Vorwort
Abschnitt 1
Übernahme von Staatsangehörigen der Vertragsstaaten
Artikel 1
Art. 1
(1) Jede Vertragspartei übernimmt auf Ersuchen der anderen Vertragspartei ohne besondere Formalität auf ihr Gebiet alle Personen, welche nicht oder nicht mehr die auf dem Gebiet der ersuchenden Vertragspartei gültigen Bedingungen zur Einreise oder zum Aufenthalt erfüllen, sofern nachgewiesen wird oder angenommen werden kann, daß diese Personen die Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei besitzen.
(2) Der Besitz der Staatsangehörigkeit kann insbesondere mittels Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepaß oder einer Identitätskarte nachgewiesen bzw. angenommen werden, wobei diese Nachweise auch Dokumente einschließen, welche unrechtmäßig oder irrtümlich ausgestellt worden oder nicht mehr als zehn Jahre abgelaufen sind. Die Staatsangehörigkeit kann auch auf Grund anderer Informationen angenommen werden. Näheres wird in der Durchführungsvereinbarung gemäß Art. 14 festgelegt. Falls die Staatsangehörigkeit nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wird die diplomatische Mission oder konsularische Vertretung der ersuchten Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit die Person vermutlich besitzt, den Sachverhalt unverzüglich klarstellen.
(3) Die ersuchende Vertragspartei nimmt unter den gleichen Bedingungen die Person zurück, falls nachfolgende Kontrollen ergeben, daß diese nicht die Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus dem Gebiet der Vertragspartei besessen hat, unbeschadet einer allfälligen Übernahme im Sinne des Abschnitts 2 dieses Abkommens.
Abschnitt 2
Übernahme von Drittstaatsangehörigen
Artikel 2
Art. 2
(1) Jede Vertragspartei übernimmt auf Ersuchen der anderen Vertragspartei auf ihr Gebiet Drittstaatsangehörige, welche nicht oder nicht mehr die auf dem Gebiet der ersuchenden Vertragspartei gültigen Bedingungen zur Einreise oder zum Aufenthalt erfüllen, sofern nachgewiesen wird, daß diese Staatsangehörigen in das Gebiet dieser Vertragspartei eingereist sind, nachdem sie sich auf dem Gebiet der ersuchten Vertragspartei aufgehalten haben oder durch jenes durchgereist sind.
(2) Die Beweismittel im Sinne des Abs. 1 werden in der Durchführungsvereinbarung festgelegt.
(3) Jede Vertragspartei übernimmt auf Ersuchen der anderen Vertragspartei auf ihr Gebiet Drittstaatsangehörige, welche nicht oder nicht mehr die auf dem Gebiet der ersuchenden Vertragspartei gültigen Bedingungen zur Einreise oder zum Aufenthalt erfüllen, wenn diese Staatsangehörigen über einen Sichtvermerk oder über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügen, die von der ersuchten Vertragspartei erteilt worden und noch gültig ist.
Artikel 3
Art. 3
Die Verpflichtung zur Übernahme gemäß Art. 2 besteht nicht für:
a) Staatsangehörige dritter Staaten, die eine gemeinsame Grenze mit der ersuchenden Vertragspartei haben;
b) Drittstaatsangehörige, denen nach dem Verlassen des Gebiets der ersuchten Vertragspartei oder nach der Einreise in das Gebiet der ersuchenden Vertragspartei von letzterer ein Sichtvermerk oder eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden ist;
c) Drittstaatsangehörige, die sich seit mehr als sechs Monaten auf dem Gebiet der ersuchenden Vertragspartei aufhalten;
d) Drittstaatsangehörige, denen die ersuchende Vertragspartei entweder den Flüchtlingsstatus gemäß der Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge 1 ), abgeändert durch das Protokoll von New York vom 31. Jänner 1967 2 ), oder den Status von Staatenlosen gemäß der Konvention von New York vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung von Staatenlosen zuerkannt hat;
e) Drittstaatsangehörige, die aus Gründen der Staatssicherheit oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer organisierten kriminellen Verbindung oder wegen ihrer Mitgliedschaft zu einer terroristischen Vereinigung von der ersuchten Vertragspartei in ihr Herkunftsland abgeschoben worden sind;
f) Drittstaatsangehörige, die im ersuchenden Staat einen Asylantrag gestellt haben, für dessen Prüfung dieser zuständig ist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung.
____________________
1 ) Kundgemacht in BGBl. Nr. 55/1955
2 ) Kundgemacht in BGBl. Nr. 78/1974
Artikel 4
Art. 4
Die ersuchende Vertragspartei übernimmt auf ihr Gebiet Drittstaatsangehörige, die nach den Ermittlungen der anderen Vertragspartei nach der Übernahme nicht die in den Artikeln 2 und 3 angeführten Bedingungen zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Gebiet der ersuchenden Vertragspartei erfüllen.
Abschnitt 3
Übernahmeverfahren
Artikel 5
Art. 5
(1) Bei Anträgen auf Übernahme gemäß Abschnitt 2 treten die Innenministerien der beiden Vertragsparteien in direkten Kontakt.
(2) Der Übernahmsantrag muß die Angaben zur Identität, zu den eventuell im Besitz des Drittstaatsangehörigen befindlichen persönlichen Dokumenten, zum Aufenthalt im Gebiet der ersuchten Vertragspartei und zu den Umständen einer unrechtmäßigen Einreise in das Gebiet der ersuchenden Vertragspartei enthalten. Diese Angaben müssen ausreichen, um das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 2 Abs. 1 feststellen zu können.
(3) Die ersuchte Vertragspartei muß der ersuchenden Vertragspartei grundsätzlich innerhalb von acht Tagen schriftlich ihre Entscheidung mitteilen. Die Ermächtigung zur Übernahme ist einen Monat ab dem Datum der Zustellung gültig. Falls der Betroffene den Justizbehörden des ersuchenden Staates zur Verfügung stehen soll, setzen die Innenministerien einvernehmlich eine Verlängerung dieses Zeitraumes fest.
Artikel 6
Art. 6
(1) Die zuständigen Behörden des ersuchten Staates übernehmen auf Ersuchen der zuständigen Behörden des ersuchenden Staates formlos auf ihr Gebiet Drittstaatsangehörige, die nicht rechtmäßig aus dem Gebiet des ersuchten in das des ersuchenden Staates eingereist sind und die ihnen innerhalb von 24 Stunden nach der Einreise übergeben werden. Wird die formlose Übernahme abgelehnt, so kann die Übernahme nach Art. 5 beantragt werden.
(2) Die ersuchende Vertragspartei nimmt Drittstaatsangehörige auf ihr Gebiet zurück, die entsprechend den nach der Übernahme durchgeführten Ermittlungen der anderen Vertragspartei rechtmäßig über die gemeinsame Grenze aus dem Gebiet der ersuchten in das der ersuchenden Vertragspartei eingereist sind.
Artikel 7
Art. 7
Die Kosten des Transports der Person, um deren Übernahme ersucht wird, bis zur Grenze der ersuchten Vertragspartei gehen zu Lasten der ersuchenden Vertragspartei. Falls erforderlich, übernimmt die ersuchende Vertragspartei die Kosten des Rücktransports.
Abschnitt 4
Durchbeförderung
Artikel 8
Art. 8
(1) Jede Vertragspartei gestattet auf Ersuchen der anderen Vertragspartei die Durchbeförderung von Drittstaatsangehörigen, die vom ersuchenden Staat abgeschoben werden. Die Durchbeförderung kann auf dem Land- oder Luftweg erfolgen.
(2) Die ersuchende Vertragspartei ist für den Ablauf der Reise des Drittstaatsangehörigen in den Bestimmungsstaat verantwortlich und nimmt diesen zurück, falls die Durchbeförderungen, aus welchen Gründen auch immer, nicht vollzogen werden kann.
(3) Die ersuchende Vertragspartei garantiert der ersuchten Vertragspartei, daß der Drittstaatsangehörige, für den die Durchbeförderung genehmigt werden soll, das Recht zur Reise in den Bestimmungsstaat hat.
Artikel 9
Art. 9
(1) Falls die Durchbeförderung auf dem Landweg erfolgt, stellt die ersuchte Vertragspartei die Begleitung der abzuschiebenden Person durch eigenes Personal sicher.
(2) Falls die Durchbeförderung auf dem Luftweg und unter Begleitung durchgeführt wird, muß diese von der ersuchenden Vertragspartei beigestellt werden. Zur Überwachung der Zwischenlandung auf den Flughäfen der ersuchten Vertragspartei stellen deren Organe jede erforderliche Unterstützung sicher. Die Organe der ersuchenden Vertragspartei dürfen die internationalen Zonen der Flughäfen nicht verlassen.
(3) Die Vertragsparteien werden die Modalitäten der Begleitung entsprechend den Regelungen der Durchführungsvereinbarung festsetzen.
Artikel 10
Art. 10
(1) Der Durchbeförderungsantrag wird auf direktem Weg zwischen den Innenministerien der Vertragsparteien übermittelt.
(2) Der Antrag hat die Informationen über die Identität und die Staatsangehörigkeit des Drittstaatsangehörigen, das Datum der Einreise, die Uhrzeit und den Ort der Ankunft im ersuchten Vertragsstaat zu enthalten und im Fall der Durchbeförderung auf dem Luftweg auch die voraussichtliche Zeit der Abreise aus letzterem und Informationen hinsichtlich des Begleitpersonals. Der Antrag muß weiters die Erklärung enthalten, daß die Voraussetzungen gemäß Art. 8 Abs. 3 gegeben und keine Ablehnungsgründe gemäß Art. 11 bekannt sind.
(3) Lehnt die ersuchte Vertragspartei das Ersuchen wegen des Nichtvorliegens der Voraussetzungen ab, so teilt sie der ersuchenden Vertragspartei die Ablehnungsgründe mit.
Artikel 11
Art. 11
Die Durchbeförderung wird nicht beantragt und kann abgelehnt werden, wenn der Drittstaatsangehörige im Zielstaat oder in einem allfälligen weiteren Durchbeförderungsstaat Gefahr läuft, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, oder in seinem Leben oder seiner Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Die Durchbeförderung kann weiters abgelehnt werden, wenn der Drittstaatsangehörige im ersuchten Staat strafgerichtlich verfolgt werden müßte oder ihm im Zielstaat oder in einem allfälligen weiteren Durchbeförderungsstaat strafrechtliche Verfolgung droht.
Artikel 12
Art. 12
Die Kosten des Transports bis zur Grenze des Bestimmungsstaates sowie für einen eventuellen Rücktransport gehen zu Lasten der ersuchenden Vertragspartei.
Abschnitt 5
Schlußbestimmungen
Artikel 13
Art. 13
Die Bestimmungen dieses Abkommens lassen die Verpflichtungen der Vertragsstaaten aus der Anwendung anderer internationaler Abkommen hinsichtlich der Übernahme oder Rückübernahme von fremden Staatsangehörigen unberührt.
Artikel 14
Art. 14
Die erforderlichen Bestimmungen zur Durchführung dieses Abkommens werden in einer gesonderten Vereinbarung festgelegt, insbesondere hinsichtlich:
a) der Vorgangsweise bei der Verständigung und der zuständigen Stellen;
b) der Modalitäten und Orte der Übernahme;
c) der für die Übernahme erforderlichen Beweismittel und anderen Unterlagen;
d) der Umstände, unter denen eine rechtswidrige Einreise anzunehmen ist;
e) der Modalitäten der Durchbeförderung;
f) den Kostenersatz;
g) der Abhaltung von Expertengesprächen.
Artikel 15
Art. 15
Streitigkeiten, die aus der Anwendung und der Interpretation dieses Abkommens entstehen könnten, werden auf diplomatischem Weg beigelegt werden.
Artikel 16
Art. 16
(1) Dieses Abkommen tritt in Kraft mit dem ersten Tag des zweiten Monats nach der gegenseitigen Mitteilung auf diplomatischem Weg, daß die jeweiligen innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind.
(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens tritt der Notenwechsel zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die Übernahme von Personen an der Grenze 3 ) vom 22. April 1963 außer Kraft.
(3) Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es kann auf diplomatischem Weg schriftlich gekündigt werden. In diesem Fall tritt das Abkommen am ersten Tag des sechsten Monats nach Einlangen der Kündigung außer Kraft.
GESCHEHEN zu Wien, am 7. Oktober 1997 in zwei Urschriften in deutscher und italienischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind.
___________________
3 ) Kundgemacht in BGBl. Nr. 111/1963