Ra 2014/18/0011 3 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Verfolgungshandlungen gegen Personen, die in die Rache gegen den unmittelbar Betroffenen (im vorliegenden Fall wäre dies der Ehemann der Asylwerberin) bloß aufgrund ihrer familiären Verbindung zu diesem einbezogen werden, kann Asylrelevanz nicht von vornherein abgesprochen werden (vgl. zur Bedrohung eines Familienmitglieds infolge von Racheakten das E vom 26. Februar 2002, 2000/20/0517; zur Anerkennung des Familienverbandes als "soziale Gruppe" etwa das E vom 14. Jänner 2003, 2001/01/0508). Im Fall der Asylwerberin tritt hinzu, dass sie Verfolgungshandlungen gegen ihre Person auch deshalb befürchtet, weil sie sich dem Willen ihrer Sippe widersetzt habe, den Ehemann zu verlassen. Insofern trifft es auch nicht zu, dass die Asylwerberin keine eigenen Ausreisegründe geltend gemacht hat. Diese vorgebrachte Bedrohung kann die Zuerkennung von Asyl rechtfertigen, zumal die gewalttätige Reaktion der Sippe auf das - den Vorstellungen der Familie widersprechende - Verhalten der Asylwerberin zumindest auch in ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe "Familie" gelegen und mit jener Art von geschlechtsspezifischer Verfolgung vergleichbar ist, deren Asylrelevanz in der hg. Rechtsprechung bereits anerkannt worden ist (vgl. etwa zu Fällen der Zwangsverheiratung durch die Familie das E vom 4. März 2010, 2006/20/0832, und das E vom 15. September 2010, 2008/23/0463; zur Gewalt innerhalb der Familie etwa das E 28. August 2009, 2008/19/1027, 1028, und das E vom 11. November 2009, 2008/23/0366).