JudikaturBVwG

L511 2271736-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
28. März 2024

Spruch

L511 2271736–1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die Erziehungsberechtigen XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich vom 24.04.2023, XXXX , betreffend die Zurückweisung des Widerspruchs als verspätet, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.1. Mit Erledigung der Schulleitung der Volksschule XXXX [im Folgenden VS] vom 24.03.2023, Zahl: XXXX , wurde den nunmehr beschwerdeführenden Eltern von XXXX mitgeteilt, dass bei ihrem schulpflichtigen Kind die Schulreife nicht vorliege und die Aufnahme des Kindes in die Vorschulstufe mit besonderer Sprachförderin in Deutschförderkursen erfolge. Als Rechtsgrundlagen wurden § 6 Abs. 2b und Abs. 2e SchulpflichtG angeführt (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Verwaltungsverfahrensaktenteile [AZ] 2).

1.2. Die Zustellung der Erledigung erfolgte am 04.04.2023 (AZ 4).

1.3. Mit undatiertem Schreiben, persönlich in der VS abgegeben am 14.04.2023 erhob die Mutter des Schulpflichtigen einen Widerspruch gegen die bezeichnete Erledigung (AZ 6)

1.4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 24.04.2023, Zahl: XXXX , wies die Bildungsdirektion für Oberösterreich den Widerspruch ohne vorangegangenen Verspätungsvorhalt gemäß § 71 Abs. 2 iVm § 74 Abs. 1 und 4 SchuG als verspätet zurück (AZ 7).

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, der Widerspruch sei verspätet, weil ausgehend vom Zustelldatum 04.04.2023 die fünftägige Frist zur Erhebung am Ostersonntag 09.04.2023 geendet habe, weshalb gemäß § 74 Abs. 1 und 4 SchUG Dienstag 11.04.2023 der letzte Tag der Frist zur Einbringung gewesen sei. Die Einbringung sei jedoch erst am 14.04.2023 erfolgt.

1.5. Mit Schreiben vom 03.05.2023 erhoben die Eltern des Schulpflichtigen fristgerecht Beschwerde gegen den am 28.04.2023 zugestellten Bescheid (AZ 8, 9) und führten begründend aus, dass sie bereits am Dienstag 11.04.2023 bei der Schulleiterin gewesen seien und mit dieser die weiteren Schritte besprochen hätten. Am Mittwoch hätten Sie den Widerspruch vorbereitet und am Donnerstag abgeben wollen. Leider habe die Schulleiterin das Treffen zeitbedingt auf den Freitag 14.04.2023 verschoben.

Ersucht wurde um einen Termin zur persönlichen Vorstellung des Schulpflichtigen.

2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 12.05.2023 die Beschwerde samt Verwaltungsaktteilen elektronisch vor (Ordnungszahl des hg. Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ 1-9]).

2.1.Mit Beschluss vom 06.07.2023 stellte des Bundesverwaltungsgericht an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Wortfolge „innerhalb von fünf Tagen“ in § 71 Abs. 1 SchUG als verfassungswidrig aufzuheben (OZ 7).

2.2. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 04.03.2024, G 250/2023-10, dem BVwG zugestellt am 22.03.2024, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag ab (OZ 10).

II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Die Erledigung der Schulleiterin der VS vom 24.03.2023 wurde mittels Einschreibesendung an die Mutter des Schulpflichtigen versandt und am 04.04.2023 von dieser übernommen (AZ 3, 4).

1.2. Am 14.04.2023 brachte die Mutter des Schulpflichtigen einen Widerspruch ein (AZ 6).

1.3. Der verfahrensgegenständliche Zurückweisungsbescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich erging ohne vorangegangenen Verspätungsvorhalt (AZ 7).

1.4. Im Zuge der Beschwerde (AZ 9) brachten die Eltern folgende Gründe für das Versäumen der Widerspruchsfrist vor (AZ 9).

Sie seien bereits am Dienstag 11.04.2023 bei der Schulleiterin gewesen und hätten mit dieser die weiteren Schritte besprochen. Am Mittwoch hätten Sie den Widerspruch vorbereitet und am Donnerstag abgeben wollen. Leider habe die Schulleiterin das Treffen zeitbedingt auf den Freitag 14.04.2023 verschoben.

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt und dem Gerichtsakt, aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1). Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:

Erledigung samt Zustellnachweis (AZ 2-4)

Widerspruch (AZ 6)

Bescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich (AZ 7)

Beschwerde (AZ 9)

2.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar ohne weitere Interpretation aus den jeweils zitierten Aktenteilen, und ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig. Im Detail ergibt sich die Zustellung der Erledigung sich aus dem Zustellnachweis (AZ 4), die Abgabe des Widerspruchs aus dem Eingangsstempel der Schule (AZ 6).

2.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt basiert zur Gänze aus den dem Beschwerdeführer bekannten vorliegenden Aktenteilen und ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1.Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 33 Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetz [BD-EG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz [VwGVG] geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die Schulbehörden im erstinstanzlichen Verfahren angewendet haben oder anzuwenden gehabt hätten (§ 17 VwGVG).

Die verfahrensgegenständliche Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§ 7, § 9 VwGVG).

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Beschwerde vom 03.05.2023 gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich vom 24.04.2023.

3.2. Zur Verspätung des Widerspruchs

3.2.1. Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt sich die Zustellung der Erledigung der Schulleitung der VS vom 24.03.2023 mit 04.04.2023.

3.2.2.Gemäß § 70 Abs. 1 lit. a iVm § 71 Abs. 1 SchUG ist gegen die Entscheidung über die Aufnahme in die Schule ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig und innerhalb von fünf Tagen bei der Schule einzubringen. Gemäß § 74 Abs. 1 SchUG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, nach dem sich der Anfang der Frist richten soll. Nach Abs. 4 leg. cit. ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt.

3.2.3.Die in § 71 Abs. 1 VwGVG vorgesehene fünftägige Widerspruchsfrist begann somit gemäß § 74 Abs. 1 SchUG am Mittwoch 05.04.2023, 00:00 Uhr und endete gemäß Abs. 4 leg.cit am Sonntag 09.04.2023, 24:00 Uhr (Ostersonntag). Als letzter Tag der Frist ist daher der darauf folgende nächste Werktag Dienstag 11.04.2023, bis 24:00 Uhr anzusehen.

3.2.4. Der am 14.04.2023 eingebrachte Widerspruch wurde demnach erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist erhoben.

3.2.5.Die Verspätung wurde dem mj. Beschwerdeführer durch die Bildungsdirektion für Oberösterreich zwar nicht vorgehalten (vgl. zur Notwendigkeit des Vorhaltes VwGH 29.08.2013, 2013/16/0050), es wurden jedoch im angefochtenen Bescheid die Ergebnisse des entsprechenden Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben und die Versäumung der Widerspruchsfrist festgestellt, weshalb ein Verspätungsvorhalt durch das BVwG unterbleiben konnte (vgl. VwGH 13.10.2015, Ra2015/03/0057, 24.10.2017, Ra2016/06/0104 mwN).

3.2.6. Da sich die Zurückweisung des Widerspruchs als verspätet somit als korrekt erweist, ist die dagegen gerichtete Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

3.3. Zum implizit in der Beschwerde gestellten Wiedereinsetzungsantrag in die Versäumung der Widerspruchsfrist

Wenngleich sowohl § 33 VwGVG als auch § 71 AVG explizit von einem „Antrag auf Wiedereinsetzung“ sprechen, so schadet eine fehlende (oder falsche) Bezeichnung des Schriftsatzes nicht, wenn sich der Wunsch auf Wiedereinsetzung – wie gegenständlich – aus seinem Inhalt ableiten lässt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71, Rz110; vgl. zur Übertragbarkeit der Judikatur zu § 71 AVG auf § 33 VwGG insbesondere VwGH 24.09.2015, Ra2015/07/0113).

Maßgeblich für die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, ob dieser vor Vorlage der Beschwerde gestellt wurde oder erst danach. Für einen vor Vorlage der Beschwerde gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt die belangte Behörde auch nach Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht weiterhin zuständig, zumal es andernfalls vom bloßen Willen der belangten Behörde abhängen würde, sich der sie gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG treffenden Entscheidungspflicht zu entledigen und dem Antragsteller mit dieser Vorgehensweise zugleich eine Rechtsmittelinstanz zu entziehen. (VwGH 17.03.2021, Ra2020/15/0126)

Fallbezogen wurde die Wiedereinsetzungsbegründung mangels Verspätungsvorhalt in der Beschwerde vorgebracht, somit jedenfalls vor Vorlage der Beschwerde an das BVwG. Die Zuständigkeit zur Entscheidung darüber obliegt daher den Schulbehörden.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf den insoweit klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 71 Abs. 1 und § 74 SchUG. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 27.02.2018, Ra2018/05/0011 mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.