Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. der Mag. B und 2. des Dr. S, beide vertreten durch Dr. Stefan Brandacher, Rechtsanwalt in 6130 Schwaz, Andreas-Hofer-Straße 3/II, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 20. Juni 2016, Zl. LVwG-2015/36/3139-2, betreffend Bewilligung für die Benützung von Fremdgrund (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Bruck am Ziller; mitbeteiligte Partei: Dr. M), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. November 2015 wurde - in Stattgabe eines gemäß § 36 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) gestellten Antrags der mitbeteiligten Partei auf vorübergehende Benützung des Nachbargrundstückes - den revisionswerbenden Parteien als Eigentümer des Grundstücks Nr. .../1, KG X, gemäß § 36 Abs. 3 TBO 2011 die Duldung der Inanspruchnahme dieses Grundstücks zur Durchführung folgender Bauarbeiten aufgetragen: (1.) Abbruch der bestehenden straßenseitigen Stützmauer auf Grundstück Nr. .../1, (2.) Befahren mit Baugeräten für den Fundamentaushub, (3.) Arbeitsraum für eine frostfreie Fundierung, (4.) Montage und Demontage der Schalung für die Errichtung der Betonwand, (5.) Oberflächenbehandlung der Betonmauer, (6.) Wiederherstellung der abgebrochenen straßenseitigen Stützmauer auf Grundstück Nr. Nr. .../1 und
(7.) Wiederherstellen des Geländes auf Grundstück Nr. Nr. .../1 in den ursprünglichen Zustand. Geplant sei die Errichtung einer Stützmauer auf dem Grundstück Nr. .../2 entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. .../1 zur Schaffung eines überdachten Pkw-Stellplatzes.
Die gegen diesen Bescheid von den revisionswerbenden Parteien erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom 20. Juni 2016 als unbegründet abgewiesen.
2. Ihre gegen das Erkenntnis des LVwG erhobene außerordentliche Revision verbanden die revisionswerbenden Parteien mit dem Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Sie begründeten diesen Antrag mit im Falle der Grundinanspruchnahme drohenden Schäden an ihren sonstigen baulichen Anlagen und Gebäuden. Es ergäben sich - laut einer der Revision beigelegten geotechnischen Stellungnahme vom 26. Juli 2016 - Böschungsneigungen seitlich und in Fallrichtung des Geländes von über 60 %. Diese Böschungsneigungen seien nicht standsicher und ohne Sicherung auch nicht zulässig. Ferner werde eine sich auf dem Grundstück der revisionswerbenden Parteien in einer Entfernung von weniger als 8 m zum in südwestlicher Richtung gelegenen öffentlichen Weg und damit innerhalb der zur Grundinanspruchnahme bewilligten Fläche befindliche, nicht fundamentierte Mauer in Form von lose verlegten Betonblocksteinen bei Grundinanspruchnahme "zwangsläufig einstürzen". Es bestehe weiters die Befürchtung, dass auch das dahinter liegende Gebäude Schaden nehme.
Überdies seien im Falle der Grundinanspruchnahme im bewilligten Ausmaß rechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit möglichen Haftungen und Schadenersatzansprüchen absehbar. Dies gelte insbesondere in Bezug auf den erwähnten Einsturz der beschriebenen Betonblocksteinmauer und auf die zumindest gefährdete Standsicherheit des auf Grundstück Nr. .../1 bestehenden Wohnhauses, aber auch in Bezug auf die Frage der Standfestigkeit der straßenseitigen Stützmauer auf dem genannten Grundstück, deren Abbruch und Wiederherstellung mit Bescheid bewilligt worden sei.
Da seitens der Baubehörde keine entsprechende Beweissicherung über den gegenwärtigen Zustand vorgeschrieben worden sei, müssten die revisionswerbenden Parteien noch vor dem tatsächlichen Baubeginn durch die mitbeteiligte Partei selbst und auf eigene Kosten eine Beweissicherung veranlassen.
Sofern ein Abbruch der Stützmauer in Form einer Steinschlichtung erfolgen solle, sei es faktisch nicht möglich, diese in gleicher Art und Weise wieder herzustellen. Außerdem befinde sich auf dieser Stützmauer ein Betonkranz, der durchtrennt werden müsste. Auch zwei oberhalb der Steinschlichtmauer wachsende, vor rund 13 Jahren dort gepflanzte historische Rosenstauden seien nach deren Entfernung nicht in dieser Form, jedenfalls nicht in angemessener Zeit, wieder herstellbar.
Zwingende öffentliche Interessen stünden nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
3. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht führte in ihrer Stellungnahme vom 23. Jänner 2017 aus, dass dem Aufschub des angefochtenen Verwaltungsaktes keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden.
Die mitbeteiligte Partei erstattete keine gesonderte Stellungnahme zum Aufschiebungsantrag, brachte jedoch in ihrer Revisionsbeantwortung vor, mehrere von ihr angefragte Bauunternehmungen hätten die ordnungsgemäße Ausführung der Bauarbeiten einschließlich der Wiederherstellung des früheren Zustandes angeboten. Auch die von den revisionswerbenden Parteien dargestellte Gefahr des Einsturzes der nicht fundamentierten Mauer aus lose verlegten Betonsteinen "wird als unbeachtlich bzw. un(be)gründet" beurteilt. Gerade weil es sich bei der Mauer um nur lose aufeinander gelegte Betonsteine handle, habe die Mauer keinerlei statische Stützfunktion und könne bei Bedarf mit nur wenig Aufwand vorübergehend abgetragen, seitlich gelagert und später wieder aufgelegt werden. Eine Schädigung des dahinter liegenden Gebäudes "wird als unrealistisch beurteilt".
Überdies werde der Kfz-Abstellplatz dringend benötigt. Das Anwesen bestehe aus vier fertiggestellten Wohneinheiten. Da bislang erst zwei Garagen und ein Abstellplatz am Anwesen fertiggestellt seien und auch in der näheren Umgebung im Ort sonstige Kfz-Abstellmöglichkeiten nicht bestünden, sei eine zur Vermietung angedachte Wohnung im Eigentum der mitbeteiligten Partei nicht nutz- und vermietbar. Der mitbeteiligten Partei sei durch die Baubehinderung durch die revisionswerbenden Parteien ein hoher finanzieller Schaden entstanden, der sich mit zunehmender Verfahrensdauer ausweite.
4. Gemäß § 30 Abs. 1 erster Satz VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Nach § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben (vgl. den hg. Beschluss vom 3. August 2015, Ra 2015/07/0019, mwN).
Auf der Grundlage des angefochtenen Erkenntnisses und des zitierten Vorbringens ist nicht zu erkennen, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen.
Die revisionswerbenden Parteien haben unter Vorlage einer geotechnischen Stellungnahme einen unverhältnismäßigen Nachteil durch befürchtete Schäden an einer nicht fundamentierten Mauer in Form von lose verlegten Betonblocksteinen und an dem dahinter liegenden Wohnhauses (Gefährdung der Standsicherheit) vorgebracht. Ferner haben sie die Standsicherheit der Aushubböschungen sowie die Standfestigkeit der straßenseitigen Stützmauer angesprochen und auf diesbezügliche mögliche Mängel verwiesen. Schließlich behaupten sie die Nichtwiederherstellbarkeit u.a. der Stützmauer in Form einer Steinschlichtung sowie des darauf befindlichen Betonkranzes.
Auf diese behaupteten, im Rahmen der Abwägung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zu berücksichtigenden Nachteile ist die mitbeteiligte Partei in ihren Ausführungen nur zum Teil konkret eingegangen. Träfe das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien jedoch zu, wären die von ihnen dargelegten Nachteile, insbesondere die behauptete Gefährdung des Gebäudes, aber höher zu bewerten als die von der mitbeteiligten Partei vorgebrachten finanziellen Einbußen durch die Nichtnutz- bzw. Nichtvermietbarkeit einer Wohnung wegen des Fehlens eines Kfz-Stellplatzes.
Dem Aufschiebungsantrag war daher stattzugeben. Wien, am 3. März 2017