Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache Verlassenschaft nach ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom 23. November 2023 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 22. November 2023 betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2022 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BfStNr***, den Beschluss:
I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
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}II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit Bescheiden des Finanzamtes Österreich vom 22. November 2023 wurde das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2022 gemäß § 303 Abs. 1 lit. b Bundesabgabenordnung (BAO) wieder aufgenommen und die Einkommensteuer für das Jahr 2022 mit einem Guthaben von 475 Euro (neu) festgesetzt. Das Finanzamt versagte die Gewährung des zuvor bescheidmäßig berücksichtigten Teuerungsabsetzbetrages mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe von der pensionsauszahlenden Stelle eine außerordentliche Einmalzahlung erhalten, von der das Finanzamt erst nachträglich Kenntnis erlangt habe.
Gegen diese Bescheide brachte der (nun verstorbene) Beschwerdeführer am 23. November 2023 das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Die Korrektur des Teuerungsabsetzbetrages stelle keinen Wiederaufnahmegrund dar. Auch seien die zu den Einkommensteuerbescheiden beigefügten Lohnzettel ident. Fehlende Wiederaufnahmegründe seien in der Beschwerdevorentscheidung nicht nachholbar.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 17. Jänner 2024 und vom 20. August 2024 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe von der Pensionskasse eine außerordentliche Einmalzahlung erhalten. Er habe daher keinen zusätzlichen Anspruch auf den steuerlichen Teuerungs absetzbetrag im Veranlagungsjahr 2022. Dem Finanza mt sei am 11. August 2023 ein b erichtigter Lohnzettel von der pensionsauszahlenden Stelle übermittelt worden. Darin sei erstmalig angeführt worden, dass der Beschwerdeführer eine außerordentliche Einmalzahlung erhalten habe. Dadurch sei dem Finanzamt dieser Umstand erst bekannt geworden.
Am 11. Februar 2024 und am 12. September 2024 beantragte der Beschwerdeführer, die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag) und wiederholte seine Vorbringen.
Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde am 17. Oktober 2024 zur Entscheidung vor.
Die pensionsauszahlende Stelle übermittelte dem Finanzamt am 14. Februar 2023 einen Lohnzettel, der dem (ersten) Einkommensteuerbescheid 2022 vom 23. Februar 2023 zugrunde gelegt wurde. Die außerordentliche Einmalzahlung war nicht ausgewiesen. Am 11. August 2023 wurde ein korrigierter Lohnzettel übermittelt, der die dem Beschwerdeführer gewährte außerordentliche Einmalzahlung in Höhe von 500 Euro enthielt. Die Abgabennachforderung aufgrund der mit Bescheid vom 22. November 2023 festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 2022 beträgt 500 Euro.
Der Beschwerdeführer ist am ***Datum*** verstorben. Am 20. Oktober 2025 wurde das zuständige Bezirksgericht ***Ort*** um Auskunft über den Stand des Verlassenschaftsverfahrens ersucht. Am 17. November 2025 übermittelte das Bezirksgericht ***Ort*** in der Verlassenschaftssache des verstorbenen Beschwerdeführers eine Abschrift des Beschlusses zu GZ. ***123*** vom 31. Oktober 2025. Daraus geht hervor, dass die Aktiven der überschuldeten Verlassenschaft dem Sohn des Verstorbenen gegen Begleichung der Bestattungskosten und der Gerichtskommissärsgebühr gemäß §§ 154 ff Außerstreitgesetz (AußStrG) an Zahlungs statt überlassen wurden. Die Forderung des Finanzamtes Österreich in Höhe von 500 Euro blieb mangels weiteren Verlassenschaftsvermögens unberücksichtigt. Nach Ansicht des Bezirksgerichtes ***Ort*** lagen die Voraussetzungen für eine Überlassung an Zahlungs statt vor.
Eine für die Verlassenschaft vertretungsbefugte Person konnte nicht ermittelt werden, weil im Beschwerdefall zu Lebzeiten keine Bevollmächtigung mit Vertretungsmacht über den Todesfall hinaus erteilt wurde und keine Einantwortung stattfand.
Es ist unstrittig, dass der verstorbene Beschwerdeführer eine außerordentliche Einmalzahlung erhielt. Den im elektronischen Veranlagungsakt befindlichen Lohnzetteln sind das jeweilige Übermittlungsdatum sowie die Tatsache entnehmbar, dass das Finanzamt erstmalig am 11. August 2023 Kenntnis von der Einmalzahlung erlangte. Das Sterbedatum ist ebenfalls elektronisch vermerkt. Die Überlassung der Aktiven der überschuldeten Verlassenschaft an Zahlungs statt ergibt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes ***Ort***.
Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Die Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen endet mit dem Tod. "Mit dem Tod setzt die Verlassenschaft als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen fort" (§ 546 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch - ABGB).
"Die Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen bilden, soweit sie nicht höchstpersönlicher Art sind, dessen Verlassenschaft" ( § 531 ABGB). Für den Zeitraum zwischen dem Tod des Verstorbenen bis zur Einantwortung spricht man vom Vermögen, den Rechten und den Pflichten des Verstorbenen als von der ruhenden Verlassenschaft. Die ruhende Verlassenschaft ist eine eigene, vom Verstorbenen (und späteren Erben) verschiedene, juristische Person (vgl. Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren3 II. Begriffe, C [2021]). Eine juristische Person bedarf eines Vertreters. Dies kann ein über den Tod hinaus Bevollmächtigter, ein erbserklärter Erbe oder ein Verlassenschaftskurator sein. Hat kein Erbe eine Erbserklärung abgegeben, so kann die in § 810 ABGB vorgesehene Vertretungsfunktion nicht ausgeübt werden.
Mit der Einantwortung erfolgt der Erbschaftserwerb. Die Verlassenschaft verliert ihre Rechtspersönlichkeit. Findet - wie gegenständlich - eine Einantwortung nicht statt, dann bleibt der Schwebezustand und damit die Passivlegitimation der Verlassenschaft bestehen (vgl. Spruzina/Jungwirth in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 819 Rz 8 [Stand 15.4.2024]).
Als Verlassenschaftsverfahren bezeichnet das AußStrG alle Verfahren, die sich mit der rechtlichen Abwicklung einer Verlassenschaft befassen. Dazu zählt nicht nur die klassische Verlassenschaftsabhandlung mit Einantwortung, sondern auch das Verfahren, in dem es aufgrund von Überschuldung zu keiner Einantwortung, sondern zu einer Überlassung an Zahlungs statt kommt (siehe Bittner/Hawel in Gruber/Kalss/Müller/Schauer [Hrsg], Erbrecht und Vermögensnachfolge2 [2017], § 11 Verlassenschaftsverfahren, Rz 3).
Der Beschluss über die Überlassung an Zahlungs statt stellt einen materiell-rechtlichen Erwerbstitel dar und führt zur Einzelrechtsnachfolge (siehe § 798 ABGB). Der Zustand der ruhenden Verlassenschaft bleibt erhalten (vgl. VwGH 23.11.2022, 2022/15/0026). Die Überlassung an Zahlungs statt führt aber zur Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens (vgl. OGH 29.4.2025, 2 Ob 4/25i).
Mangels Einantwortung ist keine Gesamtrechtsnachfolge nach § 19 BAO eingetreten, es gibt keine(n) Erben und auch keine(n) Bescheidadressaten (vgl. VwGH 20.11.2001, 95/09/0077).
Einer vertretungslosen Verlassenschaft kann keine Entscheidung zugestellt werden.
Zu prüfen ist schließlich, ob ein Verlassenschaftskurator zu bestellen ist. Ist zweifelhaft, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist, gilt gemäß § 82 Abs. 2 BAO dessen Abs. 1 sinngemäß. Eine auf § 82 BAO gestützte Bestellung eines Kurators kommt aber nicht in Betracht, wenn bereits aus anderen Gründen ein Kurator, insbesondere ein Verlassenschaftskurator, zu bestellen ist (siehe Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 82 Anm. 7). Gemäß § 173 Abs. 1 AußStrG hat das Verlassenschaft erforderlichenfalls - um zum Beispiel die in § 810 ABGB vorgesehene Vertretung der ruhenden Verlassenschaft ausüben zu können - einen Verlassenschaftskurator zu bestellen. Die Bestellung eines Verlassenschaftskurators verursacht unverhältnismäßige Kosten und einen hohen Verwaltungsaufwand. Eine Bestellung ist nur dann erforderlich, wenn die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hätte. Dass der Beschwerdeführer von der pensionsauszahlenden Stelle eine außerordentliche Einmalzahlung erhielt, ist unstrittig. Es stand ihm daher nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut der Teuerungsabsetzbetrag nicht zu (siehe § 124b Z 407 EStG 1988). Da das Finanzamt erst durch den berichtigten Lohnzettel von der außerordentlichen Einmalzahlung Kenntnis erlangte, wurde die doppelte Berücksichtigung zurecht mit Bescheiden vom 22. November 2023 richtiggestellt. Eine meritorische Entscheidung über die Beschwerde hätte daher mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Abweisung geführt und die Bestellung eines Verlassenschaftskurators würde vermeidbare Kosten verursachen. Zudem ergäbe sich aufgrund der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO auch bei stattgebender Entscheidung kein Guthaben. Die Überschuldung der Verlassenschaft bliebe bestehen, es wäre daher auch von einer (kostenpflichtigen) Nachtragsabhandlung abzusehen. Aus den genannten Gründen wird von einem Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators Abstand genommen.
Der ruhenden Verlassenschaft kann mangels Verlassenschaftskurators keine Entscheidung zugestellt werden, daher kann eine meritorische Entscheidung nicht wirksam erlassen werden. Das Beschwerdeverfahren ist demnach einzustellen.
Der Beschluss des Bundesfinanzgerichtes kann rechtswirksam nur an die Amtspartei ergehen und ist daher nur dem Finanzamt zuzustellen.
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt; auch das Absehen von der Bestellung eines Verlassenschaftskurators stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich an den gesetzlichen Bestimmungen und der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Graz, am 21. November 2025
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