge Teil einer „neuen Politik“ seien, die darauf abziele, einen „entmilitarisierten Süden Syriens“ zu gewährleisten. Er fügte hinzu, dass jeder Versuch syrischer Streitkräfte oder militanter Gruppierungen, in dem von Israel als „Sicherheitszone“ bezeichneten Gebiet in der Region Fuß zu fassen, „mit Feuer beantwortet“ werde. Diese Politik wurde am 23.2.2025 vom israelischen Premierminister Netanjahu in einer Rede angekündigt, in der er die „vollständige Entmilitarisierung“ des südlichen Syrien forderte. Israel werde keine syrischen Streitkräfte in Quneitra, Dara'a und Suweida dulden (NYT 25.2.2025). [Weitere Informationen zum israelischen Vorgehen in Syrien finden sich in den Kapiteln Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Quneitra, das an den von Israel besetzten Golanhöhen grenzt, hat sich zu einem besonders sensiblen Sicherheitsgebiet entwickelt. Die islamistischen Machthaber versuchen, ihre Position entlang der Grenze zu Israel zu festigen, was wiederholt zu israelischen Luft- und Raketenangriffen auf ihre Stellungen geführt hat. Gleichzeitig sind pro-iranische Gruppen und schiitische Milizen aktiv, die gegen den neuen islamistischen Machtblock kämpfen. Die Präsenz internationaler Akteure macht Quneitra zu einem Brennpunkt mit anhaltenden Scharmützeln zwischen verschiedenen Fraktionen (VB Amman 9.2.2025). Am 2.2.2025 bestätigten die Behörden, dass sich die israelischen Verteidigungskräfte (Israel Defense Forces - IDF) aus den Gebäuden der Provinzverwaltung und des Gerichts in der Friedensstadt, Provinz Quneitra, zurückgezogen hatten und dabei massive Zerstörungen an der Infrastruktur und an zivilen Dokumenten hinterlassen hatten (UNOCHA 12.2.2025). Dara'a, die einstige Wiege des syrischen Aufstands, bleibt eine der instabilsten Regionen im Süden. Trotz der Machtübernahme islamistischer Gruppen gibt es anhaltenden Widerstand durch lokale Milizen und ehemalige regierungsnahe Kräfte, die mit der neuen Führung nicht kooperieren. Attentate, Entführungen und gezielte Angriffe auf Funktionäre der neuen Machthaber sind häufig. Zudem kommt es regelmäßig zu israelischen Luftangriffen auf mutmaßliche pro-iranische Milizen, die sich aus früheren Assad-treuen Gruppen rekrutieren (VB Amman 9.2.2025). Am 5.1.2025 kam es in der Stadt as-Sanamayn im ländlichen Dara'a zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen mehreren Parteien, die zu einem Ausnahmezustand führten. Es wurden die Streitkräfte der Übergangsregierung mobilisiert. Nach dem Eingreifen der Streitkräfte wurde vereinbart, die Zusammenstöße zwischen allen Parteien sofort zu beenden, alle Regierungsgebäude zu übernehmen und öffentliche Einrichtungen zu schützen sowie die schweren und mittleren Waffen der lokalen Gruppen abzuziehen (Sky News 5.1.2025). Die mehrheitlich von Drusen bewohnte Provinz Suweida nimmt weiterhin eine Sonderrolle ein. Während des Bürgerkriegs hatte die Region eine gewisse Autonomie bewahrt und sich weitgehend aus den Kämpfen herausgehalten. Nach der Machtübernahme islamistischer Gruppen bleibt die Region misstrauisch gegenüber der neuen Herrschaft und ist nur lose in die neue Ordnung integriert. In den letzten Monaten gab es Zusammenstöße zwischen drusischen Milizen und islamistischen Einheiten, die ihre Autorität durchsetzen wollen. Auch in Suweida sind Entführungen und lokale Machtkämpfe weiterhin ein Problem (VB Amman 9.2.2025). In den südsyrischen Provinzen Dara'a und Quneitra kam es am Anfang Februar zu israelischen Luftangriffen. Der israelische Armeesprecher gab bekannt, dass Kampfflugzeuge einen Angriff auf ein Waffendepot in der Gegend von Deir 'Ali im Süden Syriens durchgeführt haben und behauptete, das Depot gehöre der Islamischen Widerstandsbewegung (Hamas). Der Angriff erfolgt inmitten der eskalierenden Spannungen an der Grenze zwischen Syrien und Israel, da die israelischen Streitkräfte ihren Einmarsch in die Provinz Quneitra weiter ausweiten (AJ 8.2.2025).
Die Waffenruhe zwischen Israel und der libanesischen Hizbollah-Miliz wurde bis zum 18.2.2025 verlängert. Diese Entwicklung beeinflusst besonders die Sicherheitslage im Süden Syriens, insbesondere in Grenzgebieten zum Libanon (VB Amman 9.2.2025). Die Lage an der libanesisch-syrischen Grenze ist seit dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad am 8.12.2024 von sporadischen Zusammenstößen und bürokratischen Hürden geprägt. In den ersten Wochen nach al-Assads Sturz kämpften bewaffnete syrische Kämpfer an mehreren Stellen der durchlässigen Grenze zwischen den beiden Ländern mit der libanesischen Armee (MEE 10.2.2025). Am 21.2.2025 gab das israelische Militär bekannt, dass es Grenzübergänge zwischen Syrien und dem Libanon bombardiert hat, die angeblich von der Hizbollah genutzt werden. Der israelische Beschuss richtete sich gegen die illegalen Grenzübergänge zwischen Syrien und dem Libanon in Wadi Khaled und im westlichen Umland von Homs und führte zu einer Reihe von Verletzten. Zehn Tage zuvor hatte das israelische Militär nach eigenen Angaben einen Luftangriff auf einen Tunnel an der syrisch-libanesischen Grenze geflogen, der angeblich von der von Iran unterstützten Hizbollah für den Waffenschmuggel genutzt wurde (Sky News 21.2.2025). Ein libanesischer Militärexperte sagt, dass die Grenzgebiete praktisch in den Händen der Hizbollah sind. In der Vergangenheit gab es eine Art Synergie zwischen der Hizbollah und den Stämmen beim Aufbau einer Parallelwirtschaft, die auf dem Schmuggel von Captagon basierte. Diese Synergie besteht auch heute noch (AlHurra 7.2.2025). Die syrische Übergangsregierung startete Anfang Februar 2025 eine umfangreiche Kampagne an der syrisch-libanesischen Grenze, bei der sie nach eigenen Angaben gegen Waffen- und Drogenschmuggel vorgehen. Schiitische Clans lieferten sich dabei schwere Gefechte mit den syrischen Streitkräften und kündigten schließlich ihren Rückzug aus Syrien in den Libanon an (MEE 10.2.2025). Die libanesische Armee gab bekannt, dass der Einsatz von Militäreinheiten an der nördlichen und östlichen Grenze angeordnet wurde, um auf die von syrischem Gebiet ausgehenden Feuerquellen zu reagieren (MEE 10.2.2025). Erklärungen der neuen Regierung in Damaskus deuten darauf hin, dass sie die Sicherheitskampagnen entlang der Grenze fortsetzen wird, um gegen Schmugglerbanden vorzugehen (AlHurra 7.2.2025).
Nordsyrien
Die Sicherheitslage in Nordsyrien ist nach wie vor instabil, da verschiedene Fraktionen um Kontrolle und Einfluss konkurrieren (SCR 30.1.2025). Nach al-Assads Sturz und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt der Nordwesten Syriens eine der unruhigsten und komplexesten Regionen des Landes. Die neuen Machthaber bestehen aus einem Bündnis verschiedener islamistischer Fraktionen, wobei insbesondere Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in Idlib und Teilen Aleppos eine führende Rolle einnehmen. Trotz der formellen Übernahme der Macht kommt es in der Region weiterhin zu Machtkämpfen zwischen rivalisierenden islamistischen Gruppen, Widerstandszellen Assad-treuer Kräfte und externen Bedrohungen durch Luftangriffe und Grenzkonflikte (VB Amman 9.2.2025). Teile des Nordostens Syriens, insbesondere Ost-Aleppo, ar-Raqqa und al-Hasaka, sind von Feindseligkeiten, Zusammenstößen und Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern (Improvised Explosive Devices - IED) betroffen (UNOCHA 12.2.2025). Idlib ist nun das Zentrum der islamistischen Verwaltung in Syrien, bleibt aber eine hochgradig instabile Region. Während HTS als dominierende Kraft die Kontrolle beansprucht, gibt es weiterhin Konflikte mit anderen Fraktionen sowie Widerstand durch kleinere Gruppierungen, die nicht vollständig in die neue Ordnung integriert wurden. Trotz des Sturzes al-Assads bleiben die syrischen Lufträume gefährdet durch israelische Angriffe auf iranische oder mit Iran verbundene Gruppierungen, während Russland gelegentlich gezielte Angriffe auf dschihadistische Gruppierungen in der Region durchführt. Spannungen zwischen HTS, anderen islamistischen Gruppierungen und lokalen Milizen sorgen für eine fragile Sicherheitslage mit regelmäßigen Attentaten und bewaffneten Auseinandersetzungen. Die anhaltende Instabilität, fehlende Grundversorgung und wirtschaftliche Notlage haben die humanitäre Situation in Idlib weiter verschärft. Aleppo bleibt eine der strategisch wichtigsten Städte Syriens, ist jedoch weiterhin zwischen verschiedenen Akteuren umkämpft. Während islamistische Gruppierungen Teile der Stadt kontrollieren, gibt es in anderen Bezirken noch Präsenz ehemaliger regierungstreuer Milizen oder autonomer kurdischer Einheiten. In nördlichen Teilen Aleppos gibt es weiterhin Spannungen zwischen türkisch unterstützten Milizen und kurdischen Einheiten der SDF. In Teilen Aleppos kommt es weiterhin zu gezielten Attentaten, Entführungen und Sprengstoffanschlägen gegen islamistische Führungspersonen, was auf eine aktive Widerstandsbewegung hindeutet. Die Stadt bleibt schwer beschädigt, und der Wiederaufbau schreitet nur schleppend voran, da sich die neuen islamistischen Machthaber auf militärische Kontrolle und weniger auf infrastrukturelle Erholung konzentrieren (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium gab bekannt, dass es einen Angriff der SDF an der Ashrafiya-Front Anfang März 2025 in Aleppo-Stadt zurückgeschlagen hat. Das syrische Verteidigungsministerium hat aus mehreren Gebieten militärische Verstärkung an die Kampffronten gegen die SDF in Aleppo geschickt (AJ 10.3.2025c). Die syrische Armee hat nach eigenen Angaben Mitglieder der kurdisch geführten SDF festgenommen, als diese aus dem Viertel al-Ashrafiya nach Aleppo eindrangen (BBC 9.3.2025a). […]
Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Seitdem der friedliche Aufstand gegen das Assad-Regime Ende 2011 in den bewaffneten Konflikt überging, bildeten sich bewaffnete Gruppierungen auf fast der gesamten syrischen Landkarte, angefangen bei Offizieren und Soldaten, die vom Regime übergelaufen waren, bis hin zu Gruppierungen, die sich aus lokalen und religiösen Gruppierungen zusammensetzten. Sie standen im Konkurrenzkampf einerseits untereinander und andererseits kämpften sie gegen die Regimekräfte, die ihnen bis 2018 schwere Verluste zufügten. Danach wurden viele Gruppierungen aufgelöst. Andere übersiedelten unter russischer Schirmherrschaft im Rahmen von Abkommen nach Nordsyrien oder blieben auf der Basis von "Versöhnungsabkommen" unter russischer Schirmherrschaft und Garantien bzw. direkten Abmachungen mit dem Assad-Regime weiter bestehen. Im Zuge der Kampfhandlungen im Spätherbst 2024 schienen die Oppositionskämpfer gut organisiert zu sein und arbeiteten in einem Bündnis unter dem Namen Abteilung für militärische Operationen (Department of Military Operations - DMO) zusammen (Asharq 9.12.2024). Für die Großoffensive "Abschreckung der Aggression", die am 17.11.2024 startete und zum Sturz des Präsidenten al-Assad führte, hatten sich die Rebellen monatelang vorbereitet (NYT 1.12.2024). Im Laufe des vergangenen Jahres entwickelten die Kämpfer eine neue Methode, die sich auf die Verwendung von Drohnen stützte (Guardian 8.12.2024). Von den ersten Tagen der Offensive an veröffentlichte die von den Rebellen geführte DMO mehrere Videos von Angriffen auf Militärfahrzeuge und Versammlungen von Soldaten des syrischen Regimes mit sogenannten Shaheen-Drohnen, die eine große Effektivität und Genauigkeit beim Treffen der Ziele zeigten. Für diese Drohnen wurden eigens die Shaheen-Bataillone geschaffen (AJ 10.12.2024). Diese Bataillone sind für ihr hohes Maß an Fachwissen und ihre Präzision bekannt. Sie sollen von Offizieren aus Osteuropa ausgebildet worden sein (IndepAr 5.12.2024). Für die Ausbildung soll die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sogar eine eigene Drohnenakademie betrieben haben (LF 13.12.2024). Zum ersten Mal in der Geschichte des Syrienkonflikts war die bewaffnete Opposition nun in der Lage, den Luftraum zu kontrollieren (IndepAr 5.12.2024). Die verschiedenen Drohnentypen trugen dazu bei, eine Art Gleichgewicht im Luftraum zu erreichen, gemeinsam mit der Tatsache, dass die Russen den Großteil ihres Luftarsenals aus Syrien abgezogen hatten, weil sie mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt waren (AJ 10.12.2024). Die Drohnen, die in niedriger Höhe fliegen, greifen Fahrzeuge und gepanzerte Fahrzeuge an, feuern Raketen auf Soldaten ab, oder es sind Selbstmorddrohnen, die sich schnell auf Fahrzeuge und Panzer stürzen und sich sofort mit jedem Objekt, das mit ihnen kollidiert, in die Luft sprengen. Einer Warnung Russlands zufolge soll die HTS über mehr als 250 fortschrittlicher Drohnen verfügt haben. Gerüchten zufolge unterhielt die HTS im Nordwesten Syriens eine Fabrik zur Herstellung von Drohnen mit Düsentriebwerken und Sprengbomben gemeinsam mit ausländischer Unterstützung (IndepAr 5.12.2024), wie beispielsweise durch uigurische Ingenieure der Turkistan Islamic Party (TIP, die aus Dschihadisten besteht, die aus China stammen und sich im ländlichen Latakia und Idlib niedergelassen haben). Sie beaufsichtigen die Herstellung der Drohnen für ein monatliches Gehalt von bis zu 4.000 Dollar (Nahar 29.11.2024). Die Entwicklung dieser Waffen soll in kleinen Werkstätten, untergebracht in Garagen, Häusern, ehemaligen Schulgebäuden, Lagerhäusern und anderen Orten, die schwer zu entdecken sind, passiert sein (LF 13.12.2024). HTS hat eine komplexe Infrastruktur aufgebaut, um den Einsatz von Drohnen zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Einsatz von 3-D-Drucktechnologie zur Herstellung von Teilen, die nicht ohne Weiteres aus kommerziellen Quellen bezogen werden können (LF 13.12.2024).
Der Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) fehlt es an ausreichendem Personal, um das ganze Land zu verwalten und die Posten zu bemannen. Es werden entweder andere Gruppierungen mit an Bord geholt werden müssen, oder möglicherweise auch ehemalige Soldaten (PBS 16.12.2024). Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppierungen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Associated Press berichtete am 16.12.2024, dass Polizeikräfte des Assad-Regimes verschwunden sind und an ihre Stelle Polizeikräfte der Syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Gouvernements - SSG) - der von der HTS geführten Regierung, die bis zum Sturz al-Assads in Idlib regierte - getreten waren. Sie bearbeiten Fälle von kleineren Diebstählen und Straßenkrawalle (AP 15.12.2024b). Die Polizisten der SSG sollen 4.000 Mann stark sein, wobei die Hälfte davon weiterhin in Idlib operiere, während die andere Hälfte in Damaskus und anderen Teilen Syriens für Ordnung sorgen. Obwohl manche von ihnen religiöse Symbole tragen, ließen sie andersgläubige Minderheiten weitgehend in Ruhe (AP 15.12.2024b). Die Kräfte, die Syriens neuem Machthaber zur Verfügung stehen, sind unzureichend. Die 30.000 Mann starke HTS ist nun über das ganze Land verteilt (Economist 5.3.2025). In Damaskus ist in den wichtigsten Bereichen nur Militärpersonal der HTS zu sehen, das ein Gefühl der Sicherheit vermittelt und versucht, den Verkehr zu regeln – allerdings mit begrenztem Erfolg. Dies ist nicht nur eine Folge der begrenzten Kapazitäten der HTS, die nun an ihre Grenzen stoßen, da sie ein ganzes Land und nicht nur einen Teil einer Provinz verwalten müssen. Es ist auch ein Symptom für den abrupten Zusammenbruch der traditionellen Sicherheitsstrukturen. In den meisten Städten wurden in den ersten Tagen nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes Polizeistationen und Gerichte geschlossen, und Diebstähle – sowohl von Autos als auch von Häusern – nahmen aufgrund des Mangels an neu ausgebildeten Polizisten zu (AGSIW 4.3.2025). Während des Umsturzes am 8.12.2024 wurden die meisten Polizeistationen in Damaskus von Plünderern verwüstet, wobei Ausrüstung und Unterlagen geplündert oder zerstört wurden. Die Polizei gab an, dass die Hälfte der etwa 20 Polizeistationen inzwischen wiedereröffnet wurde, aber sie jeweils nur mit zehn Beamten besetzt sind, die größtenteils aus Idlib kommen. Zuvor waren es 100 bis 150 Mann (REU 23.1.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei regeln Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). HTS hat sich auf ihre eigenen Einheiten und die ihrer engen Verbündeten verlassen, um die vier von Minderheiten dominierten Gouvernements zu sichern. Zu diesen gehören vor allem die Einheiten der Allgemeinen Sicherheit (auch: General Security) des Innenministeriums der ehemaligen syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG). Diese Kräfte sind im Wesentlichen schwer bewaffnete Polizisten, die eingesprungen sind, um Unterstützung zu leisten, während neue lokale Polizeikräfte noch aufgebaut werden. Die Abteilung für militärische Operationen hat auch Einheiten im ganzen Land eingesetzt, um die überlastete Allgemeine Sicherheit zu unterstützen und weitere Sicherheitslücken zu schließen. DMO-Einheiten führen gezielte Razzien gegen bewaffnete Zellen durch, halfen anfangs bei der Überwachung von Städten und besetzten zeitweise Kontrollpunkte. Ende Dezember 2024 wurden viele Einheiten aus den Küstenstädten abgezogen und auf Kontrollpunkte und Stützpunkte beschränkt, wo sie durch wachsende lokale Polizeikräfte ersetzt wurden. Am problematischsten waren die ausländischen Kämpfergruppen innerhalb der Eliteeinheit Rote Brigaden [mehr dazu s. unten Anm.] von DMO und HTS, die viele der Razzien der neuen Regierung anführt (MEI 21.1.2025). Die Sicherheitskräfte des alten Regimes wurden aufgelöst. Frühere Versprechen, die Polizei auf ihre Posten zurückzurufen, wurden nicht eingehalten. Die Menschen wurden aufgefordert, sich erneut auf ihre Stellen zu bewerben, aber das Verfahren ist undurchsichtig und soll Alawiten abschrecken. Ash-Shara' hat sich größtenteils an die Sicherheitskräfte seiner Verwaltung in Idlib gewandt, um den Personalmangel auszugleichen. Erfahrene Offiziere des alten Regimes sind jetzt Taxifahrer. In diesem Vakuum stellen die örtlichen Gemeinden ihre eigenen Bürgerwehren zusammen (Economist 5.3.2025).
Ash-Shara' versprach, dass die bewaffneten Gruppierungen und Milizen entwaffnet würden (HB 16.12.2024), und kündigte an, dass die bewaffneten Gruppierungen aufgelöst und die Kämpfer ausgebildet werden, um in die Reihen des Verteidigungsministeriums einzutreten. Sie werden dem Gesetz unterworfen sein (DW 17.12.2024). Seit Jänner 2025 haben die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres zügig daran gearbeitet, alle bewaffneten Gruppen unter einer einzigen, mit dem Staat verbundenen Armee und Polizei zu vereinen. Für diesen Prozess wurde der Oberste Ausschuss für die Regulierung der Streitkräfte eingerichtet, der Waffen, Technologie, Militärstützpunkte und Personal überwachen soll. Ein Ausschuss von Offizieren entwirft derzeit die Struktur der neuen syrischen Armee. Die Regierung hat klargestellt, dass alle militärischen Fraktionen aufgelöst und in staatliche Institutionen integriert werden (TNA 3.2.2025). Der Prozess der Bildung einer neuen Armee für Syrien wird auf der Vereinigung mehrerer bewaffneter Gruppierungen beruhen, die über das ganze Land verteilt sind. Einige dieser Gruppierungen waren in Nord- und Westsyrien aktiv, während andere ihren Einfluss auf Südsyrien konzentriert haben, wie die Achte Brigade unter der Führung des ehemaligen Oppositionskommandeurs Ahmad al-'Awda oder andere Formationen, die in der drusischen Mehrheitsprovinz Suweida eingesetzt werden. Diese Formationen, die sich in der nächsten Phase zu einer einzigen Armee vereinigen sollen, sind jedoch über ihre Visionen und Ziele sowie darüber, woher sie Unterstützung erhalten, zerstritten (AlHurra 12.2.2025). Die HTS verhandelte mit Einheiten der aufgelösten Syrischen Arabischen Armee (SAA) über die Zusammenlegung und Integration in eine neue syrische Armee (ISW 16.12.2024). Der neue syrische Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte für deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln. Die zwei größten drusischen Fraktionen aus der südlichen syrischen Provinz Suweida haben daraufhin ihre Bereitschaft erklärt, sich der neuen syrischen Armee anzuschließen (AlHadath 7.1.2025). Die richtungsweisende Entscheidung, die bewaffneten Gruppierungen unter einer einzigen nationalen Armee zusammenzufassen, wurde während eines hochrangigen Treffens in Damaskus formalisiert. Die neu vereinte Truppe wird dem Verteidigungsministerium unterstellt sein und darauf abzielen, die militärische Führung zu zentralisieren und die Ordnung wiederherzustellen. Das Abkommen umfasst nicht alle Fraktionen. Gruppierungen, die in südlichen Regionen wie Dar'aa, Quneitra und Suweida operieren, sowie in at-Tanf stationierte, von den USA ausgebildete Truppen bleiben außerhalb des Geltungsbereichs. Auch die kurdisch dominierten SDF fallen nicht unter das Abkommen. Pläne für eine umfassendere Integration sollen nach dem Ende der Amtszeit der Übergangsregierung im März umgesetzt werden (TR-Today 8.1.2025). Dem syrischen Verteidigungsminister zufolge waren die bewaffneten Gruppen bereit, sich der neuen Militärstruktur anzuschließen. Das syrische Verteidigungsministerium berichtete, dass die neue syrische Regierung mit Vertretern von mehr als 60 bewaffneten Gruppierungen zusammengetroffen sei, die sich bereit erklärt hätten, sich in das neue Verteidigungsministerium zu integrieren. Es wurde ein Ausschuss eingerichtet, um eine einheitliche Datenbank der Streitkräfte zu erstellen, die Informationen über die Humanressourcen (Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten und akademisches Personal) und über militärische Vermögenswerte (Hauptquartiere, Technologie und Waffen) enthalten soll. Die Informationen würden der Führung des Verteidigungsministeriums vorgelegt, gefolgt von Treffen mit den bewaffneten Organisationen, um die Struktur der Sicherheitskräfte festzulegen und Kommandeure zu ernennen (MAITIC 23.1.2025). Die Bewegung der syrischen Oppositionsfraktionen gegen Assad war schon immer zersplittert, und es gibt eine lange Geschichte von gescheiterten Vereinigungsprojekten, sowohl im Norden als auch im Süden des Landes. Nach dem Sturz von al-Assad hat sich die Lage geändert, aber die Probleme sind nicht völlig verschwunden (AlHurra 12.2.2025). Der Übergangsregierung ist es gelungen, von bewaffneten Gruppen im ganzen Land (mit Ausnahme von Suweida) vorsichtige Zugeständnisse zu erwirken. Die Bildung einer Süddivision deutet darauf hin, dass sie an einer vorübergehenden Lösung gegenüber dem geschäftsführenden Verteidigungsministerium interessiert ist: Bisher scheinen nicht zu HTS gehörende bewaffnete Gruppen bereit zu sein, mit dem Ministerium zusammenzuarbeiten, ohne jedoch ihre Organisationsstrukturen und geografischen Einflusszonen aufzugeben oder sich entwaffnen zu lassen. Tatsächlich werden die Brigaden der Süddivision die Spaltungen, die den Süden seit Jahren prägen – zwischen dem östlichen und westlichen Dara'a, zwischen Dara'a und Suweida und zwischen konkurrierenden Gruppierungen untereinander – aufrechterhalten (Etana 22.2.2025). Obwohl ash-Shara' Fortschritte bei der Bildung eines Verteidigungsministeriums nach al-Assad unter der Kontrolle der von HTS geführten Behörden in Damaskus signalisiert hat, gibt es über Erklärungen gegenüber den Medien und Diplomatenbesuchen hinaus kaum Anzeichen für praktische Fortschritte. Da es keinen transparenten Plan für die Bildung eines neuen Verteidigungsministeriums gibt, haben ehemalige Oppositionsfraktionen ihre Waffen nicht abgegeben (Etana 10.1.2025). Übergangspräsident ash-Shara' und Verteidigungsminister Abu Qasra haben sich noch nicht mit den Einzelheiten befasst, wie diese Armee von innen aussehen wird und ob das neue syrische Verteidigungsministerium in der Lage ist, eine vollständige Harmonie zwischen den Fraktionen und Kämpfern zu erreichen (AlHurra 12.2.2025).
Am 29.1.2025 wurde die Auflösung bewaffneter Gruppierungen in Syrien bekannt gegeben, darunter auch die HTS (Sky News 31.1.2025). Einem Journalisten von Sky News zufolge sind viele Gruppierungen, die HTS unterstützten, bereits Teil der Allgemeinen Sicherheit (General Security Force) geworden und tragen alle einheitliche schwarze Uniformen und Kampfanzüge (Sky News 13.2.2025). Die General Security war die wichtigste Polizeitruppe der HTS im Nordwesten Syriens und ist nun zur Gendarmerie der Übergangsregierung in ganz Syrien geworden, um das Sicherheitsvakuum nach dem Sturz des Regimes zu füllen (ISW 16.4.2025). Bereits am 28.1.2025 wurde berichtet, dass sich die der al-Qaida nahestehende Gruppierung Hurras ad-Din aufgelöst hatte. 2018 geriet die Gruppierung mit der HTS in Konflikt, nachdem sich Letztere von der al-Qaida losgesagt und ihren Namen geändert hatte (Araby 28.1.2025). Die verschiedenen Gruppierungen in Südsyrien, darunter die von Russland unterstützte 8. Brigade in Dara'a und drusische Milizen in Suweida, haben bestimmte Bedingungen für den Beitritt zu einer nationalen Armee festgelegt. Dazu gehören die Einrichtung einer wirklich repräsentativen Regierung, eine neue Verfassung und ein nicht konfessionsgebundenes Militär. Diese Forderungen unterstreichen das tief sitzende Misstrauen gegenüber einer zentralisierten Autorität und den Wunsch nach lokaler Autonomie, was die Aufgabe der Armeevereinigung weiter erschwert (DNewsEgy 3.2.2025). Bisher ist es gelungen, die von der Türkei unterstützten Gruppierungen in den nördlichen Teilen Syriens aufzulösen (NLM 25.2.2025). Militärangehörige, darunter hochrangige Offiziere, sagten, dass einige Oppositionsfraktionen weiterhin in den Formationen operieren, die sie vor dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad im Dezember genutzt haben, während gleichzeitig eine schrittweise Übergabe an Brigaden unter der Führung von Damaskus stattfindet, um eine neue Armee aufzubauen (National 21.2.2025).
Für das Innenministerium wird ein Kader vorbereitet, der eine spezielle Ausbildung erhalten soll, um seine Aufgaben im Rahmen eines Plans zur Gewährleistung einer sicheren Gesellschaft zu übernehmen (Araby 16.12.2024). Am 10.1.2025 gab das Innenministerium bekannt, dass der Eintritt in die Polizei und die Allgemeine Sicherheit durch die Einschreibung in die Polizeihochschule möglich sei. Die Kurse erstreckten sich auf fast alle syrischen Gouvernements, angeführt von Damaskus und seinem Umland, Homs, Tartus, Idlib, Suweida und Deir ez-Zour. In der Meldung hieß es, dass die Bewerber mindestens 20 sein müssen und höchstens 30 Jahre alt sein dürfen, mindestens einen Highschool-Abschluss oder einen gleichwertigen Abschluss haben müssen. Sie müssen die vorgeschriebenen Kurse bestehen, nicht wegen eines Verbrechens oder einer Straftat verurteilt worden sein, bei guter Gesundheit und körperlicher Fitness und mindestens 168 cm groß sein (Syria TV 21.2.2025). Mehr als 200.000 Menschen haben sich für einen neuen Polizeidienst angemeldet, der derzeit aufgebaut wird, sagte der Kursleiter an der Polizeiakademie in Damaskus. Polizisten, die vor Assads Sturz zu den Rebellen übergelaufen sind, können sich für die neue Truppe bewerben. Diejenigen, die dies nicht getan haben, wurden aufgefordert, einen "Versöhnungsprozess" zu durchlaufen, einschließlich der Unterzeichnung eines Dokuments, in dem sie den Regimewechsel akzeptieren, und der Abgabe ihrer Waffe. Es ist noch nicht klar, ob sie sich der neuen Truppe anschließen dürfen (REU 23.1.2025). Das Innenministerium änderte die Bedingungen für die Aufnahme von Mitgliedern des Sicherheits- und Polizeidienstes. Darunter sind eine Altersgrenze von 30 Jahren anstelle von zuvor 26 Jahren und Lockerungen bei den Anforderungen an die körperliche Gesundheit und Fitness. Die Ausbildung dauert 21 Tage. Unter dem Assad-Regime betrug die Ausbildungszeit neun Monate (Tayyar 31.1.2025). Reuters hingegen berichtet von zehn Tagen Unterricht in Waffenhandhabung und islamischen Recht. Wenn sich die Sicherheitslage verbessert, soll die Ausbildung auf neun Monate verlängert werden, wobei ein von den Rebellen in Idlib eingeführtes System verwendet wird (REU 23.1.2025). Die allgemeine Landschaft des neuen Sicherheitsapparats weist deutliche Veränderungen auf, vor allem in Bezug auf die islamistische Färbung, die mit einigen Details einhergeht, wie die lauten Takbir-Rufe ["Allahu Akbar"-Rufe Anm.] bei den Abschlussfeiern, nachdem die Freiwilligen die Scharia- und Militärtrainingskurse absolviert haben, und die Abschlussreden der Veranstaltung, die sich auf die islamischen Lehren und die Notwendigkeit konzentrieren, „im Einklang mit Gottes Gesetz“ zu handeln (Tayyar 31.1.2025). Reuters zitiert Quellen, wonach die islamische Lehre dazu dienen soll, der neuen syrischen Polizei Moral zu vermitteln. Mitglieder der HTS-Polizeieinheit in Idlib sind nach Damaskus gereist, um Polizeibeamte zu rekrutieren. Die HTS-Polizei hat den Bewerbern eine Reihe von Fragen zu ihrem Glauben gestellt und die Ausbildung der neuen Rekruten konzentriert sich auf das Scharia-Recht (REU 23.1.2025).
Am 16.4.2025 kündigte das Innenministerium an, dass es einen Beamten ernennen werde, der sowohl die Kräfte der Allgemeinen Sicherheit als auch die Polizeikommandos in jeder Provinz beaufsichtigen solle, um so die Kontrolle über beide Kräfte zu zentralisieren (ISW 16.4.2025).
Langfristig werden Syriens Bemühungen zur Reform seines Militärs mit enormen Herausforderungen beim Wiederaufbau seines Waffenarsenals und seiner Infrastruktur konfrontiert sein, insbesondere nach der weitreichenden Zerstörung durch israelische Luftangriffe im Dezember 2024. Diese Angriffe galten über 100 Luftverteidigungsbatterien, Radarsystemen und Geheimdienstbasen, wodurch ein Großteil des syrischen Arsenals unbrauchbar wurde. Berichten zufolge führte Israel in acht Tagen über 600 Angriffe durch und zerstörte dabei etwa 80 % der strategischen Waffen Syriens. Die syrische Luftwaffe, die Berichten zufolge Anfang 2024 über 184 einsatzfähige Flugzeuge verfügte, verfügt nun nur noch über eine Handvoll übergebliebener – wenn auch einsatzfähiger – Flugzeuge. Dasselbe gilt für die Hunderte von Fahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen – darunter Kampfpanzer, Schützenpanzer, Langstrecken-Mehrfachraketenwerfer und SAM-Systeme – welche die Rebellen von der sich zurückziehenden Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) erbeutet haben, deren Schicksal unbekannt ist. Schätzungsweise 15 Marineschiffe wurden bei Angriffen auf Minaa el-Beida und Latakia zerstört, Tartus wurde jedoch verschont, um russische Streitkräfte nicht zu treffen. Der Wiederaufbau des syrischen Militärs – insbesondere der Luftwaffe und der Luftverteidigungsnetze, einschließlich Abfangjäger-Vorräte, Ersatzteile und Ausbildung der Besatzungen – wird Jahre dauern und Milliarden Dollar kosten, und das zu einer Zeit, in der die staatlichen Kassen fast leer sind (TNA 3.2.2025). Ash-Shara' kündigte einen Plan an, für den Import moderner militärischer Fahrzeuge, die für die Sicherheitsdienste in allen Provinzen geeignet sein sollen (Araby 16.12.2024).
Die ehemaligen militärischen Geheimdienste Syriens waren für ihre Unterdrückung berüchtigt. In der neuen Struktur werden Anstrengungen unternommen, um ein Nachrichtensystem von Grund auf neu aufzubauen, das frei von den Altlasten des vorherigen Regimes ist (TR-Today 8.1.2025). Das syrische Generalkommando hat die Ernennung von Anas Hassan Khattab zum Leiter des allgemeinen Nachrichtendienstes bekannt gegeben. Khattab übernahm Anfang 2014 die Position des administrativen Emirs der Jabhat an-Nusra, nachdem er Ende 2013 einer der Anführer der Gruppe und allgemeiner administrativer Emir gewesen war. Nach Angaben des Sicherheitsrats wurde Khattab am 23.9.2014 gemäß den Ziffern 2 und 4 der Resolution 2161 (2014) auf die Sanktionsliste gesetzt, weil er mit al-Qa'ida in Verbindung stand, weil er „an der Finanzierung, Planung, Erleichterung, Vorbereitung, Begehung, Beteiligung oder Unterstützung der Handlungen und Aktivitäten der Jabhat an-Nusra beteiligt war“ und weil er „die Handlungen und Aktivitäten der Jabhat an-Nusra in irgendeiner anderen Form unterstützt hat“ (BBC 26.12.2024). Quellen bestätigten gegenüber Al Jazeera die Ernennung von Generalmajor 'Ali Nour ad-Din an-Na'san zum neuen syrischen Generalstabschef. Lokalen syrischen Plattformen zufolge war an-Na'san ein militärischer Befehlshaber von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) (AJ 9.1.2025b). Ende Dezember 2024 wurden von der neuen Regierung Kämpfer in Führungspositionen ernannt. Unter den 50 neuen militärischen Ernennungen waren sechs ausländische Kämpfer im Rang eines Brigadegenerals und eines Obersts, darunter zwei Araber. Die Ernennungen sind Teil einer umfassenderen Kampagne von ash-Shara' zur Umstrukturierung der Neuen Syrischen Armee, die Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlicher Nationalität umfasst (Sky News 30.12.2024).
Der Kreml teilte Mitte des Monats Dezember 2024 mit, dass das Schicksal der russischen Militärbasen in Syrien noch immer diskutiert werde und dass die Kontakte mit syrischen Beamten fortgesetzt würden (AJ 28.12.2024b).
Die bewaffnete Landschaft Syriens besteht aus einem komplexen Geflecht von über 60 Fraktionen, von denen jede ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Loyalitäten und ihre eigene Agenda hat. Mehr als die Hälfte sind der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) angeschlossen. Andere Fraktionen agieren unabhängig oder innerhalb kleinerer Allianzen, mit Ideologien, die von säkular bis islamistisch reichen, und Finanzierungsquellen, die verschiedene regionale und internationale Akteure umfassen. Dieses Flickwerk an Macht stellt ein erhebliches Hindernis für die Schaffung einer einheitlichen nationalen Armee dar (DNewsEgy 3.2.2025). Obwohl die Kämpfer nominell unter der Schirmherrschaft der neuen syrischen Regierung stehen, gibt es nach wie vor Milizen, von denen einige in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren und relativ undiszipliniert sind (Guardian 9.3.2025). Die Kernkräfte der Gruppierung, die die neue Regierung anführt, HTS, sind bekanntermaßen weitaus disziplinierter als andere Akteure, was auf jahrelanger Beobachtung ihrer Aktivitäten in der Provinz Idlib und während des Sturzes von al-Assad beruht. Dennoch waren auch einige HTS-Kräfte an den Massakern im März 2025 in der syrischen Küstenregion beteiligt. Darüber hinaus trägt die neue Regierung weiterhin die Verantwortung für alle Tötungen, die von Gruppen unter ihrem formellen Kommando, einschließlich der SNA, begangen wurden. Ihre Unfähigkeit, diese Verbrechen zu verhindern, verdeutlicht, dass sie über Gebiete und Fraktionen außerhalb ihrer traditionellen Basis nach wie vor nur begrenzt befehligen und kontrollieren kann. Nachdem Berichte über Massaker aufgetaucht waren, gab das Innenministerium eine doppelte Erklärung ab, in der es die Zivilbevölkerung aufforderte, sich nicht einzumischen und die Reaktion der Regierung zu überlassen, und allen regierungsfreundlichen Kräften befahl, sich an die Verfahren zu halten, die während der Offensive zum Sturz des Assad-Regimes angewendet wurden, nämlich keine Zivilisten ins Visier zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch bereits zahlreiche Morde verübt worden, und die Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den notwendigen Prozess der Rechenschaftspflicht, der auf solche Vorfälle folgen muss, um weitere Vergeltungsmaßnahmen und Gräueltaten zu verhindern (TWI 10.3.2025). In den Reihen der neuen syrischen Armee finden sich auch islamistische Kämpfer aus anderen arabischen Staaten, Zentralasien und dem Kaukasus (Standard 9.3.2025). Es gibt große Probleme bei der Integration der Gruppierungen, die bereits unter dem Verteidigungsministerium zusammengelegt wurden. Zu nennen ist hier der Top-Down-Ansatz, bei dem die Priorität auf Loyalität statt auf Leistung gelegt wird. Es gelingt nicht die ideologischen und klassenbasierten Unterschiede zwischen – und innerhalb – der Gruppierungen, die jetzt unter dem Kommando ash-Shara's stehen, abzumildern (NLM 25.2.2025).
Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
Die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [zu Deutsch: Komitee zur Befreiung der Levante Anm.] ist die stärkste Gruppierung in Syrien (Asharq 9.12.2024). Ihre Mannstärke wird auf 43.000 geschätzt. Die Hälfte dieser Gruppierungen ist nach der Rückeroberung in ihren ursprünglichen Gebieten geblieben, insbesondere in den Gebieten im Norden von Hama, im Süden von Idlib und im Westen und Süden von Aleppo (Quds 11.1.2025). Sie entstand aus dem Zusammenschluss von fünf Gruppierungen, u. a. der Jabhat Fatah ash-Sham, Liwa' al-Haqq, Jabhat Ansar ad-Din und Jaysh as-Sunna und wurde später von mehreren Bataillonen, Brigaden und Einzelpersonen unterstützt (AJ 3.12.2024). Die HTS versuchte ihren militärischen Flügel durch die Einrichtung eines gemeinsamen Einsatzraums namens „Shahba Community“ in Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppierungen, darunter Ahrar ash-Sham, die Nour ad-Din-Zenki-Bewegung und die „50. Division“ zu stärken (UNSC 22.7.2024). 2019 wurde der Operationsraum Fatah al-Mubin gegründet. Dieser war für die Koordinierung und Abteilung für militärische Operationen in Nordsyrien in Idlib und den ländlichen Gebieten von Aleppo, Latakia und Hama verantwortlich. Mitte 2020 schränkte die Hay'at Tahrir ash-Sham alle militärischen Operationen auf den Operationsraum Fatah al-Mubin ein und untersagte die Bildung jeglicher sonstiger militärischer Gruppierungen oder Operationsräume in den von ihr kontrollierten Gebieten. 2023 verkündete die HTS eine neue Struktur für die militärischen Kräfte in ihren Gebieten an (AJ 3.12.2024). Mitglieder der HTS sind nicht nur Syrer, sondern sie umfasst mehrere Nationen (Asharq 8.12.2024). Sie ist in sechs Brigaden, Spezialeinheiten und Elitetruppen unterteilt, die als Rote Brigaden bekannt sind (Quds 11.1.2025) bzw. als Rote Bänder, und welche Berichten zufolge dank ihrer Fähigkeiten in Bezug auf Ausbildung, Bewaffnung und die Fähigkeit, die Frontlinien zu durchdringen, in der Lage waren, mehrere Kampfhandlungen gegen Assads Streitkräfte zu gewinnen (Asharq 9.12.2024). Die Anzahl der Mitglieder dieser Eliteeinheit ist nicht bekannt, sie soll Berichten zufolge aber aus Hunderten von HTS-Mitgliedern bestehen (Asharq 8.12.2024), die Inghamasiyin genannt werden (AJ 5.12.2024) und von denen einige zu den ideologisch extremsten und kampferfahrendsten Elementen der Rebellenkoalition gehören (Guardian 8.12.2024). Auf ihren Köpfen tragen sie rote Bänder. Die Einheit, die 2018 gegründet wurde, hat einen hohen Ausbildungsstand (AJ 5.12.2024) und verfügt über Spezialwaffen (AlMayadeen 5.12.2024). Daneben gehören auch Gruppen von Scharfschützen zu dieser Eliteeinheit (Asharq 8.12.2024). Auch HTS-Anführer Ahmed ash-Shara' tauchte in einem Video 2020 mit rotem Band am Kopf auf (AlMayadeen 5.12.2024). Die HTS war es, die die Operation "Abschreckung der Aggression" im November und Dezember 2024 anführte (Asharq 9.12.2024).
Ash-Shara' kündigte gegenüber al-'Arabiya und al-Hadath an, dass sich seine Gruppierung bald auflösen wird (Arabiya 6.1.2025b). Am 29.1.2025 wurde die Auflösung der HTS bekannt gegeben (Sky News 31.1.2025).
Andere Gruppierungen
An der Operation "Abschreckung der Aggression" nahmen noch weitere Gruppierungen teil, die teilweise mit der ehemaligen Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army - FSA) verbunden sind. Manche dieser Gruppierungen gehörten zur Nationalen Befreiungsfront (National Liberation Front - NLF), wie die Jabhat Tahrir as-Souriya und Jaysh Idlib al-Hurr (AJ 3.12.2024). Einige Gruppierungen werden von der Türkei ausgebildet und unterstützt. Darunter sind die Sultan Murad Division, die Sultan Suleiman Shah Division, die Hamza Division, Jaysh al-Islam und die Jabhat ash-Shamiya (Asharq 9.12.2024). Die NLF ist weitgehend für die Kontrolle in Idlib zuständig, während ein Großteil der militärischen Präsenz in die Schlüsselgebiete Aleppo, Homs, Damaskus, Latakia und Tartus abgezogen wurde. Die NLF koordiniert sich mit den örtlichen Sicherheitskräften. Aufgrund ihrer Mannstärke ist sie stark von verbündeten Gruppierungen abhängig (Etana 17.1.2025). Auch in Dara'a, im Süden Syriens, gibt es viele bewaffnete Gruppierungen, insbesondere Gruppierungen unter dem Banner der ehemaligen FSA (Asharq 9.12.2024).
Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA)
Mehr als die Hälfte der über 60 in Syrien bestehenden bewaffneten Gruppierungen gehört zur von der Türkei unterstützten Syrian National Army. Ihre Stärke beträgt mindestens 80.000 Mann und ihre Hauptaufgabe ist die Bekämpfung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) (DNewsEgy 3.2.2025). Die Jabhat ash-Shamiya, die Bewegung Nour ad-Din-Zenki, die islamische Bewegung Ahrar ash-Sham im nördlichen Umland von Aleppo und die Gruppe ash-Shahba beteiligten sich an den Vorbereitungen für die Operation "Abschreckung der Aggression" im Sommer 2024, während die übrigen Fraktionen auf direkte Anweisungen aus Ankara warteten, wie die Nationale Befreiungsfront in Idlib, die Tausende von Kämpfern aus allen Untergruppierungen der Abteilung für militärische Operationen zur Verfügung stellte (Quds 11.1.2025). Sie könnte ca. 50.000 Kämpfer umfassen. Die SNA steht grundsätzlich in Konkurrenz mit der HTS. Ihre Anführer haben erklärt, dass sie schwere Waffen abgeben würde im Gegenzug für hohe Funktionen in der neuen syrischen Armee. Ihre Kleinfeuerwaffen werden sie behalten. Manche Anführer möchten ihr Einkommen, das sie durch Schmuggel über die türkisch-syrische Grenze erhalten, nicht aufgeben (Economist 14.1.2025). Im Widerspruch dazu wird die HTS von der von Ankara unterstützten Nationalen Befreiungsfront (National Liberation Front - NLF) unterstützt, die von Oberst Fadlallah al-Hajji angeführt wird, dem militärischen Befehlshaber der Faylaq ash-Sham und gleichzeitig stellvertretenden Verteidigungsminister in der Übergangsregierung (Quds 11.1.2025). Die NLF schloss sich im Oktober 2019 der SNA an ( MEE 7.12.2024).
Die Suleiman Shah Division (auch: al-Amshat) wird von Mohammad Hussein al-Jassim, bekannt als Abu Amsha, angeführt, einer umstrittenen Figur, die sich schweren Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sieht. Seine Truppen haben ihren Sitz in Sheikh al-Hadid in 'Afrin und erstrecken sich auf Teile des nördlichen Landesteils von Aleppo. Die Hamza-Division (auch: Hamzat) kontrolliert al-Bab, Jarablus und 'Afrin und steht unter dem Kommando von Saif Bolad (Abu Bakr), einem prominenten Führer der von der Türkei unterstützten SNA. Im Jahr 2023 verhängte das US-Finanzministerium direkte Sanktionen gegen die beiden Fraktionen und beschuldigte sie, in den von ihnen kontrollierten Gebieten „Kriegsverbrechen und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen“ zu begehen. Menschenrechtsberichten zufolge waren diese von der Türkei unterstützten Gruppierungen an „systematischen ethnischen Säuberungsaktionen“ und groß angelegten „Massakern“ gegen Zivilisten in Banias, Tartus und Latakia beteiligt, bei denen Hunderte von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, getötet wurden (LebDeb 10.3.2025).
Die syrischen Sicherheitskräfte forderten Anfang März 2025 nach Zusammenstößen mit Anhängern des Assad-Regimes eine allgemeine Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus an. Drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA folgten diesem Aufruf: Jaish ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA benannten Gruppe Ansar al-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten. Die meisten lokalen Berichte deuten darauf hin, dass die überwiegende Zahl der von Regierungstruppen verursachten zivilen Todesfälle Anfang März 2025 in der Küstenregion von einer Mischung aus SNA-Fraktionen, ausländischen Kämpfern und zufälligen Zivilisten begangen wurde (TWI 10.3.2025). [Details zu den Vorfällen Anfang März 2025 in der Küstenregion sind dem Kapitel Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.]
Alle Gruppierungen der Syrischen Nationalen Armee sind an der Operation "Morgenröte der Freiheit" gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) beteiligt (Quds 11.1.2025).
Fahim 'Issa, einer der prominentesten Militärkommandeure in Nordsyrien, sagte, dass die Fraktionen der SNA derzeit nicht bereit sind, sich zusammenzuschließen, weil sie sich in den Kämpfen gegen die SDF mit türkischer Unterstützung engagieren, was im Gegensatz zu ash-Shara's Ansatz steht, die Angelegenheit mit den kurdischen Kämpfern zu regeln (Quds 11.1.2025).
Die Motivationen der Kämpfer in der SNA sind alles andere als einheitlich. In Interviews wurden drei Hauptmotive im gesamten Korps der SNA hervorgehoben: Erstens sind die Kämpfer von Loyalität und Stammesverbundenheit angetrieben und verlassen sich auf verwandtschaftliche Bindungen und das Vertrauen in die lokale Führung. Zweitens werden sie eher durch wirtschaftliche Faktoren motiviert, wobei viele von ihnen im Schmuggel und in der Kontrolle des lokalen Marktes tätig sind. Drittens sind einige Kämpfer, insbesondere an der Levante-Front, ideologisch motiviert und vertreten revolutionäre Ideale und umfassendere Visionen des gesellschaftlichen Wandels (NLM 25.2.2025).
Syrische Freie Arme (Syrian Free Army - SFA)
Die Syrische Freie Armee (Syrian Free Army - SFA) [nicht zu verwechseln mit der mittlerweile aufgelösten Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army - FSA) Anm.] ist eine von den USA unterstützte und ausgebildete Einheit von mehreren Hundert Mann, die in Südsyrien an einem Ort namens at-Tanf aktiv ist. Viele Jahre lang war die Einheit vom Großteil Syriens abgeschnitten, da sie nur in einem kleinen Gebiet um die Garnison patrouillieren konnte, in dem sich US-Soldaten aufhielten. Ihr Anführer ist Oberst Salem Turki al-'Antri. Die Syrische Freie Armee entstand aus der erstarkenden Rolle der USA in Syrien, deren Präsenz bis ins Jahr 2015 zurückreicht. Die USA unterstützten die hauptsächlich kurdischen Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces - SDF) im Osten Syriens erheblich. In at-Tanf jedoch, wo die USA einen Stützpunkt in der Nähe einer alten Landwirtschaftsschule errichteten, schlossen sich die USA mit den Maghawir ath-Thawra (MAT) zusammen, die sich aus syrischen Arabern zusammensetzten, die gegen das Assad-Regime waren. Die MAT, aus der später die Syrische Freie Armee hervorging, hatte im Jahr 2018 etwa 300 Mann. Die Rolle der Gruppe sollte darin bestehen, den Islamischen Staat im Rahmen der umfassenderen Anti-IS-Mission der USA in Syrien zu bekämpfen. Im Laufe der Zeit bildeten die USA die Syrische Freie Armee in Schießkunst, Taktik für kleine Einheiten und dem Einsatz leichter Fahrzeuge für Patrouillen aus. Die Truppen der SFA konzentrieren sich weiterhin auf lokale Aufgaben, wie die mobile medizinische Klinik und die Unterstützung der verbliebenen Vertriebenen in Rukban. Sie haben auch Minenräumaktionen durchgeführt. Einige Mitglieder der Syrischen Freien Armee stammen aus Gebieten in der Nähe von Palmyra, etwa 120 Kilometer nördlich von at-Tanf. Nach dem Sturz des Assad-Regimes reisten einige Mitglieder der Einheit, darunter auch al-'Antri, nach Palmyra, um sich mit Einheimischen zu treffen und in dem Sicherheitsvakuum zu agieren, das durch al-Assads rasch verschwindende Armee entstanden war (LWJ 10.2.2025). Die SFA besteht aus syrischen Rebellen, die sich dem syrischen Regime widersetzten. Es handelt sich um arabische Oppositionskräfte, und die Männer stammen hauptsächlich aus der syrischen Provinz Homs und anderen Gebieten in der Nähe von Damaskus und Palmyra (JPOST 2.1.2025). Mitte April 2025 wurde das Training der SFA durch die USA fortgesetzt (LWJ 16.4.2025).
Die Syrische Freie Armee hat sich dem neuen Verteidigungsministerium angeschlossen (TWI 12.2.2025).
Ausländische Kämpfer
Ash-Shara' hat sich an eine Gruppe ausländischer Kämpfer gewandt, die aus dem Norden gekommen sind. Ihre Zahl könnte zwischen 400 und 2.500 liegen (Economist 14.1.2025).
Dschihadistische Gruppierungen
Von den salafistischen Dschihadistengruppierungen, eine nicht unbedeutende Kraft, sind einige in die HTS integriert oder arbeiten unter ihrem Kommando. Darunter fallen Ansar at-Tawhid, Kämpfer der Turkistan Islamic Party (TIP), Jaysh al-Muhajireen wal-Ansar, Sham al-Islam, Ansar al-Islam und die Reste von Hurras ad-Din (Quds 11.1.2025).
Ahrar ash-Sham
Ahrar ash-Sham [zu Deutsch: Freie Männer der Levante Anm.] ist eine religiös ausgerichtete Gruppierung, die sich als eine der ersten bewaffneten Gruppierungen nach Ausbruch des Kriegs in Syrien gebildet hatte (Asharq 9.12.2024). Sie bezeichnet sich selbst als "eine umfassende islamische Reform- und Erneuerungsbewegung und eine der Fraktionen innerhalb der Islamischen Front", sieht ihre Aktivitäten als "militärisch, politisch, sozial und umfassend islamisch" und definiert "den Aufbau eines islamischen Staates" als ihr Ziel (AJ 3.12.2024). 2013 hatten sie die Kontrolle über die Stadt ar-Raqqa übernommen, die sie aber später an den Islamischen Staat (IS) verlor. 2014 wurde eines ihrer unterirdischen Hauptquartiere bei einem Luftangriff getroffen und 40 ihrer Anführer getötet (Asharq 9.12.2024).
Jaysh al-'Izza
Jaysh al-’Izza [zu Deutsch: Armee der Ehre Anm.] ist eine Gruppierung, die insbesondere im Raum Hama aktiv war. Sie wird von Major Jamil as-Salah angeführt (Asharq 9.12.2024). Sie gehört zur Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army - FSA) (Arabiya 30.1.2025).
Jaysh al-Islam
Jaysh al-Islam [zu Deutsch: Armee des Islam Anm.]war früher eine der mächtigsten Gruppierungen in Syrien und operierte von Ost-Ghouta, Damaskus, aus. Sie wurden nach Nordsyrien verdrängt. Ihr Anführer war Zahran 'Aloush, der 2015 durch einen Luftangriff getötet wurde. Sein Nachfolger ist 'Isam al-Buwaydani. Diese Gruppierung wird von der Türkei unterstützt (Asharq 9.12.2024).
Jabhat Tahrir as-Souriya
Jabhat Tahrir as-Souriya (JTS) [zu Deutsch: Syrische Befreiungsfront Anm.] wurde Anfang 2018 gegründet und umfasst mehrere Bewegungen, darunter Jaysh al-Ahrar, die in der Region Idlib aktiv waren, Suqour ash-Sham Brigaden, Damaskus Gruppe und die Nour ad-Din-Zenki Brigaden (AJ 3.12.2024).
Nour ad-Din-Zenki Brigaden
Dabei handelt es sich um eine bewaffnete islamistische Gruppierung, die kurz nach dem Ausbruch der syrischen Revolution im Jahr 2011 gegründet wurde. Ihr Hauptgebiet war Aleppo, wo sie bis 2019 militärische und zivile Aktivitäten verband (AJ 3.12.2024).
Ansar at-Tawhid (Unterstützer des Monotheismus)
Das ist eine dschihadistische Gruppierung, die im syrischen Konflikt aktiv war. Sie ist ein Ableger von Jund al-Aqsa (Soldaten der Aqsa-Moschee), die von der bewaffneten Opposition und Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) zerschlagen wurde. Ansar at-Tawhid wurde 2017 von den verbliebenen Mitgliedern der aufgelösten Gruppe Jund al-Aqsa gegründet. Ihre Mitglieder vertreten eine salafistisch-dschihadistische Ideologie unter der Führung von Khaled Khattab. Diese Gruppierung soll seit dem Sturz von al-Assad für Menschenrechtsverletzungen, wie außergerichtlichen Tötungen, Zerstörung von Häusern, Angriffe auf privates und öffentliches Eigentum verantwortlich sein (SNHR 19.12.2024).
Turkistan Islamic Party (TIP) bzw. Eastern Turkistan Islamic Movement (ETIM)
Diese Gruppierung ist hauptsächlich in den Provinzen Idlib, im Nordosten von Latakia, im Norden von Hama und im Westen von Aleppo aktiv. Sie wird von dem regionalen Kommandeur Kaiwusair angeführt, der von Zahid Qari und Scheich Touba unterstützt wird, die beide im März vom in Afghanistan ansässigen Oberbefehlshaber Abdul Haq ernannt wurden. ETIM/TIP arbeitet mit HTS zusammen und griff im März gemeinsam mit dieser Gruppe syrische Militärstellungen in Idlib und Aleppo an. Die Gruppe erhält finanzielle Unterstützung von HTS, betreibt Unternehmen in Ländern der Region, darunter in der Türkei, um Gelder zu generieren, und bildet ausländische Terroristen mit immer ausgefeilteren Methoden aus (UNSC 22.7.2024).
Hurras ad-Din (HAD)
Die Hurras ad-Din (HAD) [zu Deutsch: Wächter der Religion Anm.] operierte hauptsächlich im Südosten von Idlib und im Norden von Latakia und verfügt über eine Stärke von einigen Tausend Kämpfern. Sie reaktiviert sich still und heimlich, wobei die Führung die Kämpfer anweist, außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um nicht entdeckt zu werden. Die Gruppe konzentriert sich weiterhin auf eine lokale Agenda, da sie zu Beginn des Konflikts zwischen dem Gazastreifen und Israel, aufgrund operativer und logistischer Herausforderungen, ihr Ziel, Angriffe von außen durchzuführen, nicht erreichen konnte. Ungeachtet ihrer Differenzen wurde 2024 eine opportunistische Ad-hoc-Zusammenarbeit zwischen der HAD und der HTS beobachtet, wobei die HAD logistische Unterstützung von der HTS erhielt, um gegen die syrischen Regierungstruppen zu kämpfen (UNSC 22.7.2024).
Operationen der südlichen Regionen
Die Gruppierung "Operationen der südlichen Regionen" stand bis 2013 unter der Führung von Oberstleutnant Yasser al-'Aboud (Asharq 9.12.2024) und wird mittlerweile von Ahmad al-'Awda angeführt. Sie kontrolliert die Provinz Dara'a. Diese Gruppierung war es, die am 8.12.2024 als Erstes in Damaskus einmarschiert ist (AAA 7.1.2025). Sie umfasst ca. 15.000 Kämpfer, die ihre Gehälter von ihrem Anführer al-'Awda offenbar mithilfe der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erhalten (Economist 14.1.2025).
Sie wollte als bewaffnete Gruppierung weiter bestehen und ihre Waffen nicht abgeben, auch wenn sie bereit war, sich dem neuen Verteidigungsministerium zu unterstellen. Eigenen Angaben zufolge verfügte die Gruppierung über Waffen, schweres Gerät und eine vollständige militärische Ausrüstung (AAA 7.1.2025). Nach intensiven Treffen und Beratungen haben die südlichen Fraktionen unter dem Namen Südlicher Operationsraum angekündigt, dass sie an ihren Waffen festhalten werden, aber bereit sind, sich dem Verteidigungsministerium anzuschließen (Quds 11.1.2025). HTS hat zunehmend versucht, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte (Etana 17.1.2025). Mitte Februar einigten sich die Anführer der südlichen Fraktionen und das Verteidigungsministerium auf die Bildung einer sogenannten Süddivision innerhalb der neuen syrischen Armee. Um sich in das neue Verteidigungsministerium „integrieren“ zu können, baten die Vertreter der Übergangsregierung die Gruppierungen, Informationen über die Anzahl ihrer Kämpfer, die in ihrem Besitz befindlichen Waffen und die Militärstützpunkte zu übermitteln. Seit dem Treffen deuten mehrere Entwicklungen darauf hin, dass die Bildung der Division im Gange ist, und das Hauptquartier der 5. Division in Izra'a im Osten von Dara'a wurde als Kommandozentrale für die neue Division ausgewählt (Etana 22.2.2025). Nach monatelangen Spannungen zwischen dem Milizkommandanten Ahmad al-'Awda aus Dara'a und dem neuen syrischen Präsidenten Ahmad ash-Shara' – angeheizt durch Frustration über die mangelnde Machtteilung und Inklusivität im laufenden Übergangsprozess und in den Regierungsstrukturen des Landes – war al-'Awda gezwungen, zurückzutreten und die von ihm seit 2014 geführte bewaffnete Gruppe aufzulösen. Ihr Zusammenbruch folgte auf intensiven militärischen Druck der Allgemeinen Sicherheit nach den Gewalttaten der vergangenen Woche mit rivalisierenden, von Damaskus unterstützten Fraktionen (Etana 16.4.2025).
Die verschiedenen Gruppierungen in Südsyrien, darunter die von Russland unterstützte 8. Brigade in Dara'a und die drusischen Milizen in Suweida, haben spezifische Bedingungen für den Beitritt zu einer nationalen Armee festgelegt. Dazu gehören die Einrichtung einer wirklich repräsentativen Regierung, eine neue Verfassung und ein nicht konfessionsgebundenes Militär (DNewsEgy 3.2.2025).
In der Provinz Suweida wurde die Bildung eines Militärrats angekündigt, zu dessen Treffen am 24.2.2025 alle Waffenbesitzer eingeladen waren. Die wichtigsten Gruppierungen in der Provinz haben jedoch noch keine Verbindung zu dem Rat bekannt gegeben, und die Gruppierungen, die dahinter stehen, sind unbekannt. Der Gemeinsame Operationsraum in Suweida reagierte auf die Ankündigung mit einer Erklärung, in der es hieß: „Dieser Rat ist illegitim und die Erklärung vertritt nur seine Eigentümer und macht sie für alle Komplikationen verantwortlich, die sich aus diesem Treffen ergeben könnten.“ (TNA 23.2.2025) Eine Gruppe militanter Drusen in Suweida hat die Gründung des Suweida-Militärrats bekannt gegeben, einer Koalition lokaler bewaffneter Gruppen, die sich für den Schutz der Region und die Aufrechterhaltung der Sicherheit einsetzen. Der Rat erklärte, seine Mission sei es, Zivilisten und öffentliches Eigentum vor Gewalt und Zerstörung zu schützen und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsfraktionen zu stärken. Er kündigte außerdem Pläne für regelmäßige Treffen an, um Bedrohungen einzuschätzen und entsprechend zu reagieren (LWJ 24.2.2025).
Rijal al-Karama und Liwa' al-Jabal
Die beiden größten militärischen Fraktionen in Suweida erklärten ihre Bereitschaft, sich zu einer militärischen Einheit zusammenzuschließen, die den Kern einer neuen nationalen Armee bilden wird, und lehnten jegliche Fraktions- oder konfessionelle Armee ab (Quds 11.1.2025).
Die alawitische Armee
Mehr als 400.000 Mitglieder der alawitischen Gemeinschaft wurden entlassen und sind vom Sturz al-Assads betroffen, darunter Angehörige der Armee, der Sicherheitsabteilungen, Beamte in Einrichtungen, die dem Verteidigungsministerium angegliedert sind, sowie Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen und Milizen. Das bedeutet, dass etwa 85 % der alawitischen Haushalte ohne einen Ernährer dastehen werden und innerhalb weniger Monate eine ganze Gemeinschaft von der Armutsgrenze an die Hungergrenze fallen könnte (Quds 11.1.2025). […]
Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedinungen, willkürliche Verhaftungen, Verschwinden Lassen, etc. - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Vor dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 berichteten die UN über Folter und Hinrichtungen von Gefangenen, die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Nordwesten festgehalten werden. Sie und einige Fraktionen der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) im Norden wenden in ihren Haftanstalten dieselben brutalen Foltermethoden an wie die Regierung (OHCHR 3.2.2025).
Im Jänner 2025 führte die Übergangsregierung Sicherheitskampagnen durch, wie Razzien und Festnahmen. Im Fokus standen dabei die Gouvernements Latakia, Homs und Damaskus. Gerichtet waren diese Kampagnen gegen Personen, denen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen unter dem Assad-Regime vorgeworfen werden, insbesondere gegen ehemalige Militärangehörige und Regierungsangestellte. Ob diese Kampagnen auf gerichtlichen Anordnungen basierten, ist unklar. Das Syrian Network for Human Rights dokumentierte im Jänner 2025 229 Fälle von willkürlichen Verhaftungen, darunter drei Kinder und acht Frauen. Die Übergangsregierung war für 129 Verhaftungen verantwortlich, wobei 36 wieder entlassen wurden (SNHR 4.2.2025a). Im Allgemeinen richten sich die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Männer, von denen angenommen wird, dass sie Verbrechen begangen haben (unabhängig davon, ob dies bewiesen ist oder nicht), und nicht gegen Alawiten, denen Soldaten begegnen. Die HTS weigert sich, einem transparenten Rechtsverfahren zu folgen, bei dem diese Opfer eindeutig identifiziert und vor Gericht gestellt werden (MEI 21.1.2025). Hawar News, einer kurdischen Zeitung zufolge, haben vier Personen in einer Haftanstalt in Damaskus durch Folter ihr Leben verloren, nachdem sie bei Razzien in Homs festgenommen worden waren (ANHA 9.2.2025). Ende Jänner verstarb ein Mann, der wegen Unterstützung des Assad-Regimes verhaftet worden war, in Haft. Die syrischen Behörden kündigten an, eine Untersuchung wegen Misshandlung durch Sicherheitskräfte einzuleiten. Die Verantwortlichen wurden verhaftet und der Militärjustiz übergeben (AAA 2.2.2025).
Alle bewaffneten oppositionellen Gruppierungen und Gruppierungen der SNA führten willkürliche Festnahmen durch. Zu den Opfern gehörten Personen, die aus den von den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) kontrollierten Gebieten kommen, darunter auch Frauen. Die Festnahmen fanden ohne gerichtliche Anordnung oder Beteiligung der Polizei statt. Den Festgenommenen wurden keine klaren Angaben zu den gegen sie vorgebrachten Vorwürfen gemacht. Die SNA bzw. andere bewaffnete Gruppierungen waren für 41 willkürliche Verhaftungen verantwortlich, darunter sechs Frauen. Zwölf Personen wurden wieder freigelassen (SNHR 4.2.2025a). […]
Korruption - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 15:45
Die Korruption im öffentlichen Sektor war unter dem Assad-Regime durch ein zunehmendes Maß an Klientelismus und Plünderung von Ressourcen gekennzeichnet. Die Institutionen wurden so verwaltet, dass sie den Interessen der politischen Eliten dienten, die mit dem Regime und seinen Kreisen verbunden waren, und das auf Kosten von Effizienz und Effektivität. Die geschäftsführende Regierung hat angekündigt, ein Paket von Reformen durchführen zu wollen (OSS 20.1.2025). Das Assad-Regime hat die Institutionen praktisch hohl zurückgelassen – voller Korruption, ohne Regularien, ohne qualifizierte Fachkräfte, ohne Ausstattung (NZZ 24.1.2025). Syriens geschäftsführende Regierung steht vor dem Dilemma der Nachlässigkeit in der Verwaltung und der Korruption, die sie vom vorherigen Regime geerbt hat (AAA 27.1.2025).
Unmittelbar nach ihrem Amtsantritt gewährte die neue Regierung Tausenden von Angestellten drei Monate bezahlten Urlaub, bis ihr Status überprüft worden ist. Dies wurde als willkürliche Entlassung interpretiert, da dies mit einer Verzögerung bei der Auszahlung von Gehältern zusammenfiel, weil das notwendige Budget nicht zur Verfügung stand (AAA 27.1.2025).
Die neuen Machthaber in Syrien haben mit der Zerschlagung des Captagon-Handels begonnen und ehemalige Fabriken an Standorten wie dem Luftwaffenstützpunkt Mezzeh in Damaskus, einem Autohandelsunternehmen in Latakia und einer Fabrik, in der früher Snackchips hergestellt wurden, im Damaszener Vorort Douma demontiert (AJ 7.1.2025). Der interimistische syrische Premierminister versprach, dass der Drogenschmuggel und Captagon in Syrien keine Bedrohung mehr für Jordanien sein werde (REU 7.1.2025). Unter der Herrschaft von Al-Assad war Jordanien ein Hauptumschlagplatz für den Schmuggel von in Syrien hergestellten Captagon-Amphetaminen mit hohem Suchtpotenzial in die Golfstaaten, was zu Spannungen zwischen den beiden Ländern geführt hatte (AJ 7.1.2025).
Finanzminister Abazid sagte, dass die ehemaligen Rebellen seit ihrer Machtübernahme auf massive Korruption und Verschwendung gestoßen seien. Einige staatliche Unternehmen schienen unter al-Assad nur dazu da zu sein, Ressourcen zu veruntreuen, und würden geschlossen werden. Eine vorläufige Überprüfung der neuen Regierung zeigte, dass nur 900.000 von 1,3 Millionen Menschen auf der Gehaltsliste der Regierung tatsächlich zur Arbeit kommen. Mohammad Alskaf, Minister für Verwaltungsentwicklung, der die Personalstärke des öffentlichen Sektors überwacht, sagte gegenüber Reuters, dass der Staat zwischen 550.000 und 600.000 Mitarbeiter benötigen würde – weniger als die Hälfte der derzeitigen Zahl (REU 31.1.2025). […]
Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 15:46
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den "Versöhnungszentren" in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen "Versöhnungsprozessen" entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI 13.3.2025).
Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy 3.2.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya 6.1.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) (MAITIC 9.1.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC 7.1.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla 24.1.2025). Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. (AlHurra 12.2.2025).
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC 7.1.2025).
Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet (NPA 17.3.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW 16.4.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD 28.1.2025).
Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (Syria TV 26.2.2025). […]
Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Human Rights Watch konstatiert, dass nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen in Syrien, darunter Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und Gruppierungen der Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army - SNA), die am 27.11.2024 die Offensive starteten, die nach zwölf Tagen die syrische Regierung stürzte, im Jahr 2024 für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen verantwortlich waren (HRW 16.1.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) befürchtet eine Rückkehr zu einer "dunklen Ära", weil die Verhaftungen und Hinrichtungen angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage zunehmen (SOHR 2.2.2025). Das Syrian Network for Human Rights (SNHR) dokumentierte im Jänner 2025 129 Fälle von willkürlichen Verhaftungen durch die Übergangsregierung (SNHR 4.2.2025b) und im Februar 2025 21 Fälle (SNHR 3.3.2025).
Der Übergang von dem Regime unter Bashar al-Assad zur Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) soll relativ reibungslos verlaufen sein. Berichte über Vergeltungsmaßnahmen, Rachemorde und religiös motivierte Gewalttaten waren minimal. Plünderungen und Zerstörungen konnten schnell unter Kontrolle gebracht werden, die aufständischen Kämpfer wurden diszipliniert (AP 15.12.2024b). Es gab keine größeren Massaker oder Rachekampagnen (DW 12.12.2024).
Seit die Rebellengruppierungen am 5.12.2024 die Kontrolle über das Gouvernement Hama übernommen haben, hat das Syrian Network for Human Rights (SNHR) eine Reihe von Verstößen dokumentiert, darunter außergerichtliche Tötungen, Zerstörung von Häusern und Angriffe auf öffentliches und privates Eigentum (SNHR 19.12.2024). Mitte Jänner 2025 nahm die Welle von Selbstjustiz-Angriffen auf ehemalige Mitarbeiter des Regimes zu. Menschen wurden zu Opfern von Attentaten und Ausschreitungen des Mobs. Während einige der Betroffenen Personen sind, deren Beteiligung an den Misshandlungen der Zivilbevölkerung durch das Regime nach 2011 gut dokumentiert ist, waren an anderen Vorfällen kürzlich versöhnte ehemalige Mitglieder des Regimes, Wehrpflichtige mit niedrigem Rang und scheinbar zufällig ausgewählte junge Männer aus der Gemeinschaft der Alawiten betroffen (Etana 17.1.2025). Es werden Rachemorde durch bewaffnete Gruppierungen durchgeführt, von denen einige behaupten, dass diese mit der Abteilung für militärische Operationen verbunden wären. Sie zielen aus politischen bzw. konfessionellen Motiven auf Zivilisten ab (SOHR 26.1.2025). Die Provinzen Hama und Homs waren von diesen Entwicklungen am stärksten betroffen, da sie zum Schauplatz häufiger Konfrontationen wurden. In den Küstengebieten wie Latakia und Tartus kam es zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage und zu einer Zunahme an Morden und Hinrichtungen [Diese Provinzen stellten das Kernland des Assad-Regimes dar und wurden in den Bürgerkriegsjahren weitgehend von Kampfhandlungen verschont. Anm.]. Am 11.1.2025 zählte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) seit 8.12.2024 80 Fälle von Tötungen, darunter Hinrichtungen vor Ort, bei denen 157 Menschen getötet wurden, unter den Getöteten waren Frauen und Kinder (SOHR 11.1.2025). Insbesondere in den Regionen Hama und Homs, sowie in den Küstengebieten Latakia und Tartus kam es zu willkürlichen Tötungen und Hinrichtungen vor Ort (SOHR 3.1.2025). Nach Berichten von lokalen Aktivisten und Augenzeugen war die Gruppierung Ansar at-Tawhid [Informationen zu dieser Gruppierung sind dem Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen. Anm.] an einem großen Teil dieser Verstöße beteiligt, zusätzlich zu anderen Gruppierungen, die nicht genau identifiziert werden konnten (SNHR 19.12.2024). Mindestens 124 Menschen wurden bei einer Reihe von gewalttätigen Zwischenfällen zwischen 8.12.2024 und 8.1.2025 getötet, darunter bei Racheakten, Vandalismus, Morden und Hinrichtungen in den Provinzen Homs und Hama sowie in den syrischen Küstenstädten. Berichten zufolge wurde ein erheblicher Teil der Gewalt durch die Verbreitung von Videos mit Falschmeldungen in den sozialen Medien ausgelöst, deren Ziel es war, die sektiererischen Spannungen zu verschärfen (MAITIC 9.1.2025). Wegen eines unbestätigten Angriffs auf einen alawitischen Schrein wurde im Dezember 2024 eine Welle von Protesten unter der alawitischen Gemeinschaft in Homs, Latakia, Tartus und Teilen von Damaskus ausgelöst. Die Proteste führten zu Militäroperationen des neuen syrischen Sicherheitsapparats, um ehemalige Kämpfer des Regimes zu vertreiben (AlMon 11.1.2025). Dem Middle East Institute zufolge ist eines der dringendsten Probleme nicht sektiererisch motivierte Angriffe [Informationen zu Übergriffen auf Minderheiten finden sich im Kapitel Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024).], sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben. Im Allgemeinen richten sich die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Männer, von denen angenommen wird, dass sie Verbrechen begangen haben (unabhängig davon, ob dies bewiesen ist oder nicht), und nicht gegen irgendwelche Alawiten, denen die Soldaten zufällig begegnen. Die Fälle, die die größte Angst geschürt haben, sind die Entführungen und Hinrichtungen von ehemaligen Mitgliedern des Regimes (MEI 21.1.2025). France 24 zufolge zeigen Berichte und Videos in den sozialen Medien in Syrien, dass Vergeltungsmorde begonnen haben (FR24 13.12.2024). Es kursierten Bilder von Regierungsbeamten des ehemaligen Regimes, die unter Gewaltanwendung durch die Straßen geschleift wurden (PBS 16.12.2024). Seit der Machtübernahme durch die neue Regierung haben die Sicherheitsbehörden eine Reihe von Sicherheitskampagnen durchgeführt, die darauf abzielen, die „Überbleibsel des früheren Regimes“ zu verfolgen. Hunderte von Menschen, die ihren Status bei den neuen Behörden nicht geregelt haben, wurden verhaftet. Anwohner und Organisationen haben von Misshandlungen berichtet, darunter die Beschlagnahmung von Häusern und Hinrichtungen vor Ort (AAA 2.2.2025). Bei einer Sicherheitskampagne in Homs gegen Regimeunterstützer im Jänner 2025 kam es zur Festnahme einer Reihe von Männern, darunter auch Zivilisten, denen Verstöße im Zusammenhang mit der inoffiziellen Beschlagnahme von Fahrzeugen nachgewiesen wurden. Die meisten Elemente der Abteilung für Militärische Operationen waren diszipliniert, mit Ausnahme einiger von offizieller Seite als Einzelfälle bezeichneten Vorfällen, wie das Zerbrechen von Musikinstrumenten und Wasserpfeifen sowie von Flaschen mit alkoholischen Getränken und die Beschädigung des Inhalts einiger Häuser. Einige Häftlinge wurden zu erniedrigenden Handlungen gezwungen, wie dem Imitieren von Tiergeräuschen, und sie wurden beleidigt und mit sektiererischen Phrasen beschimpft (Enab 6.1.2025). Auch in Damaskus kam es am 8.1.2025 zu Razzien durch die neuen Sicherheitsbehörden. Sie folgten auf eine dreiwöchige Kampagne im alawitischen Kernland an der Küste (National 8.1.2025). Die Civil Peace Group, eine zivilgesellschaftliche Gruppe, stellte den Tod von zehn Personen, die bei Sicherheitskampagnen und Razzien festgenommen worden waren, in den Gefängnissen der Abteilung für Militärische Operationen im Zeitraum vom 28.1 bis 1.2.2025 in verschiedenen Teilen von Homs fest (AAA 2.2.2025). Lokale bewaffnete Gruppen, die unter dem Kommando der Abteilung für Militärische Operationen operieren, führten Racheaktionen, schwere Übergriffe und willkürliche Verhaftungen durch, wobei sie Dutzende von Menschen ins Visier nahmen, sie demütigten und erniedrigten sowie religiöse Symbole angriffen (SOHR 28.1.2025). Die neue Regierung reagierte auf die Vorwürfe von Menschenrechtsaktivisten mit Festnahmen von Dutzenden Mitgliedern örtlicher bewaffneter Gruppen, die unter der Kontrolle der neuen Machthaber stünden, wegen ihrer Beteiligung an den "Sicherheitseinsätzen" in der Region Homs (Spiegel 27.1.2025). Zuvor hatten die neuen Machthaber Mitglieder einer "kriminellen Gruppe" beschuldigt, sich während eines Sicherheitseinsatzes als "Angehörige der Sicherheitsdienste" ausgegeben zu haben (Zeit Online 27.1.2025). Ein Überfall auf eine syrische Sicherheitspatrouille durch militante Anhänger des gestürzten Staatschefs Bashar al-Assad eskalierte am 6.3.2025 zu Zusammenstößen, bei denen innerhalb von vier Tagen mehr als 1.000 Menschen getötet wurden (SOHR 10.3.2025a). Bewaffnete Männer, die der syrischen Regierung treu ergeben sind, führten Hinrichtungen vor Ort durch und sprachen von einer Säuberung des Landes, wie Augenzeugen und Videos belegen. Sie lieferten ein grausames Bild eines harten Vorgehens gegen die Überreste des ehemaligen Assad-Regimes, das in gemeinschaftliche Morde ausartete (CNN 9.3.2025). Menschenrechtsberichten zufolge waren von der Türkei unterstützte Gruppierungen an „systematischen ethnischen Säuberungsaktionen“ und groß angelegten „Massakern“ gegen Zivilisten in Baniyas, Tartus und Latakia beteiligt, bei denen Hunderte von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, getötet wurden (LebDeb 10.3.2025). Mitglieder des Verteidigungsministeriums und die sie unterstützenden Kräfte haben Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen, ohne dass sie rechtliche Konsequenzen fürchten müssen. Insgesamt wurden 1.093 Todesopfer verzeichnet (SOHR 11.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Des Weiteren gibt er an, dass in einigen Gebieten Zivilisten abgeschlachtet wurden, während andere durch Erschießungskommandos hingerichtet wurden (AlHurra 9.3.2025), wie in den Stadtvierteln Baniyas und al-Qusour im Gouvernement Tartus, wo 92 Bürger durch ein Erschießungskommando des Ministeriums für Verteidigung und innere Sicherheit hingerichtet wurden (SOHR 10.3.2025e). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). In den Städten im Gebiet zwischen Baniyas und Qadmous kam es zu Massentötungen, darunter auch von Kindern und älteren Menschen (AlHurra 9.3.2025). Zehntausende Häuser wurden laut Aussage des Leiters der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). Der UN-Sondergesandte Geir Pedersen sprach über Berichte von Menschen, die im Kreuzfeuer getötet wurden, und schwere Misshandlungen in der Haft. Pedersen prangerte Entführungen, Plünderungen, Beschlagnahmungen von Eigentum und Zwangsräumungen von Familien aus staatlichen Wohnungen an. Er forderte alle bewaffneten Akteure dazu auf, diese Art von Aktionen zu stoppen, ihre Zusicherungen mit konkreten Maßnahmen zu untermauern, und an einem umfassenden Rahmen für eine Übergangsjustiz zu arbeiten (AJ 13.2.2025b).
Der Exekutivdirektor der Organisation Christians for Democracy, stimmt der Rechtfertigung der neuen syrischen Regierung zu, dass das, was geschieht, nicht die Politik der Übergangsregierung widerspiegelt. Er hat die Verstöße in zwei Kategorien eingeteilt: Verbrechen und Übergriffe, die von Einzelpersonen mit der Absicht begangen werden, sich an bestimmten Personen oder an denen, die mit dem früheren Regime kollaboriert haben, zu rächen, und Übergriffe, die von einigen extremistischen Gruppierungen begangen werden, die mit der von der neuen Regierung in Damaskus beschlossenen Politik nicht einverstanden sind. Die Übergangsregierung zieht diejenigen zur Rechenschaft, die nachweislich an Übergriffen gegen Zivilisten beteiligt waren (SOHR 2.2.2025).
Die syrische Übergangsregierung unter ash-Shara' hat zugesagt, dass die Verantwortlichen für Gewalttaten gegen Syrer durch das gestürzte Assad-Regime zur Rechenschaft gezogen werden. Der Weg dorthin ist jedoch schwierig, da die Zahl der Opfer nicht genau bekannt ist und die Täter noch nicht identifiziert werden konnten (BBC 13.12.2024). Die HTS möchte die an staatlicher Folter beteiligten Ex-Offiziere auflisten und sie als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen. Dafür setzte sie sogar eine Belohnung aus, für Informationen über ranghohe Offiziere von Armee und Sicherheitsbehörden, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren (FAZ 10.12.2024).
Die von der Türkei unterstützten Gruppierungen plünderten nach der Eroberung von Manbij das Eigentum von kurdischen Bürgern und führten identitätsbezogene Tötungen durch. Sie führten Racheaktionen durch, brannten Häuser nieder und demütigten Kurden (SOHR 9.12.2024; vgl. ISW 16.12.2024). Eine Mitarbeiterin von Human Rights Watch erklärte, dass die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA) und die türkischen Streitkräfte ein klares und beunruhigendes Muster rechtswidriger Angriffe auf Zivilisten und zivile Objekte gezeigt haben und diese sogar zu feiern scheinen. Die türkischen Streitkräfte und die SNA haben eine schlechte Menschenrechtsbilanz in den von der Türkei besetzten Gebieten Nordsyriens. Human Rights Watch hat festgestellt, dass SNA-Gruppierungen und andere Gruppierungen, darunter Mitglieder der türkischen Streitkräfte und Geheimdienste, Menschen, darunter auch Kinder, entführt, rechtswidrig festgenommen und inhaftiert haben, sexuelle Gewalt und Folter mit geringer Rechenschaftspflicht begangen haben und sich an Plünderungen, Diebstahl von Land und Wohnraum sowie Erpressung beteiligt haben (HRW 30.1.2025). In den letzten Jahren sollen SNA-Kämpfer schwere Menschenrechtsverletzungen gegen kurdische Gemeinden in 'Afrin und im Umland von Aleppo begangen haben. Sie wurden beschuldigt, willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen ohne Kontakt zur Außenwelt, Entführungen und Folter begangen zu haben. Während der Offensive "Abschreckung der Aggression" hat HTS mehrere Kämpfer von SNA-Gruppen nördlich von Aleppo im Stadtviertel Sheikh Maqsoud festgenommen und sie beschuldigt, kurdische Zivilisten ausgeraubt und verletzt zu haben, so ein Experte (MEE 7.12.2024). Die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic berichtete weiterhin von Verhaftungen, Gewalt und finanzieller Erpressung durch die Militärpolizei der Syrischen Nationalarmee (SNA) und bestimmter Gruppierungen, insbesondere der Sultan-Suleiman-Shah Division und der Sultan-Murad-Division (UNHRC 12.8.2024) SNHR dokumentierte im Jänner 2025 41 Fälle von willkürlichen Verhaftungen durch Gruppierungen der SNA (SNHR 4.2.2025b) und im Februar 2025 34 Fälle, darunter eine Frau (SNHR 3.3.2025). Menschenrechtsberichten zufolge waren es auch zwei von der Türkei unterstütze Gruppierungen, die Anfang März 2025 an „systematischen ethnischen Säuberungsaktionen“ und groß angelegten „Massakern“ gegen Zivilisten in Banyas, Tartus und Latakia beteiligt waren, bei denen Hunderte von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, getötet wurden (LebDeb 10.3.2025).
Nach al-Assads Sturz am 8.12.2024 sind einem französisch-syrischen Schriftsteller sowie syrischen Künstlern zufolge neue Formen der Zensur entstanden. Die Äußerung von nicht-islamischen Überzeugungen ist in Syrien zu einer ernsthaften Herausforderung geworden. Die syrischen Behörden haben ein neues Gesetz erlassen, das eine einjährige Gefängnisstrafe für jeden vorsieht, der das „Verbrechen der Gotteslästerung“ begeht. Die Angst vor Meinungsäußerung ist im öffentlichen Raum immer noch spürbar. Wenn Themen wie romantische Beziehungen, Säkularismus, Meinungsfreiheit und vor allem Religion diskutiert werden, vergewissern sich die Sprecher, ob kein HTS-Mitglied in der Nähe ist (MC Dawliya 29.1.2025). Am 26.12.2024 erließ das Informationsministerium ein Verbot der Veröffentlichung oder Verbreitung „jeglicher Inhalte oder Informationen mit sektiererischem Charakter, die darauf abzielen, Spaltung und Diskriminierung zu fördern“ (FR24 26.12.2024b). […]
Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Die sunnitischen Muslime machen die Mehrheit der Bevölkerung des Landes aus. Obwohl die offiziellen Bevölkerungsstatistiken keine Angaben zu Religion oder ethnischer Zugehörigkeit enthalten, sind laut dem Bericht des US-Außenministeriums über Religionsfreiheit aus dem Jahr 2022 74 % der Bevölkerung Sunniten, mit einer vielfältigen ethnischen Mischung aus mehrheitlich Arabern, Kurden, Tscherkessen, Tschetschenen und einigen Turkmenen. Sunniten sind in den meisten syrischen Städten und Dörfern vertreten, mit bemerkenswerten Konzentrationen in Damaskus, Aleppo und Homs. Neben den Sunniten gibt es weitere islamische Gruppen, darunter Alawiten, Ismailiten und andere schiitische Sekten, die nach Schätzungen des US-Außenministeriums zusammen 13 % der Bevölkerung ausmachen. Die Vielfalt Syriens beschränkt sich nicht auf die konfessionelle Dimension, sondern erstreckt sich auf zahlreiche ethnische Gruppen wie Kurden, Armenier, Turkmenen, Tscherkessen und andere. Araber sind die überwältigende Mehrheit in Syrien, gefolgt von Kurden (BBC 12.12.2024). Die Übergangsregierung in Syrien will sich nach Aussagen ihres Außenministers ash-Shaybani für die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen im Land einsetzen. Niemand sollte aufgrund seiner Herkunft, seines sozialen oder religiösen Hintergrunds oder einer Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen bestraft werden, sagte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos (Zeit Online 23.1.2025). Demografische Daten für Syrien sind unzuverlässig, und die derzeitigen Standorte von Minderheitengemeinschaften sind aufgrund der erheblichen Umwälzungen, die das Land unter der Herrschaft von Bashar al-Assad erlebte, ähnlich schwer zu ermitteln (MRG 1.2025). […]
Obwohl die Zahlen nicht überprüft werden können, wird geschätzt, dass weit über 500.000 Menschen getötet wurden und über zwölf Millionen innerhalb Syriens oder ins Ausland vertrieben wurden, darunter Alawiten, Christen (einschließlich Armenier und Assyrer), Drusen, Ismailiten, Kurden, Turkmenen, Zwölfer-Schiiten, Jesiden und andere. Al-Assads zynische Mobilisierung von Ängsten innerhalb der Gemeinschaft vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses extremistischer Elemente innerhalb der syrischen Oppositionskräfte führte zu einer zunehmend konfessionell geprägten Landschaft – beschleunigt durch die Vertreibung von Minderheiten durch militante Gruppen in Gebieten, die unter ihrer Kontrolle standen. Infolgedessen hat sich die Demografie des Landes neu geordnet, wobei sich die religiösen Minderheiten in den von der Regierung kontrollierten Gebieten in Zentral- und Südsyrien konzentrieren, während die Bevölkerung im Norden nun größtenteils sunnitisch ist (MRG 1.2025).
Tatsächlich kam es bei dem rasanten Vormarsch auf Damaskus Berichten zufolge nicht zu Racheakten oder Gewalttaten. In seiner ersten Rede in Damaskus trat ash-Shara' ebenfalls mäßigend auf und mahnte den Übergang vom Kampf zum Aufbau der Institutionen an (Rosa Lux 17.12.2024). Insbesondere Alawiten und Christen sind besorgt, dass die Zukunft des neuen Syriens für ihre Gemeinschaften, von denen viele die Revolution im Jahr 2011 und den anschließenden 13-jährigen Bürgerkrieg ablehnten, nicht tolerant sein könnte (Independent 12.12.2024). Von Anfang an zeigten die neuen Behörden bewusst die Absicht, eine Abkehr von den spaltenden Praktiken ihrer Vorgänger zu signalisieren. In Aleppo nahm Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) Kontakt zu prominenten christlichen Führern und Geistlichen verschiedener Konfessionen auf, um die angespannten Beziehungen zu verbessern und ein Gefühl der Sicherheit zu fördern. Diese Treffen waren nicht oberflächlich, sondern beinhalteten Diskussionen über konkrete Missstände, wie die Ungerechtigkeiten, mit denen Christen in Jisr ash-Shughur ein Jahr zuvor konfrontiert waren. Einige dieser Missstände wurden inzwischen angegangen, hauptsächlich durch Rechenschaftspflicht und die Rückgabe von Eigentum an die rechtmäßigen Eigentümer. Dies ist ein beispielloser Schritt, der das Verständnis der Führung für die Notwendigkeit von Inklusion unterstreicht, wenn auch sorgfältig gesteuert (AC 20.12.2024). Anderen Berichten zufolge gab es durchaus gewaltsame Übergriffe, Morde und andere Racheakte von HTS-Kämpfern gegen Andersgläubige (National 6.1.2025). Einem libanesischen Zeitungsbericht zufolge, der Betroffene zitiert, sollen vor allem Nachbarn und Bekannte Racheakte an Andersgläubigen verübt haben. Viele Angehörige verschiedener religiöser Minderheiten sind in den Libanon geflohen (Nahar 1.1.2025).
Ash-Shara' hat Befehle erlassen, Kreuze an Kirchen zu lassen und Weihnachtsdekoration zu schützen und die schiitischen Schreine zu respektieren sowie Bars und Lokale in Ruhe zu lassen, in denen Frauen und Männer miteinander tanzten. Das ist anders als in Idlib, wo solcher vermeintlicher Verderbtheit Schuldige, getötet, bekehrt oder vertrieben und ihre Räumlichkeiten, einschließlich Kirchen, geschlossen würden (Economist 14.1.2025). HTS-Beamte haben umfangreiche Kontaktkampagnen mit Vertretern aller religiösen Glaubensgemeinschaften gestartet, und die christlichen und drusischen Gemeinschaften in ganz Westsyrien scheinen überwiegend in Frieden zu leben. Nur in den alawitischen Gemeinden hat die Jagd nach Kriminellen zu wiederholten Verstößen gegen Zivilisten geführt. Diese werden als Einzelfälle deklariert (MEI 21.1.2025). Als christliche Führer von Problemen berichteten - wie dem Auftauchen einiger islamistischer Prediger, die versuchten, Christen in der Altstadt von Damaskus zu bekehren - habe die neue Regierung schnell gehandelt, um die Ruhe wiederherzustellen (Arabi21 3.2.2025).
Ash-Shara' hat erklärt, dass weder die Kurden noch die Drusen unter dem Vorwand der Angst vor der islamischen Mehrheit Syriens auf Autonomie hinarbeiten dürfen. Er verlangt von ihnen, sich in der neuen Ordnung einzugliedern und ihre Waffen niederzulegen. Die Kurden sollen keine unabhängigen oder individuellen Beziehungen zu ausländischen Akteuren unterhalten (Akhbar 31.12.2024).
Laut Beobachtern hat Iran nach dem Sturz des Regimes eine groß angelegte Desinformationskampagne gestartet, die primär darauf abzielt, religiöse Konflikte in Syrien zu schüren und damit die fragile Lage in dem Land zu destabilisieren. Dabei werden in den sozialen Netzwerken massenhaft falsche oder irreführende Berichte von Gewalttaten gegen Schiiten, Alawiten und Christen verbreitet, die angeblich von Kämpfern der islamistischen Miliz Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) verübt wurden. Dass es tatsächlich iranische Akteure sind, die diese Berichte streuen, lässt sich in den wenigsten Fällen nachweisen. Doch die schiere Anzahl von Postings lässt darauf schließen, dass es sich um eine organisierte Kampagne handelt (NZZ 8.1.2025). Auch Enab Baladi berichtet von irreführenden Videos, die in sozialen Medien verbreitet werden, um Zwietracht zu säen und die Sicherheitslage zu gefährden (Enab 10.1.2025).
Obwohl der Rebellenführer mit dem Versprechen angetreten ist, das gesamte syrische Volk zu vertreten, sitzt in der Interimsregierung weder ein Alawit noch ein Schiit, noch ein Druse oder ein Christ (NZZ 24.1.2025). Zudem gab es in den Wochen nach dem Umsturz immer wieder Berichte von Übergriffen gegen diese Minderheiten (ORF 27.1.2025). In einem Interview mit dem Economist versprach ash-Shara', dass nach Ablauf einer dreimonatigen Frist, Anfang März, eine breitere und vielfältigere Regierung etabliert werde, an der alle Teile der Gesellschaft teilhaben werden. Das Auswahlverfahren wird auf Kompetenz und nicht auf ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit basieren (Economist 3.2.2025).
Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025).
Kurden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 16:22
Kurden sind die größte ethnische Minderheit. Es gibt keine offiziellen Statistiken über die Zahl der Kurden in Syrien, aber die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass es sich um zwei bis drei Millionen Menschen handelt, die sich in den Gebieten al-Hasaka, Qamishli, ’Ain al-’Arab, ’Afrin und in den Vierteln von Damaskus und Aleppo aufhalten, so das Jusoor Centre for Studies. Die aufeinanderfolgenden Regierungen haben die kurdische Identität nicht anerkannt, und der Staat hat sie daran gehindert, die kurdische Sprache in ihren Schulen oder in Zeitungen und Büchern zu verwenden. Etwa 300.000 Kurden haben seit den 1960er-Jahren nicht die syrische Staatsbürgerschaft erhalten, und kurdisches Land wurde konfisziert und an Araber verteilt, um die kurdischen Gebiete zu „arabisieren“. Die Mehrheit der Kurden sind sunnitische Muslime, mit einer kleinen Anzahl von Christen und Jesiden (BBC 12.12.2024). In den letzten Jahren ist im Nordwesten Syriens eine autonome kurdische Region entstanden, die jedoch von der syrischen Regierung nicht anerkannt wird (MRG 1.2025). Im Norden verteidigten syrische Kurden, unterstützt von anderen Minderheiten, ihre autonome Enklave, die auf Kurdisch Rojava genannt wird und 2012 gegründet wurde. Die autonome Verwaltung führte positive Praktiken ein, die die Rechte sprachlicher und religiöser Minderheiten respektierten, und verwendete drei offizielle Sprachen (Kurdisch, Arabisch und Aramäisch). Es gab jedoch Berichte über kurdische bewaffnete Gruppen, die arabische und turkmenische Häuser in der Region zerstörten und ihre Bewohner vertrieben (MRG 1.2025).
Übergangspräsident ash-Shara’ unterscheidet zwischen der kurdischen Gemeinschaft und der Kurdischen Arbeiterpartei (Partiya Karkerên Kurdistanê - PKK), zu der er auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) zählt, weil sie ebenfalls Gruppierungen mit Verbindungen zum militärischen Arm der PKK umfassen. Die Kurden sieht er als Teil des Heimatlandes an und verspricht ein friedliches Zusammenleben ohne Unterdrückung der Kurden (MEMRI 16.12.2024). Bei einem Treffen zwischen ash-Shara’ und einer Delegation der kurdisch dominierten SDF erklärten sich die Kurden nur bereit, den neuen syrischen Sicherheitskräften als unabhängige Einheit beizutreten, forderten den größten Anteil an den Öleinnahmen und beantragten die Selbstverwaltung in Gebieten mit kurdischer Mehrheit als Teil einer syrischen Föderation. Ash-Shara’ stimmte einer gewissen Dezentralisierung der Verwaltung, einer proportionalen Verteilung der Öleinnahmen auf die von den Kurden kontrollierten Gebiete und der Anerkennung der kulturellen Rechte der Kurden, einschließlich des Kurdischunterrichts an Schulen, zu. Regierungsvertreter bestanden jedoch darauf, dass die militärische Integration individuell unter dem Verteidigungsministerium erfolgen würde (MAITIC 9.1.2025). SDF-Kommandant ’Abdi reicht die Zusicherung ash-Shara’s, den Kurden kulturelle Rechte in der neuen Verfassung zuzusprechen, nicht aus. Er verlangt politische Rechte, wie die Verwaltung von Städten durch Kurden. Außerdem sollen kurdische Kommandanten und Anführer bei einer Integration in eine neue syrische Armee nach denselben Standards in Führungspositionen gebracht werden, wie es mit HTS-Kommandanten erfolgt ist (FAZ 28.1.2025). […]
Bewegungsfreiheit - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Die Interimsregierung installiert Checkpoints, an denen Autos durchsucht werden. Es wird überprüft, wer unterwegs ist, beispielsweise um Menschen zu verhaften, die für Verbrechen gegen das syrische Volk in der Zeit des Regimes verantwortlich sind (PBS 16.12.2024). Die Kontaminierung durch explosive Kampfmittel stellt nach wie vor eine große Bedrohung für Zivilisten, die sich zwischen ehemaligen Kontrollgebieten bewegen, dar (UNOCHA 23.12.2024).
Laut Aussage des syrischen Verkehrsministers bei einem Interview mit der kurdischen Zeitung Rudaw haben die neuen syrischen Machthaber vom ersten Tag der Befreiung an damit begonnen, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, insbesondere durch die Sicherstellung der Grundversorgung, z. B. mit Brot und Treibstoff, zusätzlich zur Sicherung des Transportsektors, damit sich die Menschen zwischen den Provinzen bewegen können. Sie haben damit begonnen, Treibstoff für Fahrzeuge zu sichern, damit sie in Abstimmung mit dem Ölministerium eingesetzt werden können, und Fahrten zwischen Damaskus und den restlichen Provinzen, zwischen Idlib und den restlichen Provinzen und zwischen Aleppo und restlichen Provinzen zu organisieren, zusätzlich zum internen Transport innerhalb jeder Provinz. Sie haben mit der Umsetzung eines Plans zur Festlegung spezifischer Preise, die für Fahrzeugbesitzer und für Menschen mit sehr begrenztem Einkommen angemessen sind, begonnen. Etwa 70 bis 80 % der Preis- bzw. Transporttarifstruktur wurden fertiggestellt und umgesetzt. Was die Versorgung der Öffentlichkeit betrifft, so wurden etwa 50 bis 60 % der Strecken, ob intern oder extern, gesichert (Rudaw 1.2.2025).
In Idlib wurden viele Checkpoints abgebaut und Haftbefehle oder andere Arten von Kontrollen werden kaum noch vollstreckt (Etana 17.1.2025).
Bezüglich Verkehr und Handel mit den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gibt es laut Aussage des syrischen Verkehrsministers in einem Interview mit der kurdischen Zeitung Rudaw Sicherheitsprobleme und Risiken für die Bewegungsfreiheit der Menschen. Er hoffe auf eine schnelle Lösung des Problems, damit die Menschen in al-Hasaka und Deir ez-Zour Damaskus und ihre anderen Verwandten in den anderen Provinzen besuchen können (Rudaw 1.2.2025).
Wehrpflichtige im Regime al-Assads mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, sich frei im Land zu bewegen (BBC 29.12.2024). Deswegen wollten ehemalige Soldaten ihre Daten bei der neuen Übergangsregierung registrieren lassen, um neue Ausweise zu erhalten, mit denen sie in Syrien leben und sich frei bewegen können. Hunderte von ihnen wurden in Versöhnungszentren vorstellig (FR24 2.1.2025).
In Syrien gibt es fünf zivile Flughäfen, von denen nur Damaskus und Aleppo in Betrieb sind. Die beiden Flughäfen funktionieren gut. Der Flughafen Hmeimim in Latakia könnte laut syrischem Verkehrsminister bald in Betrieb genommen werden. Der Flughafen funktioniert, aber aufgrund der Präsenz der russischen Basis wird erst ein Plan entwickelt, um dieses Problem bezüglich ihrer Anwesenheit zu lösen. Daneben gibt es noch den zivilen Flughafen Deir ez-Zour, der jedoch stark beschädigt ist und Wartungskosten erfordert (Rudaw 1.2.2025). Am 8.1.2025 landete der erste internationale kommerzielle Flug seit dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad auf dem Flughafen von Damaskus (AJ 7.1.2025). Der Internationale Flughafen von Damaskus wurde in der Nacht vom 7. auf den 8.12.2024 geplündert, nachdem die Flughafenwachen geflohen waren, als Oppositionskräfte die Hauptstadt einnahmen. Der Großteil der technischen und ingenieurwissenschaftlichen Ausrüstung und des Zubehörs wurde gestohlen. Am 18.12.2024 wurde der Flughafen teilweise wiedereröffnet, als ein Inlandsflug in die nördliche Stadt Aleppo startete. Beamte des Flughafens gaben damals an, dass die Wiedereröffnung aufgrund von Vandalismus und Diebstählen nur teilweise erfolgte. Der Hauptflughafen Syriens in der Hauptstadt Damaskus nahm seinen vollen Betrieb am 8.1.2025 wieder auf (DS 7.1.2025). Es gibt nur sehr wenige syrische Flugzeuge. Der Staat besitzt nur zwei einsatzfähige Flugzeuge und es gibt einige Flugzeuge, die gewartet werden müssen, was vielleicht so teuer ist wie der Wert des Flugzeugs selbst. Zusätzlich gibt es ein unabhängiges syrisches Unternehmen, das vielleicht fünf oder sechs einsatzfähige Flugzeuge hat, und es gibt Verträge mit vielen Unternehmen. Das Problem liegt nicht in der Verfügbarkeit syrischer Flugzeuge, sondern in den Beschränkungen des Regimes für Verträge, in die der Luftfahrtsektor investieren könnte. In der nächsten Phase sollen die Flughäfen von Damaskus und Aleppo eine gute Anzahl von Flugzeugen erhalten (Rudaw 1.2.2025). Nur wenige Fluggesellschaften fliegen Syrien wieder an oder haben angekündigt, ihre Flüge ins Land wieder aufzunehmen (NTV 18.1.2025). Die Zahl der Flüge nach Damaskus nehme laut syrischem Verkehrsminister jeden Tag zu. Der Flughafen in Qamishli wurde drei Tage nach der Befreiung Syriens vom Assad-Regime von den SDF übernommen. Sie unterbrachen die Kommunikation mit Damaskus. Nach der Befreiung des Gebiets von den SDF, wird der Flughafen Qamishli aktiviert werden, so der Verkehrsminister (Rudaw 1.2.2025).
Dem syrischen Verkehrsminister zufolge sind 60 bis 70 % der Eisenbahnstrecken außer Betrieb und 30 bis 40 % der bestehenden Strecken müssen dringend gewartet werden. Züge und Lokomotiven und alle Bahnhöfe müssen gewartet werden, und es werden Ersatzteile gebraucht. Der Zugbetrieb wurde für den Transport von Grundstoffen wie Treibstoff und anderen Materialien von der Küste nach Aleppo und Damaskus wieder aufgenommen, und die Eisenbahn funktioniert, aber alle Gleise sind alt, und wenn der Transport zunimmt, müssen sie neu und kostspielig gewartet werden. Es gibt Gleise, die nicht mehr gewartet werden können, sondern komplett ausgetauscht werden müssen. Einige Strecken, die den Irak und Syrien verbinden und durch al-Hasaka führen, sind außer Betrieb, andere haben einige ihrer Bestandteile verloren und wieder andere funktionieren, aber aus Sicherheitsgründen wurden diese Strecken gesperrt. Es werden die Möglichkeiten für eine Hochbahn oder eine U-Bahn in Damaskus geprüft. Derzeit ist der Plan für ein U-Bahnnetz nur für Damaskus vorgesehen, da es in Damaskus zu viele Staus gibt. Wenn der Plan durch internationale Unternehmen erfolgreich ist, wird die Übergangsregierung vielleicht mit der Umsetzung beginnen (Rudaw 1.2.2025).
Grenzübergänge
Am 16.12.2024 kündigte die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) an, alle Grenzübergänge zu den Nachbarländern auf syrischer Seite zu schließen, bis es ihnen gelungen sei, eine Art Organisation aufzubauen, um die Grenzen wieder zu besetzen und um wieder über Visastempel zu verfügen (PBS 16.12.2024). Mit Stand 1.2.2025 gibt es elf aktive Grenzübergänge, die der Generalbehörde für Land- und Seegrenzen gehören (Rudaw 1.2.2025). Der Direktor für lokale und internationale Beziehungen bei der Generalbehörde für Land- und Seegrenzen, erklärte gegenüber Al Jazeera, dass die Grenzübergänge seit der Befreiung Syriens vom gestürzten Regime nicht nur Syrer empfangen, die ihr Land besuchen wollen, ob als Einwohner oder Besucher, sondern auch arabische und ausländische „Brüder und Freunde“, die Syrien nach der Befreiung besuchen wollen. Die Grenzübergänge seien stark belastet worden, sagte er. Die meistbenützten Übergänge sind: Jdaydat Yabous/ Masna' zum Libanon, an dem in den letzten zwei Monaten mehr als 630.000 Bürger ein- und ausgereist sind, Nassib/ al-Jaber zu Jordanien, der mehr als 175.000 Bürger empfangen hat, davon 110.000 bei der Einreise und 65.000 bei der Ausreise, Bab al-Hawa/ Reyhanlı zur Türkei, wo mehr als 75.000 Bürger empfangen wurden, darunter 63.000 Ankünfte und 12.000 Ausreisen, al-Bu Kamal/ al-Qa'im zum Irak, der etwa 5.500 Bürger aufnahm. Daneben gab es Einreisen von Zehntausenden an den übrigen Grenzübergängen zur Türkei, wie Kassab/ Yayladağı, al-Hamam/ Hatay Hammami, Bab as-Salama/ Öncüpınar und Jarabulus/ Karkamış (AJ 13.2.2025a).
Irak
Die Bewegung von Syrern über den Grenzübergang Faysh Khabour zwischen Syrien und der Kurdistan Region Irak (KRI) setzte sich fort, wobei Berichten zufolge täglich etwa 300 bis 400 Menschen in den Irak einreisten. Aus Stichprobeninterviews geht hervor, dass die meisten Syrer, die über diesen Grenzübergang in den Irak einreisen, kurdischer Abstammung sind und entweder vorübergehend für Familienbesuche in die Kurdistan Region Irak kommen oder die Kurdistan Region Irak als Transitpunkt für Besuche an anderen Orten nutzen und planen, danach nach Syrien zurückzukehren. Der Grenzübergang al-Qa'im/ al-Bu Kamal [auch Abu Kamal Anm.] bleibt für die Einreise in den Irak weiterhin geschlossen (UNHCR 2.1.2025). Mitte Dezember erklärte ein irakischer Abgeordneter, dass die Sicherheit an der irakisch-syrischen Grenze verstärkt wurde. Grund dafür waren Angriffe der Terrorgruppierung Islamischer Staat (IS) ca. 50 km von der Grenze zum Irak entfernt auf syrischer Seite (BagTod 18.12.2024). Der Grenzübergang al-Qa'im/ al-Bu Kamal auf irakischer Seite war am 7.1.2025 bereit, die Arbeit wieder aufzunehmen, und wartete auf die Öffnung des Übergangs von syrischer Seite (Jeebal 7.1.2025). Der Bürgermeister von al-Qa'im erwartete die Wiedereröffnung mit Mitte Februar. Syrer dürften über den Grenzübergang dann in ihr Land aus dem Irak ausreisen, aber nicht mehr aus Syrien in den Irak zurück. Die einzigen, die zurück in den Irak reisen dürfen, sind irakische Staatsbürger (BagTod 3.2.2025). Das arabischsprachige Medium Waradana bestritt eine Grenzöffnung. Aus unbekannten Gründen hat Bagdad entschieden, die Öffnung des Grenzübergangs bis auf Weiteres zu verschieben. Die syrische Seite wurde über die Verschiebung informiert und zeigte sich überrascht über diese Entscheidung. Der Bürgermeister soll diesem Medium zufolge bestreiten, dass es Ausnahmen beim Passieren des Grenzübergangs al-Qa'im/ al-Bu Kamal zwischen dem Irak und Syrien gibt, bestätigte aber, dass die Wiederaufnahme des Transits zwischen dem Irak und Syrien im Februar beginnen wird. Der Irak macht keine Ausnahmen für ausländische oder arabische Staatsangehörige, die über den Grenzübergang aus Syrien in den Irak kommen. Die einzige Ausnahme gilt nur für Iraker (Wara 1.2.2025). Al Jazeera schrieb dazu am 11.2.2025, dass obwohl Syrien die Kontrolle über die meisten seiner Grenzübergänge zu den Nachbarländern wiedererlangt hat, der Grenzübergang al-Bu Kamal zum Irak geschlossen bleibt (AJ 11.2.2025). Der Grenzübergang, der die Stadt Al-Bu Kamal in der syrischen Provinz Deir ez-Zour mit dem irakischen Bezirk al-Qa'im in der Provinz al-Anbar verbindet, war Anfang Dezember geschlossen, wurde aber vorübergehend geöffnet, um am 19.12.2024 Tausenden von Soldaten die Rückkehr in ihr Land zu ermöglichen. Der syrische Verkehrsminister gibt an, dass daran gearbeitet werde, diesen wieder zu öffnen. Ihm zufolge können auch weitere Grenzübergänge geöffnet werden, wenn "die Probleme in den Gebieten um al-Hasaka gelöst sind" (Rudaw 1.2.2025).
Jordanien
Die jordanisch-syrische Grenze wurde mit 6.12.2024 von jordanischer Seite aus grundsätzlich für den Personenverkehr in beide Richtungen geschlossen. Syrischen Staatsbürgern ist die Ausreise aus Jordanien nach Syrien nach Grenzabfertigung gestattet, allerdings erlischt der Aufenthaltsstatus in Jordanien und bei neuerlicher Einreise muss ein neuer Einreise- oder Aufenthaltstitel beantragt werden (VB Amman 17.12.2024). Mit 9.1.2025 wurde der Grenzübergang al-Jaber/ Nassib wieder geöffnet und der Personenverkehr wieder aufgenommen. Syrische Staatsbürgern wurde die Einreise wieder gestattet, wenn diese über einen Visumtermin für ein Drittland in Amman verfügen und die die Hin- und Rückfahrt zwischen Syrien und Jordanien über ein Reisebüro organisiert ist (VB Amman 9.1.2025). Die Generalbehörde für Land- und Seegrenzen hat am 19.2.2025 den Zeitplan für die Bewegung von Reisenden über den Grenzübergang al-Jaber/ Nassib zu Jordanien festgelegt. Die Behörde teilte in einem Beitrag auf ihrem Telegram-Kanal mit, dass der Transitverkehr am Grenzübergang al-Jaber/ Nassib ab 20.2.2025, täglich von 8:30 Uhr bis 22:00 Uhr möglich sein wird (SANA 19.2.2025). Diese Regelung erfolgte in Abstimmung mit dem jordanischen Innenministerium (JorZad 20.2.2025). Reisende müssen sich im Voraus über eine spezielle Online-Plattform registrieren. Darüber hinaus dürfen jene syrischen Kleinbusse, welche bereits zuvor nach Jordanien einreisen durften, bis zum 1.4.2025 weiterhin operieren, sofern sie sich an strenge Auflagen halten. Diese erlauben ausschließlich den Personentransport und untersagen den Transport von Waren (VB Amman 12.1.2025). Syrische Staatsangehörige mit Aufenthaltserlaubnis in den Ländern des Golf-Kooperationsrates (Golf Cooperation Council - GCC), den USA, Kanada, Australien, Japan, der Republik Korea und allen europäischen Ländern dürfen laut jordanischem Innenministerium ohne vorherige Genehmigung nach Jordanien einreisen. Dies gilt für Personen, die eine gültige Aufenthaltserlaubnis von mindestens vier Monaten für das jeweilige Land besitzen (VB Amman 30.1.2025).
Libanon
Der Libanon und Syrien teilen sich eine 330 Kilometer lange Grenze, die vor allem im Nordosten des Landes weitgehend unbefestigt ist, was es Schmugglern, Jägern und Flüchtlingen leicht macht, hier einzudringen (Arabiya 10.2.2025b). Mitte Februar fanden Kämpfe zwischen den syrischen Streitkräften, die der neuen Regierung in Damaskus angehören, und libanesischen Schmugglerbanden an der Grenze, insbesondere im westlichen Umland von Homs in Zentralsyrien, statt. Die syrischen Behörden gaben bekannt, dass sie damit begonnen haben, Landminen an illegalen Grenzübergängen und Straßen zum Libanon zu verlegen, nachdem eine Sicherheitsüberprüfung der Gebiete zu Zusammenstößen geführt hatte. Dieser Schritt zielt darauf ab, den Schmuggel nach Syrien einzudämmen und weitere grenzbezogene Spannungen zwischen den beiden Ländern zu verhindern, so die Behörden (TNA 11.2.2025). Der Abreiseverkehr über die offiziellen Grenzübergänge ist nach wie vor gering, aber konstant, vor allem über den Übergang Masna'/ Jdeydat Yabous, einschließlich derer, die möglicherweise nur für kurze Zeit einreisen, um die Lage in Syrien zu beurteilen. In den letzten zehn Tagen (Stand 2.1.2025) hielten sich maximal 100 bis 200 Personen gleichzeitig im Niemandsland auf, entweder um in den Libanon einzureisen oder um nach Syrien zurückzukehren (UNHCR 2.1.2025). Der offizielle Grenzübergang Masna'/ Jdeydat Yabous in Bekaa' ist nach wie vor der einzige für den Fahrzeugverkehr geöffnete Grenzübergang (UNHCR 23.1.2025). Die libanesische Armee hat Anfang Februar 2025 bekannt gegeben, dass sie außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen entlang der Grenze ergriffen hat, indem sie Beobachtungsposten aufstellte und Patrouillen durchführte, nachdem Spannungen in diesem Gebiet eskaliert waren (Arabiya 10.2.2025b).
Türkei
Der türkische Innenminister gab bekannt, dass sechs aktive Grenzübergänge nun rund um die Uhr in Betrieb sind, um einen reibungslosen und effizienten Prozess zu gewährleisten. Die tägliche Bearbeitungskapazität beträgt insgesamt 19.000 Personen, was einer deutlichen Steigerung gegenüber der vorherigen Kapazität von 3.020 Personen entspricht. Die Regierung bestätigte außerdem, dass vom 1.1. bis zum 1.7.2025 Besichtigungsbesuche an zwei Grenzübergängen (Zeytindalı/Jinderes in Hatay und Çobanbey/Al Ra'i in Kilis) organisiert werden (UNHCR 2.1.2025). Der Direktor für lokale und internationale Beziehungen bei der Allgemeinen Behörde für Land- und Seehäfen sagte gegenüber dem staatlichen Medium SANA, dass Rückkehrer über die Grenzübergänge Bab al-Hawa/ Reyhanlı, Bab as-Salama/ Öncüpınar, Kassab/ Yayladağı und Jarabulus/ Karkamış nach Syrien reisen. Die syrische Verwaltung sorgt dafür, dass ihnen alle Dienstleistungen und Einrichtungen kostenlos zur Verfügung stehen und sie von jeglichen Gebühren für ihr Gepäck und ihre Möbel, die sie während ihrer Rückkehr mitführen, befreit sind (AAA 11.2.2025). […]
Rückkehr - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 21:23
Mit dem Sturz al-Assads kehrten Tausende Syrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien zurück. Für viele war das Assad-Regime das Haupthindernis für die Rückkehr in ihre Heimat. Die Aufnahmeländer haben diese Begeisterung genutzt, um weitere Rückkehrer zu ermutigen (CSIS 11.12.2024). Zehn Tage nach dem Sturz des syrischen Regimes am 8.12.2024 erklärte die Europäische Union (EU), sie schätze, dass zwischen Januar und Juni 2025 etwa eine Million syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren würden. Das wurde durch die Direktorin des Büros des UNHCR für den Nahen Osten und Nordafrika bestätigt. Ahmad ash-Shara', der Befehlshaber der Militäroperationen in Syrien, der später zum Übergangspräsidenten des Landes wurde, betonte bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen, dass eine seiner ersten Prioritäten darin bestehe, zerstörte Häuser wieder aufzubauen und die Vertriebenen in das letzte Zelt zurückzubringen, während er gleichzeitig sehr wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffe (Almodon 13.2.2025).
Bis August 2024 waren schätzungsweise 34.000 Flüchtlinge zurückgekehrt, aber nach der Invasion Israels im Libanon im Oktober 2024 flohen weitere 350.000 aus dem Libanon zurück nach Syrien, um dem Konflikt zu entkommen. Mit weiteren 125.000 Rückkehrern seit dem Sturz al-Assads Anfang Dezember erreichte die Gesamtzahl der Rückkehrer im Jahr 2024 fast eine halbe Million (FA 11.2.2025). Laut UNOCHA wurden bis 15.12.2024 225.000 Rückkehrer in ganz Syrien registriert. Die Mehrheit ist in die Gouvernements Hama und Aleppo zurückgekehrt. Das bedeutet, dass die Zahl der Menschen, die neu vertrieben wurden, von 1,1 Millionen, wie am 12.12.2024 gemeldet, auf 882.000 Menschen am 15.12.2024 gesunken ist. Von dieser Zahl wurden mindestens 150.000 Menschen mehr als einmal vertrieben. Viele Familien sind in frühere Lager in ihren Herkunftsgebieten zurückgekehrt, weil es in ihren Heimatstädten an grundlegenden Versorgungsleistungen mangelt oder die Infrastruktur beschädigt ist. Einige Familien gaben auch an, dass sie auf die Räumung von Kampfmittelrückständen in ihren Herkunftsgebieten warten, bevor sie zurückkehren (UNOCHA 16.12.2024). UNHCR schätzt, dass von 8.12.2024 bis 2.1.2025 über 115.000 Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind, basierend auf öffentlichen Erklärungen von Aufnahmeländern, Kontakten mit Einwanderungsbehörden in Syrien und dem UNHCR sowie der Grenzüberwachung durch Partner (UNHCR 2.1.2025). Insgesamt sind nach Angaben des UNHCR 800.000 vertriebene Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt, darunter 600.000 Binnenvertriebene (Internal Displaced Persons - IDPs) (Stand 31.1.2025) (AlHurra 31.1.2025). Die Zahl der Personen, die in das Gouvernement Aleppo zurückkehren, ist am höchsten, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die Abschaffung des Wehrdienstes als Hauptgründe für ihre Rückkehr nennen (UNHCR 2.1.2025). Grundsätzlich verzeichnen die UN einen Anstieg an rückkehrwilligen Syrern, die im Nahen Osten leben. Fast 30 % geben an, in ihre Heimat zurückzuwollen. Als großes Hindernis für die Rückkehr sieht UNHCR-Chef Grandi die Sanktionen (Zeit Online 26.1.2025). Die syrischen Behörden gaben an, dass innerhalb von zwei Monaten nach der Befreiung Syriens 100.905 Bürger über die Grenzübergänge der Türkei zurückgekehrt sind. Der Grenzübergang Jdaydat Yabous/ Masna' zum Libanon fertigte in zwei Monaten 627.287 Reisende ab, darunter 339.018 syrische Staatsbürger und arabische und ausländische Gäste, und 288.269 Ausreisende. Im gleichen Zeitraum wurden am Grenzübergang Nassib/ al-Jaber zu Jordanien 174.241 Passagiere syrischer Staatsbürger und arabischer und ausländischer Gäste abgefertigt, davon 109.837 bei der Einreise und 64.404 bei der Ausreise. Am Grenzübergang al-Bu Kamal/ al-Qa'im wurden 5.460 syrische Staatsbürger abgefertigt, die im Irak leben und zurückkehren, um sich dauerhaft in Syrien niederzulassen (Nashra 11.2.2025). Bei den Angaben zu Rückkehrern sind die zuständigen Behörden und Forschungszentren nicht in der Lage festzustellen, ob diese Menschen lediglich zurückgekehrt sind, um ihre Familien zu besuchen und zu treffen, oder ob sie freiwillig und dauerhaft zurückgekehrt sind (Almodon 13.2.2025). […]
CNN zufolge gab es nicht nur einen Strom von Rückkehrern, sondern auch zahlreiche Familien, die - meist aufgrund ihrer Konfession - aus Angst vor der neuen Regierung das Land verlassen wollten (CNN 12.12.2024).
Im Jänner 2025 führte UNHCR eine Befragung zu Wahrnehmungen und Absichten von Flüchtlingen in Jordanien, Libanon, Irak und Ägypten durch. Ein zunehmender Anteil erklärte die klare Absicht, zurückzukehren. Insgesamt hoffen 80 % der Flüchtlinge, eines Tages nach Syrien zurückkehren zu können. Dies stellt eine deutliche Veränderung der Rückkehrabsichten der Flüchtlinge im Vergleich zur letzten Umfrage im April 2024 dar, bei der nur 57 % der Flüchtlinge die Hoffnung äußerten, eines Tages zurückkehren zu können. Viele Flüchtlinge weisen auf erhebliche Hindernisse für eine Rückkehr hin, darunter Schulden in den Aufnahmeländern und Schäden an ihren Häusern in Syrien (UNHCR 23.1.2025). In der erwähnten Umfrage gab ein Viertel der Befragten an, in den nächsten zwölf Monaten zurückkehren zu wollen. Mehr als die Hälfte der Befragten, die nicht innerhalb der nächsten zwölf Monate zurückkehren möchte, hat vor, innerhalb der nächsten fünf Jahre zurückzukehren. Fast alle möchten in ihre Herkunftsregion zurückkehren. Über 60 % der Befragten erachten einen "go and see"-Besuch für essenziell, bevor sie eine endgültige Rückkehrentscheidung treffen. 52 % gaben an, dass al-Assads Sturz ihre Rückkehrentscheidung beeinflusst hat. Aus dem Feedback, das UNHCR durch direkte Kommunikation mit Flüchtlingen erhalten hat, geht hervor, dass die Hauptanliegen derjenigen, die an einer Rückkehr interessiert sind, die Bereitstellung von Transportmitteln und Bargeldzuschüssen zur Deckung der Grundbedürfnisse sowie Unterstützung innerhalb Syriens beim Wiederaufbau ihrer Häuser und ihres Lebens sind. Während immer mehr Syrer ihre Absicht bekundeten, in den nächsten zwölf Monaten zurückzukehren, zeigt die Umfrage auch, dass 55 % der Flüchtlinge noch nicht beabsichtigen, zurückzukehren. Von den 61 % der Flüchtlinge, die ein Haus/Eigentum in Syrien besitzen, geben 81 % an, dass es entweder vollständig zerstört oder teilweise beschädigt und unbewohnbar ist, was nach wie vor ein großes Hindernis für ihre Rückkehr darstellt (UNHCR 6.2.2025). Einer Umfrage zufolge, bei der 1.100 in der Türkei ansässige Syrer zwischen 9. und 11.12.2024 befragt wurden, wollten 70 % nach Syrien zurückkehren, im Vergleich zu 45 % vor dem Sturz al-Assads. Die Studie ergab, dass 45,5 % der Syrer bereit sind, in ihre Heimat zurückzukehren, wenn sich die Lage in Syrien verbessert, während 26,7 % "so schnell wie möglich" zurückkehren möchten (DS 27.12.2024). Das Journal "Just Security" führte zwischen Februar und April 2024 eine Umfrage unter 87 zurückgekehrten Syrern in verschiedenen Regionen Syriens durch. In den von der Türkei kontrollierten Gebieten ist das Misstrauen unter den arabischen Rückkehrern besonders ausgeprägt. 60 % von ihnen haben überhaupt kein Vertrauen in die örtlichen Behörden. Auch unter den turkmenischen Rückkehrern herrscht große Skepsis. 55 % von ihnen haben wenig oder gar kein Vertrauen in diese Behörden (35 % haben wenig Vertrauen und 20 % gar kein Vertrauen). 50,6 % der befragten Rückkehrer aus allen Regionen Syriens berichteten von Erfahrungen mit Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Gewalt. Während in den von Kurden kontrollierten Gebieten der höchste Anteil der Befragten angab, sich in der Lage zu fühlen, ihre Rechte uneingeschränkt auszuüben, berichteten arabische Rückkehrer in den von der Türkei kontrollierten Gebieten am wenigsten, sich in der Lage zu fühlen, ihre Rechte auszuüben (JS 29.1.2025). Das Norwegian Refugee Council führte eine Befragung von 4.206 Vertriebenen im Nordwesten Syriens zu ihren Zukunftsplänen durch und sprach mit Hunderten von Familien, die Jahre nach ihrer Flucht zurückgekehrt sind. In Vertriebenenlagern im Nordwesten gaben nur 8 % der Befragten an, dass sie innerhalb der nächsten drei Monate in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren wollen (NRC 13.2.2025).
Das Land, in das die Menschen zurückkehren, unterscheidet sich grundlegend von jenem, das sie verlassen haben. Die Zerstörung von Häusern und wichtiger Infrastruktur, vermisste Angehörige, weitverbreitete Armut, das Risiko wieder aufflammender Gewalt und die Unsicherheit über die unerfahrenen neuen Staats- und Regierungschefs des Landes – zusätzlich zu der anhaltenden humanitären Krise des letzten Jahrzehnts – sind zu nennen (FA 11.2.2025). Die anhaltende Unsicherheit – einschließlich bewaffneter Zusammenstöße, zunehmender krimineller Aktivitäten und nicht-explodierter Kampfmittel – stellt die Zivilbevölkerung weiterhin vor Herausforderungen und wird wahrscheinlich die potenzielle Entscheidung der außerhalb des Landes lebenden Syrer, nach Hause zurückzukehren, beeinflussen (UNHCR 2.1.2025). Neben den Sicherheitsbedenken beeinflussen auch die Zerstörung von Eigentum und eine unzureichende Infrastruktur die Rückkehrentscheidungen von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen (UNOCHA 30.1.2025). Viele wollen auch wegen des Mangels an Arbeitsplätzen und grundlegenden Dienstleistungen nicht zurückkehren. Viele Flüchtlinge haben auch kein Zuhause, in das sie zurückkehren können. Einige Häuser wurden während des Krieges zerstört, in anderen leben neue Bewohner und viele Flüchtlinge haben keine Dokumente, die ihre Besitzansprüche belegen (CSIS 11.12.2024). Viele Flüchtlinge und Vertriebene sind nach dem Sturz des Regimes bei der Rückkehr in ihre Gebiete, Städte und Dörfer schockiert, wenn sie feststellen, dass andere in ihren Häusern wohnen. In einigen Fällen besitzen diese derzeitigen Bewohner Dokumente, die belegen, dass sie die Immobilien gekauft haben, aber Untersuchungen zeigen, dass es sich oft um Fälschungen handelt, einschließlich gefälschter Eigentumsnachweise und Gerichtsurteile, die äußerst schwer aufzuspüren sind (HLP Syria 20.1.2025). [Weitere Informationen zu Problemen im Zusammenhang mit Besitz- bzw. Wohnverhältnissen finden sich auch in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen (Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024)) und Grundversorgung und Wirtschaft / Wohnsituation und Infrastruktur]. Die Rückkehr im Winter ist besonders schwierig, da die Flüchtlinge nicht wissen, ob ihre Häuser Schutz vor der Kälte bieten oder nicht. Es ist unklar, an wen sich Flüchtlinge wenden können, wenn sie nach ihrer Rückkehr Probleme mit Wohnraum oder Eigentumsrechten haben, und ob die Übergangsregierung in der Lage sein wird, grundlegende Dienstleistungen bereitzustellen (CSIS 11.12.2024). Partnerorganisationen von UNOCHA betonen auch, dass der Zugang zu zivilen Dokumenten und Rechtsdienstleistungen, einschließlich solcher im Zusammenhang mit Fragen zu Wohnraum, Land und Eigentum, entscheidende Hindernisse für die Rückkehr darstellt. Gegenwärtig sind nicht alle Standesämter und Gerichte im ganzen Land funktionsfähig oder teilweise funktionsfähig, was den Zugang erschwert (UNOCHA 30.1.2025). Es ist unrealistisch zu erwarten, dass die bestehenden Probleme allein durch die Absetzung al-Assads gelöst werden. Es gibt kaum Anhaltspunkte dafür, dass Syrien einen einzigartigen oder anderen Weg einschlagen wird als andere vergleichbare Fälle (JS 29.1.2025). Einem Wirtschaftswissenschaftler zufolge ist das größte Hindernis für die Rückkehrer das Fehlen staatlicher Institutionen, die in der Lage sind, grundlegende Dienstleistungen wie Strom und Wasser bereitzustellen, was das tägliche Leben kostspielig und schwierig macht. Das Fehlen von organisierten Märkten, die grundlegende Waren anbieten, und das Fehlen einer Angebotskontrolle haben zu einem wirtschaftlichen Chaos geführt, wodurch sich die Rückkehrer in einem finanziell instabilen Umfeld wiederfinden. Der dramatische Anstieg der Preise, sowohl bei den Mieten als auch bei den Grundversorgungsleistungen, stellt eine zusätzliche Belastung für die Rückkehrer dar, da sie bei begrenztem Einkommen hohe Lebenshaltungskosten zu tragen haben. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Herausforderungen erleben viele Rückkehrer aufgrund der großen Kluft zwischen ihren Hoffnungen und der Realität, die sie vorgefunden haben, eine psychische Krise (AlHurra 11.2.2025). Die meisten Flüchtlinge, die sich in die neuen Gesellschaften im Ausland integriert und Arbeitsmöglichkeiten und ein angemessenes Einkommen gefunden haben, wollen nicht zurückkehren, andere fürchten sich vor der Sicherheitslage, dabei zögern die Minderheiten am meisten, zurückzukehren (Almodon 13.2.2025). Eine schlecht organisierte Massenrückkehr werde die bereits begrenzten Ressourcen des Landes belasten und die syrischen Übergangsbehörden, die UN-Organisationen und die syrische Zivilgesellschaft unter enormen Druck setzen, schreibt das Magazin Foreign Affairs (FA 11.2.2025). Es gibt derzeit vor Ort moderate UN-Hilfen, etwa zum Wiederaufbau der Häuser (ÖB Amman 6.2.2025).
Viele vertriebene Familien, die sich auf die Rückkehr vorbereiten, äußerten auch Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit der Kontaminierung durch explosive Kampfmittel. Seit November 2024 wurden in Idlib, Aleppo, Hama, Deir ez-Zour und Latakia insgesamt 136 Landminenfelder und Minenpräsenzpunkte neu identifiziert. Allein in den ersten drei Januarwochen wurden bei 87 Vorfällen mit explosiven Kampfmitteln im ganzen Land nach Angaben von Partnerorganisationen von UNOCHA mindestens 51 Menschen getötet und 75 weitere verletzt(UNOCHA 30.1.2025).
Die neue Regierung hat die Zollgebühren vereinheitlicht. Diese Entscheidung dient nicht den Interessen der Syrer, sondern belastet ihren Lebensunterhalt. Diese Maßnahme soll zum einen so schnell wie möglich den Weg für die Rückkehr Hunderter syrisches Fabriken und Unternehmen in den Nachbarländern zu ebnen, damit diese wieder auf syrischem Territorium arbeiten können. Zum anderen möchte man syrische Auswanderer und ausländische Investoren einladen, Fabriken und Unternehmen in Syrien zu gründen, mit dem Ziel, das Rad der Wirtschaft in Bewegung zu setzen, Tausende von Arbeitsplätzen für Syrer zu schaffen und so eine integrierte Volkswirtschaft aufzubauen. Dadurch werden syrische Produkte nun mit Zollgebühren nach Syrien eingeführt, um es für und syrische Händler und Unternehmen im Ausland attraktiver zu machen, wieder nach Syrien kommen. Die neue Regierung hat viele Vorteile angeboten, um Investitionen nach Syrien zu locken (AJ 10.2.2025b).
Rückkehrer nach Aufnahmeland
Libanon
Der Libanon beherbergt über 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge (HRW 16.1.2025). Seit dem 8.12.2024 bis 16.12.2024 sind weniger als 10.000 Syrer aus dem Libanon zurückgekehrt. Einige dieser Bewegungen zurück nach Syrien scheinen „temporär“ zu sein, hauptsächlich um nach dem Eigentum und den Familienmitgliedern zu sehen (UNOCHA 16.12.2024). Einem Bericht von CNN zufolge war die Einreise nicht immer reibungslos. Teilweise kam es zu Problemen mit Dokumenten bzw. wegen illegaler Ausreisen und Kindern, die außerhalb Syriens geboren wurden (CNN 12.12.2024). Die Zahl der Syrier, die den Libanon über offizielle Grenzübergänge verlassen, ist laut der UN niedrig, aber konstant (UN News 2.1.2025) und liegt im Durchschnitt bei 1.000- 1.500 Flüchtlingen pro Tag (UNHCR 23.1.2025). Syrische Flüchtlinge, die versuchen, vom Libanon aus nach Europa zu gelangen, wurden von den libanesischen und zyprischen Behörden abgefangen und zurückgeschickt, wobei viele von der libanesischen Armee gewaltsam nach Syrien zurückgebracht wurden (HRW 16.1.2025). Am 19.2.2025 berichtete "The New Arab", dass die libanesischen Behörden eine neue Richtlinie erlassen haben, die es Syrern, die aus Europa abgeschoben werden, erlaubt, auf dem Rückweg nach Syrien den Flughafen Beirut zu passieren. Das Rundschreiben, das am 17.2.2025 vom Leiter der Flughafensicherheit unterzeichnet wurde, wies die Fluggesellschaften an, den Transport von Syrern zu erleichtern, die auf irregulären Wegen nach Europa eingereist waren und vor der Weiterreise nach Syrien durch den Libanon reisen wollten (TNA 19.2.2025).
Türkei
Die Türkei beherbergt fast 3,3 Millionen syrische Flüchtlinge (HRW 16.1.2025). Vor dem Hintergrund der flüchtlingsfeindlichen Stimmung schob die Türkei im Jahr 2024 Tausende ab oder übte anderweitig Druck auf sie aus, das Land in Richtung Nordsyrien zu verlassen, darunter auch nach Tall Abyad, einem abgelegenen, von der Türkei besetzten Bezirk, in dem Gesetzlosigkeit herrscht und die humanitäre Lage katastrophal ist (HRW 16.1.2025). Aus der Türkei sind laut türkischem Innenminister zwischen 9. und 13.12.2024 7.621 Syrer unter temporärem Schutz nach Syrien zurückgekehrt (VB Istanbul 18.12.2024). Obwohl sich die Zahl der Rückkehrer unmittelbar nach dem Sturz al-Assads verdoppelt hatte (VB Istanbul 11.12.2024), gab es insgesamt nur einen geringen Anstieg der Anzahl an tatsächlichen Rückkehrern. Geändert hat sich vor allem das Profil der Rückkehrer, nämlich alleinreisende Männer. Die meisten Stammen aus der Region rund um Idlib und Aleppo. Meist wird ein Mitglied von Familienverbänden vorausgeschickt, um die Lage vor Ort (Sicherheit, Lebensbedingungen etc.) zu beurteilen, bevor der Rest der Familie nachziehen würde(VB Istanbul 13.12.2024). Zwischen 8.12.2024 und 9.1.2025 sind 52.622 Syrer aus der Türkei nach Syrien zurückgekehrt. Die Mehrheit davon, 41.000 Personen, reisten als Familien zurück. Die Restlichen waren Einzelreisende (T24 9.1.2025; vgl. CNN Türk 9.1.2025). UNHCR wiederum verzeichnet v. a. Einzelpersonen, die allein zurückkehren, oft weil keine unterhaltsberechtigten Familienmitglieder in der Türkei leben oder weil sie die Bedingungen in Syrien prüfen wollen, bevor sie sich mit ihren Familien wiedervereinigen. Zu den Hauptgründen für die Rückkehr gehören verbesserte Sicherheit, politische Veränderungen und Familienzusammenführung, wobei einige auch Heimweh oder wirtschaftliche Erwägungen anführen. Die meisten Rückkehrer möchten in ihre Herkunftsprovinzen zurückkehren, wobei Aleppo, Idlib, Damaskus und Hama die häufigsten Ziele sind (UNHCR 23.1.2025). Die Rückkehr von 40.000 Syrern aus der Türkei in kurzer Zeit habe eine grenzüberschreitende und interne Krise ausgelöst, die sich auf die Ressourcen auswirkt, die für die bestehende Bevölkerung ohnehin nicht ausreichten, so ein Experte für Flüchtlingsfragen gegenüber der arabischsprachigen Zeitung Almodon (Almodon 13.2.2025). Mittlerweile berichtet der Flüchtlingsverband in der Türkei von einigen Fällen, in denen die Rückkehrer ihre Entscheidungen bereuten. Es werden v. a. Beschwerden, wie der Mangel an Bildungs- und Gesundheitsdiensten angeführt. Der türkische Innenminister Yerlikaya verkündete, dass zwischen al-Assads Sturz am 8.12.2024 und Ende Jänner 2025 insgesamt 81.576 Syrer nach Syrien aus der Türkei zurückgekehrt sind (REU 5.2.2025a). Die türkische Direktion für Migrationsmanagement kündigte an, Büros in Syrien einrichten, um die Ein- und Ausreise von Syrern in die Türkei mit den neuen syrischen Beamten zu koordinieren und sicherzustellen, dass die Flüchtlinge keine Probleme mit der Identifizierung haben (DS 27.12.2024). Die zerstörte Infrastruktur, die erdrückenden wirtschaftlichen Bedingungen und die Unsicherheit brachten enorme Herausforderungen mit sich, die es für einen großen Teil der Rückkehrer fast unmöglich machten, sich zurechtzufinden. Während einige das Recht verloren haben, in die Türkei zurückzukehren, haben andere, insbesondere diejenigen mit türkischem Wohnsitz und türkischer Staatsbürgerschaft, begonnen, ihre Entscheidung zu überdenken und ernsthaft in Betracht zu ziehen, in das „Land der Zuflucht“ zurückzukehren (AlHurra 11.2.2025). Vom 1.1. bis zum 1.7.2025 werden den syrischen Flüchtlingen in der Türkei, genauer den Haushaltsvorständen, vorübergehende Besuche (Go-and-See-Visits) in Syrien erlaubt. Dementsprechend kann dasselbe Familienmitglied innerhalb von sechs Monaten maximal dreimal nach Syrien reisen, und die Abreise wird über zwei Grenzübergänge organisiert. Syrer, die die Möglichkeit eines vorübergehenden Besuchs nutzen, behalten ihren vorübergehenden Schutzstatus (UNHCR 27.12.2024).
Jordanien
In Jordanien sollen sich allein in Irbid 400.000 syrische Flüchtlinge aufhalten, die seit 2011 geflohen waren (VB Amman 9.12.2024). UNHCR registrierte zwischen 8. und 13.12. insgesamt 340 Ausreisen von Syrern aus Jordanien nach Syrien. In den Medien wurden hohe Zahlen an Rückkehrern aus Jordanien beschrieben, die aber nicht bestätigt werden konnten (VB Amman 17.12.2024). Zwischen 8.12.2024 und 11.1.2025 sind laut jordanischem Innenministerium 52.406 syrische Staatsbürger nach Syrien ausgereist. 11.315 davon waren Flüchtlinge (VB Amman 12.1.2025). Mit Stichtag 24.1.2025 sind laut UNHCR seit dem 8.12.2024 bisher 20.100 registrierte Flüchtlinge, welche sich zuvor in Jordanien aufhielten, nach Syrien ausgereist (VB Amman 30.1.2025). Bis 6.2.20205 sind ca. 30.000 syrische Flüchtlinge aus Jordanien zurückgekehrt und weitere 60.000 sind über Jordanien zurückgereist (ÖB Amman 6.2.2025). Die Rückkehr aus Jordanien erfolgt Angaben des jordanischen Innenministers al-Faraya zufolge freiwillig und ohne Zwang. Für diejenigen, die zurückkehren möchten, werden die notwendigen Erleichterungen zur Verfügung gestellt, einschließlich des Gepäcktransports. Es gibt keine Hindernisse für syrische Flüchtlinge beim Verlassen Jordaniens. Selbst diejenigen, die aufgrund von Arbeitserlaubnissen mit Geldstrafen belegt sind (Overstay), können gehen. Die Rückkehrverfahren wurden vereinfacht und einige zuvor erforderliche Sicherheitsüberprüfungen vor der Ausreise wurden abgeschafft. Syrer aus dem Ausland können nach Jordanien einreisen, Syrien besuchen und an ihren ursprünglichen Wohnort zurückkehren (VB Amman 6.2.2025).
Irak
Ali Abbas, Sprecher des irakischen Migrationsministeriums, erklärte, dass seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 Syrer in den Irak gekommen seien, wobei sich die Mehrheit in der Region Kurdistan niedergelassen habe, wo im Einklang mit internationalen Abkommen Lager errichtet worden sind. Nach Angaben der Regionalregierung Kurdistan (Kurdistan Regional Government - KRG) leben derzeit etwa 260.000 syrische Flüchtlinge in der Region Kurdistan, sowohl in als auch außerhalb von Lagern (Bas 25.1.2025). Auch aus dem Irak kehrten bereits Syrer zurück (Rudaw 15.12.2024). Ihre Anzahl ist unbekannt (VB Bagdad 20.12.2024). Die Behörden im Irak in Bagdad und Erbil haben ebenfalls willkürlich Syrer inhaftiert und nach Damaskus und in Teile Nordost-Syriens, die unter der Kontrolle kurdisch geführter Streitkräfte stehen, deportiert (HRW 16.1.2025). Das irakische Ministerium für Migration und Flüchtlinge hat indes bestätigt, dass die im Land lebenden syrischen Flüchtlinge freiwillig nach Syrien zurückkehren können und nicht unter Druck gesetzt werden, das Land zu verlassen. Offizielle Statistiken über die Anzahl der syrischen Flüchtlinge, die nach dem Sturz des Assad-Regimes zurückgekehrt sind, gibt es nicht, weil die Entscheidung zur Rückkehr ausschließlich bei den Flüchtlingen liegt und sie das Ministerium nicht benachrichtigen, wenn sie das Land verlassen (Bas 25.1.2025). Am 11.2.2025 schrieb UNHCR, dass seit dem 8.12.2024 über 5.000 Syrer aus dem Irak nach Syrien zurückgekehrt sind, darunter fast 400 registrierte Flüchtlinge (UNHCR 11.2.2025). Seit dem 8.12.2024 sind am Grenzübergang Faysh Khabour 948 Syrer im Rahmen offizieller Rückführungsverfahren dauerhaft nach Syrien zurückgekehrt, darunter 105 (11 %) syrische Flüchtlinge, die bei UNHCR registriert sind (Stand 2.1.2025) (UNHCR 2.1.2025).
Ägypten
Zwischen dem 8.12.2024 und dem 21.1.2025 wurden von syrischen Flüchtlingen in Ägypten über 3.700 Anträge auf Verfahrenseinstellung, die über 7.050 Personen betrafen, bei UNHCR eingereicht. Das entspricht einem Durchschnitt von 125 Anträgen pro Tag, verglichen mit einem Durchschnitt von nur sieben Anträgen pro Tag im November 2024. Am 20.1.2025 bestätigte der amtierende Leiter der ägyptischen Botschaft in Damaskus, Berichten zufolge gegenüber der Zeitung al-Watan, dass Ägypten das Visumverfahren für mehrere Kategorien von Syrern wiedereröffnet hat, darunter für syrische Studenten, die in verschiedenen Bildungsstufen eingeschrieben sind, für syrische Investoren und ihre Familien sowie Ehepartner ägyptischer Staatsbürger. Damit wird eine im vergangenen Monat von den ägyptischen Behörden eingeführte Vorschrift aufgehoben, nach der Syrer, die aus allen Ländern nach Ägypten einreisen, eine Sicherheitsüberprüfung erhalten mussten (UNHCR 23.1.2025). In Ägypten äußerten viele Syrer ihre Abneigung gegen eine Rückkehr, wobei eine kleine Minderheit Interesse bekundete, jedoch größtenteils nicht innerhalb der nächsten zwölf Monate (UNHCR 19.12.2024).“
1.3.2. Feststellungen basierend auf dem Bericht der EUAA, Syria: Country Focus, Juli 2025:
2.4.1. Kurds
Kurds constitute the largest ethnic minority in Syria, with an estimated population of 2 to 2.5 million, or up to 10 % of the country’s pre-war population of 23 million. Kurdish population is concentrated in the regions of Afrin, Kobani, and Jazira, neighbourhoods of Aleppo and Damascus cities, and, to a lesser extent, in several districts in Raqqa city.
During a visit to Afrin, Aleppo governorate, in mid-February 2025, interim President Ahmed al-Sharaa pledged to extend the authority of the new government in the region and to end violations, such as arbitrary arrests, extortion, property seizures, and deforestation, committed by Turkish-backed SNA factions, which have controlled the area since 2018. On 10 March 2025, Al-Sharaa and SDF commander Mazloum Abdi signed a tentative agreement to start the integration of the SDF into the new Syrian army. The agreement also promised that Kurds would be given the right to citizenship and other constitutional rights, including the use and teaching of the Kurdish language, while those in displacement would be able to return to their homes. At the beginning of April 2025, SDF forces left predominantly-Kurdishneighbourhoods of Sheikh Maqsoud and Ashrafieh in northern Aleppo, which had been under their control since 2015.
During negotiations with the interim government, Kurdish political parties emphasised the government protection of Kurdish citizens and their rights as a key demand. As a ‘unity conference’ held in Qamishli on 26 April 2025, the Kurdish National Unity Parties (PYNK) and the Kurdish National Council (ENKS/KNC) jointly called for Syria to be recognised as a ‘multiethnic, multicultural, and multi-religious’ state and advocated for federalism, recognition of Kurdish as an official language, and restoration of citizenship to Kurds stripped of it after the 1962 census. In response, on 27 April 2025, the new government rejected the federalism proposal as a ‘threat to national unity’ and a violation to the deal signed with the SDF.
Although pro-Türkiye groups reportedly reduced their military presence in Afrin as of April 2025, Nadine Maenza, president of the International Religious Freedom (IRF) Secretariat and former chair of the US Commission on International Religious Freedom (USCIRF), noted in an interview to Kurdish media Rudaw that removing Turkish-backed militias remained difficult, due to Türkiye’s support to Al-Sharaa. In April 2025, STJ reported that despite official announcements about the dissolution of the SNA factions, these groups, including affiliated Military Police, remain active in Afrin, with some of their members redeployed elsewhere. Similarly, in May 2025, Human Rights Watch noted that, although most SNA checkpoints had been removed, the factions continued operating from their former bases. However, regarding Afrin in particular, a Kurdish activist interviewed by media outlet Syria Direct at the end of April 2025 noted that between 70 % and 80 % of SNA factions have left the town.
As noted by Human Rights Watch, despite their prior involvement in serious abuses, SNA fighters have been incorporated into Syria’s Armed Forces, with some commanders appointed to senior government and military roles. Following the recapture of Manbij from the SDF in December 2024, SNA factions were reportedly involved in looting homes and shops owned by Kurds. Fearing arrest or murder, many Kurdish residents fled the city.
In January and February 2025, according to sources, Military Police and the Suleiman Shah Brigade (al-Amshat) made arrests in Afrin, including people returning to the area, with some cases involving extortion for their release. On 7 February 2025, one day after the Military Police entered Afrin, it reportedly arrested six people, four of whom were accused of ‘raising pro-SDF slogans while welcoming the General Security delegation,’ releasing them 18 days later. While arrests by SNA decreased in March, according to reports, hundreds of people have remained in detention in SNA-run prisons, supervised by Türkiye. As noted by STJ in April 2025, Afrin prisons and detention centres remained operational and were reportedly used to hold large numbers of Kurdish detainees arrested by various SNA factions ‘on pretextual charges’ such as alleged affiliation with the PKK, SDF, or DAANES.
After the change of the government, Kurdish families who had been displaced from Afrin and other areas affected by the Türkiye-led military operation ‘Olive Branch’ since 2018 started returning to their villages. At the beginning of April 2025, media outlet Welet, citing the EKNS in Afrin, reported that more than 20 000 Kurdish families had returned. According to Syria Direct, the number of returnees to Afrin has increased in April 2025, reportedly raising the Kurdish population in the city to an estimated 60-70 % of its total population. In March 2025, Rudaw reported that some settler families of displaced Arabs had left Afrin, abandoning, in some cases, entire villages. As reported at the end of April 2025, in some villages, up to 90 % of former residents have retuned, though return rates vary across the region. By the end of May 2025, many settlements in Afrin were reportedly abandoned after SNA families had left.
As reported by Syria Direct on 30 April 2025, the new government has not made any official announcement to encourage their return and guarantee the safety of returnees. Furthermore, as noted by Rudaw in April 2025, there has been no decision of the new government to support the return to Afrin, with some returnee families returning on their own and others with the assistance they receive from the ENKS.
In April 2025, sources noted that the continued presence of SNA militias in Afrin have been preventing Kurdish IDPs from returning. Many Kurdish returnees faced difficulties reclaiming their homes taken over by SNA commanders and fighters or Syrians displaced from elsewhere in the country. Returnees often faced demand for payment to reclaim their homes, with Al-Amshat reportedly extorting between 2 000 and 5 000 US dollars from returning families and imposing taxes on olive farmers. Between December 2024 and January 2025, SNA fighters reportedly detained nine Afrin residents over unpaid taxes, extorting demanding up to 3 800 US dollars from each to be released. As reported in April 2025, in Rajo, Afrin district, the SNA’s Ahrar al-Sharqiya faction was extorting shop owners and seizing properties of displaced persons.
In addition to violations of house, land, and property rights and ‘potential tensions with host communities’ during return to northern Aleppo, the Kurds continuously faced denial of access to civil documentation and basic services. While, as noted by the European Network on Statelessnes (ENS), the change of government in Syria could offer an opportunity to address the issue of statelessness, which affects part of the Kurdish population, no information was found regarding the legal status of the stateless Kurds under the interim government. […]
5.2.1. Türkiye
Türkiye maintained control over northern border areas and deepened its cooperation with the interim government, notably facilitating the transfer of administrative control in Afrin from the SNA to interim authorities. Türkiye and the interim government reportedly began talks on a joint defence pact, which included Turkish proposals to establish new bases, use Syrian airspace, and lead the training of Syrian military forces.
Türkiye welcomed the March 2025 agreement between Damascus and the SDF and has since largely refrained from military action against the SDF. According to International Crisis Group’s assessment, Türkiye seems to have four key demands: the disbandment of the Kurdish People’s Protection Units (YPG), the removal of PKK-affiliated cadres from the SDF, containment of Kurdish self-governance in northern Syria, and not having SDF as the sole political representative of the Kurds in dealings with the interim government.
Türkiye has also sought to contain Israel’s military action in Syria, particularly to avert incidents that would affect its own military presence in the country. An agreement was reportedly reached in May between the two sides, including the establishment of a hotline to prevent conflicts. In the context of the Israel military campaign against Iran in June, Türkiye president Recep Tayyip Erdogan defended Iran’s response as legitimate and described Israel prime minister Benjamin Netanyahu as ‘the biggest threat to regional security’.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch:
Einsichtnahme in den vorgelegten Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl samt den dort einliegenden Unterlagen, dabei insbesondere in den Bescheid des BFA, in die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, den Gerichtsakt und das Verhandlungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;
das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Syrien, Version 12, samt den darin genannten Quellen, vom 08.05.2025, abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/laender/arabische-republik-syrien/coi-cms, und das im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeführte Konvolut an Länderinformationen;
Einsichtnahme in die aktuelle Karte betreffend die Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, abrufbar unter: https://syria.liveuamap.com/ und die aktuelle Karte betreffend die historische Kontrolle von Akteuren in Syrien, abrufbar unter: https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploringhistorical-control-in-syria.html;
Einholung von Auskünften aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt (OZ 2 und 6).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde (Aktenseite = AS, AS 11f, 36f), in der Beschwerde, vor dem BVwG (Verhandlungsprotokoll vom 07.05.2025 = VP, VP Seite 3f) und aus dem vorgelegten Auszug aus dem Personenstandsregister und der Geburtsurkunde.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seiner familiären Situation und seiner Schulausbildung in Syrien gründen auf den diesbezüglichen im gesamten Verfahren schlüssigen und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (AS 11-17), vor der belangten Behörde (AS 36-40), in der Beschwerde und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Verhandlungsprotokoll 02.06.2025 = VP, VP Seiten 3-4).
Aus den vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass XXXX (bzw in den Schreibweisen XXXX und XXXX ) der Geburtsort des Beschwerdeführers ist (AS 69 ff). Der Beschwerdeführer legte in der Verhandlung glaubwürdig dar, dass sich seine Familie nur vorübergehend zum Zwecke der Ausbildung in Aleppo aufgehalten habe, die Familie des Beschwerdeführers allerdings regelmäßig nach Afrin zurückkehrte und engste Verbidnungen zu Afrin bestehen (VP, S. 4ff).
Die Unbescholtenheit des BBeschwerdeführers in Österreich geht aus amtswegig eingeholten Strafregisterauszügen hervor (OZ 2 und 6).
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
2.2.1. Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 08.05.2025, Version 12, ergibt sich in Verbindung mit der Einsicht in die „SyriaMap“ des Carter Centers im Entscheidungszeitpunkt, dass sich der Herkunftsort des Beschwerdeführers unter der Kontrolle der Operation ‘Olive Branch’ bzw der mit der Türkei verbündeten Gruppen steht.
2.2.2. Aus dem Bericht der Asylagentur der Europäischen Union, EUAA, COI Report – Syria: Country Focus, vom Juli 2025 ergibt sich, dass die Türkei weiterhin die nördlichen Grenzgebiete kontrolliert. Mitte Februar 2025 hat Interimspräsident Ahmed al-Sharaa bei einem Besuch in Afrin versprochen, die Kontrolle der neuen Regierung in der Region auszuweiten und Verstöße wie willkürliche Verhaftungen, Erpressungen, Beschlagnahmungen von Eigentum uÄ durch die von der Türkei unterstützten SNA-Fraktionen, die das Gebiet seit 2018 kontrollieren, zu beenden (S. EUAA Country Focus, S. 40). Tatsächlich sind im Februar 2025 Streitkräfte des syrischen Ministeriums für Allgemeine Sicherheit in die nordwestsyrische Stadt Afrin einmarschiert (LIB, S. 32). Auch gab die syrische Übergangsregierung an, die SNA seien in die syrische Armee integriert worden, allerdings steht diese nicht vollständig unter Kontrolle der syrischen Übergangsregierung. Einheiten wie die Suleiman Shah Brigade agieren unabhängig vom Verteidigungsministerium (S. EUAA Country Focus, S. 24).
Die anhaltende Präsenz von SNA-Milizen in Afrin hindert kurdische Binnenvertriebene an der Rückkehr. Viele kurdische Rückkehrer hatten Schwierigkeiten, ihre von SNA-Kommandeuren und -Kämpfern oder aus anderen Teilen des Landes vertriebenen Syrern besetzten Häuser zurückzufordern. Die Ahrar-al-Sharqiya-Fraktion der SNA erpresste im Distrikt Afrin, Ladenbesitzer und beschlagnahmte Eigentum von Vertriebenen. Die Gefängnisse in Afrin bleiben weiter in Betrieb und eine große Zahl kurdischer Gefangener, die aufgrund einer angeblichen Zugehörigkeit zur PKK, den SDF oder DAANES festgenommen worden waren, ist weiterhin inhaftiert. Weiterhin ist die Gefahr willkürlicher Verfolgung durch die SNA und weiterer pro-türkischer Milizen gegeben. Auch dem EUAA Country Guidance aus Juni 2025 ist zu entnehmen, dass es keine merkbare Verbesserung bzgl Verfolgungshandlungen durch die SNA gäbe (Vgl. EUAA: Country Guidance, S. 35: „Before the fall of the Assad regime, the Syrian National Army (SNA) subjected Kurds to persecution (e.g. militia violence, illegal detention, abduction, torture and ill treatment against civilians) and there is no information available indicating that their approach towards Kurds has changed“). Dies deckt sich auch mit den Berichten des Beschwerdeführers, der von willkürlichen Übergriffen auf Kurden berichtete (VP, S. 8f). Speziell im nördlichen ländlichen Bereich, aus dem der Beschwerdeführer stammt, ist das Risiko willkürlicher Übergriffe als weiterhin maßgeblich vorhanden anzunehmen.
2.2.3. Bei der Bestimmung der Heimatregion kommt es vor allem darauf an, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat. Übertragen auf den gegenständlichen Fall kommt das erkennende Gericht zum Ergebnis, dass im syrischen Staatsgebiet engste Bindungen des Beschwerdeführers zum Distrikt Afrin im Gouvernement Aleppo vorliegen. Der Beschwerdeführer gab zwar an zeitweise auch in Aleppo gelebt zu haben, dies geschah jedoch nur zwischenzeitlich und zu Ausbildungszwecken. Auch in diesen Zeiten hat der Beschwerdeführer die Sommer in seinem Heimatdorf verbracht. Die Angaben des Beschwerdeführers stimmen mit den vorgelegten Dokumenten, die belegen, dass der Beschwerdeführer in XXXX geboren ist, überein. Die letzen drei Jahren vor der Ausreise in Richtung Türkei verbrachte der Beschwerdeführer wieder in seinem Heimatdorf, das zu dieser Zeit unter Kontrolle der kurdischen Milizen gestanden erst. Erst nach der Ausreise des Beschwerdeführers, konkret im April 2018 geriet der Heimatort unter Kontrolle der Gruppierungen der Operation ‘Olive Branch’.
2.3. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Syrien
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, sich zu den durch den Sturz des Regimes des Bashar al-Assad geänderten Verhältnissen Stellung zu nehmen. Die geänderte Situation wurde ebenso in der Verhandlung am 27.05.2025 erläutert.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A) Stattgebung der Beschwerde:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 12.12.2024, Ra 2024/19/0239). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472). Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN). Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
3.1.2. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein. Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0491).
3.1.3. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
3.1.4. Es ist im Lichte der Feststellungen glaubhaft, dass sich der Beschwerdeführer, der der Volksgrupper der Kurden angehört, fürchtet, in ein in der Hand der Türkei und den mit dieser verbündeten Milizen kontrolliertes Gebiet zurückzukehren. Die aktuellen Länderberichte betreffend Nordsyrien lassen erkennen, dass das Vorgehen der in der Heimatregion des Beschwerdeführers herrschenden, mit den türkischen Streitkräften verbündeten Milizen gegen die kurdischen Zivilisten – zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vor – vom Motiv der ethnischen Vertreibung dieser Volksgruppe aus dem betreffenden Gebiet getragen ist. Die Feststellungen zur Lage in diesen Gebieten legen dar, dass die Türkei und die mit dieser verbündeten Milizen versuchen, die Kurden in diesen Gebieten unter Einsatz von Gewalt und anderen extralegalen Mitteln zu marginalisieren, um Wohn- und Lebensraum für arabische Sympathisanten zu gewinnen. Eine bedeutende Verbesserung der Situation der Kurden in Afrin seit dem Sturz des Regimes des Bashar al-Assad war den Länderberichten nicht zu entnehmen, da insb auch die neue syrsische Übergangsregierung gute Kontakte und Verbindungen zur türkischen Regierung pflegt.
Das Beweisverfahren hat daher ergeben, dass zum Entscheidungszeitpunkt das Vorgehen der in der Heimatregion des Beschwerdeführers herrschenden, mit den türkischen Streitkräften verbündeten Milizen gegen kurdische Zivilisten vom Motiv der ethnischen Vertreibung der Kurden getragen ist und die Verfolgungsbefürchtungen des Beschwerdeführers für den Fall einer Rückkehr in seine Heimatregion im konkreten Fall asylrelevant sind. Da Asylausschluss- oder -endigungsgründe nicht vorliegen, ist daher der Beschwerde statt zu geben und dem Beschwerdeführer des Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.
3.2. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben.