24Cgs69/21v – Arbeits- und Sozialgericht Wien Entscheidung
Kopf
Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei schuldig ist, die Kosten für die Durchführung einer „Haarentfernung mittels Laserbehandlung in 10 Sitzungen“ laut Verordnung der Dr. G* H*, Fachärztin für Dermatologie in I* D*, J*straße K*, vom 27.02.2020 zu übernehmen.
Spruch
Entscheidungsgründe:
Mit dem Bescheid vom 16.07.2021 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer „Haarentfernung mittels Laserbehandlung in 10 Sitzungen“ laut Verordnung der Dr. G* H*, Fachärztin für Dermatologie in I* D*, J*straße K*, vom 27.02.2020“ (in weiterer Folge der Einfachheit halber: „klagsgegenständliche Laserepilation“) ab (Beil./A) .
Mit der dagegen erhobenen Klage begehrte die Klägerin erkennbar wie im Spruch ersichtlich. Die Klägerin sei eine geschlechtlich transidente Frau. Sie sei als Mann geboren worden und unterziehe sich seit Sommer 2019 auf Grundlage der Diagnose Transsexualismus, F 64.0 laut ICD-10, einer Hormontherapie zur Angleichung ihres Körpers an ihr weibliches Geschlecht. Durch Bescheid des L* M* D* bzw des Bürgermeisters von D* vom August 2019 sei die Änderung ihres Vor- und Familiennamens sowie die Änderung des eingetragenen Geschlechts in den Personenstandsregistern bewilligt worden.
Infolge der bis 2019 durchlebten körperlichen Entwicklung als Mann leide die Klägerin an „Hirsutismus (Hypertrichose in Form einer krankhaften Gesichtsbehaarung in männlicher Ausprägung, L 68.0 laut ICD-10)“, der sich nach Beginn der geschlechtsangleichenden Hormontherapie verschlechtert habe. Hirsutismus sei durch medizinische Haarentfernung mittels Laserepilation gut und dauerhaft behandelbar.
Es handle sich nicht um ein subjektiv empfundenes kosmetisches Problem in dem Sinne, dass bloß der ästhetische Eindruck der Person der Klägerin beeinträchtigt wäre. Vielmehr handle es sich um einen krankhaften, regelwidrigen Körperzustand, der einen anatomischen, jedenfalls aber einen funktionellen Krankheitszustand zur Folge habe. Die damit verbundene Entstellung verhindere die Teilnahme der Klägerin am sozialen Leben und ihr berufliches Fortkommen. Durch ihre unbehandelte, krankhafte Gesichtsbehaarung und die damit verbundenen Folgen habe sich eine latente Depression neuerlich verstärkt. Durch eine Behandlung des Hirsutismus sei auch bei dieser Krankheit eine deutliche Besserung und Erleichterung zu erwarten.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisungund wandte ein, bei der von der Klägerin begehrten klagsgegenständlichen Laserepilation handle es sich nicht um eine Krankenbehandlung. Die Klägerin leide unter Bartwuchs. Bei dem bei der Klägerin auftretenden Bartwuchs handle es sich um eine bloß subjektiv empfundene, kosmetische, Beeinträchtigung, und durch die Behandlung mit der klagsgegenständlichen Laserepilation werde in erster Linie ein optischer Zustand beseitigt. Der Versicherungsfall der Krankheit nach § 120 Z 1 ASVG sei nicht eingetreten, da die Entfernung des bei der Klägerin auftretenden Bartwuchses nicht der Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände im Sinne des § 133 Abs 3 ASVG diene. Beim vorliegenden Bartwuchs handle es sich bloß um eine geringfügige Störung des Aussehens, die keine Leistungspflicht der Krankenversicherung auslöse. Eine psychische Erkrankung sei nur mit den hiefür lege artis zur Verfügung stehenden Mitteln, insbesondere mit einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung, zu behandeln. Laserbehandlungen zur Verhinderung von Haarwuchs seien zur Behandlung von psychischen Leiden nicht geeignet und würden keine lege artis Behandlung darstellen.
Die klagsgegenständliche Laserepilation würde zudem jedenfalls das Maß des Notwendigen im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG überschreiten, da Haarentfernungen auch mit anderen Methoden durchgeführt werden können. Der mit der begehrten Behandlung bezweckte haarlose Zustand des Gesichts könne nämlich auch mit einer täglichen Rasur, mit Haarentfernungscremes sowie mit Waxing erreicht werden.
Beweis wurde erhoben durch:
Einsichtnahme in die von der Klägerin (angefochtener Bescheid ./A, Bescheide der MA N* und ./C, Reisepasskopien ./D und ./E, Befunde vom 27.02.2020 ./F und ./G, Befund der O*, Schreiben der beklagten Partei ./i, Psychologische Stellungnahme ./J, Ambulanzberichte ./K und ./L, Klinischer Brief, Konsiliarbefund ./M, Geburtsurkunde ./N, Schreiben der beklagten Partei ./O, Befund vom 27.02.2020 ./P, Schreiben der P*, EKG-Streifen ./R) vorgelegten Urkunden sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Gynäkologie durch OA Dr. Q* R* (ON 18) samt Erörterung in der Tagsatzung vom 28.06.2022 (ON 24) .
Die beklagtenseits beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Dermatologie hatte mangels Entscheidungsrelevanz zu unterbleiben, da die zur Entscheidung der Rechtssache erforderlichen Feststellungen bereits auf der Grundlage des eingeholten gynäkologischen Gutachtens und der diesbezüglich durchgeführten, ausführlichen Erörterung mit dem Sachverständigen Dr. Q* R* getroffen werden können. Insbesondere hat der Sachverständige in eingehender und plausibler Weise dargelegt, dass gerade der dem Fachgebiet der Gynäkologie integrierend zugehörige Bereich der gynäkologischen Endokrinologie das für die Klärung der vorliegend entscheidungsrelevanten Fragestellungen einschlägige medizinische Fachgebiet ist, zumal die Gynäkologie sowohl in Österreich als auch weltweit jene Fachrichtung ist, die sich in führender Weise mit Fragestellungen der Transgendermedizin befasst. Nicht zuletzt aufgrund der umfassenden und ebenso instruktiven wie aufschlussreichen Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten (ON 18) und aufgrund seiner gleichermaßen fundierten Konstatierungen im Rahmen der mündlichen Erörterung (ON 24) hat das Gericht keinerlei Bedenken an der Facheinschlägigkeit des von ihm vertretenen gynäkologischen Fachgebiets für die zur Beurteilung des Klagsanspruches relevante Thematik im Allgemeinen oder an der fachlichen Kompetenz des bestellten Sachverständigen im Besonderen (vgl auch den Hinweis auf dessen einschlägige wissenschaftliche Funktion in den Niederlanden, S. 16 f des GA). Insbesondere ist - wie ebenfalls vom Sachverständigen ausgeführt - hervorzuheben, dass die vorliegend entscheidungswesentliche Fragestellung nicht in der (auf das dermatologische Fachgebiet verweisenden) Beurteilung der bloßen „praktischen“ Eignung der angestrebten Laserepilation zur Entfernung der Behaarung der Klägerin besteht, sondern dass zentral für die Beurteilung des Klagsanspruchs gerade im Hinblick auf die beklagtenseitige Bestreitung der „Krankheitswertigkeit“ des Bartwuchses der Klägerin vielmehr die (in das Feld der Transgendermedizin und damit in die gynäkologische Endokrinologie bzw in das Fachgebiet der Gynäkologie verweisende) Fragestellung der Indikation dieser Laserepilation vor den Hintergrund der konkreten Situation der Klägerin (nämlich insbesondere und spezifisch unter Berücksichtigung des bei ihr diagnostizierten Transsexualismus) ist.
Im Kontrast dazu sind die Ausführungen der beklagten Partei in ihrer Stellungnahme vom 23.05.2022 (ON 22) nicht dazu geeignet, eine fehlende fachlich-thematische Eignung des bestellten Sachverständigen oder seines Gutachtens bzw die mangelnde Einschlägigkeit des von ihm vertretenen Fachgebiets der Gynäkologie darzulegen oder umgekehrt die Eignung, Zweckmäßigkeit oder Tauglichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Dermatologie schlüssig darzutun. Vielmehr ist darauf zu verweisen, dass selbst der vom Gericht ursprünglich beigezogene Sachverständige aus dem dermatologischen Fach die Untunlichkeit eines dermatologischen Gutachtens unter Verweis auf die vielmehr gegebene Zweckmäßigkeit eines Gutachtens aus dem endokrinologischen oder gynäkologischen Fach betont hat (ON 6) . Auch der sodann beigezogene Sachverständige aus dem endokrinologischen Fach hat seine mangelnde Vertrautheit mit jenen besonderen fachlichen Anforderungen, die mit der vorliegenden spezifischen Fragestellung einhergehen, offengelegt (ON 8) . Beide Stellungnahmen wurden insbesondere auch der beklagten Partei zur Kenntnis gebracht (ON 7, 12) .
Abgesehen von all dem haben gerade die vom Gericht durchgeführten Recherchen insbesondere bei der zweifellos facheinschlägigen Leiterin der Transgender-Ambulanz im S* D* zur ausdrücklichen Empfehlung des Sachverständigen Dr. Q* R* als kompetenter Sachverständiger für die vorliegend entscheidungswesentliche, spezifische Thematik geführt (ON 9, 10, 11) .
Die Einholung etwa eines Gutachtens aus dem psychiatrischen Fach ist vor dem Hintergrund der - unten noch näher dargelegten - Verfahrensergebnisse ohnedies entbehrlich, da demnach der den Klagsanspruch begründende Zustand im vorhandenen Leiden des Transsexualismus bzw der Genderdysphorie besteht, welches als regelwidriger Körperzustand (vgl auch OGH 10 ObS 2303/96s, Pkt 3. aE) im Hinblick auf den Gesichtshaarwuchs der Klägerin lege artis gerade durch die entsprechende physische Angleichung des Körpers (und nicht etwa durch psychiatrische oder psychotherapeutische Interventionen) zu behandeln ist.
Auf dieser Grundlage werden nachstehende
Feststellungen
getroffen:
Dr. G* H*, Fachärztin für Dermatologie in I* D*, J*straße K*, verschrieb für die Klägerin mit Verordnung vom 27.02.2020 unter Angabe der Diagnosen „Hypertrichose Gesicht, Hormontherapie, Akne vulgaris, Depressio, Transgenderpatientin“ eine Laserbehandlung (Lasertherapie) für Gesicht- und Halslaserung im Ausmaß von zumindest 10 Therapien.
Die Diagnose „Hirsutismus“ bezeichnet einen Zustand, in dem beim betreffenden Menschen eine erhöhte Androgenproduktion besteht, welche unter anderem bei Frauen zu einer Behaarung und einem Haarwuchs an Kinn, Oberlippe, Hals, Rücken, Brust etc entsprechend dem männlichen Verteilungsmuster führt.
Die Diagnose „Hypertrichose“ bezeichnet einen von der hormonellen Situation des betreffenden Menschen unabhängigen Zustand, in dem ein verstärkter, nicht dem Regelfall entsprechender und im Vergleich zum Regelfall übermäßiger Haarwuchs, sei es im Gesicht oder am sonstigen Körper, auftritt.
Die Diagnose „Transsexualismus“ (synonym auch: „Genderdysphorie“ oder „Genderinkongruenz“), F 64.0 nach ICD-10, (im Folgenden zusammengefasst: „Genderdysphorie“) bezeichnet einen Zustand, in dem ein Widerspruch zwischen dem körperlichen Geschlecht und der empfundenen Geschlechtszugehörigkeit in dem Sinne besteht, dass die betreffende Person die Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht als ihrem eigenen körperlichen Geschlecht sowie den Wunsch, als Angehöriger dieses anderen Geschlechtes - im Folgenden bezeichnet als „Geschlecht der Genderidentität“ - zu leben und anerkannt zu werden, samt dem damit einhergehenden Unbehagen mit oder Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen körperlichen Geschlecht empfindet und unter dieser Diskrepanz zwischen Physis und Genderidentität leidet.
Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft besteht die zur Behandlung von Genderdysphorie lege artis gebotene Behandlung in der sogenannten medizinischen Transition, das heißt in der physischen Angleichung des Körpers an das Geschlecht der Genderidentität durch Angleichung (Virilisierung oder Feminisierung) der körperlichen und anatomischen Merkmale an geschlechtsspezifische - „männlich“ oder „weiblich“ identifizierte bzw konnotierte - Muster, mit dem Ziel der Aufhebung der Genderdysphorie und sodann der Aufrechterhaltung der erreichten Angleichung (Virilisierung oder Feminisierung), um der betreffenden Person dadurch die soziale Transition - nämlich insbesondere auch die soziale Wahrnehmung des Geschlechts ihrer Genderidentität - zu ermöglichen. Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft ist ausschließlich die physische Angleichung des Körpers an das Geschlecht der Genderidentität dazu geeignet, den Erfolg einer Beseitigung oder Linderung von Genderdysphorie herbeizuführen.
Als Mittel zur Durchführung der medizinischen Transition und zur physischen Angleichung des Körpers an das Geschlecht der Genderidentität stehen diverse Methoden bzw Maßnahmen zur Verfügung, so etwa chirurgische Eingriffe, Hormonbehandlung oder Gesichtshaarepilation insbesondere im Sinne der klagsgegenständlichen Laserepilation, welche integrative Bestandteile des des gesamten Prozesses der medizinischen Transition sind und im Rahmen dieses Prozesses komplementär zueinander angewendet werden.
Bei der Gesichtshaarentfernung mittels Laserbehandlung im Sinne der klagsgegenständlichen Laserepilation handelt es sich um eine nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannte und indizierte Methode zur Behandlung von Genderdysphorie bei Transfrauen, das heißt, bei mit männlichem körperlichem Geschlecht geborenen Personen mit weiblicher Genderidentität.
Bart- und Gesichtshaare sind anatomische Merkmale und sekundäre Geschlechtsmerkmale, welche dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden und einen für das männliche Geschlecht geschlechtsspezifischen Eindruck auslösen. Die Bart- oder Gesichtsbehaarung gehört zu jenen anatomischen Körpermerkmalen, welche als eindeutiges Merkmal des männlichen Geschlechts wahrgenommen und spezifisch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Gesichtsbehaarung ist männlich konnotiert, und Personen werden infolge ihrer Bartbehaarung als männlich identifiziert.
Bart- oder Gesichtsbehaarung, auch schon das Auftreten von Bartstoppeln, behindert Transfrauen erheblich darin, sich sozial zu integrieren, da eine solche Behaarung
Die Klägerin wurde am C* mit männlichem körperlichem Geschlecht geboren und führte bis zum Jahr 2019 den Namen T*.
Bei der Klägerin bestand und besteht Genderdysphorie (Transsexualismus, F 64.0 nach ICD-10) im Sinne einer von der Klägerin empfundenen Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht anstelle des körperlichen männlichen Geschlechts.
Von den zur Verfügung stehenden Mitteln zur Durchführung der medizinischen Transition hat sich die Klägerin aufgrund der bei ihr bestehenden Genderdysphorie bisher lediglich einer cross-sex-Hormonbehandlung unterzogen. Die Klägerin steht seit dem Jahr 2018 laufend unter einer solchen cross-sex-Hormontherapie zur physischen Angleichung ihres Körpers an das Geschlecht ihrer Genderidentität, dh an das weibliche Geschlecht.
Die bei der Klägerin unter dieser cross-sex-Hormontherapie bestehende hormonelle Situation kommt der hormonellen Situation einer mit weiblichem körperlichem Geschlecht geborenen Frau nahe und entspricht zusammengefasst stärker der hormonellen Situation einer mit weiblichem körperlichem Geschlecht geborenen Frau als der hormonellen Situation eines mit männlichem körperlichem Geschlecht geborenen Mannes. Insbesondere weist die Klägerin einen auch für das weibliche Geschlecht auffällig hohen Estradiolspiegel auf sowie einen Testosteronspiegel, der im niedrigen Normbereich für eine Frau liegt.
Mit den Bescheiden des U* M* D*, Magistratsabteilung 63, vom 21.08.2019 wurden gegenüber der Klägerin die Änderung ihres Vornamens in „A*“ und die Änderung ihres Familiennamens in „B*“ bewilligt.
Spätestens am 26.08.2019 wurden diese Änderungen des Vor- und Familiennamens der Klägerin sowie die Änderung ihres Geschlechts in das weibliche Geschlecht im Personenstandsregister eingetragen.
Die Klägerin imponiert auf den ersten Blick genderneutral. Ihr Gesicht ist schmal und kantig. Eine relativ große Nase, ein kantiges Kinn und ein scharfer Kieferwinkel vermitteln einen „männlichen“ Eindruck. Die langen gewellten Haare und die relativ glatte Haut der Klägerin vermitteln einen „weiblichen“ Eindruck. Evident männlich konnotierte Charakteristika fallen bei der Klägerin erst im Zuge einer längeren Interaktion auf, nämlich durch ihre tiefere Stimmlage sowie einen besonders prominenten Adamsapfel.
Bei der Klägerin besteht eine dem normalen männlichen Muster entsprechende Bart- bzw Gesichtsbehaarung.
Die bei der Klägerin stattfindende cross-sex-Hormontherapie ist nicht dazu angetan, diese Behaarung bzw das Barthaarwachstum bei der Klägerin zu verhindern oder zu unterdrücken oder das Ausmaß dieser Bart- bzw Gesichtsbehaarung zu beeinflussen, sondern ist nur dazu geeignet, die Geschwindigkeit des Haarzyklus zu reduzieren.
Das Muster der bei der Klägerin gegebenen Bart- bzw Gesichtsbehaarung ist atypisch für eine Frau vor der Postmenopause. Zwar tritt auch bei Frauen in der Postmenopause Gesichtsbehaarung entsprechend einem sogenannten „Damenbart“ auf. Allerdings ist das Auftreten von Gesichtsbehaarung bei einer Frau jüngeren Alters, insbesondere bei einer Frau im aktuellen Alter der Klägerin, und bei einer Frau im reproduktionsfähigen Alter atypisch und regelwidrig.
Bei der Klägerin besteht nicht Hirsutismus.
Bei der Klägerin besteht im Hinblick auf ihre Bart- bzw Gesichtsbehaarung Hypertrichose. Die bei der Klägerin bestehende Hypertrichose führt zum gegebenen Ausmaß der Ausprägung der Genderdysphorie der Klägerin. Die bestehende Genderdysphorie der Klägerin wäre im Falle der Beseitigung oder Linderung dieser Hypertrichose geringer ausgeprägt.
Die klagsgegenständliche Laserepilation ist ein geeignetes, ausreichendes und zweckmäßiges Mittel zur Beseitigung der bei der Klägerin bestehenden Hypertrichose und zur Unterbindung weiteren Bart- bzw Gesichtshaarwachstums bei der Klägerin, dient der Erreichung des Ziels, die bei der Klägerin bestehende Hypertrichose zu beseitigen sowie weiteres Bart- bzw Gesichtshaarwachstum bei der Klägerin zu unterbinden und damit ihre Genderdysphorie durch eine derartige Angleichung ihres Körpers an das weibliche Geschlecht zu lindern, und ist zur Erreichung dieses Ziels notwendig und unabdingbar.
Zur Erreichung dieses Ziels ist die Durchführung von insgesamt 10 Sitzungen der Behandlung mit der klagsgegenständlichen Laserepilation erforderlich. Nach Durchführung der erforderlichen Anzahl der Sitzungen ist das Ziel der Unterbindung eines weiteren Bart- bzw Gesichtshaarwachstums dauerhaft erreicht und die diesbezügliche Behandlung endgültig abgeschlossen.
Die Durchführung der klagsgegenständlichen Laserepilation ist - abhängig von dem hiefür in Anspruch genommenen Dienstleister - mit einem Kostenaufwand von rund EUR 50,00 bis EUR 100,00 pro Sitzung verbunden.
Mit einer täglichen Rasur, mit der Anwendung von Haarentfernungscremes oder mit der Anwendung von Wachs („Waxing“) ist eine dauerhafte Haarentfernung nicht erzielbar.
Bei der Klägerin lassen sich auch bei zweimal täglicher Rasur bereits spätestens 2,5 Stunden nach einer Rasur Bart- bzw Haarstoppel am Kinn und beidseits ausstrahlend auf die Kante des Unterkiefers sowie in geringem Maße auch an der Oberlippe erkennen. Aufgrund der bei ihr stattfindenden cross-sex-Hormontherapie führt eine tägliche Rasur bei der Klägerin zu stärkeren Hautirritationen, als dies bei einer anderen Person ohne Hormonbehandlung der Fall wäre.
Wenn die Anwendung einer Haarentfernungscreme abgesetzt wird, tritt spätestens nach acht Wochen wieder der Haarwuchs ein. Die Anwendung derartiger Cremes führt auch bei Personen ohne Hormonbehandlung typischerweise zu starken Hautirritationen. Die Anwendung der Haarentfernungscreme „Eflornithin-Creme (Handelsname ** 11,5 %)“ ist mit einem Kostenaufwand von EUR 54,00 pro Dosis von 30 g verbunden. Die Klägerin würde mit einer solchen Dosis von 30 g für eine Anwendungsdauer von etwa drei bis vier Wochen das Auslangen finden.
Die Anwendung von Wachs („Waxing“) ist eine für die betreffende Person relativ schmerzhafte Methode, bei welcher die Haare aus der Haarwurzel herausgerissen werden und dadurch ebenfalls die Haut irritiert wird.
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf nachstehende
Beweiswürdigung:
Der Inhalt der bescheid- und verfahrensgegenständlichen Verordnung Dris. H* ergibt sich aus der diesbezüglich vorgelegten Urkunde (Beil./G, /F) .
Die Feststellungen zum Personenstand der Klägerin - insbesondere zu Umstand und Zeitpunkt ihrer Namensänderung sowie der Änderung der Geschlechtseintragung im Personenstandsregister - gründen sich auf die Kopien des „alten“ (Beil./E) und des „neuen“ (Beil./D) Reisepasses, auf die einschlägigen Bescheide (Beil./B, ./C) und auf die Geburtsurkunde vom 26.08.2019 (Beil./N). Die Datierung bzw das Ausstellungsdatum dieser Geburtsurkunde - welche ein Auszug aus dem Personenstandsregister (vormals: Geburtenbuch) ist und dessen Inhalt wiedergibt (§§ 53 f PStG 2013) - lässt auch ohne weiteres nachvollziehen, dass die Änderungseintragungen spätestens am 26.08.2019 erfolgt sind.
Wesen und Bedeutung der im Verfahren relevierten Diagnosen bzw Leiden „Hirsutismus“, „Hypertrichose“ und „Transsexualismus“ - bzw nach modernerer Diktion: „Genderdysphorie“ oder „Genderinkongruenz“ (vgl S. 7, 18 des GA ON 18) - wurden vom Sachverständigen OA Dr. Q* R* im oben wiedergegebenen Sinne dargelegt und erläutert. Aus den nicht nur in diesem Aspekt, sondern insgesamt äußerst lehrreichen und informativen Ausführungen sowohl im schriftlichen Gutachten als auch im Rahmen der mündlichen Erörterung geht überdies hervor, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft indizierte und einzig geeignete Methode der Behandlung bzw Linderung oder Aufhebung von Genderdysphorie (nicht etwa die Angleichung des psychischen Geschlechtsempfindens an das gegebene körperliche Geschlecht, sondern vielmehr umgekehrt) zusammengefasst die physische Angleichung des Körpers an die empfundene Gendereridentität durch die (näher dargelegten) Mittel der medizinischen Transition ist, um der betreffenden Person auf diesem Weg die - mit der Genderidentität konforme - soziale Transition ermöglichen (insb S. 18 des GA, S. 7 des Protokolls ON 24) . Wie den Ausführungen des Sachverständigen überdies insgesamt zu entnehmen ist, handelt es sich bei der medizinischen Transition um einen komplexen Prozess zur Angleichung der körperlichen und anatomischen Merkmale an jene Muster, die für das Geschlecht der Genderidentität spezifisch („männlich“ oder „weiblich“) konnotiert und identifiziert sind (vgl etwa auch S. 11 f, 18, 20 des GA) , durch Anwendung vielfältiger, komplementär zueinander bzw bausteinartig miteinander eingesetzter und integrative Bestandteile des gesamten Transitionsprozesses bildender Maßnahmen (vgl S. 22, 33 des GA; S. 4, 6 des Protokolls) , zu denen beim Ziel der Feminisierung einer Transfrau unter anderem gerade auch eine Behandlung wie die vorliegend klagsgegenständliche Laserepilation gehört.
Der Sachverständige hat auch eindeutig festgehalten, dass eine solche Gesichtshaarentfernung mittels Laserbehandlung (als integrativer Bestandteil der gesamthaften Behandlung von Genderdysphorie) „state of the art“ in der Behandlung von Transfrauen ist (vgl S. 22 des GA) , zumal Bart- und Gesichtshaare anatomische Merkmale und sekundäre Geschlechtsmerkmale sind, die - auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung unmittelbar einleuchtend - einen für das männliche Geschlecht spezifischen Eindruck auslösen und sohin zusammengefasst ein Hindernis für die Aufhebung der (vom männlichen Geschlecht weg- und zum weiblichen Geschlecht hinführenden) Genderdysphorie von Transfrauen bzw für deren soziale Transition bilden (zB S. 7 f, 11 f, 18 des GA; S. 4 ff des Protokolls) . Dies wird nicht zuletzt auch durch den Umstand verdeutlicht, dass in den für die Niederlande und für zahlreiche weitere europäische Staaten maßgeblichen Kriterienkatalogen für die Behandlung von Transgender-Personen Gesichtsbehaarung bei Frauen als behandlungsbedürftige und -würdige Deformation qualifiziert wird (S. 17 des GA; S. 5 des Protokolls) . Ebenso leuchtet selbst bei laienhafter Betrachtung ein, dass das bei der Klägerin gegebene („männliche“) Muster der Gesichtsbehaarung atypisch für eine Frau vor der Postmenopause ist, und dass selbst unter Berücksichtigung des bei Frauen in der Postmenopause auftretenden Phänomens des sogenannten „Damenbartes“ Gesichtsbehaarung atypisch und regelwidrig für eine Frau insbesondere im Alter der Klägerin ist (S. 4 des Protokolls) .
Auch in sonstiger Hinsicht führen die umfangreichen, eingehenden, gut begründeten und inhaltlich nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen insgesamt zu dem in den Feststellungen ersichtlichen Bild über die bei der Klägerin bestehenden Leiden, über die stattfindende Hormonbehandlung samt deren Effekt auf den Hormonstatus und den Haarwuchs, über die Zweckmäßigkeit der bei der Klägerin indizierten Laserepilation mit dem Ziel der dauerhaften Unterbindung des Gesichts- bzw Barthaarwachstums und über deren Erforderlichkeit zur (weiteren) Behandlung bzw Linderung der bestehenden Genderdysphorie als (weiterer) Schritt der medizinischen Transition im Vergleich zu den beklagtenseits ins Treffen geführten Alternativen sowie über den mit der klagsgegenständlichen Laserepilation einhergehenden Kostenaufwand in Abgrenzung insbesondere zu den Kosten der Anwendung einer Haarentfernungscreme.
Die Untauglichkeit täglicher Rasuren zur Bewirkung einer mehr als nur äußerst kurzzeitigen Entfernung von Barthaaren bzw -stoppeln bei der Klägerin wird schon durch den vom Sachverständigen befundeten, um die anamnestischen Angaben der Klägerin ergänzten Status im Untersuchungszeitpunkt (S. 5, 7 des GA) eindrücklich belegt. Der Sachverständige hat überdies dargelegt hat, dass die Klägerin im Falle von täglichen Rasuren gerade wegen der Hormonbehandlung mit stärkeren Hautirritationen konfrontiert wäre, als dies bei einer anderen Person der Fall wäre, dass die Anwendung von Haarentfernungscremes auch ohne Hormonbehandlung überhaupt typischerweise zu starken Hautirritationen führt, und dass auch das von der beklagten Partei ins Treffen geführte „Waxing“ - wohl auch notorisch - schmerzhaft ist und ebenfalls die Haut irritiert (S. 6 f des Protokolls) .
Zusammengefasst hat das Gericht hat keinerlei Bedenken, die überzeugenden, plausiblen und einleuchtenden Konstatierungen des fachlich versierten und unzweifelhaft eminent kompetenten Sachverständigen zur Grundlage der Feststellungen zu machen. Auch soweit Dr. H* ausweislich der Beilagen ./F und ./G im Rahmen der Verordnung der klagsgegenständlichen Laserepilation einen höheren Kostenbetrag pro Sitzung veranschlagt hat, bildet die darin allenfalls zum Ausdruck kommende individuelle Honorargestaltung dieser Ärztin keinen Grund, an der Richtigkeit der vom Sachverständigen Dr. R* geschilderten Bandbreite der üblicherweise anfallenden Kosten (S. 3 des GA) zu zweifeln.
Dass die Diagnose des Transsexualismus bzw der „Genderdysphorie“ oder „Genderinkongruenz“, F 64.0 nach ICD-10, bei der Klägerin lege artis gestellt wurde und sohin bei der Klägerin tatsächlich besteht, wurde vom Sachverständigen mehrfach ausdrücklich betont (zB S. 22 des GA; S. 7 des Protokolls) und im Übrigen auch von der beklagten Partei gar nicht in Zweifel gezogen.
Text
Rechtliche Beurteilung:
Wie das Beweisverfahren ergeben hat, dient die klagsgegenständliche Laserepilation nicht „nur“ der Beseitigung des Barthaarwuches der Klägerin im Sinne der „bloßen“ Beeinflussung ihres optischen Zustandes oder der Beseitigung „allein“ des als Hypertrichose qualifizierten Zustandes. Vielmehr ist diese Laserepilation ein (weiteres) Mittel der physischen Angleichung des Körpers der Klägerin an ihre weibliche Genderidentität zur Aufhebung bzw Linderung der bestehenden Genderdysphorie, welches im Rahmen des gesamten lege artis indizierten Prozesses der medizinischen Transition zu der bereits angewandten cross-sex-Hormontherapie hinzutritt und mittels der durch die Laserepilation bewirkten Unterbindung des Gesichtshaarwachstums eine Angleichung auch des - gerade für die soziale Transition (als im Interesse der Auflösung von Genderdysphorie schlechthin bzw maßgebend anzustrebendes Resultat) bedeutsamen - anatomischen Geschlechts- und Körpermerkmals der Gesichtsbehaarung der Klägerin an eine weibliche konnotierte Ausprägung erreicht. Zumal die Behandlungsbedürftigkeit der bei der Klägerin bestehenden Genderdysphorie per se und damit deren Krankheitswertigkeit im Sinne des § 120 Z 1 ASVG (vgl auch RIS-Justiz RS0085164, insb OGH 10 ObS 2303/96s) gar nicht in Zweifel gezogen wurden, erweist sich daher die klagsgegenständliche Laserepilation im Hinblick auf den in Gestalt der Genderdysphorie tatsächlich gegebenen Versicherungsfall der Krankheit als Krankenbehandlung im Sinne von § 117 Z 2, § 133 Abs 1, 2 ASVG. (Dies unterscheidet die spezifische Situation der Klägerin etwa auch von jener Situation, in der sich allenfalls eine - wenngleich einen „Damenbart“ aufweisende - Frau ohne Genderinkongruenz befindet, da bei einer solchen Frau jedenfalls nicht die eine medizinische Transition indizierende Genderdysphorie und nicht der bei einer Transfrau gegebene Bedarf nach Feminisierung bestehen.)
Dass die klagsgegenständliche Laserepilation lediglich das spezifische Geschlechts- bzw Körpermerkmal der Gesichtsbehaarung an die weibliche Genderidentität der Klägerin physisch angleicht und damit den in der Genderdysphorie bestehenden regelwidrigen körperlichen Zustand der Klägerin (vgl zur Qualifikation von Transsexualismus als regelwidriger Körper- und nicht Geisteszustand auch OGH 10 ObS 2303/96s, Pkt 3. aE) allenfalls nicht vollständig behebt, sondern lediglich einen Aspekt der gesamthaft indizierten medizinischen Transition realisiert, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn die Qualifikation eines regelwidrigen Körperzustandes als behandelbar und damit als Krankheit sowie die Qualifikation einer Maßnahme als notwendige Krankenbehandlung setzen keineswegs voraus, dass die Behandlung zur vollständigen Heilung des Patienten führt bzw das Leiden behebt oder beseitigt; vielmehr genügt es bereits, dass die Behandlung eine bloße Besserung bzw Linderung des Leidens bezweckt und daher das Leiden zumindest in diesem Sinne beeinflussbar ist (vgl RIS-Justiz RS0106245 [T1], RS0106403 [T2, T3], RS0117777 [T1]; RS0083917; OGH 10 ObS 258/02t, 10 ObS 224/02t). In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse die Laserepilation ein (weiteres) erforderliches Element des gesamten für die Klägerin indizierten - bereits durch die cross-sex-Hormontherapie eingeleiteten - Prozesses der medizinischen Transition ist. Dies entspricht auch dem von der Judikatur bereits anerkannten Umstand, dass die Krankenbehandlung in Bezug auf Transsexualismus bzw Genderdysphorie sich nicht auf eine einzelne Maßnahme beschränkt, sondern die Durchführung einer Mehrzahl von unterschiedlichen Maßnahmen umfasst (vgl OGH 10 ObS 2303/96s, insb Pkt 5. und 6.).
Ausgehend von der unzweifelhaft gegebenen Qualifikation der bei der Klägerin bestehenden Genderdysphorie als Krankheit iSd § 120 Z 1 ASVG und von der Qualifikation der zur diesbezüglichen Linderung dienenden Laserepilation als Krankenbehandlung iSv § 117 Z 2, § 133 Abs 1, 2 ASVG bleibt daher zu prüfen, ob diese klagsgegenständliche Krankenbehandlung den Anforderungen des § 133 Abs 2 ASVG entspricht. Gemäß § 133 Abs 2 ASVG muss die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Dass die klagsgegenständliche Laserepilation insbesondere im begehrten Umfang von 10 Sitzungen ein ausreichendes und zweckmäßiges Mittel zur Erreichung des bei der Klägerin angestrebten Ziels der (Unterbindung des Gesichtshaarwachstums bzw der Hypertrichose und damit der) Linderung der bestehenden Genderdysphorie durch physische Angleichung des somatischen Zustandes an die weibliche Genderidentität ist, geht aus den eindeutigen Beweisergebnissen ohnehin zweifelsfrei hervor, zumal diese Maßnahme der Erreichung dieses Ziels dient und hiefür nach dem anerkannten Stand der Medizin in erfolgversprechender Weise geeignet sind (vgl dazu allgemein auch Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 50 ff [Stand 01.01.2020, rdb.at]; Schober in Sonntag 13§ 133 ASVG Rz 5 f; RIS-Justiz RS0083820, RS0083821).
Die klagsgegenständliche Laserepilation überschreitet im vorliegenden Fall auch nicht das Maß des Notwendigen im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG. Dieses Maß bestimmt sich aus dem Zweck der Leistung, weshalb notwendig in diesem Sinne nur jene Maßnahme ist, die zur Erreichung des angestrebten Zwecks unentbehrlich oder unvermeidbar ist. Ein Überschreiten des Maßes des Notwendigen und Zweckmäßigen ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn eine überflüssige oder mit den Regeln der ärztlichen Wissenschaft nicht zu vereinbarende Maßnahme durchgeführt wird, oder wenn zwischen den Kosten der unterschiedlichen Maßnahmen ein Missverhältnis besteht, das in der den Versicherten schonenderen Behandlungsweise kein Äquivalent findet. Die Beschränkung auf das notwendige Maß läuft daher im Ergebnis darauf hinaus, dass bei Verfügbarkeit mehrerer gleichermaßen zweckmäßiger Maßnahmen jeweils diejenige zu wählen ist, die die geringsten Kosten verursacht, bzw bei der die Relation der Kosten zum Nutzen am günstigsten ist (vgl zB OGH 10 ObS 111/13s; RIS-Justiz RS0106240 [insb T2], RS0083816 [insb T4], RS0083823; Felten/MosleraaO § 133 ASVG Rz 51, 53; SchoberaaO § 133 ASVG Rz 7). Ökonomische Gesichtspunkte sind somit letztlich erst und nur dann von Relevanz, wenn tatsächlich mehrere gleichermaßen zweckmäßige bzw im Wesentlichen wirkungsgleiche Methoden zur Verfügung stehen (vgl Felten/MosleraaO § 133 ASVG Rz 53; zB OGH 10 ObS 113/94, 10 ObS 52/96 = RIS-Justiz RS0083823 [T1], 10 ObS 111/13s).
Zudem kommt dem Maß der „Betroffenheit“ des Patienten im Einzelfall eine entscheidende Bedeutung bei der Abwägung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit mehrerer in Betracht kommender Methoden zu. Mit „Betroffenheit“ sind die Auswirkungen der konkreten strittigen Maßnahme auf den Patienten gemeint, zumal bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Maßnahme auch die konkrete Situation und die Interessen des Patienten zu berücksichtigen sind. Je höher das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall ist und je höher das tangierte Gut zu bewerten ist, umso weiter treten sonstige Argumente bei der Abwägung zwischen den einzelnen in Frage stehenden Behandlungsalternativen in den Hintergrund (vgl zB OGH 10 ObS 111/13s; SchoberaaO § 133 ASVG Rz 7 ff; Felten/MosleraaO § 133 ASVG Rz 53; RIS-Justiz RS0083816, RS0083823, RS0106240 [insb T2]).
Vorliegend ist nach Maßgabe der getroffenen Feststellungen zugrundezulegen, dass ausschließlich die klagsgegenständliche Laserepilation dazu geeignet ist, eine dauerhafte physische Angleichung des Gesichtshaarwachstums der Klägerin an ihre weibliche Genderidentität und damit in dieser Hinsicht eine dauerhafte Linderung der bestehenden Genderdysphorie herbeizuführen. Sämtliche der von der beklagten Partei ins Treffen geführten Alternativmethoden (tägliche Rasur, Cremes, „Waxing“) sind zur dauerhaften Angleichung dieses anatomischen Geschlechtsmerkmals an die Genderidentät ungeeignet und stehen vielmehr gerade aufgrund des Erfordernisses ihrer laufenden wiederholten Anwendung der Erreichung des Ziels, Hindernisse für die Identifikation und Wahrnehmung der Klägerin als Frau auszuräumen, entgegen. Sohin kommt es schon mangels auch nur annähernd gleicher Wirkung dieser Methoden bzw mangels Ersichtlichkeit sonstiger zweckmäßiger Alternativen nicht in Betracht, der klagsgegenständlichen Laserepilation die Notwendigkeit im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG abzusprechen.
Abgesehen davon spricht ohnedies auch das oben dargelegte Kriterium der „Betroffenheit“ des Klägerin eindeutig dafür, der klagsgegenständlichen Laserepilation den Vorzug zu geben vor den beklagtenseits ins Treffen geführten Alternativen. Denn während erwartungsgemäß nach 10 Sitzungen der Laserepilation das Gesichtshaarwachstum der Klägerin dauerhaft und endgültig unterbunden sein wird, wäre die Klägerin im Falle der beklagtenseits genannten Alternativmethoden unablässig und durchgehend dazu verhalten, die Rasuren, Haarentfernungscremes oder „Waxing“ kontinuierlich und fortlaufend wiederholend anzuwenden, um den Zustand ihrer Gesichtsbehaarung an ihre weibliche Genderidentität zumindest anzunähern. Es liegt auch auf der Hand, dass gerade die damit einhergehende beständige Konfrontation mit ihrem männlich konnotierten Haarwachstum den Interessen der Klägerin, sich selbst als Frau wahrnehmen zu dürfen und auch sozial als solche wahrgenommen zu werden, widersprechen würde. Nicht zuletzt sprechen im Rahmen der gebotenen Abwägung auch die bei Rasuren, Haarentfernungscremes oder „Waxing“ auftretenden Neben- oder Folgewirkungen (Hautirritationen, Schmerzempfinden), mit welchen die Klägerin gleichermaßen immerfort belastet wäre, dagegen, in diesen Methoden Alternativen zu sehen, die ein auch nur annähernd gleiches Maß an Zweckmäßigkeit wie die klagsgegenständliche Laserepilation aufweisen würden.
Angesichts des festgestellten voraussichtlichen Kostenaufwandes für die klagsgegenständliche Laserepilation stehen auch ökonomische Gesichtspunkte einem diesbezüglichen Behandlungsanspruch der Klägerin nicht entgegen, da jedenfalls die laufende Anwendung der oben genannten Haarentfernungscreme schon nach spätestens rund 1,5 Jahren höhere Gesamtkosten zeitigen würde, eine vorteilhaftere Kostenbelastung auch im Falle von „Waxing“ nicht hervorgekommen ist und überhaupt der maßgebliche Gesichtspunkt der Betroffenheit der Klägerin aus den dargelegten Erwägungen die Beachtlichkeit des für die Laserepilation mit nur insgesamt EUR 500,00 bis EUR 1.000,00 zu veranschlagenden Kostenaufwandes relativiert.
Zusammengefasst erfüllt sohin die klagsgegenständliche Laserepilation im begehrten Umfang von 10 Sitzungen hinsichtlich der Klägerin die Kriterien der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG, weshalb wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden ist.
Nur ergänzend und der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass selbst bei isolierter Betrachtung des bei der Klägerin bestehenden Gesichtshaarwachstums und allein des unmittelbar angestrebten Ziels der Gesichtshaarentfernung die klagsgegenständliche Laserepilation gleichermaßen als in die Leistungspflicht der beklagten Partei fallende Krankenbehandlung zu werten ist. Denn namentlich in Ansehung von kosmetischen Behandlungen erweitert § 133 Abs 3 Satz 1 ASVG den Umfang der in die Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers fallenden Maßnahmen über den Kreis jener Erscheinungen hinaus, die als Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn des § 120 Z 1 ASVG anzusehen sind. Von den von der Medizin noch als „Zustände“ (im Sinne von bleibenden Beschaffenheiten) erfassten Erscheinungen körperlicher oder geistiger Veränderungen stellt § 133 Abs 3 Satz 1 ASVG nämlich gewisse „Krankheitszustände“ anatomischer oder funktioneller Art der Krankheit im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG gleich. Die von § 133 Abs 3 Satz 1 ASVG erfassten Krankheitszustände sind demnach anatomische oder funktionelle Beeinträchtigungen, die zwar keine Krankenbehandlung erfordern, jedoch einer kosmetischen Behandlung zugänglich sind (vgl OGH 2 Ob 11/92, 3 Ob 175/13a; RIS-Justiz RS0083825). Dabei eröffnet § 133 Abs 3 Satz 1 ASVG einen Leistungsanspruch zwar nicht schon dann, wenn lediglich eine geringfügige Störung des Aussehens oder eine nur unwesentliche Funktionsbeeinträchtigung vorliegt und die Maßnahme lediglich einer Verschönerung bzw Verbesserung der äußeren Erscheinung oder einer bloß unwesentlichen, faktisch nicht ins Gewicht fallenden Funktionsverbesserung dient (vgl zB OGH 2 Ob 11/92, 10 ObS 112/94, 10 ObS 113/94; RIS-Justiz RS0083826, RS0083827; Felten/MosleraaO § 133 ASVG Rz 40; SchoberaaO § 133 ASVG Rz 32). Jedoch ist ein Krankheitszustand im Sinne des § 133 Abs 3 Satz 1 ASVG etwa gerade im Falle einer entstellenden Wirkung des Aussehens (vgl OGH 10 ObS 160/06m, 10 ObS 78/22a) anzunehmen.
Ausgehend davon, dass die Klägerin - jedenfalls seit der entsprechenden personenstandsrechtlichen Status- und Registeränderung im Jahr 2019 auch im Rechtssinne bzw mit Maßgeblichkeit für die Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche (vgl OGH 10 ObS 29/09a, 10 ObS 29/22w; auch VwGH 95/01/0061, 2008/17/0054, 2008/06/32) - eine Frau ist, ist die bei ihr gegebene Gesichtsbehaarung gerade nach dem Maßstab einer Frau im Alter der Klägerin als regelwidriger anatomischer Zustand anzusehen, zu dessen Beseitigung die klagsgegenständliche Laserepilation dient. Angesichts der festgestellten abträglichen Wirkung vorhandener Gesichtsbehaarung auf die „genderkorrekte“ soziale Wahrnehmung und Integration einer Transfrau wie die Klägerin ist zudem zu konstatieren, dass der durch den Barthaarwuchs beeinträchtigte Zustand im individuellen Fall der Klägerin auch das Maß bloßen optischen Störung bzw einer nur geringfügigen Störung des (die soziale Wahrnehmung der Genderidentität determinierenden) Aussehens überschreitet und daher vielmehr - gerade wegen der „gesichtshaarbedingten“ sozialen Wahrnehmung als männlich samt der damit einhergehenden Verstärkung der Genderdysphorie - in ihrer nachteiligen Wirkung auf die soziale Akzeptanz der Klägerin der Qualität nach einer „Entstellung“ im oben angesprochenen Sinn gleichkommt. Unter dieser Prämisse ist somit im gegebenen Zusammenhang auch der Anwendungsbereich des § 133 Abs 3 ASVG eröffnet, wobei hinsichtlich der Kriterien der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit im Übrigen auf die bereits dargelegten Erwägungen verwiesen werden kann.
Es ist daher im klagsstattgebenden Sinn zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Arbeits- und Sozialgericht Wien, Abteilung 24
Wien, am 28.06.2022
Dr. Patrick Eixelsberger, Richter