Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des G R in W, vertreten durch Mag. Michael Wirrer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 3/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Mai 2018, Zl. W217 2174777-1/7E, betreffend Zusatzeintragung in den Behindertenpass (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice Landesstelle Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid vom 14. September 2017 wies die belangte Behörde einen am 21. Juni 2017 eingelangten Antrag des Revisionswerbers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in seinen Behindertenpass ab.
2 Mit dem angefochtenen, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde des Revisionswerbers, in der ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt war, abgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision.
4 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 1. Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen hat.
7 2. Die Revision ist begründet.
8 2.1. Das Verwaltungsgericht begründete sein Erkenntnis im Wesentlichen damit, dass, wie sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines medizinischen Sachverständigen (Dr. K) sowie dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie (Dr. S) ergebe, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Revisionswerber zumutbar sei. Trotz der beim Revisionswerber bestehenden Schwäche der stammnahen Beinmuskulatur und der daraus resultierenden Gangunsicherheit sei für diesen unter Verwendung eines Gehstocks eine ausreichend weite Gehstrecke bewältigbar. Das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport seien bei ungestörter Anhaltefunktion der Arme nicht wesentlich erschwert.
9 2.2. Die Revision rügt zunächst das Unterbleiben der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.
10 Schon damit zeigt die Revision eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.
11 2.3. Der Verwaltungsgerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Betroffenen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lassen, wegen des für die Entscheidungsfindung wesentlichen persönlichen Eindrucks von der Person des Antragstellers grundsätzlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten ist (vgl. VwGH 8.7.2015, Ra 2015/11/0036; 21.4.2016, Ra 2016/11/0018; 25.5.2016, Ra 2016/11/0057; 16.8.2016, Ra 2016/11/0013; 21.6.2017, Ra 2017/11/0040).
12 Schon alleine der Umstand, dass das Verwaltungsgericht selbst eine Ergänzung des Ermittlungsverfahren als geboten ansah und die Einholung des Gutachtens Dris. S veranlasste, zeigt, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht geklärt war und keineswegs feststand, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Durchführung der beantragten Verhandlung nach § 24 Abs. 4 VwGVG lagen demnach nicht vor.
13 2.4. Das angefochtene Erkenntnis, dem ein Verkennen der Rechtslage bezüglich des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zugrundeliegt, war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen eingegangen zu werden brauchte.
14 2.5. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung seitens des Verwaltungsgerichtshofes konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
15 3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGG-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. September 2018