IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 18. September 2023 gegen die Bescheide des ***FA*** vom 14. August 2023 betreffend
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"Abweisung des Antrages auf Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung vom 9. Mai 2022 für das Kind ***1*** ***2***, VNR ***3***, ab November 2020"
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"Zurückweisung des Antrages auf Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung vom 9. Mai 2022 für das Kind ***1*** ***2***, VNR ***3***, für den Zeitraum Jänner 2017 bis Oktober 2020"
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}zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz ( B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Eingabe vom 16. Juni 2020 wurde von der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihren namentlich genannten Sohn ab März 2015 gestellt.
Mit Bescheiden vom 14. Oktober 2020 wurde dieser Antrag einmal für den Zeitraum März bis Mai 2015 und in einem weiteren Bescheid für den Zeitraum Juni 2015 bis Oktober 2020 abgewiesen.
Mit Eingabe vom 9. Mai 2022 stellte die Beschwerdeführerin erneut einen Antrag auf Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung für ihren namentlich genannten Sohn ab 1. Jänner 2017.
Mit Bescheid vom 14. August 2023 wurde dieser Antrag für den Zeitraum Jänner 2017 bis Oktober 2020 zurückgewiesen, da über den beantragten Zeitraum bereits mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 (siehe oben) rechtskräftig abgesprochen wurde.
Mit einem weiteren Bescheid vom 14. August 2023 wurde der Antrag für den Zeitraum ab November 2020 abgewiesen, da für ein volljähriges Kind die Familienbeihilfe nur dann zustehe, wenn das Kind wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Dies treffe auf den Sohn der Beschwerdeführerin (BF) nicht zu.
Mit Eingabe vom 18. September 2023 brachte die BF eine Beschwerde gegen beide obgenannten Bescheide ein und führte hierzu aus:
"Mein Sohn ***2*** ***1*** leidet seit dem Jahr 2008 an einer Bipolaren Störung und ich habe für ***2*** laut Sachverständigengutachten auch ab 03/2009 einige Jahre erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Eine Vorladung zur Nachuntersuchung lehnte ***2*** ab, weil er nicht krank sei. Diese Krankheitsuneinsichtigkeit gehört zu den großen Tücken dieser Erkrankung. Im September 2020 hatten wir einen Termin beim BASB Landesstelle ***4***, diesen Termin hätte ***2*** wahr genommen, er durfte allerdings aufgrund der damaligen Quarantänebestimmungen nicht zum Termin erscheinen. Beim neuen Termin im Oktober 2020 schlitterte ***2*** wieder in eine manische Phase, und jeder Psychiater kann bestätigen, dass in dieser Phase ein Mensch kaum zu etwas überredet werden kann, von dem er nicht selber überzeugt ist. ***2*** fühlte sich angstfrei und voller Energie, und er sei auf keinen Fall krank. So gut ginge es ihm seit langem nicht mehr. Es ist schwierig für mich Befunde vorzulegen, wenn ***2*** sich nicht krank fühlt und er außerdem kein Vertrauen zu Ärzten hat. Im Oktober 2022 wurde er nun von einem Amtsarzt in das Krankenhaus ***4*** eingewiesen, wo er stationär 3 Wochen untergebracht war. Sowohl das Krankenhaus ***4*** als auch davor schon Mitarbeiter beim PSD ***5*** haben uns geraten, erhöhte Familienbeihilfe zu beantragen, da uns das sicher zustehen würde. ***2*** ist nun 33 Jahre alt und konnte sich noch kein einziges Jahr zur Gänze selbst erhalten. Seine Arbeitsverhältnisse dauerten nicht länger als max. 3 Monate, weil er Stress und Druck nicht aushält. Mit Hilfe einer Sozialarbeiterin haben wir nun einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt. Dieser Antrag ist in Bearbeitung. Ich hoffe sehr, dass dieser Antrag positiv erledigt werden wird."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. November 2024 wurde obige Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid gemäß § 260 Bundesabgabenordnung ( BAO) zurückgewiesen, da über den beantragten Zeitraum bereits mit Bescheid vom 14. August 2023 rechtskräftig abgesprochen wurde. Da bei dem in Rede stehenden Kind die Beeinträchtigung und die dauernde Erwerbsunfähigkeit ab 01.11.2022 mit 32 Jahren festgestellt wurde, sei mangels der zitierten Anspruchsvoraussetzungen ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe nicht gegeben. D.h., da der Eintritt somit nach Vollendung des 21. bzw. des 25. Lebensjahres erfolgte, war spruchgemäß zu entscheiden.
Mit einer weiteren Beschwerdevorentscheidung vom 22. November 2024 wurde obige Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid als unbegründet abgewiesen und hierzu ausgeführt:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Anhand des neuerlichen (Fach)Ärztlichen Gutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom 13.11.2024 ergibt sich eine Behinderung von 50 % ab 01.11.2022.
Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 liegt laut dem Gutachten ebenfalls ab 01.11.2022 vor.
Da bei Ihrem Kind die Beeinträchtigung und die dauernde Erwerbsunfähigkeit ab 01.11.2022 mit 32 Jahren festgestellt wurde, ist mangels der zitierten Anspruchsvoraussetzungen ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe nicht gegeben. D.h., da der Eintritt somit nach Vollendung des 21. bzw. des 25. Lebensjahres erfolgte, war spruchgemäß zu entscheiden.
Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung wird als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt. Da Ihnen die allgemeine Familienbeihilfe nicht zusteht, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden."
Mit Eingabe vom 30. Dezember 2024 beantragte die BF die Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Im vorliegenden Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin für ihr namentlich genanntes Kind mit Eingabe vom 16. Juni 2020 einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung (bipolare Störung) ab März 2015 gestellt. Ihr Sohn ist am 5. Feber 1990 geboren.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 wurde der Antrag für den Zeitraum März bis Mai 2015 mit der Begründung abgewiesen, dass erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden kann.
Mit einem weiteren Bescheid vom 14. Oktober 2020 wurde obiger Antrag für den Zeitraum von Juni 2015 bis Oktober 2020 abgewiesen, da der Sohn der Beschwerdeführerin nicht wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Laut Abfrage in der Familienbeihilfendatenbank und Auskunft des ***FA*** bezog die Beschwerdeführerin im nunmehr hier strittigen Zeitraum keine Familienbeihilfe (Grundbetrag) für ihren namentlich genannten Sohn.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
2.1.1. Zurückweisungsbescheid vom 14. August 2023
Laut eingangs dargestellten Verfahrensgang erging an die Beschwerdeführerin der mit 14. Oktober 2020 datierte abweisende Bescheid betreffend ihren Antrag vom 16. Juni 2020 auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihren Sohn betreffend den Zeitraum Juni 2015 bis Oktober 2020. Dieser Bescheid wurde unbestritten rechtskräftig.
Formelle Rechtskraft bedeutet, dass ein Bescheid durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. VwGH 9.9.2013, 2010/17/0274, 0275). Materielle Rechtskraft bedeutet Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit (vgl. VwGH 17.4.2008, 2007/15/0278). Die materielle Rechtskraft tritt mit der wirksamen Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides ein. Die BAO (zB § 302 Abs 2 lit a) verwendet den Begriff der Rechtskraft im formellen Sinn (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 92 Rz 5).
Der Bescheid stellt eine endgültige Entscheidung dar. Eine Entscheidung ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. VfGH 23.2.2021, E 2917/2020; VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0474).
Der neuerliche Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung vom 9. Mai 2022 wurde betreffend des Zeitraumes Jänner 2017 bis Oktober 2020 unter Hinweis auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung (Bescheid vom 14. Oktober2020) zurückgewiesen.
Es ist ständige Rechtsprechung des VwGH, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. VwGH 8.4.2022, Ra 2021/03/0125 zu § 68 AVG; BFG vom 2.5.2023, RV/5100381/2022).
Prinzipiell darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 3).
Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt - wie es auf den hier vorliegenden Beschwerdefall zutrifft -, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 13 Rz 25; vgl. VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0003).
Nachdem im vorliegenden Beschwerdefall für den Zeitraum Jänner 2017 bis Oktober 2020 ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vorliegt, ist damit auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (vgl. VwGH 9.12.2020, Ra 2016/08/0059; VwGH 5.3.2020, Ra 2019/15/0114; VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027; VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050 u.v.a.) und erging der Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes demnach zu Recht.
2.1.2. Abweisungsbescheid vom 14. August 2023
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind um einen im Gesetz genannten Betrag. Daraus folgt, dass der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe diese erhöht, jedoch niemals ohne Familienbeihilfe allein gewährt werden kann.
Voraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages ist somit, dass der Grundbetrag zusteht. Somit muss entweder ein Anspruch nach § 2 Abs. 1 lit. a (für minderjährige Kinder), nach § 2 Abs. 1 lit. b - l (für volljährige Kinder) oder ein Eigenanspruch nach § 6 Abs. 1 (minderjährige Vollwaisen), Abs. 2 (volljährige Vollwaisen) oder Abs. 5 (sog "Sozialwaisen") bestehen. Siehe hiezu im Einzelnen Rz 10 ff sowie die Kommentierung zu § 2 Rz 27 ff und § 6 Rz 2, 8 ff und 20 ff (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 5).
Wie aus den oben zitierten Gesetzesbestimmungen ersichtlich ist, ist der Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe nur dann gegeben, wenn auch der Grundbetrag zusteht. In den hier bekämpften Bescheiden wurde dezidiert ausdrücklich über den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung abgesprochen.
Laut Datenbankabfrage und Auskunft des Finanzamtes wurde im strittigen Zeitraum (ab November 2020) keine Familienbeihilfe (Grundbetrag) gewährt. Somit ist das Schicksal dieser Beschwerde bereits entschieden.
Dem Beschwerdevorbringen konnte aufgrund vorstehender Ausführungen somit insgesamt keine Folge geleistet werden, und es war wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung zusteht, ergibt sich aus den Bezug habenden Gesetzesbestimmungen. Auch das Vorliegen von res iudicata betreffend den Zurückweisungsbescheid ist durch die zitierte Rechtsprechung ausreichend dokumentiert und wurde von dieser auch nicht abgegangen. Da sohin keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen waren, ist eine Revision nicht zulässig.
Feldkirch, am 30. Oktober 2025