JudikaturBVwG

W608 2296395-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
13. Dezember 2024

Spruch

W608 2296395-1/3E

W608 2296396-1/3E

W608 2296398-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Isabella FOUCHS als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX (alias XXXX ) geboren am XXXX , 2.) XXXX , geboren am XXXX , 3.) XXXX , geboren am XXXX , alle StA Afghanistan, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX (alias XXXX ), geboren am XXXX , alle vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2024, Zlen. 1.) 1340490610/230143299, 2.) 1340489010/230143108, 3.) 1340489206/230143159, zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und 1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführer stellten am 18.01.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wurden dabei von ihrer Mutter XXXX (alias XXXX ) als gesetzliche Vertreterin vertreten.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers sowie auch jene der Mutter als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen statt.

Am 31.01.2024 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Mutter als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Dari Sprache niederschriftlich einvernommen.

Mit den Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2024, Zlen. 1.) 1340490610/230143299, 2.) 1340489010/230143108, 3.) 1340489206/230143159, wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 17.07.2024 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte und am 26.07.2024 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.08.2024 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W267 abgenommen und der Gerichtsabteilung W608 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Hazara und bekennen sich zum muslimisch-schiitischen Glauben.

Die Beschwerdeführer reisten im Jahr 2022 aus Afghanistan aus, reisten über mehrere Länder nach Österreich ein und stellten am 18.01.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann und die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen sind die minderjährigen Kinder von XXXX (alias XXXX ), der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W608 2296400-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die Ehe hat bereits vor der Einreise bestanden.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglichen glaubhaften Angaben in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit hinsichtlich der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen gründen sich auf die entsprechenden Ausführungen in der Beschwerde.

Die Feststellung zur Ausreise aus Afghanistan und zur Weiterreise nach Österreich ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des Erstbeschwerdeführers in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus den Angaben der Mutter als gesetzliche Vertreterin der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass es sich bei dem Erstbeschwerdeführer um den Ehemann der XXXX (alias XXXX ) handelt, beruht auf den entsprechenden gleichlautenden und damit glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dass die Ehe vor der Einreise bestanden hat, ergibt sich einerseits daraus, dass der Erstbeschwerdeführer in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gleichlautend und damit glaubhaft angab, seine Ehefrau XXXX (alias XXXX ) sei mit ihm aus dem Herkunftsstaat mitgereist bzw. ins Bundesgebiet eingereist und andererseits daraus, dass der Übersetzung der vorgelegten Tazkira des Erstbeschwerdeführers zu entnehmen ist, dass dieser verheiratet ist. Dass es sich bei den Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen um die Kinder der XXXX (alias XXXX ) handelt, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der Mutter als gesetzliche Vertreterin der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Dass der Ehefrau bzw. der Mutter der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W608 2296400-1.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aufgrund der Minderjährigkeit der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Im vorliegenden Fall liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführer und ihrer Mutter bzw. Ehefrau vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger der Elternteil eines minderjährigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten; der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat; ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten und der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen ledigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten sowie ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind, für das einem Asylwerber, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten die gesetzliche Vertretung zukommt, sofern die gesetzliche Vertretung jeweils bereits vor der Einreise bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Der Mutter bzw. der Ehefrau wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W608 2296400-1/ XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da ihr der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

Soweit die Beschwerdeführer auch eigene Fluchtgründe vorbringen, ist auf diese nicht näher einzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits festgehalten, dass sich aus den Materialien zu § 34 AsylG 2005 (RV 952, 22. GP, 54) ergibt, dass § 34 AsylG 2005 der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband dient. Ist daher einem Familienangehörigen – aus welchen Gründen auch immer – ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen. Ein Recht auf originäre Zuerkennung des Status des Asylberechtigten besteht nicht (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass den Beschwerdeführern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Das ist im vorliegenden Fall gegeben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.