JudikaturBVwG

W608 2296400-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2024

Spruch

W608 2296400-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Isabella FOUCHS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch die BBU, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2024, Zl. 1340491204/230143345, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 18.01.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt.

Am 31.01.2024 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass ihr Ehemann und dessen Bruder vor etwa sechs Jahren von zwei bewaffneten Männern, welche der Gruppierung XXXX angehören würden, auf dem Nachhauseweg angehalten und aufgefordert worden seien, ihr gesamtes Hab und Gut herauszugeben. Da sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen seien, sei es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung gekommen, im Zuge welcher einer der bewaffneten Männer verstorben sei. Zu ihrem Leben in Österreich brachte sie vor, unbedingt eine Ausbildung machen zu wollen, um Arztassistentin zu werden; sie wolle zudem, dass ihre Kinder so selbständig, wie Europäierinnen, werden. In Afghanistan wären die Beschwerdeführerin und ihre Kinder nicht so frei, wie im Bundesgebiet.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2024 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführerin wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, stellte die Identität der Beschwerdeführerin nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe, sondern sich lediglich auf jene ihres Ehemannes bezogen habe. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin seien auch keine Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen gewesen, welche auf eine individuelle Bedrohung der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Ethnie, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Gesinnung hingedeutet hätten.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelhafte Länderfeststellungen, eine mangelhafte Beweiswürdigung und die inhaltliche Rechtswidrigkeit gerügt. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde in dieser vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin in Afghanistan aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert, unterdrückt und verfolgt würde. Ihr drohe in Afghanistan damit aufgrund ihrer Eigenschaft als Frau eine geschlechtsspezifische Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen.

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 26.07.2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.08.2024 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W267 abgenommen und der Gerichtsabteilung W608 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist afghanische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist muslimisch-schiitischen Glaubens.

Die Beschwerdeführerin stammt aus XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Bamyan, wo sie bis zu ihrem 18. Lebensjahr gelebt hat. Nach der Eheschließung ist die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehemann in die Provinz Herat gezogen, wobei sie vor ihrer Ausreise aus Afghanistan wieder zurück in die Provinz Bayman gezogen sind.

Die Beschwerdeführerin hat in Afghanistan keine Familienangehörigen mehr. Ihr Bruder und ihre Schwester leben aktuell im Iran.

Ihr Ehemann und ihre beiden Töchter leben in Österreich.

Die Beschwerdeführerin reiste im Jahr 2022 mit ihrem Ehemann und ihren beiden Töchtern aus Afghanistan aus, reiste über mehrere Länder nach Österreich ein und stellte am 18.01.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Als afghanischer Frau drohen der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der aktuellen Verhältnisse seitens der Taliban tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen aufgrund ihres Geschlechts.

Die Beschwerdeführerin lehnt es ab, in einer Gesellschaft zu leben und sich Einschränkungen beugen zu müssen, in der die Taliban sanktionsbewehrte Regelungen aufstellen und Maßnahmen ergreifen, die in ihrer Gesamtheit die Menschenwürde durch ein System der Ausgrenzung und Unterdrückung massiv beeinträchtigen. Sie hat damit keine asylfremden Motive hinsichtlich ihrer Antragstellung auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich subsidiär schutzberechtigt und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aus dem Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Stand: 10.04.2024

„Politische Lage

Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 1.6.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das ‚Islamische Emirat Afghanistan‘ (USIP 17.8.2022; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem ‚islamischen Recht und den afghanischen Werten‘ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.8.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.6.2023).

Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.8.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. REU 7.9.2021a, VOA 19.8.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 8.9.2021; vgl. DIP 4.1.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 1.6.2023a) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.6.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansässige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 1.6.2023a). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban ‚Interims‘-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.8.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.8.2022; vgl. HRW 4.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge ‚Sittenpolizei‘ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.8.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.8.2021; vgl. USDOS 12.4.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.9.2021; vgl. Guardian 20.9.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.6.2023).

[…]

Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.8.2022). Diese Dynamik wurde am 23.3.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.8.2022; vgl. RFE/RL 24.3.2022, UNGA 15.6.2022). Seitdem ist die Bildung von Mädchen und Frauen und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von "duellierenden Machtzentren" zwischen den in Kabul und Kandahar ansässigen Taliban zu sprechen (USIP 17.8.2022) und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 3.6.2022a). Doch der Emir und sein Kreis von Beratern und Vertrauten in Kandahar kontrollieren nicht jeden Aspekt der Regierungsführung. Mehrere Ad-hoc-Ausschüsse wurden ernannt, um die Politik zu untersuchen und einen Konsens zu finden, während andere Ausschüsse Prozesse wie die Versöhnung und die Rückkehr politischer Persönlichkeiten nach Afghanistan umsetzen. Viele politische Maßnahmen unterscheiden sich immer noch stark von einer Provinz zur anderen des Landes. Die Taliban-Beamten haben sich, wie schon während ihres Aufstands, als flexibel erwiesen, je nach den Erwartungen der lokalen Gemeinschaften. Darüber hinaus werden viele Probleme nach wie vor über persönliche Beziehungen zu einflussreichen Taliban-Figuren gelöst, unabhängig davon, ob deren offizielle Position in der Regierung für das Problem verantwortlich ist (USIP 17.8.2022).

[…]

Am 22.11.2023 verkündeten die Taliban den Abschluss einer zweitägigen Kabinettssitzung in der Provinz Kandahar unter der Leitung von Hebatullah Akhundzada. Auffallend war, dass Themen wie das Recht der Frauen auf Arbeit und Zugang zu Bildung sowie ihre Teilhabe an der Gesellschaft nicht Gegenstand der Beratungen waren. Es wurden Gespräche über Themen wie die Rückführung von Migranten, die Entwicklung diplomatischer Beziehungen zur Bewältigung bestehender Probleme, Import-Export- und Transitfragen sowie die Beibehaltung der Geldpolitik der Taliban geführt (AT 22.11.2023; vgl. AMU 22.11.2023).

[…]

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Bereits vor Machtübernahme der Taliban war die afghanische Regierung nicht willens oder in der Lage, die Frauenrechte in Afghanistan vollumfänglich umzusetzen, allerdings konnten Mädchen grundsätzlich Bildungseinrichtungen besuchen, Frauen studieren und weitgehend am Berufsleben teilnehmen, wenn auch nicht in allen Landesteilen gleichermaßen (AA 26.6.2023). Es gab eine Reihe von Gesetzen, Institutionen und Systemen, die sich mit den Rechten von Frauen und Mädchen in Afghanistan befassten. So hatte beispielsweise das Ministerium für Frauenangelegenheiten mit seinen Büros in der Hauptstadt und in jeder der 34 Provinzen des Landes die Aufgabe, ‚die gesetzlichen Rechte der Frauen zu sichern und zu erweitern und die Rechtsstaatlichkeit in ihrem Leben zu gewährleisten‘ (AI 7.2022).

In den letzten drei Jahren haben die Taliban Beschränkungen für Frauen eingeführt, die sie an der aktiven Teilnahme an der Gesellschaft hindern (HRW 11.1.2024; vgl. UNGA 1.12.2023, IOM 22.2.2024). Rechte von Frauen und Mädchen auf Bildung, Arbeit und Bewegungsfreiheit wurden eingeschränkt (HRW 11.1.2024; vgl. IOM 22.2.2024, UNAMA 22.1.2024) sowie das System zum Schutz und zur Unterstützung von Frauen und Mädchen, die vor häuslicher Gewalt fliehen, zerstört (HRW 26.7.2023). Insbesondere das Taliban-Ministerium für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern und die entsprechenden Abteilungen auf Provinzebene übernehmen diese Durchsetzungsfunktion in Bezug auf Hidschab, Mahram und andere Anforderungen an Frauen, indem sie öffentliche Orte, Büros und Bildungseinrichtungen aufsuchen, Kontrollpunkte einrichten und die Einhaltung überwachen (UNAMA 22.1.2024). Darüber hinaus haben die Taliban Mechanismen zur Überwachung der Menschenrechte, wie die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission, aufgelöst (AIHRC 26.5.2022; vgl. OHCHR 10.10.2022) und spezialisierte Gerichte für geschlechtsspezifische Gewalt und Unterstützungsdienste für die Opfer abgeschafft (OHCHR 10.10.2022).

Die Taliban gehen auch 2023 immer härter gegen die Rechte von Frauen und Mädchen vor, wie jüngste Anordnungen zeigen, darunter die Entlassung von Frauen aus Beschäftigungsverhältnissen in Kindergärten und die Schließung aller Schönheitssalons, die eine wichtige Quelle für die verbleibende Beschäftigung von Frauen und ein seltener Ort waren, an dem Frauen und Mädchen Gemeinschaft und Unterstützung außerhalb ihrer Häuser finden konnten (HRW 26.7.2023).

Bekleidungsvorschriften

Im Mai 2022 erließen die Taliban einen neuen Erlass, der eine strenge Kleiderordnung für Frauen festschreibt. Sie dürfen das Haus nicht ‚ohne Not‘ verlassen und müssen, wenn sie es dennoch tun, den sogenannten ‚Scharia-Hijab‘ tragen, bei dem das Gesicht ganz oder bis auf die Augen bedeckt ist. Die Anordnung macht den Mahram (den ‚Vormund‘) einer Frau - ihren Vater, Ehemann oder Bruder - rechtlich verantwortlich für die Überwachung ihrer Kleidung, mit der Androhung, ihn zu bestrafen, wenn sie ohne Gesichtsverschleierung aus dem Haus geht (AAN 15.6.2022; vgl. USIP 23.12.2022, HRW 12.1.2023). In Herat wurde im Juli 2023 die vermehrte Festnahme von Frauen gemeldet, die Kopftuch und Mantel anstatt Ganzkörperschleier trugen (BAMF 31.12.2023; vgl. KaN 22.7.2023, BNN 25.9.2023). Auch im Jahr 2024 wird berichtet, dass die Taliban weiterhin strenge Bekleidungsvorschriften für Frauen und Mädchen durchsetzen (RFE/RL 16.1.2024; vgl. UNAMA 22.1.2024). So gab es Anfang Januar 2024 Medienberichte über die Verhaftung mehrerer Frauen in Kabul (FR24 10.1.2024; vgl. AP 4.1.2024), weil sie den Hidschab nicht ordnungsgemäß trugen (TN 6.1.2024). Auch aus den Provinzen Daikundi (UNAMA 11.1.2024; vgl. Rukhshana 21.1.2024), Mazar-e Sharif (Balkh) (RFE/RL 16.1.2024; vgl. Rukhshana 21.1.2024), Herat, Kunduz, Takhar (RFE/RL 16.1.2024), Bamyan und Ghazni wird von Verhaftungen von Frauen, in Zusammenhang mit Bekleidungsvorschriften, berichtet (Rukhshana 21.1.2024).

Bewegungsfreiheit

Die Taliban schränkten auch die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen zunehmend repressiv ein. Zunächst ordneten sie an, dass Frauen und Mädchen auf Langstreckenreisen von einem Mahram begleitet werden müssen (Rukhshana 28.11.2022; vgl. AA 26.6.2023, HRW 11.1.2024). Während des Jahres 2022 untersagten die Taliban Frauen auch den Zutritt zu öffentlichen Bädern und Parks (RFE/RL 16.12.2022). Frauen und Mädchen erklärten gegenüber Amnesty International, dass angesichts der zahlreichen und sich ständig weiterentwickelnden Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit jedes Auftreten in der Öffentlichkeit ohne einen Mahram ein ernsthaftes Risiko darstelle. Sie sagten auch, dass die Mahram-Anforderungen ihr tägliches Leben fast unmöglich machten (AI 7.2022; vgl. Rukhshana 28.11.2022). Die zunehmende Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen hat ihre Möglichkeiten, Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung zu erhalten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, Schutz zu suchen und Gewaltsituationen zu entkommen, erheblich beeinträchtigt (OHCHR 10.10.2022; vgl. IOM 22.2.2024). So besuchten beispielsweise am 26.12.2023 in Kandahar Beamte des Taliban-Ministeriums für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern einen Busbahnhof, um sicherzustellen, dass Frauen keine langen Strecken ohne Mahram zurücklegen, und wiesen die Busfahrer an, dass sie Frauen ohne Mahram nicht an Bord lassen sollten (UNAMA 22.1.2024).

[…]

Politische Partizipation und Berufstätigkeit von Frauen

Nach der Machtübernahme der Taliban äußerten viele Experten ihre besondere Besorgnis über Menschenrechtsverteidigerinnen, Aktivistinnen und führende Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, Richterinnen und Staatsanwältinnen, Frauen in den Sicherheitskräften, ehemalige Regierungsangestellte und Journalistinnen, die alle in erheblichem Maße Schikanen, Gewaltandrohungen und manchmal auch Gewalt ausgesetzt waren und für die der zivile Raum stark eingeschränkt wurde. Viele waren deshalb gezwungen, das Land zu verlassen (UNOCHA 17.1.2022; vgl. HRW 24.1.2022). Frauen wurde jeder Posten im Kabinett der Taliban verweigert, das Ministerium für Frauenangelegenheiten ist nicht mehr tätig, und der frühere Sitz des Ministeriums in Kabul wurde in das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters umgewandelt, das in den 1990er-Jahren als ‚Sittenpolizei‘ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.8.2022) und für seine diskriminierende Behandlung von Frauen und Mädchen berüchtigt ist (AI 7.2022).

Die Beschäftigung von Frauen ist seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 stark zurückgegangen (ILO 7.3.2023; vgl. IOM 22.2.2024). Die International Labour Organization (ILO) schätzte, dass im vierten Quartal 2022 25 % weniger Frauen einer Beschäftigung nachgingen, als im zweiten Quartal 2021 (ILO 7.3.2023). Die Taliban erließen Dekrete, die es afghanischen Frauen untersagten, für NGOs (IOM 22.2.2024; vgl. HRW 26.7.2023) und die Vereinten Nationen (UNGA 1.12.2023; vgl. IOM 22.2.2024) zu arbeiten, wobei einige NGOs Ausnahmeregelungen für ihre Mitarbeiterinnen erwirken konnten, und weibliche Beschäftigte des Gesundheits-, Bildungs- und Innenministeriums bisher weiterarbeiten durften (NH 8.6.2023).

Viele der Frauen, die weiterhin arbeiten, empfinden dies aufgrund der von den Taliban vorgeschriebenen Einschränkungen in Bezug auf ihre Kleidung und ihr Verhalten als schwierig und belastend (AI 7.2022; vgl. IOM 22.2.2024). So müssen seit Mai 2022 Nachrichtensprecherinnen vor der Kamera ihr Gesicht verhüllen, sodass nur noch ihre Augen zu sehen sind (AI 7.2022; vgl. Guardian 19.5.2022). Mehrere Frauen, die im öffentlichen und privaten Sektor arbeiten, gaben an, dass sie stichprobenartig von Mitgliedern der Taliban in Hinblick auf ihre Kleidung und ihr Verhalten kontrolliert wurden (AI 7.2022). Auch die Vorgabe der Taliban, nach welcher sich Frauen in der Öffentlichkeit nur in Begleitung eines Mahram bewegen dürfen, hat Auswirkungen auf ihr Berufsleben (FH 1.2023; vgl. IOM 22.2.2024). So verzeichnete UNAMA im Oktober und im Dezember 2023 Fälle, in denen Beamte des Taliban-Ministeriums für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern Frauen an der Arbeit oder am Zugang zu Dienstleistungen hinderten, weil sie unverheiratet waren oder keinen Mahram hatten (UNAMA 22.1.2024).

Die von den Taliban verhängten Arbeitsbeschränkungen haben zu einer verzweifelten Situation für viele Frauen geführt, welche die einzigen Lohnempfängerinnen ihrer Familien waren, was durch die humanitäre und wirtschaftliche Krise in Afghanistan noch verschärft wird (AI 7.2022). Experten erwarten, dass die strengen Beschränkungen der Taliban für Frauen, die außerhalb ihres Hauses arbeiten, auch die verheerende wirtschaftliche und humanitäre Krise in Afghanistan verschärfen wird (RFE/RL 3.1.2023).

Viele Frauen arbeiten in der Heimarbeit, was einen weiteren Rückgang der Beschäftigung von Frauen verhindert hat (ILO 7.3.2023; vgl. IOM 22.2.2024). Frauen, die von zu Hause aus arbeiten, z. B. in handwerklichen Berufen, werden von den Taliban oder anderen traditionellen religiösen und lokalen Führern in Afghanistan nicht eingeschränkt (NH 8.6.2023).

Seit Mitte Jänner 2022 werden sukzessive Vertreterinnen der ab August 2021 vor allem in Kabul aktiven Protestbewegung, durch die Sicherheitskräfte der Taliban festgenommen (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Berichte über Haftbedingungen, Misshandlungen und sexuellen Übergriffen sind aufgrund der gezielten Einschüchterung der Betroffenen schwer zu verifizieren (AA 26.6.2023). Kabul gilt als wichtiger Ort des zivilen Widerstands gegen die Taliban. Seit der Machtübernahme durch die Taliban verzeichnet ACLED in Kabul mehr Demonstrationen mit Beteiligung von Frauen als irgendwo sonst im Land (ACLED 11.8.2023). Die Taliban-Behörden reagierten auch vermehrt mit Gewalt auf Demonstranten und setzten scharfe Munition ein, um diese aufzulösen (HRW 12.10.2022; vgl. Guardian 2.10.2022, ACLED 11.8.2023). Berichte über Verhaftungen von Menschenrechtsaktivistinnen setzten sich über das Jahr 2022 hindurch fort (AI 16.11.2022; vgl. HRW 20.10.2022, Rukhshana 4.8.2022). So wurden beispielsweise Ende 2022 mehrere Frauen aufgrund der Teilnahme an Protesten gegen das Universitätsverbot verhaftet (BBC 22.12.2022; vgl. RFE/RL 22.12.2022) und Proteste gegen die Schließung von Schönheitssalons im Juli 2023 gewaltsam aufgelöst (RFE/RL 19.7.2023).

Auch im Jahr 2023 wurden Frauenrechtsaktivistinnen durch die Taliban verhaftet (HRW 30.11.2023; vgl. AMU 23.1.2024, KP 25.12.2023).

Bildung für Frauen und Mädchen

Nachdem die Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan übernommen hatten, verhängten sie ein Verbot der Sekundarschulbildung für Mädchen (USIP 13.4.2023; vgl. AA 26.6.2023). Am 23.3.2022, als die Schülerinnen der weiterführenden Schulen zum ersten Mal nach sieben Monaten wieder in die Klassenzimmer zurückkehrten, gab die Taliban-Führung bekannt, dass die Mädchenschulen geschlossen bleiben würden (HRW 12.1.2023; vgl. HRW 20.12.2022). Aktuell sind weiterführende Schulen für Mädchen in sechs von 34 Provinzen teilweise geöffnet, die Mehrheit der Mädchen ist damit vom Zugang zu weiterführenden Schulen ausgeschlossen (AA 26.6.2023), wobei Berichte darauf hindeuten, dass Mädchen in einigen Teilen des Landes den Unterricht in Mädchen-Madrasas besuchen, die vom Taliban-Bildungsministerium beaufsichtigt werden (UNGA 1.12.2023).

Ende Dezember 2022 verkündeten die Taliban schließlich ein Verbot für Frauen, Universitäten zu besuchen (IOM 22.2.2024; vgl. USIP 13.4.2023, FH 1.2023). Der Bildungsminister der Taliban verteidigte die Entscheidung und gab an, dass das Verbot notwendig sei, um eine Vermischung der Geschlechter an den Universitäten zu verhindern, und weil er glaube, dass einige der unterrichteten Fächer gegen die Grundsätze des Islam verstießen. Auch sagte er, dass die Studentinnen die islamischen Vorschriften ignoriert hätten, u. a. über die vorgeschriebene Kleidung, und auf Reisen nicht von einem männlichen Verwandten begleitet worden seien (RFE/RL 22.12.2022: vgl. FR24 22.12.2022). Proteste gegen die Entscheidung der Taliban, den Frauen den Zugang zu Universitäten zu verwehren, wurden mit Gewalt beendet und mehrere Personen wurden festgenommen (RFE/RL 22.12.2022; vgl. BBC 22.12.2022).

Im August 2023 hielten die Taliban afghanische Studentinnen davon ab, das Land zu verlassen, um in Dubai zu studieren. Die Taliban begründeten dies damit, dass die Studentinnen keinen Mahram dabei hatten (BBC 28.8.2023; vgl. VOA 23.8.2023), wobei berichtet wurde, dass auch jene Studentinnen, die einen Mahram dabei hatten, nicht fliegen durften (VOA 23.8.2023).

Damit kann ein afghanisches Mädchen höchstens die 6. Klasse, das letzte Jahr der Grundschule, absolvieren (UNGA 1.12.2023, vgl. UN Women 15.8.2023), abgesehen von den oben genannten Ausnahmen (AA 26.6.2023; vgl. HRW 27.4.2022). Bedenken wachsen, dass die Taliban die Bildung von Mädchen komplett verbieten könnten, da folgend auf das Verbot für Frauen, Universitäten zu besuchen, nun auch über Entlassungen von Lehrerinnen berichtet wird, die Mädchen in den ersten sechs Schuljahren unterrichten (NPR 22.12.2022). Die Taliban teilten in einem Brief des Taliban-Bildungsministers am 8.1.2023 jedoch mit, dass staatliche Mädchenschulen bis einschließlich der 6. Klasse und private Lernzentren für denselben Altersbereich weiterarbeiten sollen, ebenso alle Koranschulen (Madrassas) für Mädchen ohne Altersbeschränkung. Auch wies der Minister die Behörden in Provinzen an, wo solche Einrichtungen geschlossen wurden, diese wieder zu öffnen. Es wird jedoch auch darauf verwiesen, dass Mädchenschulen ab der 6. Klasse ‚bis auf weiteres‘ nicht zugelassen sind (Ruttig T. 11.1.2023).

Anders als während der ersten Taliban-Herrschaft, gibt es nicht mehr sehr viele geheime Mädchenschulen, da die Angst entdeckt zu werden, zu groß ist. Manche Schulmädchen versuchten, mithilfe von Radio Azadi, dem afghanischen Ableger des US-Senders Radio Liberty, weiter zu lernen. Zu festen Uhrzeiten gebe es dort zum Beispiel Chemie- und Mathe-Unterricht, nach Klassenstufen unterteilt. Dies ist nach Meinung einer afghanischen Menschenrechtsaktivistin zwar eine Hilfe, jedoch keine Lösung (AI 7.8.2023).

Frauenhäuser, sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt, Zwangsehe

Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein allgegenwärtiges Problem in Afghanistan. Sie ist das Ergebnis komplexer Ungleichheiten und kultureller Praktiken, die in Verbindung mit Armut und mangelndem Bewusstsein dazu führen, dass Frauen den Männern untergeordnet werden und keine Unterstützung erhalten oder selbst aktiv werden können (UNPF 27.12.2021). Seit dem Sommer 2021 werden in Afghanistan, einem Land mit einer der höchsten Raten von Gewalt gegen Frauen weltweit, viele der grundlegendsten Rechte von Frauen eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt. Afghanische Frauen haben auch eine deutliche Verschlechterung des Zugangs zu koordinierten, umfassenden und hochwertigen Dienstleistungen für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt zu verzeichnen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach diesen Diensten höher als je zuvor (AI 7.2022; vgl. UNAMA 29.12.2022). Zuvor hatten viele Frauen und Mädchen zumindest Zugang zu einem Netz von Unterkünften und Diensten, einschließlich kostenloser Rechtsberatung, medizinischer Behandlung und psychosozialer Unterstützung. Das System hatte zwar seine Grenzen, aber es half jedes Jahr Tausenden von Frauen und Mädchen. Diejenigen, die in die Schutzräume kamen, blieben je nach ihren besonderen Bedürfnissen oft monatelang oder jahrelang dort und erhielten eine Ausbildung in beruflichen Fähigkeiten oder andere Möglichkeiten, ein langfristiges Einkommen zu erzielen. In einigen Fällen wurden die Überlebenden auch dabei unterstützt, eine neue Unterkunft zu finden (AI 7.2022).

Als die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, brach das Netz zur Unterstützung von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt - einschließlich rechtlicher Vertretung, medizinischer Behandlung und psychosozialer Unterstützung - zusammen (AI 7.2022). Schutzräume für Frauen wurden geschlossen (AA 26.6.2023; vgl. FH 1.2023), und viele wurden von Taliban-Mitgliedern geplündert und in Beschlag genommen (AI 7.2022; vgl. RFE/RL 26.9.2021). Eine andere Quelle weißt jedoch darauf hin, dass die Taliban keine Schutzräume geschlossen hätten, sondern dass vielmehr das Personal das Land verlassen hätte und es niemanden mehr gibt, der diese Einrichtungen betreuen würde (MaA 29.6.2023). In einigen Fällen belästigten oder bedrohten Taliban-Mitglieder Mitarbeiter. Als die Unterkünfte geschlossen wurden, waren die Mitarbeiter gezwungen, viele überlebende Frauen und Mädchen zu ihren Familien zurückzuschicken. Andere waren gezwungen, bei Mitarbeitern der Unterkünfte, auf der Straße oder in anderen schwierigen Situationen zu leben (AI 7.2022; vgl. RFE/RL 26.9.2021). Eine afghanische Menschenrechtsaktivistin gab an, dass nach der Machtübernahme der Taliban die Betreiber der Frauenhäuser das Land verließen und die Taliban die Frauen in diesen Unterkünften vor die Wahl stellten, entweder zurück zu ihren Familien oder ins Gefängnis zu gehen (MaA 29.6.2023). Nach Angaben einer Menschenrechtsaktivistin aus Afghanistan gibt es in Afghanistan (mit Stand Juli 2023) nur ein Frauenhaus, das von den Taliban sehr genau beobachtet wird und welches von einer NGO betrieben wird (MaA 29.6.2023).

Anfang Dezember 2021 verkündeten die Taliban ein Verbot der Zwangsverheiratung von Frauen in Afghanistan (AP 3.12.2021; vgl. AI 7.2022). In dem Erlass wurde kein Mindestalter für die Eheschließung genannt, das bisher auf 16 Jahre festgelegt war. Die Taliban-Führung hat nach eigenen Angaben afghanische Gerichte angewiesen, Frauen gerecht zu behandeln, insbesondere Witwen, die als nächste Angehörige ein Erbe antreten wollen. Die Gruppe sagt auch, sie habe die Minister ihrer Regierung aufgefordert, die Bevölkerung über die Rechte der Frauen aufzuklären (AP 3.12.2021; vgl. AJ 3.12.2021). Berichten zufolge sind Frauen und Mädchen allerdings einem erhöhten Risiko von Kinder- und Zwangsheirat sowie der sexuellen Ausbeutung ausgesetzt (AA 26.6.2023; vgl. AI 7.8.2023). NGOs führen dies auf Faktoren zurück, von denen viele direkt auf Einschränkungen durch bzw. das Verhalten der Taliban zurückzuführen sind. Zu den häufigsten Ursachen für Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung seit August 2021 gehören die wirtschaftliche und humanitäre Krise, fehlende Bildungs- und Berufsperspektiven für Frauen (AI 7.2022), das Bedürfnis der Familien, ihre Töchter vor der Heirat mit einem Taliban-Mitglied zu schützen (AI 7.2022; vgl. RFE/RL 14.12.2022), Familien, die Frauen und Mädchen zwingen, Taliban-Mitglieder zu heiraten und Taliban-Mitglieder, die Frauen und Mädchen zwingen, sie zu heiraten (AI 7.2022).

Eine afghanische Menschenrechtsaktivistin schilderte, dass sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen oft auf die Frage der ‚Ehre‘ zurückgeführt wird. Während es vor der Machtübernahme möglich war, sich an die Justiz zu wenden, ist dies nun nicht mehr möglich. So würde ein 14-jähriges Mädchen, das von einem männlichen Verwandten missbraucht wurde, durch das Rechtssystem entweder gezwungen werden, den Verwandten zu heiraten, oder beide würden öffentlich bestraft werden (MaA 29.6.2023).“

Diese Ausführungen decken sich in den wesentlichen Punkten mit dem Inhalt des EUAA Country Guidance zu Afghanistan vom Mai 2024 sowie mit den Ausführungen in dem vom Deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, herausgegebenen Länderreport 73 Afghanistan – Die Situation von Frauen, 1996-2024 mit Stand September 2024.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und zu ihrem Fluchtvorbringen:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren diesbezüglichen übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus der Einsicht in die Übersetzung der Tazkira. Ihre Staatsangehörigkeit wurde auch vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.

Die Feststellungen zum Herkunftsort der Beschwerdeführerin und ihrem zweimaligen Umzug ergeben sich aus ihren diesbezüglichen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Die Feststellung zum derzeitigen Verbleib der Familienangehörigen der Beschwerdeführerin beruht auf ihren diesbezüglichen Angaben in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Die Feststellung zur Ausreise aus Afghanistan und zur Weiterreise nach Österreich ergibt sich ebenso aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund ihres Geschlechts aktuell die Gefahr droht, tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein, ergibt sich aus den zitierten Länderfeststellungen.

Diesen ist auf das Wesentliche zusammengefasst nämlich zu entnehmen, dass Frauen in Afghanistan zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt sind. So ist afghanischen Frauen die Teilnahme in der Politik verwehrt, ihnen stehen keine rechtlichen Mittel zur Verfügung, um Schutz vor geschlechterspezifischer oder häuslicher Gewalt erhalten zu können, sie sind allgemein – trotz eines durch die Taliban eingeführten Verbotes – der Gefahr von Zwangsverheiratungen ausgesetzt, sie können einer Erwerbstätigkeit nicht oder nur in eingeschränktem Ausmaß, überwiegend zu Hause, nachgehen, sie haben einen erschwerten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, ihnen ist der Zugang zu Bildung – mit der Ausnahme einer Grundschulausbildung bis zur sechsten Klasse – verwehrt, sie dürfen sich ohne Begleitung eines in einem bestimmten Verwandtschaftsverhältnis stehenden Mannes nicht in der Öffentlichkeit aufhalten oder bewegen, und sie müssen ihren Körper vollständig bedecken sowie ihr Gesicht – mit Ausnahme der Augen – verhüllen. Diese den zitierten Länderinformationen zu entnehmenden, Frauen diskriminierenden Maßnahmen sind gleichsam auch der vom Europäischen Gerichtshof herangezogenen EUAA Country Guidance (Stand Mai 2024) sowie dem vom Verwaltungsgerichtshof zitierten, vom deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, herausgegebenen Länderreport 73 Afghanistan - Die Situation von Frauen, 1996 - 2024 (Stand September 2024) zu entnehmen.

Indem die Beschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA selbst angab, dass sie arbeiten wolle, dies in Afghanistan jedoch nicht möglich gewesen wäre und sie und ihre Kinder im Heimatland nicht so frei leben könnten, wie hier in Österreich, wird die gerade aufgezeigte prekäre Lage für Frauen in Afghanistan unterstrichen und erweisen sich die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrem Geschlecht stehenden vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen damit als wohlbegründet.

Die Beschwerdeführerin gab in der Beschwerde dezidiert an, sie könne sich ein Leben, wie es die Taliban für Frauen vorsehen würden, sowie ein Leben nach den konservativ-afghanischen Traditionen nicht vorstellen und lehne die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab. Die Beschwerdeführerin lehnt es damit gesamtheitlich ab, in einer Gesellschaft zu leben und sich Einschränkungen beugen zu müssen, in der die Taliban sanktionsbewehrte Regelungen aufstellen und Maßnahmen ergreifen, die in ihrer Gesamtheit die Menschenwürde durch ein System der Ausgrenzung und Unterdrückung massiv beeinträchtigen. Die Beschwerdeführerin hat damit keine asylfremden Motive hinsichtlich ihrer Antragstellung auf internationalen Schutz, und dem Verfahren sind insbesondere auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin Teil einer Organisation wäre, von der die die Menschenwürde massiv beeinträchtigenden einschränkenden Maßnahmen ausgehen.

Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug vom 13.12.2024. Ihr Status als subsidiär Schutzberechtigte ergibt sich aus dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem weiteren Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin kann unterbleiben, da die soeben dargelegte Gefährdung für sich alleine ausreicht, die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin zu begründen.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen und wurden von den Parteien nicht substanziell bestritten. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Um als Verfolgung zu gelten, muss eine Handlung gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. a der Statusrechtlinie aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist oder gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b der Statusrechtlinie in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend wäre, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat im Urteil vom 04.10.2024, C-608/22 und C-609/22, dargelegt, dass nach Art. 9 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie eine Verfolgung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen kann, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Art. 9 Abs. 1 lit. a dieser Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist. Nach diesen Bestimmungen stellt eine Verletzung von Grundrechten nur dann eine Verfolgung im Sinn von Art. 1 Abschnitt A GFK dar, wenn sie einen bestimmten Schweregrad erreicht. Dieser Schweregrad ist in jedem der in Art. 9 Abs. 1 lit. a und lit. b Statusrichtlinie genannten Fälle ähnlich.

Was Art. 9 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie betrifft, ist ein solcher Schweregrad insbesondere dann als erreicht anzusehen, wenn mehrere Verletzungen von Rechten in ihrer Gesamtheit, die nicht zwangsläufig Rechte darstellen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK nicht abgewichen werden darf, die uneingeschränkte Wahrung der in Art. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verankerten Menschenwürde beeinträchtigen (Art. 1 GRC lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“), die die Statusrichtlinie, wie sich aus ihrem 16. Erwägungsgrund ergibt, ausdrücklich gewährleisten soll.

Im gerade genannten Urteil des EuGH hat dieser ausgesprochen, dass einige der im Rahmen der Beweiswürdigung aufgezeigten afghanische Frauen diskriminierenden Maßnahmen – insbesondere die Zwangsverheiratung, die einer nach Art. 4 EMRK verbotenen Form der Sklaverei gleichzustellen ist, sowie der fehlende Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt, die Formen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung darstellen und nach Art. 3 EMRK verboten sind – für sich genommen als Verfolgung im Sinn von Art. 9 Abs. 1 lit. a Statusrichtlinie einzustufen sind. Die anderen im Rahmen der Beweiswürdigung aufgezeigten afghanische Frauen diskriminierenden Maßnahmen, die den Zugang zur Gesundheitsfürsorge, zum politischen Leben und zur Bildung sowie die Ausübung einer beruflichen oder sportlichen Tätigkeit einschränken, die Bewegungsfreiheit behindern oder die Freiheit, sich zu kleiden, beeinträchtigen, stellen für sich genommen keine ausreichend schwerwiegende Verletzung eines Grundrechts im Sinn von Art. 9 Abs. 1 lit. a Statusrichtlinie dar. Diese Maßnahmen beeinträchtigen aber in ihrer Gesamtheit Frauen in einer Weise, dass sie den Schweregrad erreichen, der erforderlich ist, um eine Verfolgung im Sinn von Art. 9 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie darzustellen. Es ist damit bereits deshalb von Verfolgungshandlungen gegen afghanische Frauen auszugehen, weil diese – im Rahmen der Beweiswürdigung näher dargelegten – Maßnahmen aufgrund ihrer kumulativen Wirkung und ihrer bewussten und systematischen Anwendung dazu führen, dass afghanischen Frauen in flagranter Weise hartnäckig aus Gründen ihres Geschlechts die mit der Menschenwürde verbundenen Grundrechte vorenthalten werden, und diese Maßnahmen von der Etablierung einer gesellschaftlichen Organisation zeugen, die auf einem System der Ausgrenzung und Unterdrückung beruht, in dem Frauen aus der Zivilgesellschaft ausgeschlossen werden und ihnen das Recht auf ein menschenwürdiges Alltagsleben in Afghanistan verwehrt wird.

In Ergänzung ist dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.10.2024, Ra 2022/20/0028, zu entnehmen, dass es nicht erforderlich ist zu prüfen, ob die Asylwerberin eine „verinnerlichte westliche Orientierung“ aufweist, weil es angesichts dessen, dass im Herkunftsstaat eine Situation gegeben ist, die in ihrer Gesamtheit Frauen zwingt, dort ein Leben führen zu müssen, das mit der Menschenwürde unvereinbar ist, darauf nicht ankommt. Es ist vielmehr zur Bejahung einer Verfolgungshandlung im Einzelfall grundsätzlich bereits ausreichend, dass es eine Frau ablehnt, in einer Gesellschaft zu leben und sich Einschränkungen beugen zu müssen, in der die die Staatsgewalt ausübenden Akteure solche sanktionsbewehrten Regelungen aufstellen und Maßnahmen ergreifen, die in ihrer Gesamtheit die Menschenwürde durch die Etablierung einer gesellschaftlichen Organisation, die auf einem System der Ausgrenzung und Unterdrückung beruht, in dem Frauen aus der Zivilgesellschaft ausgeschlossen werden und ihnen das Recht auf ein menschenwürdiges Alltagsleben in Afghanistan verwehrt wird, massiv beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, ob eine Asylwerberin diesen Regelungen im Fall eines Aufenthaltes im Herkunftsstaat tatsächlich zuwiderhandeln oder sie sich angesichts der ihr im Fall des Zuwiderhandelns drohenden Konsequenzen diesen Regelungen fügen würde.

Es ist daher grundsätzlich für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ausreichend, im Rahmen der individuellen Prüfung der Situation einer Antragstellerin, die es ablehnt, sich einer solchen wie der hier in Rede stehenden Situation in Afghanistan auszusetzen, und die daher um die Gewährung von Flüchtlingsschutz ansucht, festzustellen, dass sie bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland, in dem solche Verhältnisse herrschen, tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen zu erleiden droht, wenn die Umstände hinsichtlich ihrer individuellen Lage, die ihre Staatsangehörigkeit und ihr Geschlecht betreffen, erwiesen sind. Nur wenn sich anhand der sich der Behörde sonst darbietenden Umstände des Einzelfalles ergibt, dass Gründe zur Annahme vorhanden sind, dass fallbezogen ein Bedürfnis nach Flüchtlingsschutz nicht besteht und die Antragstellung lediglich aus anderen (asylfremden) Motiven erfolgt ist, wird es bei der Prüfung, ob der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen ist, nicht sein Bewenden haben können, sich bloß auf die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat sowie der Staatsangehörigkeit und des Geschlechts der Asylwerberin zu beschränken (etwa wenn Hinweise dafür bestehen, dass eine Asylwerberin Teil einer Organisation ist, von der die die Menschenwürde massiv beeinträchtigenden einschränkenden Maßnahmen ausgehen).

Aufgrund einer Zusammenschau der entsprechenden Passagen der zitierten Länderinformationen, der Angaben der Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens sowie der gerade angeführten rezenten Rechtsprechung des EuGH und VwGH hat es sich damit als glaubhaft erwiesen, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat aufgrund ihrer Eigenschaft als afghanische Frau, die es ablehnt, in einer vom Regelwerk der Taliban geprägten, Frauen diskriminierenden Gesellschaft zu leben, durch die Taliban Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen droht.

Im konkreten Einzelfall liegen auch keine Gründe vor, welche annehmen lassen würden, dass in Bezug auf die Beschwerdeführerin ein Flüchtlingsschutz nicht besteht und die Antragstellung lediglich aus asylfremden Motiven erfolgt ist, als es die Beschwerdeführerin – wie beweiswürdigend ausgeführt – ablehnt, sich einer vom Regelwerk der Taliban geprägten Situation auszusetzen. Insbesondere liegen auch keine Hinweise dafür vor, dass die Beschwerdeführerin selbst Teil einer Organisation wäre, von der die die Menschenwürde massiv beeinträchtigenden einschränkenden Maßnahmen ausgehen.

Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

Es sind auch im Zuge des Verfahrens keine Hinweise hervorgekommen, wonach einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt die Beschwerdeführerin nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.

Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann die Verhandlung ungeachtet eines Parteiantrages entfallen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, was im im vorliegenden Fall gegeben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.