Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2025, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 11.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am darauffolgenden Tag wurde die Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie an: „Ich wurde von einem Menschenhändlerring weggebracht. Eine Frau ist zu meiner Mutter gegangen und hat gesagt, dass sie mich in ein College bringen wird. Ich und meine Mutter waren einverstanden. Ich bin dann mit dieser Frau mitgegangen. Wir sind in Lagos in ein Flugzeug eingestiegen. Da ich keine Dokumente hatte, hat die Frau einen Reisepass beim Flugzeug vorgewiesen. Das war aber nicht mein Reisepass. Auf dem Foto war nur eine Person, die mir ähnlich gesehen hat. Im Flugzeug habe ich geschlafen. Ich kann daher nicht sagen, wie lange ich geflogen bin. Wir sind danach in ein Haus gefahren. Dort wurde ich eingesperrt. Mir wurde dort gesagt, dass ich nicht in ein College gehen werde, sondern als Prostituierte arbeiten muss. Mir wurde auch gedroht, dass ich meiner Mutter nichts sagen darf. Die Frau hat mir auch angedroht, dass sie mich umbringen wird. Als die Frau eingeschlafen ist, ist es mir nach ca. 1 Woche gelungen, aus dem Haus zu flüchten. Ich bin dann ca. 3 Stunden gelaufen. Dann bin ich zu einem Bahnhof gekommen und in einen Zug eingestiegen. Im Zug bin ich wieder eingeschlafen. Ich hatte keine Ahnung wo ich bin bzw. wo ich hinfahre. Im Zug hat mich dann ein Mann angesprochen, da ich geweint habe. Er hat zu mir gesagt, dass er mich an einen sicheren Ort bringen wird. Er hat mich dann zur Polizei gebracht. Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich weiß auch nicht genau, in welchem Land.“. Zu ihrer Rückkehrbefürchtungen gab sie an: „Dass ich wieder entführt oder getötet werde. Ich habe Angst.“.
Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde nach einem mit Italien durchgeführten Dublin-Konsultationsverfahren aufgrund der Zuständigkeit Italiens mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2017 im Beschwerdewege als unzulässig zurückgewiesen, die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin und die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Italien bestätigt.
Ihrer geplanten Außerlandesbringung entzog sich die Beschwerdeführerin in weiterer Folge, indem sie in die Anonymität abtauchte und für die belangte Behörde nicht mehr greifbar war.
I.2. Am 26.07.2018, somit nach Ablauf der Überstellungsfrist nach Italien, stellte die Beschwerdeführerin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag wurde die Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie an: „Das BFA hat mir meine ersten Gründe für das Asylverfahren nicht geglaubt, jetzt haben sie gesagt, ich soll noch einmal um Asyl ansuchen. Ich habe 2016 Nigeria wegen einer Krise verlassen. Mein Bruder hat 2010 jemanden umgebracht. Meine Tante, mein Bruder und ich haben ständig den Wohnort gewechselt. Wir zogen dann nach Kanu. Ich ging dort auch zur Schule. Nachdem mein Bruder jemanden umgebracht hatte, sagte mein traditioneller Führer, der „Oba of Benin“, dass alle Mitglieder der Familie getötet werden müssen. Ich habe dann Nigeria verlassen, weil der „Oba of Benin“ und andere Leute uns nach dem Leben trachteten. In Kanu gab es Boku Haram, die Leute umgebracht haben.“. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen gab sie an: „Ich könnte umgebracht werden, meine ganze Familie ist umgebracht worden, unser Haus ist abgebrannt.“.
Am 28.08.2018 fand eine niederschriftliche Einvernahme bei der belangten Behörde statt und führte die Beschwerdeführerin aus: „Mein Bruder hat jemanden umgebracht. Er hat zwei Personen umgebracht. Jeder ist aus dem Haus gelaufen. Es handelte sich um zwei bekannte Filmschauspieler. Das Haus wurde niedergebrannt. Der Oba von Benin hat einen Fluch ausgesprochen. Er hat einen Fluch über die Familie gebracht. Jeder aus dieser Familie soll umgebracht werden. Jeder musste also davonlaufen. Meine Mutter brachte uns nach Kano.“.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.11.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 09.11.2018 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.
Die Frist für eine freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin endete am 15.04.2019. Sie kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.
I.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.04.2021 wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 52 FPG eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 in der Dauer von 2 Jahren erlassen. Diese Entscheidung erwuchs mit 07.05.2021 in erster Instanz in Rechtskraft.
I.4. Am 27.06.2024 stellte die Beschwerdeführerin ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz. Bei ihrer Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab sie an: „Es gibt mehr Entführungen und es werden Menschen von einer Gruppe von Jugendlichen umgebracht werden.“. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen gab sie an: „Das ich entführt werde und ich fühle mich unsicher.“
Am 04.07.2024 wurde die Tochter der Beschwerdeführerin in Österreich nachgeboren.
Am 04.02.2025 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Seitens der belangten Behörde dazu befragt, warum sie einen dritten Asylantrag gestellt habe, gab sie an: „Ich war illegal in Österreich aufhältig. Es ist riskant für mich, in einem Land zu sein, indem die Behörden nichts von meiner Anwesenheit wissen und deshalb habe ich den Asylantrag gestellt.“. Zu ihrer Rückkehrbefürchtung vermeinte sie: „Es gibt Entführer in Nigeria und auch Kulte. In Nigeria ist es egal ob man reich oder arm ist, man kann immer entführt werden.“.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.02.2025 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde angeführt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin wohl asylzweckbezogen angelegt worden sei, in dieser Form aber weder nachvollziehbar noch glaubwürdig gewesen sei, und die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche. Vielmehr könne aus dem Auftreten der Beschwerdeführerin geschlossen werden, dass sie den Asylantrag nur zum Zwecke der Aufenthaltserlangung in Österreich gestellt habe.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2025 übermittelte die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung dem Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.02.2025. Inhaltlich wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde übersehe, dass am 04.07.2024 das Kind der Beschwerdeführerin zur Welt gekommen sei und dieses nach seinem Vater die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Abgesehen davon, dass sich daraus ein aus den Rechten des Kindes aus Art. 20 AEUV abzuleitendes Aufenthaltsrecht ergebe, weshalb das gegen die Beschwerdeführerin zuvor verhängte Einreiseverbot wohl untergegangen sei, übersieht die belangte Behörde ihre Vulnerabilität als im Falle der Rückkehr alleinstehende Mutter. 70% der nigerianischen Bevölkerung lebe am Existenzminimum, viele Menschen haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem oder zu Wasser und Strom. Die Gruppe der alleinstehenden Frauen sei von dieser Situation besonders betroffen und hänge stark von ihren persönlichen Voraussetzungen und Beziehungen zu Verwandten, Freunden und Institutionen wie der Kirche ab. Alleinstehende Frauen seien in Nigeria von Menschenhandel und Zwangsprostitution bedroht. Dass sie die Mutter im Heimatdorf aufnehmen werde, sei unwahrscheinlich, habe sie doch außerhalb der Ehe ein Kind bekommen, dies sei in meiner Heimat sozial geächtet, im Heimatdorf gebe es außerdem nichts, weshalb sie ihre Mutter auch unterstützen müsse. Auch eine Rückkehr ohne Vermögen führe zur Ächtung. Bei rechtsrichtiger Bewertung ihrer Situation bei Rückkehr und der Situation des Kindes hätte ihr die Behörde subsidiären Schutz zuerkennen müssen.
Mit Schriftsatz vom 28.03.2025, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 02.04.2025, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias. Ihre Identität steht fest. Sie gehört der Volksgruppe der Edo an und gibt an, sich zum christlichen Glauben zu bekennen.
Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig.
Die Beschwerdeführerin verfügt über Schulbildung, hat vor ihrer Ausreise schon etwas Berufserfahrung sammeln können und beherrscht die englische Sprache in Wort und Schrift sowie Edo.
In Nigeria leben noch Angehörige der Beschwerdeführerin, wie etwa ihre Mutter und ihre Schwester, zu welchen auch Kontakt besteht.
Die Beschwerdeführerin hält sich seit ihrer ersten Antragstellung auf internationalen Schutz am 11.08.2016, abgesehen von einem Aufenthalt in Italien von September 2023 bis März 2024, in Österreich auf.
Die Beschwerdeführerin ist ledig. Im Juli 2024 wurde ihre Tochter in Österreich geboren, welche sowohl nigerianische als auch österreichische Staatsangehörige ist. Die Beschwerdeführerin ist für ihre Tochter obsorgeberechtigt und lebt mit dieser im gemeinsamen Haushalt. Vom Kindsvater ist die Beschwerdeführerin mittlerweile getrennt und lebt dieser nicht mit ihr und der gemeinsamen Tochter im gemeinsamen Haushalt, er besucht sie allerdings ein- bis zweimal pro Monat und bezahlt einen Unterhalt in Höhe von € 150,--.
Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführerin:
Es ist der Beschwerdeführerin nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.
Im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria wird sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
1.3. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:
Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
1.3.1. Sicherheitslage
Neben bzw. zum Teil aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage sieht sich Nigeria mit einer beispiellosen Welle unterschiedlicher, sich überschneidender Sicherheitskrisen konfrontiert. Fast jeder Teil des Landes ist aktuell von Gewalt und Kriminalität betroffen (ÖB Abuja 10.2024; vgl. EUAA 6.2024). Dies umfasst Banditentum (EUAA 6.2024), (Kindes)Entführungen (ÖB Abuja 10.2024; vgl. EUAA 6.2024, FH 2024), Raub, Klein- und Cyberkriminalität (ÖB Abuja 10.2024; vgl. EUAA 6.2024), Verbrechen, Terrorismus/Aufstände, Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen, Landstreitigkeiten (ÖB Abuja 10.2024; vgl. EUAA 6.2024, FH 2024), Ausbruch von Krankheiten, Proteste und Demonstrationen. In jüngster Zeit konnte eine Eskalation von einigen Konflikten beobachtet werden. In vielen Konflikten und Spannungen in Nigeria wird die Religion als mobilisierender Faktor eingesetzt. Dies gilt vor allem für den Konflikt im Nordosten mit der anhaltenden Präsenz und Gewalt durch Boko Haram und den Islamic State West Africa Province (ISWAP) sowie in Zentralnigeria zwischen überwiegend muslimischen, nomadischen Hirten und überwiegend christlichen Bauern im Kampf um knappe Ressourcen (ÖB Abuja 10.2024). Den nigerianischen Sicherheitskräften wurden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, darunter wahllose Luftangriffe (EUAA 6.2024).
Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch in anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen (AA 11.9.2024). Politische Kundgebungen, Proteste und gewalttätige Demonstrationen können im ganzen Land unangekündigt stattfinden (FCDO 20.8.2024). Im Zusammenhang mit den #EndBadGovernance-Protesten war es in der Woche ab dem 1.8.2024 an mehreren Orten in Nigeria zu, zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften gekommen, bei denen laut Medienberichten mindestens sieben Menschen ums Leben gekommen sind. Sicherheitskräfte hatten mehr als 700 Personen festgenommen. Die Bevölkerung Nigerias leidet derzeit unter einer Wirtschaftskrise (BAMF 9.9.2024). Medienberichten zufolge haben Polizeikräfte am 1.10.2024 Tränengas gegen Hunderte von Personen eingesetzt, die an der sogenannten #FearlessInOctober-Demonstration in der Hauptstadt Abuja teilnahmen. Die seit Wochen vor allem über soziale Medien angekündigten und organisierten Proteste an Nigerias Unabhängigkeitstag sind Teil einer landesweiten Bewegung, die u. a. ein Ende der hohen Lebenshaltungskosten sowie eine bessere Regierungsführung fordert. Die Demonstrationen vom 1.10.2024 stehen in Zusammenhang mit den o.g. mehrtägigen #EndBadGovernance-Demonstrationen, bei denen mehrere Personen zu Tode kamen (BAMF 7.10.2024).
Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 wurden in Nigeria in 1.130 registrierten Entführungsfällen 7.568 Personen entführt (im Vergleich 2023: 3.620 Personen in 582 Fällen). Mehr als die Hälfte der Entführungen fand in den drei Bundesstaaten Zamfara und Katsina (beide im Nord-Westen) und Kaduna (im Zentrum des Landes) statt. Meist sind die Entführungen mit Lösegeldforderungen verbunden. Die Dunkelziffer der tatsächlichen Entführungen dürfte deutlich höher liegen, da Lösegeldzahlungen seit April 2022 unter Strafe stehen und daher Betroffene Entführungen oftmals nicht bekannt geben (ÖB Abuja 10.2024).
Im Nordosten, im Nordwesten und im Zentrum Nigerias verschlechtert sich die Sicherheitslage (AA 21.12.2023). ISWAP (Islamischer Staat Westafrika Provinz), Boko Haram und Ansaru setzen ihre Angriffe auf nigerianische Regierungs- und Sicherheitskräfte und Zivilisten in den nördlichen und zentralen Regionen Nigerias fort. Bei den Angriffen der Boko Haram wird offenbar nicht zwischen Zivilisten und Regierungsbeamten unterschieden, während die ISWAP ihre Angriffe im Allgemeinen auf die Regierung und die Sicherheitskräfte konzentriert und ihre Bemühungen um die Einrichtung von Schattenregierungsstrukturen ausweitet. Im Jahr 2022 bekämpften sich Boko Haram und ISWAP weiterhin gegenseitig, wobei Boko Haram erheblich geschwächt wurde, während ISWAP seine geografische Präsenz ausgeweitet hat (USDOS 30.11.2023).
Im Jahr 2023 wurden im Nordwesten Banditenbanden für Entführungen, sexuelle Gewalt und Plünderungen verantwortlich gemacht, während im Nordosten ein Wiedererstarken des ISWAP zu verzeichnen war. Die Nord-Zentral-Region und der Nordwesten waren die beiden geopolitischen Zonen, die am stärksten vom Banditentum betroffen waren (EUAA 6.2024). Im Nordwesten des Landes ist organisierte Bandenkriminalität präsent, v. a. in den Bundesstaaten Zamfara, Katsina und Kaduna. Bei schweren Überfällen auf Dörfer werden dabei regelmäßig Zivilisten getötet, verschleppt und vertrieben (AA 21.12.2023). Der Nordwesten Nigerias (Bundesstaaten: Kaduna, Kano, Jigawa, Kebbi, Sokoto, Zamfara) erlebt einen komplexen, multidimensionalen Konflikt, den verschiedene Banden und ethnische Milizen gegen die Regierung führen. Trotz der sich konstant verschlechternden Situation infolge der hohen Anzahl an Überfällen mit Schwerverletzten und Toten bekommt dieser Konflikt im Vergleich zum Terrorismus-Problem wenig Aufmerksamkeit von der internationalen Gemeinschaft (ÖB Abuja 10.2024).
Im Nordosten erfolgen Angriffe vorwiegend durch Boko Haram sowie ISWAP, die ihre Basis in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa haben. Seit 2021 gibt es auch Angriffe von Terrorgruppen in den Bundesstaaten Niger, Kaduna, Kogi, Bauchi, Ondo, Zamfara, Taraba, Jigawa, Sokoto, Edo und Kano, wie auch im Federal Capital Territory (FCT) (FCDO 20.8.2024).
Seit vielen Jahren gibt es in Nigeria gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen nomadischen Viehhirten (muslimische Hausa und Fulani) und sesshaften Bauern (überwiegend christlich). Der Konflikt breitet sich im ganzen Land aus, aber vor allem der „Middle Belt“ in Zentralnigeria ist besonders betroffen (ÖB Abuja 10.2024; vgl. FH 2024). Im Middle Belt und in der Nord-Zentral-Region setzte sich der Konflikt zwischen Bauern und Hirten fort, bei dem es zu Todesfällen kommt (EUAA 6.2024). Beide Seiten machen sich Hassreden und Gewaltverbrechen schuldig. Standen zu Beginn vor allem die Bundesstaaten Kaduna und Plateau im Zentrum der Auseinandersetzungen, haben sich diese südlich nach Nasarawa, Benue, Taraba und Adamawa ausgeweitet (AA 21.12.2023). Bei Zusammenstößen um begrenzte Ressourcen wurden bereits Tausende Menschen getötet sowie Sachbeschädigungen, Brandschatzungen und Vergewaltigungen begangen (ÖB Abuja 10.2024). Es handelt sich hierbei inzwischen um den Konflikt mit den meisten Todesopfern im Land (AA 21.12.2023).
Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt latent konfliktanfällig. In Nigeria selbst haben die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und der seit 2017 als „terroristische Vereinigung“ verbotenen IPOB (Indigenous People of Biafra) zugenommen (AA 21.12.2023). Es besteht eine hohe Gefahr für Entführungen und anderen bewaffneten Angriffen auf Öl- und Gasanlagen im Nigerdelta. Dies gilt auch für Anlagen auf See (FCDO 20.8.2024). Im Niger-Delta (Zentrum der Erdöl- und Erdgasindustrie) klagt die dortige Bevölkerung über massive, auch durch internationale Ölförderkonzerne verursachte, Umweltdegradation, jahrzehntelange Benachteiligung, kaum vorhandene Infrastruktur oder Bildungseinrichtungen und Korruption (AA 21.12.2023).
Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In allen Regionen können unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser, gesellschaftlicher oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das westliche Taraba und das östliche Nasarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. inner-ethnischen Konflikten zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie organisierten kriminellen Banden betroffen. In den südöstlichen und südlichen Bundesstaaten Imo, Rivers, Anambra, Enugu, Ebonyi und Akwa-Ibom kommt es derzeit gehäuft zu bewaffneten Angriffen auf Institutionen staatlicher Sicherheitskräfte. Die nigerianische Polizei hat nach einem erheblichen Anstieg von Sicherheitsvorfällen am 19.5.2021 die "Operation Restore Peace" in diesen Bundesstaaten begonnen. Dies kann lokal zu einer höheren polizeilichen Präsenz führen. In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt. Auch Angriffe auf dort tätige humanitäre Hilfsorganisationen waren zu verzeichnen. In den nördlichen bzw. nordwestlichen Bundesstaaten, insbesondere im Grenzgebiet zu Niger, kommt es verstärkt zu Entführungen und schweren Gewaltakten, deren Urheberschaft nicht eindeutig ist, die aber unter Umständen ebenfalls terroristischen Gruppen zuzuschreiben sind (AA 11.9.2024).
Im Jahr 2023 berichtete Nigeria Watch, dass die Hauptursachen für Gewalt und Todesfälle im Land kriminelle Aktivitäten waren, gefolgt von politischen und religiösen Problemen und Verkehrsunfällen. Im Jahr 2023 sank die Zahl der Todesopfer durch Banditentum auf dem Land und Gegenmaßnahmen der Regierung auf 892 gegenüber 5.725 Todesopfern im Jahr 2022. Im Jahr 2023 war der Bundesstaat Borno mit 29,03 Todesopfern pro 100.000 Einwohner der gefährlichste Bundesstaat Nigerias, was vor allem auf den Boko-Haram-Konflikt zurückzuführen ist. Dicht darauf folgten die Bundesstaaten Plateau (14,29) und Benue (12,68). In krassem Gegensatz dazu erwies sich Ekiti mit nur 0,73 Todesopfern pro 100 000 Einwohner als der friedlichste Bundesstaat. Weitere Staaten mit niedrigen Todesraten waren Kano (1,12), Akwa Ibom (1,25) und Oyo (1,3) (NiWa o.D.).
Die nigerianische Armee ist in allen 36 Bundesstaaten des Landes im Einsatz; im Nordosten führt sie Operationen zur Aufstandsbekämpfung und Terrorismusbekämpfung gegen die Terrorgruppen Boko Haram und ISWAP durch, wo sie zeitweise bis zu 70.000 Soldaten eingesetzt hat und seit 2009 schätzungsweise 35-40.000 Menschen, zumeist Zivilisten, durch dschihadistische Gewalt getötet wurden; im Nordwesten sieht sie sich einer wachsenden Bedrohung durch kriminelle Banden - im Volksmund Banditen genannt - und Gewalt im Zusammenhang mit langjährigen Konflikten zwischen Bauern und Hirten sowie durch Boko Haram- und ISWAP-Terroristen ausgesetzt. Die Zahl der Banditen im Nordwesten Nigerias wird auf etwa 10.000 geschätzt, und die Gewalt dort hat seit Mitte der 2010er-Jahre mehr als 10.000 Menschen getötet. Das Militär schützt auch weiterhin die Ölindustrie in der Region des Nigerdeltas vor militanten und kriminellen Aktivitäten; seit 2021 wurden zusätzliche Truppen und Sicherheitskräfte in den Osten Nigerias entsandt, um die erneute Agitation für einen Staat Biafra zu unterdrücken (CIA 28.5.2024).
Nach Angaben des Verteidigungshauptquartiers (Defence Headquarters, DHQ) vom 29.8.2024 haben Mitglieder des nigerianischen Militärs seit Anfang August 2024 landesweit rd. 1.170 als Terroristen bezeichnete Mitglieder bewaffneter Gruppierungen getötet und rd. 1.100 Verdächtige festgenommen. Außerdem haben sie Medienberichten zufolge insgesamt rd. 720 entführte Personen befreit sowie eine Vielzahl an Waffen und Munition sichergestellt. Unter den Getöteten sind auch Anführer der bewaffneten Gruppierungen. Im Nordosten sollen Mitglieder der Truppen der Militäroperation Hadin Kai im August 2024 rd. 300 Mitglieder gewaltbereiter Gruppen getötet, rd. 260 festgenommen und über 200 Entführte befreit haben. Über 30 Mitglieder von der für eine Abspaltung Südostnigerias eintretenden Gruppierung Indigenous People of Biafra (IPOB) und deren bewaffnetem Flügel Eastern Security Network (ESN) seien außerdem getötet worden. Zudem hätten sich insgesamt rd. 2.700 Mitglieder der islamistischen Gruppierungen Boko Haram und Islamic State West Africa Province (ISWAP) ergeben. Truppen der Operation Safe Haven, der Operation Whirl Stroke, der Operation Hadarin Daji, der Operation UDO KA sowie der Operation Whirl Punch seien im ganzen Land im Einsatz gewesen. Die getöteten Personen werden in den offiziellen Verlautbarungen des DHQ als Terroristen bezeichnet. Das DHQ verbreitet mit einer gewissen Regelmäßigkeit Erfolgsmeldungen dieser Art (BAMF 2.9.2024b).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.9.2024): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, Zugriff 13.1.2025
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.10.2024): Briefing Notes KW 41 2024, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw41-2024.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.1.2025
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.9.2024): Briefing Notes KW 37 2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2.9.2024b): Briefing Notes KW 36 2024
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (28.5.2024): The World Factbook: Nigeria, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/nigeria/#military-and-security, Zugriff 6.6.2024
EUAA - European Union Agency for Asylum (6.2024): Nigeria - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/2112320/2024_07_EUAA_COI_Report_Nigeria_Country_Focus.pdf, Zugriff 29.7.2024
FCDO - Foreign, Commonwealth Development Office [United Kingdom] (20.8.2024): Safety and security - Nigeria travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria/safety-and-security, Zugriff 13.1.2025
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105060.html, Zugriff 3.6.2024
NiWa - Nigeria Watch (o.D.): Thirteenth report on violence in Nigeria, https://www.nigeriawatch.org/media/html/Reports/NGA-Watch-Report23VF.pdf, Zugriff 29.7.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
USDOS - United States Department of State [USA] (30.11.2023): Country Report on Terrorism 2022 - Chapter 1 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2101586.html, Zugriff 29.7.2024
1.3.2. Rechtsschutz / Justizwesen
Die Verfassung sieht die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 21.12.2023; vgl. FH 2024, ÖB Abuja 10.2024, USDOS 23.4.2024). In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 21.12.2023; vgl. USDOS 23.4.2024, FH 2024). Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 23.4.2024). Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig (AA 21.12.2023; vgl. FH 2024, ÖB Abuja 10.2024). Auf allen Ebenen kann die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz durch Bestechung, die Vorenthaltung von Mitteln und die Androhung von Korruptionsverfolgung untergraben. Die Bundesregierung versucht, durch Bestechung oder Verfolgung von Korruption Einfluss auf die Justiz zu nehmen, wobei es ihr nicht immer gelingt, die Justiz zu ihren Gunsten zu beeinflussen (BS 2024). Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht (FH 2024).
Die Verfassung sieht vor, dass die Staaten neben den Zivilgerichten des Common Law auch Gerichte auf der Grundlage der Scharia oder des (traditionellen) Gewohnheitsrechts einrichten können, wobei die Zivilgerichte Vorrang vor allen anderen Gerichten haben (USDOS 15.5.2023). Die Verfassung unterscheidet zwischen Bundesgerichten (Supreme Court, Federal Court of Appeal, Federal High Court), Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten (ÖB Abuja 10.2024). Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen (AA 21.12.2023). Daneben bestehen noch für jede der 774 LGAs eigene Bezirksgerichte (District Courts) (ÖB Abuja 10.2024).
Die Justiz stützt sich auf drei Rechtsquellen: staatliches Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen gleichberechtigt zur Anwendung gelangen, sofern in den 36 einzelnen Bundesstaaten entsprechende Gerichtshöfe für Scharia- bzw. Gewohnheitsrecht eingerichtet werden. Das Eherecht gestattet nach staatlichem Recht nur die Einehe, Scharia-Recht vier und Gewohnheitsrecht eine unbegrenzte Anzahl von Ehefrauen (ÖB Abuja 10.2024).
Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 betreffend das anzuwendende Rechtssystem (Common Law oder Customary Law) durch Gesetze der Bundesstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben neben Gerichten für Common Law und Customary Law auch Scharia-Gerichte geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt-konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben auch Scharia-Berufungsgerichte eingerichtet (ÖB Abuja 10.2024). Zwölf nördliche Bundesstaaten (Bauchi, Borno, Gombe, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kebbi, Niger, Sokoto, Yobe und Zamfara) haben neben Gerichten, die staatlich kodifiziertes Recht anwenden, für personenstandsrechtliche Angelegenheiten Scharia-Gerichte eingesetzt. 2000/2001 haben diese Gerichte zusätzlich strafrechtliche Befugnisse erhalten (AA 21.12.2023).
Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die Rasse, Nationalität oder Ähnliches diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken oder sich einen Rechtsbeistand leisten können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte aufgrund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich (AA 21.12.2023). Die Verfassung sieht das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, aber die Justiz setzt dieses Recht nicht immer durch. In einigen Fällen hielt die Polizei Verdächtige fest, ohne sie über die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu informieren oder ihnen Zugang zu einem Rechtsbeistand zu gewähren. Menschenrechtsgruppen erklärten, die Regierung gewähre nicht allen vom Militär inhaftierten Terrorismusverdächtigen das Recht auf einen Rechtsbeistand, ein ordnungsgemäßes Verfahren und eine Anhörung vor einer Justizbehörde. Einige Personen, deren Fälle abgewiesen wurden, blieben Berichten zufolge ohne klare rechtliche Begründung in Haft. Die Scharia-Gerichte messen den Aussagen von Frauen und Nicht-Muslimen in der Regel weniger Gewicht bei als den Aussagen muslimischer Männer. Einige Scharia-Richter lassen zu, dass für den Nachweis von Ehebruch oder Unzucht unterschiedliche Anforderungen an die Beweisführung für männliche und weibliche Angeklagte gelten (USDOS 23.4.2024). Vor allem das Recht auf ein zügiges Verfahren wird kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 21.12.2023).
Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor Kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen. Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben. Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet. Entgegen gesetzlicher Vorgaben ist die Untersuchungshaft nicht selten länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils infrage stehenden Delikts. Außerdem bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 21.12.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Nigeria Country Report, https://bti-project.org/en/reports/country-report/NGA, Zugriff 3.6.2024
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105060.html, Zugriff 3.6.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091928.html, Zugriff 4.6.2024
1.3.3. Sicherheitsbehörden
Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 370.000 (ÖB Abuja 10.2024; vgl. CIA 24.10.2024) bzw. 360.000 Mann starken (Bundes-)Polizei [Anm.: National Police Force - NPF], die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 21.12.2023). Das Verhältnis von Polizei zu Bevölkerung liegt bei 120 zu 100.000. Aktuell wird die Gründung einer State Police auf Ebene der Bundesstaaten debattiert, die neben der NPF parallel bestehen soll und von der man sich eine Verbesserung der Sicherheitslage erwartet. Ein genauer Zeitplan für die Einrichtung ist nicht bekannt (ÖB Abuja 10.2024).
Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, häufige Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖB Abuja 10.2024). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet (AA 21.12.2023).
Die nigerianischen Streitkräfte [Anm.: die dem Verteidigungsministerium unterstehen] umfassen mit Stand 2023 schätzungsweise 135.000 Mann, davon 100.000 in der Armee, 20.000 bei Marine und Küstenwache, sowie 15.000 in der Luftwaffe. Paramilitärische Gruppen werden auf eine Gesamtstärke von 80.000 geschätzt (CIA 24.10.2024). Nach anderen Angaben verfügt Nigeria über 230.000 aktives Personal in den Streitkräften. Das Verhältnis militärisches Personal zur Bevölkerung liegt bei 102 zu 100.000 (ÖB Abuja 10.2024).
Einige Landesregierungen schufen quasi-unabhängige Sicherheitskräfte. Diese Kräfte stammen in der Regel aus demselben geografischen Gebiet oder derselben ethnischen Gruppe. Die Bundesregierung steht solchen Kräften in Abstufungen von stillschweigender Akzeptanz bis hin zu offener Feindseligkeit gegenüber (USDOS 23.4.2024). Anhaltende Kapazitätsprobleme in Verbindung mit der Politisierung der Sicherheitsvorkehrungen haben zur Entstehung einer Reihe von informellen Bürgerwehr-Gruppen mit unterschiedlichen ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten und Verbindungen zu lokalen Gemeinschaften und offiziellen staatlichen Stellen geführt (ÖB Abuja 10.2024).
Etwa 100.000 Polizisten sollen bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen als Sicherheitskräfte tätig sein. Alle Sicherheitsorgane (Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten, die sogenannten Rapid Response Squads) werden neben der Polizei auch im Innern eingesetzt (AA 21.12.2023).
Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA wird im Vergleich zu anderen Behörden mit polizeilichen Befugnissen eine gewisse Professionalität attestiert. In den Zuständigkeitsbereich dieser Behörde fällt Dekret 33, welches ein zusätzliches Verfahren für im Ausland bereits wegen Drogendelikten verurteilte, nigerianische Staatsbürger vorsieht (ÖB Abuja 10.2024).
Die Straflosigkeit ist nach wie vor ein großes Problem bei den Sicherheitskräften, insbesondere bei der Polizei, dem Militär und dem Inlandsgeheimdienst (DSS). Die Regierung ermittelt regelmäßig gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte und zieht sie für im Dienst begangene Straftaten zur Rechenschaft, aber die Ergebnisse werden nicht immer veröffentlicht (USDOS 23.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (24.10.2024): Nigeria - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/nigeria/#military-and-security, Zugriff 29.10.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024
1.3.4. NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 21.12.2023; vgl. USDOS 23.4.2024). Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. NGOs agieren in der Regel unabhängig von der Regierung, wenngleich einige regierungsnahe sind (ÖB Abuja 10.2024).
Die NGOs sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv. Das gilt auch für internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International, die in Nigeria über Regionalvertreter verfügen (AA 21.12.2023). Die professionell tätigen Menschenrechtsorganisationen sind überwiegend in den Bundesstaaten des Nigerdeltas und im muslimisch dominierten Norden tätig (ÖB Abuja 10.2024). Mehrere NGOs sind im Bereich der Demokratieförderung sehr aktiv und erhalten Hilfe von internationalen Gebern. Es gibt jedoch auch viele kleine „Demokratie“-Lobbygruppen, die mit politischen Akteuren verbunden zu sein scheinen und meist dazu dienen, Gegner zu diskreditieren (BS 2024).
NGOs beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse (ÖB Abuja 10.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Regierungsbeamte sind oft kooperativ und offen gegenüber den Ansichten dieser Gruppen (USDOS 23.4.2024). Die Regierung veranstaltet häufig Treffen mit NGOs, wobei diese Sitzungen nur wenige greifbare Ergebnisse erzielen. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (ÖB Abuja 10.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Nigeria Country Report, https://bti-project.org/en/reports/country-report/NGA, Zugriff 3.6.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024
1.3.5. Allgemeine Menschenrechtslage
Die 1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog (AA 21.12.2023; vgl. ÖB Abuja 10.2024). Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen (AA 21.12.2023). Seit Amtsantritt der Zivilregierung im Jahr 1999 hat sich die Menschenrechtssituation zwar verbessert (Freilassung politischer Gefangener, relative Presse- und Meinungsfreiheit, nur vereinzelte Vollstreckung der Todesstrafe) (ÖB Abuja 10.2024), doch bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen in vielen Bereichen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 21.12.2023), und viele Probleme bleiben ungelöst, wie etwa Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, die Scharia-Rechtspraxis, Entführungen und Geiselnahmen sowie das Problem des Menschenhandels. Zudem ist der Schutz von Leib und Leben der Bürger gegen Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht keineswegs verlässlich gesichert, und es besteht weitgehend Straflosigkeit bei Verstößen der Sicherheitskräfte und bei Verhaftungen von Angehörigen militanter Organisationen. Das hohe Maß an Korruption auch im Sicherheitsapparat und der Justiz wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (ÖB Abuja 10.2024).
Zu den schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gehören glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige und willkürliche Tötungen; gewaltsames Verschwindenlassen; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024, AI 24.4.2024); harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Misshandlungen in einem Konflikt, einschließlich Tötungen, Entführungen und Folter von Zivilisten (USDOS 23.4.2024; schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit, einschließlich Gewalt oder Drohungen gegen Journalisten und die Existenz von Verleumdungsgesetzen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024, AI 24.4.2024); Eingriffe in die friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024); schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich, aber nicht beschränkt auf häusliche und intime Partnergewalt, sexuelle Gewalt, Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung, weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung und andere schädliche Praktiken (USDOS 23.4.2024; vgl. AI 24.4.2024); das Vorhandensein oder die Anwendung von Gesetzen, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024) - zahlreiche Männer wurden aufgrund des Gesetzes zum Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe angeklagt (AI 24.4.2024); und das Vorhandensein der schlimmsten Formen von Kinderarbeit (USDOS 23.4.2024). Frauen und Angehörige sexueller Minderheiten sind allgegenwärtiger Diskriminierung ausgesetzt (FH 2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights; Nigeria 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107991.html, Zugriff 7.6.2024
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105060.html, Zugriff 3.6.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024
1.3.6. Relevante Bevölkerungsgruppen
1.3.6.1. Frauen
Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 21.12.2023, STDOK 3.12.2021) und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet (ÖB Abuja 10.2024), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024, MBZ 31.1.2023, BS 2024). Seit der Pandemie haben sich prekäre Lebensverhältnisse und Obdachlosigkeit verschlimmert, und das führt Frauen in weitere ökonomische Abhängigkeiten und Perspektivlosigkeit (LEFÖ 2023). Des Weiteren besteht Benachteiligung im Bereich der Bildung (FH 2024; vgl. MBZ 31.1.2023, BS 2024). Der Zugang dazu ist für Frauen grundsätzlich schwierig, viele von ihnen arbeiten bereits im Kindesalter in der Landwirtschaft und lernen nie richtig lesen und schreiben (LEFÖ 2023). Frauen werden in der patriarchalen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt (AA 21.12.2023; vgl. STDOK 3.12.2021). Es gibt zwar keine Gesetze, die Frauen den Besitz von Land verbieten, aber die gewohnheitsrechtlichen Grundbesitzverhältnisse erlauben nur Männern den Besitz von Land, wobei Frauen nur durch Heirat oder Familie Zugang zu Land erhalten (USDOS 23.4.2024). Des Weiteren sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.12.2023; vgl. USDOS 23.4.2024). Vor allem im Osten des Landes werden entwürdigende Witwenzeremonien praktiziert. Zum Beispiel werden Witwen gezwungen, sich den Kopf zu rasieren, oder sie werden unter Hausarrest gestellt und vergewaltigt. Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.12.2023). Frauen sind von Diskriminierungen in allen Formen betroffen (LEFÖ 2023). Sie sind formal politisch gleichberechtigt, aber restriktive gesellschaftliche Normen schränken ihre Beteiligung in der Praxis ein (FH 2024). Frauen ist es in Nigeria gesellschaftlich nicht zugedacht, Karriere zu machen. Männer gelten als Versorger der Familie (STDOK 3.12.2021).
Frauen sind in den Exekutiv- und Legislativorganen nur schwach vertreten. Ein Gesetzesentwurf zur Einführung von Geschlechterquoten im Parlament wurde 2022 abgelehnt, ebenso wie andere Gesetze, mit denen die Stellung der Frauen verbessert werden sollte (BS 2024). Die Regierung muss noch die vorgeschlagenen Änderungen der Verfassung des Landes annehmen, die darauf abzielen, die Gleichstellung und die Beteiligung von Frauen in der Politik und in Führungspositionen der Regierung zu fördern - auch durch positive Maßnahmen (HRW 11.1.2024). Nigeria hat laut Policy and Legal Advocacy Centre einen der geringsten Anteile an politischer Vertretung durch Frauen weltweit. Nach den Parlamentswahlen 2023 gewannen Frauen nur drei von 109 Sitzen im Senat und 16 von 360 Sitzen im Repräsentantenhaus, ein Rückgang gegenüber den Wahlen 2019. Seit der Demokratisierung 1999 gab es keine Staatspräsidentin; zudem gibt es derzeit keine Gouverneurin, jedoch acht stellvertretende Gouverneurinnen, eine Steigerung gegenüber zwei nach den letzten Gouverneurswahlen (ÖB Abuja 10.2024).
Gebildete Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen sowie im expandierenden Privatsektor. Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. Und Frauen nehmen zudem eine vitale Rolle in der informellen Wirtschaft, der Landwirtschaft und beim Verkauf von Nahrungsmitteln ein. Üblicherweise ist es für Frauen also – unter Berücksichtigung der allgemein hohen Arbeitslosigkeit – möglich, eine Arbeit zu finden. Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (STDOK 3.12.2021).
Die COVID-19-Krise festigt die Geschlechterungleichheit am Arbeitsmarkt (STDOK 3.12.2021; vgl. MBZ 31.1.2023). Im Juli/August 2018 haben 82 Prozent der Männer und 72 Prozent der Frauen im Arbeitsalter gearbeitet, jedoch sind diese Anteile mit Stand September 2020 auf 78 Prozent bei Männern und 65 Prozent bei Frauen gesunken (STDOK 3.12.2021). Forschungsergebnisse des International Rescue Committee und anderer Organisationen zu den Auswirkungen der COVID-19-Krise auf Frauen zeigen, dass fast 73 Prozent der befragten Frauen Probleme hatten, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen (MBZ 31.1.2023).
Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten (USDOS 23.4.2024). Frauen werden für dieselbe Arbeit nicht gleich bezahlt wie Männer, und Frauen haben als Haushaltsvorstände oft Schwierigkeiten, Geschäftskredite oder Steuerabzüge und -ermäßigungen zu erhalten (MBZ 31.1.2023).
Reproduktive Rechte sind weiter beinahe nicht-existent. Riskante Schwangerschaftsabbrüche sind für bis zu 30 Prozent der gesamten Müttersterblichkeit verantwortlich, nur wenige Frauen im gebärfähigen Alter haben Zugang zu Verhütungsmitteln und Menstruationsprodukten. Abtreibungen sind nach wie vor gesetzlich verboten (das Gesetz stammt aus der britischen Kolonialzeit), außer sie sind zum gesundheitlichen Schutz der Mutter erforderlich. Wer gegen das Gesetz verstößt, riskiert eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren (die Frau) oder 14 Jahren (die/der Ausführende) (ÖB Abuja 10.2024).
Die am weitesten verbreiteten gewalttätigen Handlungen gegen Frauen in Nigeria beinhalten sexuelle Belästigung, physische Gewalt, schädliche traditionelle Praktiken, emotionale und psychische Gewalt sowie sozioökonomische Gewalt. Vielen Opfern mangelt es an einem strukturierten Sozialsystem sowie am Zugang zu Hotlines und Notunterkünften (STDOK 3.12.2021). Häusliche Gewalt durch Ehepartner, Vergewaltigungen, sexualisierte Übergriffe und Überfälle sind weit verbreitet und betreffen eine hohe Anzahl an Frauen und Mädchen (LEFÖ 2023).
Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, körperlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken (STDOK 3.12.2021; vgl. EUAA 6.2024). Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) (STDOK 3.12.2021; vgl. EUAA 6.2024, HRW 16.1.2025) Straftatbestände dar. Durchgesetzt wird das Gesetz von NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons) (STDOK 3.12.2021; vgl. EUAA 6.2024). Das Gesetz hat inzwischen in 35 der 36 Bundesstaaten des Landes Gültigkeit, mit Ausnahme von Borno (ÖB Abuja 10.2024) Gemäß einer anderen Quelle gilt es nur in Kano noch nicht, und Ekiti und Lagos haben entsprechende aber andere gesetzliche Regelungen (EUAA 6.2024).
Im August 2024 wurde ein Gesetzentwurf zur Aufhebung des VAPP aus dem Jahr 2015 zur Prüfung in den Senat eingebracht und löste öffentliche Empörung aus. Senator Jibrin Isah, der den Gesetzentwurf für die Aufhebung und Wiederinkraftsetzung im Jahr 2022 eingebracht hat, behauptete, dass der Antrag einer Überarbeitung des Gesetzes dient (HRW 16.1.2025).
Die nigerianische Polizei verfügt in allen Bundesstaaten über eigene Gender Desks zur Betreuung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt. Vergehen können der FCIID Gender (Force Criminal Intelligence and Investigation Department Gender) der nigerianischen Polizei oder auch beim NHRC (National Human Rights Council) gemeldet werden (STDOK 3.12.2021).
Generell ist es für Frauen schwierig, rechtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen oder Entschädigung zu erhalten. Verfahren dauern sehr lange und kosten viel Geld. Zudem wird auf Opfer Druck ausgeübt. Folglich werden viele Verfahren entweder gar nicht eröffnet, oder aber sie verlaufen im Sand. Sowohl NAPTIP als auch NGOs bieten Beratung und rechtliche Unterstützung im Bereich häusliche Gewalt, auch Anwälte werden zur Verfügung gestellt. In größeren Städten – etwa Abuja, Lagos oder Port Harcourt – sind Frauen besser sensibilisiert und eher bereit, einen gewalttätigen Ehemann zu verlassen (STDOK 3.12.2021).
Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt (SGBV) ist in Nigeria weiterhin weit verbreitet. Aus dem "National Gender Based Violence Dashboard", einer vom Frauenministerium betriebenen Datenbank [abgefragt am 28.4.2024] geht hervor, dass in Nigeria 42.504 Fälle von SGBV gemeldet wurden, von denen 83,4 Prozent „offen“ blieben und 16,6 Prozent „abgeschlossen“ wurden, wobei 596 Täter verurteilt worden sind (EUAA 6.2024). Nach Angaben der Frauenministerin gab es mit Stand Oktober 2023 24.720 gemeldete Fälle von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt im Jahr 2023, darunter 975 Todesfälle (AI 24.4.2024).
Häusliche Gewalt bleibt weit verbreitet (STDOK 3.12.2021; vgl. ÖB Abuja 10.2024, AA 21.12.2023, EUAA 6.2024). Eine Vielzahl von Frauen wird im eigenen Haus Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch. Ein Gesetzesentwurf zur Bestrafung häuslicher Gewalt ist bisher von 33 der 36 Bundesstaaten angenommen worden (AA 21.12.2023). Trotzdem wird häusliche Gewalt in gewissem Maße sozial akzeptiert (STDOK 3.12.2021). Die Züchtigung eines Kindes, einer Ehefrau, von Schülerinnen oder Hausangestellten ist in den Staaten im Norden Nigerias legal, solange sie nicht zu schweren Verletzungen führt (ÖB Abuja 10.2024; vgl. AA 21.12.2023). Im Falle von häuslicher Gewalt kann sich das Opfer an die Polizei wenden, allerdings schreitet letztere nicht in jedem Fall ein. Manchmal werden Opfer wieder zum Täter nach Hause geschickt. Nach anderen Informationen ist es durchaus sinnvoll, sich an die Polizei zu wenden. Ist das Opfer verletzt, kommt es mitunter zu Verhaftungen. Der Großteil der Opfer erstattet jedenfalls bei häuslicher Gewalt keine Anzeige (STDOK 3.12.2021).
Zahlreiche Mädchen oder Frauen sind sexueller Gewalt ausgesetzt (STDOK 3.12.2021; vgl. EUAA 6.2024). Vergewaltigungen sind gesetzlich verboten, jedoch nicht innereheliche Vergewaltigung (USDOS 23.4.2024). Vergewaltigungen bleiben weit verbreitet. Im Prinzip kann sich ein Vergewaltigungsopfer an die Polizei wenden. Die Praxis gestaltet sich allerdings schwierig. Viele Mädchen und Frauen wenden sich aufgrund mangelnden Vertrauens oder aus Angst vor einem mit der Vergewaltigung einhergehenden Stigma weder an die Polizei noch an Gerichte oder Gesundheitseinrichtungen (STDOK 3.12.2021). Frauen sind außerdem Opfer von Übergriffen und Vergewaltigungen durch Polizei und Sicherheitskräfte. Frauen, die nach Verschleppung und sexuellem Missbrauch mit Kindern von Boko Haram-Mitgliedern in ihre angestammten Gemeinden zurückkehren, werden ausgegrenzt (AA 21.12.2023).
Oft kommen Zwangsehen aufgrund von Armut zustande, manchmal kommt es auch zu lange im Vorfeld arrangierten Ehen. Zwangsehen sind im Norden verbreiteter als im Süden. Im Fall einer drohenden Zwangsehe können sich Betroffene an eine kirchliche Institution oder an traditionelle Führer wenden. Meist hilft aber nur die Flucht (STDOK 3.12.2021).
Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Genitalverstümmelung (FGM) auf nationaler Ebene [Anm.: VAPP] (USDOS 23.4.2024; vgl. STDOK 3.12.2021, EUAA 6.2024), dennoch ist FGM weit verbreitet (AA 21.12.2023). Nur 22 von 36 Bundesstaaten haben tatsächlich Gesetze zum Verbot von FGM verabschiedet (USDOS 23.4.2024). Gesetze gegen FGM werden kaum vollzogen (USDOS 23.4.2024; vgl. STDOK 3.12.2021). Die bisher verhängten, geringfügigen Geldstrafen sind bei der Bekämpfung von FGM unzureichend. Im Federal Capital Territory (FCT) kann eine Frau hinsichtlich FGM staatlichen Schutz finden; außerhalb davon gestaltet sich dies schwierig. Zwar gibt es Aufklärungskampagnen und eine nationale Strategie zur Bekämpfung von FGM, doch liegen kaum Berichte vor, wonach die Regierung gegen FGM vorgeht (STDOK 3.12.2021).
Regional bestehen große Unterschiede. Die Regionen Südost und Südwest sind am stärksten betroffen. Insgesamt ist die Verbreitung von FGM jedenfalls rückläufig (STDOK 3.12.2021). Eine am 13.12.2023 veröffentlichte wissenschaftliche Analyse von Erhebungen zur FGM-Prävalenzrate in Nigeria ab 2008 kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Anteil der von FGM betroffenen nigerianischen Mädchen mit Ausnahme der Bundesstaaten Bauchi, Kaduna und Taraba stetig zurückgeht. Ein Rückgang sei insbesondere in städtischen Gebieten und im Süden des Landes festzustellen. Die individuelle Gefahr, FGM unterzogen zu werden, erhöht sich dagegen für Mädchen, deren Mütter arm, ohne Zugang zu Bildung und Medien sowie von Entscheidungen im Haushalt ausgeschlossen sind (BAMF 23.1.2023). Die geringste Verbreitung von FGM besteht bei wohlhabenden Frauen, gebildeten Frauen und jenen, die in städtischem Milieu leben oder deren Mutter selbst nicht beschnitten ist (STDOK 3.12.2021). Gemäß Nigeria Demographic and Health Survey 2018 waren 20 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren von FGM betroffen (BAMF 23.1.2023).
Sind beide Eltern gegen FGM, können sie die Beschneidung in der Regel verhindern. Allerdings kann es zu Stigmatisierung von und/oder Druck auf Eltern und Tochter kommen. Durch einen Umzug können Eltern die Beschneidung ihrer Tochter am ehesten verhindern. Möchte sich ein Mädchen selbst nicht beschneiden lassen, dann hilft in der Regel nur die Flucht. Es gibt allerdings eine große Zahl von Organisationen, die sich mit FGM befassen (STDOK 3.12.2021). Das nigerianische Ministerium für Frauenangelegenheiten und soziale Entwicklung betreibt in fast allen Bundesstaaten Shelters für Opfer von FGM/C und stützt sich in den Bundesstaaten, in denen es keine Schutzräume gibt, auf zivilgesellschaftliche Organisationen. Diese Einrichtungen sind jedoch mit finanziellen Engpässen konfrontiert und stark auf Spenden angewiesen. Es gibt zwei Hauptorganisationen, die Frauen unterstützen, die der Genitalverstümmelung entkommen wollen: die Internationale Föderation der Juristinnen (FIDA) und die Child Protection Networks (CPNs) (EUAA 6.2024).
Menschenhandel, auch der inner-nigerianische, ist weit verbreitet. Für Opfer des Menschenhandels besteht zudem das Risiko eines „Re-Trafficking“. Gleichzeitig werden aus dem Ausland mittellos zurückkommende Nigerianerinnen als Verliererinnen stigmatisiert. Der Bundesstaat Edo ist Knotenpunkt und Quelle für den Menschenhandel, 80 bis 90 Prozent der im Rahmen von Menschenhandel nach Europa gekommenen Prostituierten stammen aus nur drei LGAs [Local Government Areas] in Edo (STDOK 3.12.2021).
Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung oder der Ausbeutung der Arbeitskraft ist verboten. Die vorgesehenen Strafen sind ausreichend streng. NAPTIP ist die zentrale Stelle für die Bekämpfung des Menschenhandels. Es sind jedoch auch viele andere Behörden eingebunden. In neun Bundesstaaten – darunter Edo – wurden Task Forces zur Bekämpfung des Menschenhandels eingerichtet. NAPTIP agiert u. a. auch als Ermittlungsbehörde. Bisher ist es NAPTIP in den vergangenen Jahren gelungen, dass mehr als 400 Täter des Menschenhandels verurteilt worden sind. Zudem hat die Behörde mehr als 17.000 Opfer gerettet. Dabei hat für Opfer die Strafverfolgung der Täter oft nur geringe Priorität. Die Opfer sind in erster Linie an ihrer eigenen (Re-)Integration interessiert (STDOK 3.12.2021). NAPTIP kann als – im nigerianischen Vergleich – durchaus effektive Institution angesehen werden, und kooperiert mit mehreren EU-Mitgliedstaaten bei der Reintegration (ÖB Abuja 10.2024).
NAPTIP implementiert den Großteil der Regierungsprogramme zur Unterstützung von Überlebenden des Menschenhandels, darunter Familienzusammenführung, Unterkünfte, Beratung, Zugang zu Gesundheitsversorgung, Ausbildung und finanzielle Unterstützung. Des Weiteren gibt es ein starkes Netzwerk nationaler NGOs, die ähnliche Dienste anbieten (STDOK 3.12.2021).
NAPTIP betreibt für Opfer von Menschenhandel Frauenhäuser im ganzen Land. Mehr als 10.000 Personen wurde dort bereits geholfen. Im FCT ist NAPTIP für die Durchsetzung des VAPP zuständig, dort können auch Gewaltopfer in NAPTIP-Frauenhäusern untergebracht werden. Neben NAPTIP gibt es auch NGOs, welche über Frauenhäuser verfügen. Meist liegt auch dort der Fokus auf Opfern des Menschenhandels. Es gibt aber auch regionale sowie bundesweit operierende NGOs, die sich um alleinstehende Frauen, sowie Opfer von häuslicher Gewalt und FGM kümmern. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen. In den meisten Schutzeinrichtungen wird auch einfache medizinische Betreuung angeboten sowie psychosoziale Beratung. Frauenhäuser sind in der Regel temporäre Unterkünfte. In den Frauenhäusern wird – wenn nötig – versucht, die Familie ausfindig zu machen. Opfer kehren nach dem Leben in einem Frauenhaus üblicherweise zu ihren Familien zurück (STDOK 3.12.2021).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights; Nigeria 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107991.html, Zugriff 7.6.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (23.1.2023): Briefing Notes KW 03 2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw04-2023.pdf?__blob=publicationFile v=5, Zugriff 22.7.2024
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Nigeria Country Report, https://bti-project.org/en/reports/country-report/NGA, Zugriff 3.6.2024
EUAA - European Union Agency for Asylum (6.2024): Nigeria - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/2112320/2024_07_EUAA_COI_Report_Nigeria_Country_Focus.pdf, Zugriff 29.7.2024
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105060.html, Zugriff 3.6.2024
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120043.html, Zugriff 20.1.2025
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103137.html, Zugriff 17.6.2024
LEFÖ - Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (2023): Monitoringbericht Projektreise Nigeria 24.10.2022-2.11.2022
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (31.1.2023): General Country of Origin Information Report Nigeria, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/directives/2023/01/31/general-country-of-origin-information-report-nigeria-january-2023/Country of Origin Information Report Nigeria January 2023.pdf, Zugriff 17.7.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (3.12.2021): Themenbericht: Zur sozioökonomischen Lage der und Gewalt gegen Frauen unter Hinzunahme der Informationen der FFM Nigeria 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066684/NIGR_THEM_Frauen_2021_12_03_KE.pdf, Zugriff 19.7.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024
1.3.6.2. (Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel
Nigeria hat einen der höchsten Prozentsätze an alleinerziehenden Müttern weltweit. In einem Artikel vom Jänner 2021 heißt es, dass 9,5 Prozent der nigerianischen Bevölkerung alleinerziehende Mütter sind; 75 Prozent davon sind zwischen 15 und 24 Jahre alt. Die jüngste NDHS-Bevölkerungserhebung aus dem Jahr 2018 zeigt, dass 14,7 Prozent der ländlichen Haushalte und 21,8 Prozent der städtischen Haushalte von Frauen geführt werden. Obwohl alleinerziehende Mütter in Nigeria im Vergleich zu den weltweiten Mustern wohlhabender und besser ausgebildet sind, sind die meisten alleinerziehenden Frauen Mütter im Teenageralter und leben in ländlichen Gebieten (MBZ 31.1.2023).
Im Allgemeinen können Frauen überall alleine leben – allerdings unter teils schwierigen Umständen. Aufgrund des vorherrschenden traditionellen Rollenbildes werden alleinlebende Frauen sozial weniger akzeptiert als verheiratete Frauen. Zahlreiche regional und bundesweit operierende NGOs unterstützen alleinstehende Frauen und Mütter in Notlage (STDOK 3.12.2021). Alleinstehende Frauen sind im Süden Nigerias häufiger anzutreffen als im Norden (MBZ 31.1.2023). Hinsichtlich der Akzeptanz alleinstehender Frauen gibt es tendenziell ein Nord-Süd-Gefälle. Im liberaleren Südwesten des Landes – und dort vor allem in den Städten – werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (STDOK 3.12.2021; vgl. MBZ 31.1.2023). Der Wechsel des Wohnorts ist für alleinstehende Frauen und Mütter ohne Netzwerk schwierig (STDOK 3.12.2021). Frauen, die sich anderswo niederlassen wollen, können dies praktisch nicht ohne eine Art soziales Sicherheitsnetz. Ihr Erfolg hängt von ihrer eigenen sozioökonomischen Situation und der Verfügbarkeit von Hilfe durch Familie und/oder Freunde ab (MBZ 31.1.2023). Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen schwierig, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 21.12.2023).
Aus europäischer Sicht ist die Lage für alleinstehende Mütter schwierig, wenn es ihnen nicht gelingt, eine Arbeit zu finden, oder wenn kein entsprechendes Netzwerk vorhanden ist. Meist ist für alleinstehende, geschiedene oder verwitwete Frauen aber ein solches familiäres Netzwerk vorhanden, um hier unterstützend einzugreifen. Und üblicherweise ist es für alleinstehende Mütter möglich, Arbeit zu finden. Die meisten von ihnen arbeiten auch – abhängig vom Bildungsgrad – z. B. in der Landwirtschaft, im Kleingewerbe, als Reinigungskraft oder Haushaltshilfe, oder sie betreiben eine Straßenküche. Kinderbetreuung kann bei besser verdienenden Frauen durch Kindermädchen erfolgen. Frauen im informellen Sektor nehmen ihre Kinder meist zur Arbeit mit (STDOK 3.12.2021).
18 Prozent der nigerianischen Haushalte werden von Frauen geführt. Alleinstehende Frauen können eigenständig Wohnungen mieten sowie leben und arbeiten – vor allem in größeren Städten wie Abuja und Lagos. Ein Großteil der bei der Fact Finding Mission (FFM) Nigeria 2019 befragten Quellen gab dies an, nur zwei Quellen gaben widersprüchlich dazu an, dass ein männlicher Bürge benötigt wird (STDOK 3.12.2021).
Die effektive staatliche Institution NAPTIP [National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons] ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen (STDOK 3.12.2021; vgl. ÖB Abuja 10.2024). Die Behörde unterhält in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros. Daneben gibt es weitere staatliche und halbstaatliche Einrichtungen zur Unterstützung von Rückkehrerinnen sowie NGOs, die Hilfe für Rückkehrerinnen anbieten. Für alleinstehende Frauen, die aus Europa zurückkehren, besteht kein generelles Stigma. Hat die Frau im Ausland Geld verdient, wird sie willkommen geheißen. Kommt sie mittellos zurück, gilt sie oft als Schande für die Gemeinschaft (STDOK 3.12.2021). NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet unter anderem auch Integrationshilfe (ÖB Abuja 10.2024).
In Nigeria sind neben den UNO-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche teilweise auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Ehefrauen der Gouverneure sind in von ihnen finanzierten gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv: Sie betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten. Daneben unterstützen sie zahlreiche Aufklärungskampagnen, zum Beispiel für Krebs-Vorsorgeuntersuchungen oder gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, unter anderem bei der Straßenreinigung (ÖB Abuja 10.2024).
Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen:
WACOL - Women Aid Collective, No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension by Akanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel: +234 (0)7035779083, +234 (0)8095757590, E-Mail: wacolnig@gmail.com, wacol@wacolnigeria.org, wacolnig@yahoo.com. [Anm.: WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste] (WACOL 16.8.2022).
WARDC - Women Advocates Research and Documentation Centre; Lagos Office: No 22, Afariogun street, off Obafemi Awolowo way, Ikeja Underbridge, Lagos; Abuja Office: No 17, Iwopin close off ondo street, behind Area 1 shopping complex, Garki-Abuja; Tel: +234(0)8180056401, +234(0)8055951858; E-Mail: info@wardcnigeria.org, womenadvocate@yahoo.com. [Anm.: WARDC ist eine Frauenrechtsorganisation in Nigeria, die Frauen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt und anderen Frauenrechtsverletzungen geworden sind, unentgeltlich Rechtsberatung anbietet. Seit seiner Gründung hat WARDC über 450 Fälle vor Gericht verhandelt, vier Sammelklagen angestrengt und durchschnittlich sechs Frauen pro Woche zu Rechts- und Sozialberatung in Fragen geschlechtsspezifischer Gewalt und anderen zivilrechtlichen Angelegenheiten, die Frauen betreffen, empfangen] (WARDC 9.11.2022).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (31.1.2023): General Country of Origin Information Report Nigeria, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/directives/2023/01/31/general-country-of-origin-information-report-nigeria-january-2023/Country of Origin Information Report Nigeria January 2023.pdf, Zugriff 17.7.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (3.12.2021): Themenbericht: Zur sozioökonomischen Lage der und Gewalt gegen Frauen unter Hinzunahme der Informationen der FFM Nigeria 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066684/NIGR_THEM_Frauen_2021_12_03_KE.pdf, Zugriff 19.7.2024
WACOL - Women Aid Collective Nigeria (16.8.2022): Contacts, https://wacolnigeria.org/contacts, Zugriff 22.7.2024
WARDC - Women Advocates Research and Documentation Centre Nigeria (9.11.2022): About Us - WARDC, https://wardcnigeria.org/about-us/#whoweare, Zugriff 22.7.2024
1.3.7. Bewegungsfreiheit
Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024) sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Die Behörden respektieren diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 23.4.2024).
In Gebieten, die häufig von Angriffen oder Plünderungen durch Boko Haram, ISWAP (Islamischer Staat Westafrika Provinz) oder mit ihnen verbundenen Gruppen betroffen sind, sehen sich die Bewohner häufig Straßensperren, Durchsuchungen und anderen restriktiven Sicherheitsmaßnahmen durch Behörden und andere bewaffnete Gruppen ausgesetzt (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024).
Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 23.4.2024). Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 21.12.2023). In den vergangenen Jahrzehnten hat eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der „Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord-Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖB Abuja 10.2024). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 21.12.2023).
Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 23.4.2024).
Für Überlandfahrten stehen mehrere Busunternehmen zur Verfügung, so z. B. ABC Transport, Cross Country Limited, Chisco und GUO Transport. Die Busse bieten Komfort, sind sicher, fahren planmäßig und kommen in der Regel pünktlich am Zielort an. Die nigerianische Eisenbahn gilt als preisgünstiges, aber unzuverlässiges Transportmittel. Günstige Inlandflüge zwischen den Städten werden von mehreren nigerianischen Fluggesellschaften angeboten. Um innerhalb einer der Städte Nigerias von einem Ort zum anderen zu gelangen, stehen Taxis, Minibusse, Dreirad, die Keke und Motorradtaxis, die Okada genannt werden, zur Verfügung (GIZ 9.2020).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105060.html, Zugriff 3.6.2024
GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (9.2020): Nigeria - Alltag
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024
1.3.8. Grundversorgung
Nigeria ist als bevölkerungsreichstes Land Afrikas (ÖB Abuja 10.2024; vgl. ABG 8.2024) mit offiziell 224 Millionen Einwohnern (geschätzt werden jedoch mehr als 230 Millionen) eine der größten Volkswirtschaften des Kontinents (ÖB Abuja 10.2024). Zwar hat es seinen Rang als größte Volkswirtschaft des Kontinents eingebüßt, wird aber auch weiterhin neben Südafrika und Ägypten zu den Top-Drei gehören. Trotz der zahlreichen Herausforderungen ist das Land ein vielversprechender Wirtschaftsstandort. Neben Öl und Gas spielen der Handel und vermehrt der Konsumgüterbereich eine Rolle. Alleine aufgrund seiner Bevölkerungsgröße ist Nigeria ein interessanter Verbrauchermarkt (ABG 8.2024) - die Vereinten Nationen gehen von einer Verdoppelung der Einwohnerzahl auf 400 Millionen bis zum Jahr 2050 aus (ABG 8.2024; vgl. ÖB Abuja 10.2024).
Nigeria befindet sich in einer Wirtschaftskrise mit hoher Inflation. Für den starken Anstieg der Lebenshaltungskosten machen viele die Wirtschaftsreformen von Präsident Tinubu verantwortlich. Die Verdoppelung der Kraftstoffpreise, steigende Lebensmittel- und Transportkosten sowie eine erhebliche Verteuerung importierter Waren sind Folgen dieser Reformen (BAMF 10.6.2024). Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die Präsident Tinubu am Anfang seiner Amtszeit getroffen hat - wie die Abschaffung der Benzinpreis-Subvention sowie des strikten Wechselkurs-Regimes - haben der Bevölkerung einen hohen Preis abverlangt. Die Inflation ist so hoch wie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr, und das Land leidet unter Devisenmangel. Der Naira hat seit Juni 2023 rund 70 Prozent seines Wertes im Vergleich zum USD verloren. Das Floaten des Naira war zwar eine notwendige Maßnahme für längerfristiges Wirtschaftswachstum, trieb die Inflation aber noch mehr an. Der Wertverlust stellt Nigerianer aus allen Einkommensschichten vor Herausforderungen. Nigeria ist ein importabhängiges Land, und importierte Produkte sind spürbar teurer geworden (WKO 9.2024).
Die nigerianische Regierung hat am 27.8.2024 unter Berufung auf eine Studie mehrerer internationaler Organisationen bekannt gegeben, dass aufgrund dessen aktuell mehr als 31,8 Mio. Nigerianer von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Besonders Frauen und Kinder sind Medienberichten zufolge betroffen. Die Ergebnisse eines internationalen Berichts deuten auf einen starken Anstieg der Anzahl an Betroffenen hin. Nach Angaben des WFP waren zwischen Oktober und Dezember 2023 noch rd. 18,6 Mio. Nigerianer von akuter Ernährungsunsicherheit bedroht. U. a. durch Überfälle von Mitgliedern bewaffneter Gruppen sind demnach sesshafte Landwirte gezwungen worden, ihre Felder zu verlassen, was zu höheren Lebensmittelpreisen und einer steigenden Inflation beigetragen hat. Nigeria ist mit der stärksten Lebenshaltungskostenkrise seit einer Generation konfrontiert (BAMF 2.9.2024a).
Die Regierung hat wenig getan, um die Auswirkungen der 2023 eingeführten Wirtschaftsreformen abzufedern. Diese Reformen, darunter die Abschaffung der Subventionierung des Kraftstoffverbrauchs und die Liberalisierung der Wechselkurse, trugen zu einer hohen Inflation bei und führten zur schlimmsten Lebenskostenkrise in Nigeria seit 30 Jahren. Im Februar 2024 nahm die Regierung ein Bargeldtransferprogramm zur Unterstützung von Familien wieder auf, nachdem es aufgrund von Unregelmäßigkeiten ausgesetzt worden war. Das Programm wurde im Oktober 2023 ins Leben gerufen und sollte letztlich 15 Millionen Familien zugutekommen, indem 25.000 Naira (15 US-Dollar) über einen Zeitraum von drei Monaten, von Oktober bis Dezember 2023, an jeden Begünstigten verteilt wurden. Bis Dezember 2023 hatten jedoch nur 1,7 Millionen Menschen davon profitiert (HRW 16.1.2025).
Die Reformen Tinubus zielten darauf ab, die makroökonomischen Bedingungen für Stabilität und Wachstum wiederherzustellen. Die nigerianische Zentralbank hat die Geldpolitik angemessen gestrafft und sich wieder auf ihr Mandat der Preisstabilität konzentriert, was durch die Verpflichtung der Behörden, die Defizitmonetarisierung zu beenden, erleichtert wurde. Obwohl diese Maßnahmen der nigerianischen Wirtschaft helfen, die Kurve zu kriegen, ist die Inflation nach wie vor hoch (WB 14.10.2024), im Juni 2024 34 Prozent (WKO 9.2024), was zu mehr Not und Armut führt (WB 14.10.2024). Für das Gesamtjahr 2023 wird die Inflation mit 24,7 Prozent angegeben. Innerhalb eines Jahres (März 2023 – März 2024) stieg der Preis von Grundnahrungsmitteln enorm: Reis +153 Prozent, Yam +141 Prozent, Garri +122 Prozent, Bohnen +106 Prozent (WKO 5.2024). Um die ärmsten und wirtschaftlich am stärksten gefährdeten Haushalte zu unterstützen, hat die Regierung befristete Bargeldtransfers für 15 Millionen Haushalte eingeführt (WB 14.10.2024).
Bei einer im Jahr 2024 durchgeführten Studie mittels Befragung eines repräsentativen Samples in drei Städten kamen folgende Ergebnisse heraus:
16 Prozent der Befragten (n = 608) schaffen es, ihre Familie ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, während 27 Prozent der Befragten es gerade so schaffen, ihre Familie ausreichend zu versorgen. 49 Prozent der Befragten schaffen es kaum, ihre Familie ausreichend zu ernähren, während acht Prozent ihre Familie nicht ausreichend ernähren können. Neun Prozent der befragten Teilnehmer (n = 608) schaffen es, ihre Familie mit grundlegenden Konsumgütern wie Kleidung oder Schuhen zu versorgen, während 23 Prozent es gerade so schaffen, ihre Familie mit grundlegenden Konsumgütern zu versorgen. 51 Prozent schaffen es kaum, ihre Familie mit grundlegenden Konsumgütern zu versorgen, während 17 Prozent ihre Familie nicht mit grundlegenden Konsumgütern versorgen können. 68 Prozent der Teilnehmer (n = 608) haben immer Zugang zu sauberem Trinkwasser, während 20 Prozent manchmal Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Im Gegensatz dazu haben sieben Prozent der Umfrageteilnehmer selten Zugang zu sauberem Trinkwasser, während fünf Prozent nie Zugang zu sauberem Trinkwasser haben (BFA 1.2025).
Trendentwicklungen in den Jahren 2023 und 2024 (diese werden nur angegeben, wenn ein signifikanter, also mehr als vier Prozentpunkte ausmachender Unterschied feststellbar ist):
Der Anteil derjenigen, die sich die Lebensmittel für die Familie leisten können, ist von 21 Prozent im Jahr 2023 auf 16 Prozent im Jahr 2024 gesunken. Ein positiver Trend beim Zugang zu sauberem Trinkwasser ist im Vergleich zwischen 2023 und 2024 zu erkennen: 2023 hatten 60 Prozent immer Zugang zu sauberem Trinkwasser, während dies 2024 für 68 Prozent gilt. Eine Verschlechterung in Bezug auf die Fähigkeit, die Familie mit grundlegenden Verbrauchsgütern zu versorgen, ist zwischen 2023 und 2024 festzustellen: Während 2023 17 Prozent in der Lage waren, die Familie mit grundlegenden Verbrauchsgütern zu versorgen, ist dieser Anteil im Jahr 2024 auf neun Prozent gesunken (BFA 1.2025).
Zwischen 2000 und 2014 verzeichnete die nigerianische Wirtschaft ein breit angelegtes und nachhaltiges Wachstum von durchschnittlich über sieben Prozent pro Jahr, das von günstigen globalen Bedingungen sowie makroökonomischen und strukturellen Reformen der ersten Stufe profitierte (WB 21.3.2024). Im Zeitraum 2015-2022 gingen die Wachstumsraten zurück und das Pro-Kopf-BIP flachte ab, was auf politische Fehlentscheidungen zurückzuführen war, die durch Schocks verstärkt wurden. Die Wirtschaft wurde auch durch externe Schocks wie die COVID-19-Pandemie und höhere weltweite Lebensmittel- und Düngemittelpreise nach Russlands Einmarsch in der Ukraine sowie durch inländische Schocks wie die zerstörerische Demonetisierungspolitik Anfang 2023 und die verheerenden Überschwemmungen im Oktober 2022 und September 2024 erschüttert (WB 14.10.2024).
Stärken der nigerianischen Wirtschaft: Reiche Erdöl- und Gasvorkommen; relativ breit aufgestellte Industrie in Lagos; größter Verbrauchermarkt Afrikas mit mehr als 220 Millionen Einwohnern; großer Pool an motivierten Arbeitskräften. Schwächen: schlechte Infrastruktur; Korruption und Vetternwirtschaft in der öffentlichen Verwaltung; hohe Standortkosten und steigende Sicherheitskosten; Großteil der Bevölkerung mit rückläufiger Kaufkraft (ABG 8.2024). Nigeria verfügt über weitreichende, jedoch nicht erschlossene Bodenschätze, weitläufige und fruchtbare Agrarflächen und ein günstiges Klima, eine vergleichsweise gut ausgebaute, jedoch unzureichend instandgehaltene Infrastruktur sowie einem Binnenmarkt von mehr als 200 Millionen Menschen und daher über deutlich bessere Entwicklungschancen als die meisten anderen Staaten Westafrikas. Zudem wurden in den 1950er- und 1970er-Jahren riesige Öl- und Gasvorkommen im Land entdeckt (ÖB Abuja 10.2024).
Gleichzeitig leidet Nigeria, ebenso wie andere ressourcenreiche Entwicklungsländer, unter dem sogenannten Erdöl-Fluch. Dieser hat in den letzten 40 Jahren zur Vernachlässigung vieler anderer Wirtschaftszweige geführt und die Importabhängigkeit des Landes in vielen Bereichen sehr groß werden lassen. Der Erdölsektor erwirtschaftet rund 80 Prozent der Exporteinnahmen und über 50 Prozent der Staatseinnahmen Nigerias. Aufgrund des Rückzugs vieler westlicher Ölunternehmen, schlechter Wartung und großer Verluste durch Öldiebstahl sank jedoch der Beitrag des Erdölsektors zum BIP immer weiter, zuletzt auf rund 5,5 Prozent. Die große Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas im Bereich des Exports und damit der Einnahme von Devisen war die grundlegende Ursache der nigerianischen Wirtschaftskrisen der Jahre 2016, 2017 und 2020. Paradoxerweise ist der Import von raffinierten Erdölprodukten trotz der großen Rohölvorkommen einer der gewichtigsten Ausgabenposten Nigerias. Dies ist einerseits durch die mangelnde Funktionstüchtigkeit der vier großen staatlichen nigerianischen Raffinerien zu erklären, andererseits aber durch den Umstand, dass die Stromversorgung von Produktionsbetrieben und Infrastruktureinrichtungen sowie von wohlhabenderen Haushalten zum Großteil durch Dieselgeneratoren erfolgt. Trotz der versprochenen Instandsetzungsarbeiten an den staatlichen Ölraffinerien sind diese nach wie vor alle außer Betrieb. Lange Zeit hoffte man auf eine Verbesserung der innerstaatlichen Versorgungslage durch die Inbetriebnahme der ersten in Privatbesitz der Dangote-Gruppe befindlichen Ölraffinerie, welche auch die größte Einstrangraffinerie der Welt ist. Sie ist nun nach Verzögerungen bei der Inbetriebnahme mit eingeschränkten Kapazitäten in Betrieb. Ihr Besitzer, der reichste Afrikaner, Aliko Dangote, beschuldigt den staatlichen Ölregulator NNPC, die Regierung sowie die großen Ölhändler des Landes regelmäßig, den Vollbetrieb absichtlich zu behindern (ÖB Abuja 10.2024).
Neben dem geringen Wirtschaftswachstum und der hohen Inflation ist die Bevölkerung zudem mit steigenden Treibstoff- und Elektrizitätskosten (bei gleichzeitig sinkender Versorgung) konfrontiert. Die Verarmung des Großteils der nigerianischen Bevölkerung wird sich fortsetzen. Das Fehlen wirtschaftlicher Chancen bei gleichzeitig hohem Bevölkerungswachstum gilt als Hauptantrieb für Migration. Sozio-ökonomisch betrachtet gehören die Migranten eher zur wachsenden gebildeten unteren Mittelklasse und kommen oft aus Städten des Südens und Südwestens Nigerias (vor allem aus dem Bundesstaat Edo). Dort gibt es seit Jahrzehnten eine hohe Mobilität landwirtschaftlicher Arbeitskräfte, Schmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke, eine prekäre Arbeitssituation und kaum Aussicht für Jugendliche, das angestrebte Lebensziel zu verwirklichen. Sozio-kulturelle Zwänge sowie ein von sozialen Medien falsches kolportiertes Bild von Europa sind weitere Push-Faktoren (ÖB Abuja 10.2024).
Nigeria ist im Bereich der Landwirtschaft keineswegs autark, sondern auf Importe, vor allem von Reis, angewiesen. Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertriebenenbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram und ISWAP (Islamic State West Africa Province), herrschen lang andauernde Hungerperioden in den nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten (ÖB Abuja 10.2024).
Obwohl Nigeria die größte Wirtschaft und Bevölkerung Afrikas hat, bietet es den meisten seiner Bürger nur begrenzte Möglichkeiten. Ein Nigerianer, der im Jahr 2020 geboren wurde, wird voraussichtlich nur 36 Prozent so produktiv sein, wie er es sein könnte, wenn er uneingeschränkten Zugang zu Bildung und Gesundheit hätte - der siebentniedrigste Humankapitalindex der Welt. Die schwache Schaffung von Arbeitsplätzen und die schwachen unternehmerischen Aussichten erschweren die Aufnahme von 3,5 Millionen Nigerianern, die jedes Jahr ins Erwerbsleben eintreten, in den Arbeitsmarkt, und viele Arbeitnehmer entscheiden sich auf der Suche nach besseren Möglichkeiten für die Auswanderung (WB 14.10.2024). Nach dem multidimensionalen Armutsindex, der Indikatoren zu Bildung, Gesundheit, Lebensstandard und Arbeitslosigkeit umfasst, waren im Jahr 2018 63 Prozent der Bevölkerung als arm einzustufen (BS 2024). In Nigeria leben etwa 37 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von zwei US-Dollar pro Tag, rund 133 Millionen Menschen gelten in Nigeria als multidimensional arm (ÖB Abuja 10.2024). Die Armutsquote hat im Jahr 2023 schätzungsweise 38,9 Prozent erreicht, wobei schätzungsweise 87 Millionen Nigerianer unterhalb der Armutsgrenze leben - die zweitgrößte Gruppe an armer Bevölkerung weltweit nach Indien (WB 14.10.2024). Die hohen Inflationsraten, die unter anderem auf die Abschaffung der Benzinsubventionen zurückzuführen sind, haben zu einem Anstieg der multidimensionalen Armut und der wirtschaftlichen Ungleichheit geführt. Die hohe Inflationsrate untergrub den Zugang zu Nahrungsmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern in einem Land, in dem Millionen von Menschen in extremer Armut ohne ein funktionierendes Sozialschutzsystem leben (HRW 11.1.2024).
Der gesetzlich vorgesehene nigerianische Mindestlohn liegt bei NGN 70.000 (EUR 39). Die Anhebung erfolgte von vormals NGN 30.000 Anfang August 2024 und ist innerhalb der Regionen umstritten und bisher auch nicht flächendeckend umgesetzt. Trotz der Anhebung ist es mit diesem Betrag in Anbetracht der Währungsentwertung, der Verringerung von Treibstoff- und Elektrizitätssubventionen, der Inflation und im Speziellen der Nahrungsmittelinflation kaum möglich auch nur die Grundbedürfnisse zu decken. Im landwirtschaftlichen sowie im privaten (Haushaltshilfen)Bereich und im Kleingewerbe sind nach wie vor viel kleinere monatliche Zahlungen der Regelfall. Im ländlichen Bereich arbeiten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer zum Teil auch nur für Kost und Logis bzw. werden für Erntearbeit in Naturalien entlohnt (ÖB Abuja 10.2024).
In Nigeria arbeitslos zu sein, sollte nicht mit dem europäischen Verständnis dieses Begriffs verwechselt werden. Es gibt keine Arbeitslosenversicherung. Arbeitssuchende sind auf das soziale Netz ihrer Großfamilie angewiesen und wandern in drei- bis sechsmonatigen Abständen von Verwandten zu Verwandten auf der Suche nach Beschäftigung. „Work“ wird mit sozial niedrig eingestuften Tätigkeiten (Landwirtschaft, Haushalt) assoziiert und wird kaum angestrebt. Selbständigkeit („Business“), auch wenn es nur der Straßenverkauf („Hawking“) von Trinkwasser ist, wird als erstrebenswerter erachtet. Anstellungen in Banken oder bei Behörden sind für viele das große Ziel. Eine für die Lebensmittelversorgung Nigerias so wichtige Tätigkeit in der Landwirtschaft ist aufgrund der schwierigen Sicherheitslage in vielen Teilen des Landes kontinuierlich rückläufig (ÖB Abuja 10.2024).
Laut dem National Bureau of Statistics in Nigeria (NBS) betrug die Arbeitslosigkeit im 3. Quartal 2023 5,0 Prozent und 4,2 Prozent im 2. Quartal. Diese sehr niedrigen Zahlen sind auf eine Änderung der Methodik im August 2023 zurückzuführen, laut der jene Personen als erwerbstätig gelten, die innerhalb der letzten Woche zumindest eine Stunde einer bezahlten Arbeit nachgingen. Zuvor betrug die statistische Arbeitslosenrate noch 33 Prozent (WKO 5.2024). [Anm.: Zahlen beim NBS überprüft - nicht als Quelle angegeben, da die Zahlen nur in der google Suche aufscheinen, die Website des NBS selbst aber einen Ladefehler aufwies.]
Die vom nigerianischen National Bureau of Statistics veröffentlichten Beschäftigungsdaten sind aufgrund einer Umstellung der Berechnungsmethode (Menschen gelten schon bei einer Beschäftigung von einer Stunde pro Woche als beschäftigt) mit circa fünf Prozent nicht aussagekräftig, die davor zuletzt veröffentlichten Beschäftigungsdaten stammen aus dem vierten Quartal 2020. Demnach waren Ende 2020 56,1 Prozent der arbeitsfähigen nigerianischen Bevölkerung entweder arbeitslos (33,3 Prozent) oder unterbeschäftigt (22,8 Prozent). Damit hat sich die Arbeitslosigkeit laut offiziellen Daten innerhalb von fünf Jahren mehr als vervierfacht. Zumindest jeder zweite erwerbsfähige nigerianische Bürger ist völlig ohne Arbeit oder unterbeschäftigt. Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab. Die Effekte dieser Maßnahmen sind jedoch bisher zumeist bestenfalls temporär. Heute ist davon auszugehen, dass die Arbeitslosenzahl weiter gestiegen ist (ÖB Abuja 10.2024).
Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und über Beziehungen (ÖB Abuja 10.2024).
Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbstständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbstständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden zehn Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB Abuja 10.2021).
Quellen
ABG - Africa Business Guide (8.2024): Länderprofil Wirtschaft in Nigeria, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/nigeria, Zugriff 9.1.2025
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2.9.2024a): Briefing Notes KW 36, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw36-2024.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 10.1.2025
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.6.2024): Briefing Notes KW 24 / 2024, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw24-2024.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 25.7.2024
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (1.2025): Socio-economic report Nigeria 2024
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Nigeria Country Report, https://bti-project.org/en/reports/country-report/NGA, Zugriff 3.6.2024
HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120043.html, Zugriff 20.1.2025
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103137.html, Zugriff 17.6.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2021): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2021
WB - Weltbank (14.10.2024): Nigeria - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/nigeria/overview, Zugriff 10.1.2025
WB - Weltbank (21.3.2024): Nigeria - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/nigeria/overview, Zugriff 25.7.2024
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (9.2024): Nigeria Wirtschaftsbericht, https://www.wko.at/wien/aussenwirtschaft/nigeria-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 9.1.2025
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (5.2024): Wirtschaftsbericht Nigeria, https://www.wko.at/wien/aussenwirtschaft/nigeria-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 25.7.2024
1.3.9. Medizinische Versorgung
Nigeria verfügt über ein pluralistisches Gesundheitssystem, in dem die Gesundheitsfürsorge gemeinsam vom öffentlichen und privaten Sektor sowie durch moderne und traditionelle Systeme erbracht wird. Die Verwaltung des nationalen Gesundheitssystems ist dezentralisiert in einem dreistufigen System zwischen Bundes-, Landes- und Lokalregierungen (EUAA 4.2022). Die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten in Nigeria sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor hat sich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Trotzdem ist die Gesundheitsversorgung - vor allem auf dem Land - mangelhaft (AA 21.12.2023). Die Bundesregierung gibt weniger für Gesundheit und Bildung aus als fast jedes andere Land der Welt (fünf Prozent - 1,33 Billionen NGN - des Staatshaushaltes für Gesundheit) (ÖB Abuja 10.2024). Das öffentliche Gesundheitswesen gilt als unterfinanziert und geprägt von zum Teil sehr begrenzter Infrastruktur. Auch besteht bzgl. medizinischer Versorgung ein Leistungsgefälle zwischen städtischen und ländlichen Gebieten (BAMF 9.12.2024.
Obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt gestiegen ist (53,6 Jahre laut Human Development Report 2023/24), hat die Verbesserung des Zugangs zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung in Nigeria keine hohe Priorität. Aufgrund von Konflikten, Terroranschlägen, sozioökonomischen Bedingungen, Unterernährung, Klimawandel, Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene gibt es nach wie vor große Unterschiede im Gesundheitszustand zwischen den Bundesstaaten und geopolitischen Zonen (ÖB Abuja 10.2024).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern (z. B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard (AA 21.12.2023).
Wie die meisten afrikanischen Länder leidet auch Nigeria unter einem kritischen Mangel an Fachkräften beim Gesundheitspersonal (human resources for health - HRH). Obwohl das Land einen der größten Bestände an Gesundheitspersonal hat, ist die Dichte an Ärzten, Krankenschwestern und Hebammen unzureichend (1,95 pro 1.000). Nach Schätzungen der Weltbank kamen im Jahr 2018 etwa 0,4 Ärzte auf 1.000 Einwohner, während die Zahl der Krankenschwestern und Hebammen im Jahr 2019 auf 1,5 pro 1.000 Einwohner geschätzt wurde. Weitere Herausforderungen im Bereich der Humanressourcen sind die ungleiche Verteilung des Gesundheitspersonals auf die Bundesstaaten, Finanzierungslücken und Abwanderung von qualifiziertem Gesundheitspersonal in andere Länder (EUAA 4.2022).
Bei einer im Jahr 2024 durchgeführten Studie mittels Befragung eines repräsentativen Samples in drei Städten kamen folgende Ergebnisse heraus:
Was medizinische Grundversorgung, z. B. durch einen Hausarzt, betrifft, so haben 24 Prozent der Befragten immer Zugang und können sich einen Besuch leisten, während 37 Prozent Zugang haben, sich diesen aber nicht leisten können. 37 Prozent haben keinen Zugang zur medizinischen Grundversorgung. Zwei Prozent haben keine Antwort gegeben. 54 Prozent der Umfrageteilnehmer haben immer Zugang zu Medikamenten und Arzneimitteln und können sie sich leisten, während 32 Prozent zwar Zugang haben, sie sich aber nicht leisten können. Zwölf Prozent haben überhaupt keinen Zugang zu Medikamenten oder Arzneimitteln. Zwei Prozent haben keine Antwort gegeben. 20 Prozent der Teilnehmer haben immer Zugang zu einem Facharzt (Zahnarzt, Augenarzt, Gynäkologe, Urologe und Kinderarzt) und können sich diesen leisten, während 38 Prozent Zugang zu einem Facharzt haben, sich den Besuch aber nicht leisten können. 39 Prozent haben überhaupt keinen Zugang zu einem Facharzt. 3 Prozent haben keine Antwort gegeben. Zehn Prozent der Teilnehmer haben immer Zugang zu fortgeschrittenen Behandlungen wie Operationen oder Krebsbehandlungen und können sie sich leisten. 38 Prozent haben Zugang zu fortschrittlichen Behandlungen, können sie sich aber nicht leisten, während 44 Prozent überhaupt keinen Zugang haben. Acht Prozent haben keine Antwort gegeben. 43 Prozent der Befragten (n = 608) haben immer Zugang zu Impfungen und können sie sich leisten, während 28 Prozent zwar Zugang haben, aber nicht in der Lage sind, sie sich zu leisten. 25 Prozent haben keinen Zugang zu Impfungen. Vier Prozent haben nicht geantwortet (BFA 1.2025).
Trendentwicklungen in den Jahren 2023 und 2024 (diese werden nur angegeben, wenn ein signifikanter, also mehr als vier Prozentpunkte ausmachender Unterschied feststellbar ist):
Medizinische Grundversorgung, z. B. durch einen Hausarzt: Ein Anstieg ist bei denjenigen festzustellen, die Zugang zur medizinischen Grundversorgung haben, sich diese aber nicht leisten können (26 Prozent im Jahr 2023 gegenüber 37 Prozent im Jahr 2024). Ein Rückgang ist bei denjenigen festzustellen, die nie Zugang zur medizinischen Grundversorgung hatten (47 Prozent im Jahr 2023 gegenüber 37 Prozent im Jahr 2024) (BFA 1.2025).
Facharzt: Ein Anstieg ist bei denjenigen zu verzeichnen, die Zugang zu Fachärzten haben, sich diese aber nicht leisten können: 2023 traf dies auf 31 Prozent zu, während der Anteil im Jahr 2024 auf 38 Prozent gestiegen ist. Der Anteil derjenigen, die keinen Zugang haben, ist dagegen von 48 Prozent im Jahr 2023 auf 39 Prozent im Jahr 2024 gesunken (BFA 1.2025).
Fortgeschrittene Behandlungen: Bei denjenigen, die Zugang zu einer fortgeschrittenen Behandlung haben, sich diese aber nicht leisten können, ist ein Anstieg zu verzeichnen: 2023 traf dies auf 31 Prozent zu, während dieser Anteil 2024 auf 38 Prozent gestiegen ist. Der Anteil derjenigen, die nie Zugang zu einer fortgeschrittenen Behandlung haben, ist dagegen von 52 Prozent im Jahr 2023 auf 44 Prozent im Jahr 2024 zurückgegangen (BFA 1.2025).
Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen (AA 21.12.2023). Es gibt so gut wie keine Dienste für die psychische Gesundheit (ÖB Abuja 10.2024). Im ambulanten Bereich gibt es in Einzelfällen in den größeren Städten qualifizierte Psychiater, die nicht einweisungspflichtige Patienten mit klassischen Psychosen und Persönlichkeitsstörungen behandeln können (AA 21.12.2023). Es gibt weniger als 300 Psychiater für eine Bevölkerung von mehr als 200 Millionen Menschen, und angesichts der geringen Kenntnisse über psychische Störungen in der Primärversorgung sind die Familien in den ländlichen Gebieten auf sich allein gestellt, wenn es darum geht, ihre betroffenen Familienmitglieder zu versorgen. Auch die Zahlen für psychosoziale Fachkräfte sind niedrig, denn die Gesamtzahl der Fachkräfte im Bereich der psychischen Gesundheit liegt bei 0,9 pro 100.000 Einwohner, aufgeschlüsselt (jeweils pro 100.000 Einwohner) in 0,70 Krankenschwestern, 0,02 Psychologen, 0,10 Psychiater, 0,04 Sozialarbeiter und 0,01 Ergotherapeuten (EUAA 4.2022). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team des Krankenhauses direkt am Flughafen sollten im Einzelfall vorher erfragt werden. Die Behandlungskosten sind je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich (AA 21.12.2023).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.12.2023).
Apotheken und in geringerem Maße private Kliniken verfügen über essenzielle Medikamente. Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Für Medikamente muss man selbst aufkommen. Das Preisniveau ist insgesamt uneinheitlich. Selbst Generika können bisweilen durchaus teurer als in, zum Beispiel, deutschen Apotheken sein (AA 21.12.2023). Die Kosten medizinischer Behandlung und Medikamente müssen im Regelfall selbst getragen werden; die Kosten für Medikamente sind hoch und für die meisten Nigerianer unerschwinglich. Medikamente gegen einige weitverbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖB Abuja 10.2024). Gemäß einer weiteren Quelle werden Medikamente für sogenannte vorrangige Krankheiten in staatlichen Gesundheitseinrichtungen kostenlos zur Verfügung gestellt, darunter antiretrovirale Medikamente sowie Medikamente gegen Tuberkulose und multiresistente Tuberkulose. Probleme in der Versorgungskette haben zur Bildung informeller Arzneimittelmärkte geführt. Die Medikamentenpreise variieren in den nördlichen und südlichen Regionen; sie sind im Norden höher, weil die Verteilung von den südlichen Häfen in die nördlichen Regionen kostenintensiver ist (EUAA 4.2022).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die nur eingeschränkt wirken (AA 21.12.2023). Der unerlaubte Verkauf von Medikamenten und die schlechte Qualität von gefälschten Arzneimitteln sind weitere große Herausforderungen (ÖB Abuja 10.2024).
Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists“ und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB Abuja 10.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.12.2024): Briefing Notes KW50 / 2024, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw50-2024.html, Zugriff 13.12.2024
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (1.2025): Socio-economic report Nigeria 2024
EUAA - European Union Agency for Asylum (4.2022): Medical Country of Origin Report - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2071828/2022_04_EUAA_MedCOI_Report_Nigeria.pdf, Zugriff 23.7.2024
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
1.3.10. Rückkehr
Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB Abuja 10.2024).
Die Österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JRO) gemeinsam mit FRONTEX und anderen EU-Mitgliedstaaten (ÖB Abuja 10.2024).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt und können danach das Flughafengelände verlassen (AA 21.12.2023). Die Rückgeführten verlassen nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die nigerianischen Behörden das Flughafengebäude und steigen zumeist in ein Taxi oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann aufgrund von fehlenden Erfahrungen jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden zu gewärtigen haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB Abuja 10.2024).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 21.12.2023). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB Abuja 10.2024).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, sodass z. B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne Weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure betreiben Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. IOM ist ebenfalls in Abuja und Lagos vertreten. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert und es werden Aus- oder Weiterbildungsprojekte angeboten (AA 21.12.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf, Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich]
ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx, Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich]
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Identität und Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin steht aufgrund des im Akt vorliegenden Emergency Travel Certificate, ausgestellt von Seiten der nigerianischen Botschaft am XXXX .2020, fest.
Die Feststellungen zu ihrem Gesundheitszustand, ihrer Arbeitsfähigkeit, ihren Lebensumständen, ihren Familienverhältnissen, ihrer Schulbildung, ihrer Berufserfahrung, ihren Sprachkenntnissen, ihrer Konfession und ihrer Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren.
Die Feststellungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich ab 11.08.2016 und ihrem kurzzeitigen Aufenthalt in Italien von September 2023 bis März 2024 ergeben sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit eingeholten Auskünften aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister sowie dem zentralen Melderegister und den Angaben der Beschwerdeführerin.
Die Feststellungen betreffend die Tochter der Beschwerdeführerin beruhen auf den vorgelegten Dokumenten (Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde) und einem vom Bundesverwaltungsgericht veranlassten ZMR-Auszug.
Die Feststellungen zum Kindsvater ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin und der im Akt einliegenden Obsorgeberechtigung vom 05.08.2024.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ist durch eine Abfrage im Strafregister der Republik belegt.
2.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.
2.2.2. Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere bei seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Generell ist zur Glaubhaftigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach, seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.
Dem wird die Beschwerdeführerin mit ihrem Fluchtvorbringen nicht gerecht, zumal sie sich mehrmals gravierend widersprochen hat, weshalb ihrem Fluchtvorbringen wie nachstehend begründet die Glaubwürdigkeit abzusprechen war.
Zunächst widersprach sich die Beschwerdeführerin bereits bei ihren Angaben in ihren verschiedenen Verfahren auf internationalen Schutz:
Im Zuge ihres ersten Asylantrages 2016 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie von Menschenhändlern aus Nigeria weggebracht und mit einem Flugzeug nach Italien gebracht worden sei. In Italien hätte sie der Prostitution nachgehen sollen, weshalb sie dann von dort geflüchtet und nach Österreich gekommen sei.
Bei ihrem zweiten Asylantrag brachte sie dann im Widerspruch dazu vor, dass ihr Bruder 2010 jemanden umgebracht hätte und sie, ihre Tante und ihr Bruder deswegen ständig den Wohnort gewechselt hätten. Sie sei dann nach Kanu gezogen und dort auch zur Schule gegangen. Dann hätte ein traditioneller Führer gesagt, dass alle Mitglieder ihrer Familie getötet werden müssen. Deshalb haben sie dann Nigeria verlassen. Sie habe Angst gehabt umgebracht zu werden, weil ihre gesamte Familie umgebracht und ihr Haus niedergebrannt worden sei. Auf entsprechenden Vorhalten gab die Beschwerdeführerin damals an, dass sie kein Opfer von Menschenhandel sei.
Bei ihrem dritten Asylantrag brachte die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Fluchtgründe vor, dass ihr im ersten Asylverfahren nicht geglaubt worden wäre und sie im zweiten Asylverfahren die Wahrheit gesagt habe und das mit ihrem Bruder erzählt habe, aber man ihr wieder nicht geglaubt habe. Die Wahrheit sei, dass ihr Bruder einen Schauspieler umgebracht habe und sie deshalb um ihr Leben laufen hätte müssen. Sie, ihre Mutter und ihre Schwester seien daraufhin nach Kaduna gezogen. Bei ihrem zweiten Asylantrag gab sie im Widerspruch dazu noch an, dass ihr Bruder zwei Schauspieler umgebracht hätte, weil er nicht gewollt habe, dass ihre Schwester einen davon heirate. Diese Sachverhalt erwähnte die Beschwerdeführer nunmehr mit kein Wort.
Die Angaben der Beschwerdeführerin sind schon deshalb nicht glaubhaft, da sie ihren Angaben zu Folge damals zwölf Jahre alt gewesen wäre und sich dann bis zu ihrer Ausreise noch unbehelligt sechs Jahre lang in Nigeria aufgehalten hätte, ohne dass jemals irgendetwas passiert wäre.
Außerdem führte die Beschwerdeführerin gegenständlich zwar eine Entführungsgefahr in Nigeria ins Treffen, konnte diese allerdings zu keinem Zeitpunkt konkretisieren und hielt ihre Erzählungen allgemein und unsubstantiiert: „Es gibt Entführer in Nigeria und auch Kulte. In Nigeria ist es egal ob man reich oder arm ist, man kann immer entführt werden.“. Auf Nachfrage seitens der belangten Behörde, wer genau sie denn entführen sollte, meinte sie dann nur: „Irgendwelche Jungs von der Straße.“.
Des Weiteren widersprach sich die Beschwerdeführerin auch zu persönlichen Angaben, wie ihrer Schulbildung, ihrer Berufsausbildung, ihren Aufenthaltsorten und ihren Familienangehörigen im Herkunftsstaat mehrmals.
Bei der Erstbefragung am 12.08.2016 betreffend ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz gab sie an, dass sie von 2005 bis 2007 die Grundschule in Edo, von 2007 bis 2010 die Hauptschule in Edo sowie von 2010 bis 2014 die AHS in Edo besucht und eine Berufsausbildung als Bäckerin gemacht habe.
Im Zuge ihres zweiten Asylantrages brachte sie dann vor, dass sie mit ihrer Tante zusammen in Kano gelebt und dort sechs Jahre die Schule besucht habe. Sie gab damals auch an, dass sie keinen Kontakt zu ihrer Familie habe und auch nicht wüsste, wo sich diese befinde.
Wiederum im Widerspruch dazu gab sie bei ihrer Einvernahme am 04.02.2025 zum gegenständlichen Antrag zu Beginn der Einvernahme an, dass sie von 2005 bis 2011 in Nigeria, XXXX , die Grundschule besucht habe. Dann habe sie von 2011 bis 2014 in Benin City die Mittelschule besucht. Sie habe keine Berufsausbildung, habe aber Geburtstagskuchen gebacken.
Im Verlauf der Einvernahme gab sie dann im Widerspruch zu ihren bisherigen Angaben an, dass sie 2010 von Benin City flüchten hätte müssen und dann bis 2016 mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in Kaduna gelebt habe. Vor ca. vier Jahren sei ihre Mutter und ihre Schwester wieder nach XXXX zurückgegangen. Sie habe mit ihrer Familie regelmäßig Kontakt. Auf Ihre widersprüchlichen Angaben hingewiesen, gab sie an, dass sie 2010 in Kaduna gewesen sei und sie sich ja nicht an alles erinnern könne.
Auch hinsichtlich ihrer Familienangehörigen tätigte sie unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Angaben: So gab sie bei ihrem ersten Asylantrag im Jahr 2016 an, dass ihre Mutter ca. 40 Jahre und ihre Schwester ca. 20 Jahre alt sei. Im Zuge ihres zweiten Asylantrages im Jahr 2018 brachte sie dann vor, dass sie einen Bruder habe und berichtete erstmals von einer Tante. Bei ihrem dritten Asylantrag erwähnte sie diese Tante mit keinem Wort und auch nicht, dass sie einen Bruder habe. Im Zuge der Datenaufnahme gab sie an, dass ihre Mutter ca. 61 Jahre alt wäre und sie nicht wüsste, wie alt ihre Schwester sei. Sie habe mit ihrer Familie regelmäßig Kontakt und diese würden im Dorf XXXX leben. Erst im Zusammenhang mit den Fragen nach ihrem Fluchtgrund erwähnte die Beschwerdeführerin wieder ihren Bruder.
Die Beschwerdeführerin selbst blieb sohin nicht einmal in Bezug auf den zentralen Kern ihrer Erlebnisse (Ort, Zeit und handelnde Personen) bei gleichbleibenden Angaben. Sie hat sich sowohl bei ihren Lebensumständen, ihren Familienangehörigen, ihrer Schulausbildung usw. immer wieder massiv widersprochen.
Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Beschwerdeführerin seitens der belangten Behörde nach dem Grund ihrer nunmehr dritten Asylantragstellung befragt, zunächst anführte: „Ich war illegal in Österreich aufhältig. Es ist riskant für mich, in einem Land zu sein, indem die Behörden nichts von meiner Anwesenheit wissen und deshalb habe ich den Asylantrag gestellt.“, was auch klar gegen eine asylrelevante Verfolgungsgefahr spricht.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin sind aufgrund der mangelnden Stringenz und aufgrund der Widersprüchlichkeit unglaubhaft und ist davon auszugehen, dass diese, wie die Beschwerdeführerin selbst zugesteht, ihren dritten Asylantrag lediglich zur Legalisierung ihres Aufenthaltes stellte.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher, wie bereits die belangte Behörde, zu dem Schluss, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen ihre Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt. Damit ist die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht dieser anschließt. Überdies trat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegen.
2.3. Zu den Länderfeststellungen:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria und den dort zitierten Quellen. Dieser Bericht fußt sowohl auf Berichten verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die Beschwerdeführerin bzw. ihre gesetzliche und rechtsfreundliche Vertretung trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Absch. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II. 2.2. bereits ausführlich dargestellt, stellte sich das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin als nicht glaubhaft bzw. als nicht asylrelevant heraus.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 leg. cit. offen steht.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; VwGH 31.05.2005, 2005/20/0095, VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; VwGH 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich der Beschwerdeführerin nicht gegeben sind.
Ihr droht in Nigeria – wie bereits unter Punkt II. 2.2. dargelegt wurde – keine asylrelevante Verfolgung.
Hinsichtlich der individuellen Rückkehrsituation der Beschwerdeführerin verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass es in einzelnen Bereichen des Herkunftsstaates zu Gewaltausbrüchen kommt, jedoch ist nach den Länderfeststellungen Nigeria kein klassisches Bürgerkriegsland. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt – wie auch unter Punkt II. 1.3. explizit festgehalten – generell keine Bedrohung im Sinne des Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar und wird entsprechend den Länderfeststellungen selbst eine alleinstehende Person, die nach Nigeria zurückgeführt wird und dort in keinem privaten Verband Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet.
Das Bundesverwaltungsgericht geht auch davon aus, dass es in Nigeria für Frauen möglich wäre, ökonomisch eigenständig zu leben (vgl. Punkt II. 1.3.6., 1.3.10.). Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine soweit gesunde Frau im erwerbsfähigen Alter mit Schulbildung, bei der die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Entsprechende Berufsmöglichkeiten (gegebenenfalls auch einfache Tätigkeiten) sind gegeben, zudem besteht auch die Möglichkeit, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich gegebenenfalls an eine spezifische Hilfsorganisation für Frauen zu wenden. Weiters sind auch nach wie vor Familienangehörige der Beschwerdeführerin in Nigeria aufhältig, auf deren Unterstützung die Beschwerdeführerin zurückgreifen könnte. Gegenständlich ist damit jedenfalls davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin in Nigeria würde ansiedeln können und eine (in Nigeria vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte auch sichergestellte) Grundversorgung mit Trinkwasser, Medikamenten, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln zur Verfügung steht (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter Punkt II. 1.3. bzw. 1.3.8. und 1.3.9. im Speziellen). Es ergibt sich damit insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Beschwerdeführerin mittlerweile eine zehn Monate alte Tochter hat. Da es sich bei dieser jedoch um eine österreichische Staatsbürgerin handelt und nicht von einer Rückkehrentscheidung betroffen ist, konnte eine entsprechende Berücksichtigung gegenständlich entfallen und ist auch darauf hinzuweisen, dass auch betreffend die Beschwerdeführerin keine (neuerliche) Rückkehrentscheidung erlassen hat.
Aufgrund der o.a. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten würde, sodass die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 AsylG abzuweisen war.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels „besonderer Schutz“ (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war der Beschwerdeführerin daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG abzuweisen.
4. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (vgl. VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (vgl. VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist – aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht lediglich ca. zweieinhalb Monate liegen – die gebotene Aktualität auf. Ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren konnte die Beschwerde nicht aufzeigen.
Die belangte Behörde hat die Beweiswürdigung gesetzmäßig offengelegt und das Bundesverwaltungsgericht folgt den tragenden Erwägungen, die in der Beschwerde nicht substantiiert bekämpft wurden. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck der Beschwerdeführerin verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 24.01.2023, Ra 2022/14/0236, mwN).
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.