JudikaturBVwG

G316 2237579-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
27. Januar 2025

Spruch

G316 2237579-3/4Z

Teilerkenntnis

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina MUCKENHUBER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2024, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19.12.2024 wurde gegen den rumänischen Staatsangehörigen XXXX (im Folgenden: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 8 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Zu Spruchpunkt III. führte die belangte Behörde aus, dass der bisherige Aufenthalt des BF ausschließlich auf die Begehung von Straftaten abgezielt habe und sein Verhalten eine aktuelle gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Der BF erhob durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und führte unter anderem aus, dass er unter psychischen Problemen leide und auf die Hilfe seiner Familie angewiesen sei. Seine Mutter, sein Bruder, Halbbruder und der Stiefvater würden im Bundesgebiet leben. Der BF befindet sich derzeit im Maßnahmenvollzug und sei gewillt, sich einer Behandlung und Therapie zu unterziehen. Der Beschwerde wurde eine Anregung durch die forensisch-therapeutische Einrichtung zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters beigelegt.

Die gegenständliche Beschwerde wurde mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt am 22.01.2024 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist rumänischer Staatsangehöriger.

Er wurde in Rumänien geboren und eingeschult, hat seinen Herkunftsstaat nach der Scheidung seiner Eltern jedoch im Alter von sieben Jahren verlassen und ist gemeinsam mit seinem Vater nach Italien gezogen, wo er bis zum Alter von vierzehn Jahren gelebt und seinen Schulbesuch fortgesetzt hat. Die Mutter des BF zog gesondert von ihm von Rumänien nach Österreich und ist seit Jänner 2011 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Im Alter von vierzehn Jahren zog der BF zu seiner Mutter nach Österreich und war von 09.09.2015 bis 02.08.2019 durchgehend in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter, seinem jüngeren Bruder und (ab dessen Geburt) seinem jüngeren Halbbruder hauptgemeldet. Er hat in Österreich noch für zwei Jahre, bis zum Alter von sechzehn Jahren, eine Mittelschule besucht, diese jedoch nicht abgeschlossen.

Am 10.09.2015 wurde ihm seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" ausgestellt.

Der BF ging in Österreich zwischen September 2017 und Juni 2019 mit Unterbrechungen verschiedenen Erwerbstätigkeiten als Arbeiter nach. Ansonsten bezog er wiederholt Arbeitslosengeld, Krankengeld und Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe.

1.2. Der BF wurde im Bundesgebiet mehrfach straffällig.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 14.11.2017 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 und Abs. 2a SMG rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen, verurteilt.

Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom 10.07.2019 wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung im Zustand voller Berauschung nach §§ 287, 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen, verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 05.11.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens der versuchten Unterdrückung eines Beweismittels nach §§ 15, 295 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierundzwanzig Monaten, davon sechzehn Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.11.2020 wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2021 insofern Folge gegeben, als die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre herabgesetzt wurde.

Der BF reiste in der Folge aus dem Bundesgebiet aus.

1.4. Der BF reiste im Juni 2024 nach Österreich um sich hier bei seiner Familie niederzulassen.

Am 14.08.2024 wurde der BF im Bundesgebiet aufgrund des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung festgenommen. Gegen ihn wurde die Untersuchungshaft verhängt.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 21.11.2024 wurde gegen den BF die Unterbringung in ein forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs. 1 StGB verfügt. Der Unterbringung liegt zugrunde, dass der BF im August 2024 unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer kombinierten Persönlichkeitsstörung in Kombination mit einer vom Kokaintyp dominierten Suchtproblematik, sohin im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit, einen anderen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe, und zwar indem er das ausgeklappte Taschenmesser des Opfers mit der Schneide voran über dessen Kopf hielt und ihm gegenüber Drohungen aussprach, fremde bewegliche Sachen, nämlich das Taschenmesser selbst, eine Packung Marmelade, eine Zigarettenpackung und ein Sturmfeuerzeug wegnahm.

Die Unterbringung erfolgte, da nach der Person des BF, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass der BF ohne strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum in absehbarer Zukunft eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen (Körperverletzung mit schweren gesundheitlichen Folgen für die Opfer, Sachbeschädigungen, Drohungen und auch Suchtmitteldelikte) begehen wird.

1.5. Der BF ist seit 22.11.2024 im XXXX untergebracht.

Am 20.1202.24 erfolgte von Seiten des LKH eine Anregung zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters.

1.6. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Im Bundesgebiet leben seine Mutter, sein Stiefvater und seine Brüder. Der BF war vor seiner Festnahme beim AMS als arbeitssuchend gemeldet und bezog Notstandshilfe.

Die Großeltern in Rumänien sind bereits verstorben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität des BF steht unstrittig fest.

Die Feststellungen zu seinem Werdegang, seinem Aufenthalt in Italien und seinem Umzug nach Österreich im Jahr 2015 beruhen auf den getroffenen Feststellungen des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2021, I403 2237579-2/14E, in welches für das gegenständliche Verfahren Einsicht gehalten wurde.

2.2. Die strafgerichtlichen Verurteilungen von 2017 bis 2020 beruhen auf dem Strafregisterauszug sowie den Ausführungen hierzu im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2021.

2.3. Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes des BF beruhen auf dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2021.

2.4. Der Zeitpunkt der letzten Einreise des BF ins Bundesgebiet beruht auf den Angaben in seiner Stellungnahme vom 30.08.2024.

Die Festnahme und Verhängung der Untersuchungshaft beruht auf der Mitteilung über die Verhängung der Untersuchungshaft vom 15.08.2024.

Das genannte Strafurteil des Landesgerichts XXXX vom 21.11.2024, XXXX ist aktenkundig.

2.5. Die derzeitige Unterbringung ergibt sich aus der Aufenthaltsbestätigung des LKH XXXX vom 10.01.2025.

Die Anregung zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist aktenkundig.

2.6. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF im Bundesgebiet und in Rumänien ergeben sich aus seinen Angaben in der schriftlichen Stellungnahme vom 30.08.2024 und der Beschwerde und decken sich mit den Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2021.

Weiters wurde Einsicht in eine aktuelle Abfrage der Sozialversicherungsdaten des BF gehalten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur jener – trennbare – Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt, die sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) richten.

Die Entscheidung in der Hauptsache (dh. konkret gegen die Spruchpunkte I.-II. des angefochtenen Bescheides) ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.

3.2. Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

§ 18 Abs. 5 BFA-VG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen das VwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, diese aufschiebende Wirkung zuzuerkennen bzw. der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben hat. Dafür gilt eine Entscheidungsfrist von einer Woche ab Vorlage der Beschwerde (VwGH 05.03.2021, Ra 2020/21/0175).

Gegenständlich wurde der BF von einem Landesgericht in einem forensisch-therapeutisches Zentrum gemäß § 21 Abs. 1 StGB untergebracht. Er leidet an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung in Kombination mit einer vom Kokaintyp dominierten Suchtproblematik.

Gleichzeitig wurde von Seiten der Unterbringungseinrichtung beim Bezirksgericht eine Anregung auf Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters eingebracht.

Da zunächst das Verfahren über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters abgewartet werden muss, war der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. bereits aus diesem Grund stattzugeben, zumal eine Entscheidung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG innerhalb einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu ergehen hat. Daher war der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und solche sind auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Im Ergebnis war die Revision daher nicht zuzulassen.