BundesrechtInternationale VerträgeÜbereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit

Übereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit

In Kraft seit 18. Januar 2019
Up-to-date

KAPITEL I

VERRINGERUNG VON FÄLLEN MEHRFACHER STAATSANGEHÖRIGKEIT

ARTIKEL 1

Art. 1

(1) Volljährige Staatsangehörige der Vertragsparteien, die infolge einer ausdrücklichen Willenserklärung durch Einbürgerung, Abgabe einer Erklärung oder Wiedererlangung die Staatsangehörigkeit einer anderen Vertragspartei erwerben, verlieren ihre frühere Staatsangehörigkeit; die Beibehaltung ihrer früheren Staatsangehörigkeit ist ihnen nicht zu bewilligen.

(2) Minderjährige Staatsangehörige der Vertragsparteien, die in der gleichen Weise die Staatsangehörigkeit einer anderen Vertragspartei erwerben, verlieren ebenfalls ihre frühere Staatsangehörigkeit, wenn sie, sofern die Rechtsvorschriften ihres Heimatstaates in solchen Fällen den möglichen Verlust der Staatsangehörigkeit vorsehen, ordnungsgemäß ermächtigt oder vertreten gewesen sind; die Beibehaltung ihrer früheren Staatsangehörigkeit ist ihnen nicht zu bewilligen.

(3) Minderjährige – mit Ausnahme der verheirateten oder verheiratet gewesenen –, die im Zeitpunkt und infolge der Einbürgerung, Abgabe einer Erklärung oder Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern von Gesetzes wegen die Staatsangehörigkeit einer anderen Vertragspartei erwerben, verlieren gleichfalls ihre frühere Staatsangehörigkeit. Verliert nur der Vater oder nur die Mutter die frühere Staatsangehörigkeit, so bestimmt sich nach den Rechtsvorschriften derjenigen Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit der Minderjährige besaß, welchem Elternteil er in seiner Rechtsstellung folgt; im letzteren Fall können die genannten Gesetze vorsehen, daß der Verlust der Staatsangehörigkeit von der vorherigen Zustimmung des anderen Elternteiles oder des gesetzlichen Vertreters zum Erwerb der neuen Staatsangehörigkeit abhängig gemacht wird.

Unbeschadet der Rechtsvorschriften jeder Vertragspartei über den Wiedererwerb ihrer Staatsangehörigkeit kann jedoch diejenige Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit ein im ersten Teil dieses Absatzes bezeichneter Minderjähriger besaß, besondere Bedingungen festlegen, unter denen der Minderjährige nach Erreichung der Volljährigkeit diese Staatsangehörigkeit auf Grund einer ausdrücklichen Willenserklärung wiedererwerben kann.

(4) Für den in diesem Artikel vorgesehenen Verlust der Staatsangehörigkeit bestimmen sich die Volljährigkeit, die Minderjährigkeit und die Voraussetzungen der Ermächtigung und Vertretung nach den Rechtsvorschriften derjenigen Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit der Betreffende besitzt.

ARTIKEL 2

Art. 2

(1) Wer die Staatsangehörigkeit von zwei oder mehr Vertragsparteien besitzt, kann auf eine oder mehrere davon verzichten, sofern diejenige Vertragspartei, auf deren Staatsangehörigkeit er verzichten will, dies bewilligt.

(2) Diese Bewilligung darf einem Volljährigen von der Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er von Gesetzes wegen besitzt, nicht versagt werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen ordentlichen Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebietes dieser Vertragspartei hat und wenn er seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet derjenigen Vertragspartei hat, deren Staatsangehörigkeit er beibehalten will.

Die Bewilligung darf eine Vertragspartei auch einem minderjährigen Staatsangehörigen nicht versagen, der die im ersten Teil dieses Absatzes festgelegten Voraussetzungen erfüllt, wenn die Rechtsvorschriften seines Heimatstaates ihm gestatten, seine Staatsangehörigkeit durch einfache Erklärung aufzugeben, und wenn er ordnungsgemäß ermächtigt oder vertreten gewesen ist.

(3) Die Volljährigkeit, die Minderjährigkeit und die Voraussetzungen für die Ermächtigung und Vertretung bestimmen sich nach den Rechtsvorschriften derjenigen Vertragspartei, auf deren Staatsangehörigkeit der Betreffende verzichten will.

ARTIKEL 3

Art. 3

Die Vertragspartei, auf deren Staatsangehörigkeit der Betreffende verzichten will, erhebt aus diesem Anlaß keine besondere Gebühr oder Abgabe.

ARTIKEL 4

Art. 4

Dieses Übereinkommen steht nicht der Anwendung von Bestimmungen entgegen, die in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften einer Vertragspartei oder in einem anderen Vertrag, Übereinkommen oder Abkommen zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien jetzt oder künftig enthalten und geeignet sind, die Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit in stärkerem Maße zu verringern.

KAPITEL II

ERFÜLLUNG DER MILITÄRDIENSTPFLICHT IN FÄLLEN MEHRFACHER STAATSANGEHÖRIGKEIT

ARTIKEL 5

Art. 5

(1) Wer die Staatsangehörigkeit von zwei oder mehreren Vertragsparteien besitzt, braucht seine Militärdienstpflicht nur gegenüber einer dieser Vertragsparteien zu erfüllen.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 kann durch Sonderabkommen zwischen den beteiligten Vertragsparteien näher geregelt werden.

ARTIKEL 6

Art. 6

Sind oder werden keine Sonderabkommen geschlossen, so gelten für Personen, welche die Staatsangehörigkeit von zwei oder mehr Vertragsparteien besitzen, folgende Bestimmungen:

(1) Der Betreffende ist gegenüber derjenigen Vertragspartei zur Leistung des Militärdienstes verpflichtet, in deren Hoheitsgebiet er seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Es steht ihm jedoch bis zum Alter von 19 Jahren frei, seine Militärdienstpflicht bei jeder anderen Vertragspartei zu erfüllen, deren Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, indem er als Freiwilliger einen Militärdienst von mindestens der gleichen tatsächlichen Gesamtdauer ableistet, wie sie für den aktiven Militärdienst der erstgenannten Vertragspartei vorgesehen ist.

(2) Wer seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, oder im Hoheitsgebiet eines Nichtvertragsstaates hat, kann wählen, bei welcher Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, er seinen Militärdienst ableisten will.

(3) Hat eine Person nach Maßgabe des Absatzes 1 oder 2 ihre Militärdienstpflicht gegenüber einer Vertragspartei im Einklang mit deren Rechtsvorschriften erfüllt, so gilt ihre Militärdienstpflicht auch gegenüber der oder den Vertragsparteien als erfüllt, deren Staatsangehörigkeit sie ebenfalls besitzt.

(4) Hat eine Person vor Inkrafttreten dieses Übereinkommens zwischen denjenigen Vertragsparteien, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt, bei einer dieser Vertragsparteien die dort gesetzlich vorgesehene Militärdienstpflicht erfüllt, so gilt die Militärdienstpflicht auch gegenüber der oder den Vertragsparteien als erfüllt, deren Staatsangehörigkeit die betreffende Person ebenfalls besitzt.

(5) Wer seinen aktiven Militärdienst bei einer der Vertragsparteien, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, gemäß Absatz 1 geleistet hat und danach seinen ordentlichen Wohnsitz in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei verlegt, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, kann nur von der letzteren zur Leistung des Militärdienstes in der Reserve herangezogen werden.

(6) Die Anwendung dieses Artikels berührt nicht die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen.

(7) Im Falle der Mobilmachung einer Vertragspartei ist diese nicht an die Verpflichtungen gebunden, die sich aus diesem Artikel ergeben.

KAPITEL III

ANWENDUNG DES ÜBEREINKOMMENS

ARTIKEL 7

Art. 7

(1) Jede Vertragspartei wendet die Kapitel I und II an. Jede Vertragspartei kann jedoch bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde erklären, daß sie lediglich das Kapitel II anwenden wird. In diesem Fall gelangt Kapitel I gegenüber dieser Vertragspartei nicht zur Anwendung.

Sie kann jederzeit danach dem Generalsekretär des Europarates notifizieren, daß sie auch Kapitel I anwendet. Diese Notifikation wird mit dem Tag ihres Einlangens wirksam; Kapitel I gelangt sodann gegenüber dieser Vertragspartei zur Anwendung.

(2) Jede Vertragspartei, die gemäß Absatz 1 erster Satz verfährt, kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde erklären, daß sie Kapitel II nur gegenüber denjenigen Vertragsparteien anwenden wird, welche die Kapitel I und II anwenden. In diesem Fall gelangt Kapitel II zwischen der Vertragspartei, die eine solche Erklärung abgegeben hat, und einer Vertragspartei, die gemäß Absatz 1 Unterabsatz 2 verfährt, nicht zur Anwendung.

KAPITEL IV

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

ARTIKEL 8

Art. 8

(1) Jede Vertragspartei kann bei der Unterzeichnung dieses Übereinkommens oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde erklären, daß sie von einem oder mehreren der in der Anlage zu diesem Übereinkommen aufgeführten Vorbehalte Gebrauch macht. Andere Vorbehalte sind nicht zulässig.

(2) Jede Vertragspartei kann einen von ihr auf Grund des Absatzes 1 gemachten Vorbehalt durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Notifikation, die im Zeitpunkt ihres Einlangens wirksam wird, ganz oder teilweise zurückziehen.

(3) Eine Vertragspartei, die auf Grund dieses Artikels einen Vorbehalt zu einer Bestimmung dieses Übereinkommens gemacht hat, kann nicht verlangen, daß eine andere Vertragspartei die betreffende Bestimmung anwendet. Ist jedoch ihr Vorbehalt beschränkt oder bedingt, so kann sie die Anwendung der betreffenden Bestimmung insoweit verlangen, als sie sie selbst angenommen hat.

ARTIKEL 9

Art. 9

(1) Jede Vertragspartei kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung bezüglich der Staaten und Hoheitsgebiete, deren internationale Beziehungen sie wahrnimmt oder für die sie Verträge zu schließen befugt ist, den Begriff „Staatsangehörige“ bestimmen und die „Hoheitsgebiete“ bezeichnen, auf welche dieses Übereinkommen anwendbar ist.

(2) Jede auf Grund dieses Artikels abgegebene Erklärung kann bezüglich der darin bezeichneten Staatsangehörigkeiten und Hoheitsgebiete nach Maßgabe des Artikels 12 zurückgezogen werden.

ARTIKEL 10

Art. 10

(1) Dieses Übereinkommen liegt für die Mitglieder des Europarates zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation oder Annahme. Die Ratifikations- oder Annahmeurkunden sind beim Generalsekretär des Europarates zu hinterlegen.

(2) Dieses Übereinkommen tritt einen Monat nach der Hinterlegung der zweiten Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft.

(3) Für jeden Unterzeichnerstaat, der das Übereinkommen später ratifiziert oder annimmt, tritt es einen Monat nach der Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft.

ARTIKEL 11

Art. 11

(1) Nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarates durch einstimmigen Beschluß jeden Nichtmitgliedstaat des Rates einladen, dem Übereinkommen beizutreten.

Jeder Staat, der eine solche Einladung erhalten hat, kann dem Übereinkommen durch Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarates beitreten.

(2) Für jeden beitretenden Staat tritt das Übereinkommen einen Monat nach der Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde in Kraft.

ARTIKEL 12

Art. 12

(1) Dieses Übereinkommen bleibt auf unbegrenzte Zeit in Kraft.

(2) Jede Vertragspartei kann dieses Übereinkommen, soweit es sie selbst betrifft, durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Notifikation kündigen.

(3) Die Kündigung wird ein Jahr nach dem Einlangen dieser Notifikation beim Generalsekretär wirksam.

ARTIKEL 13

Art. 13

Der Generalsekretär des Europarates notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und den Regierungen aller Staaten, die diesem Übereinkommen beigetreten sind,

a) jede Unterzeichnung und jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde;

b) den Zeitpunkt jedes Inkrafttretens dieses Übereinkommens nach den Artikeln 10 und 11;

c) jeden nach Artikel 8 Absatz 1 gemachten Vorbehalt;

d) jede nach Artikel 8 Absatz 2 erfolgte Zurückziehung eines Vorbehalts;

e) jede nach Artikel 7 und nach Artikel 9 Absatz 1 eingegangene Erklärung und Notifikation;

f) jede nach Artikel 9 Absatz 2 und Artikel 12 eingegangene Notifikation und den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird.

Zu Urkund dessen haben die hiezu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.

Geschehen zu Straßburg am 6. Mai 1963 in englischer und französischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarates hinterlegt wird. Der Generalsekretär übermittelt allen Unterzeichnerregierungen und beitretenden Regierungen beglaubigte Abschriften.

ANLAGE

Anl. 1

Jede Vertragspartei kann erklären, daß sie sich das Recht vorbehält,

(1) den im Artikel 1 Absätze 1, 2 und 3 vorgesehenen Verlust der Staatsangehörigkeit von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß die

betreffende Person ihren ordentlichen Wohnsitz gewöhnlich außerhalb ihres Hoheitsgebietes hat, oder dort zu irgendeinem Zeitpunkt ihren ordentlichen Wohnsitz begründet, es sei denn, daß im Falle des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit kraft ausdrücklicher Willenserklärung die betreffende Person durch die zuständige Behörde von der Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Ausland befreit wird;

(2) eine Erklärung, die eine Frau zu dem Zweck abgibt, durch Eheschließung und im Zeitpunkt derselben die Staatsangehörigkeit des Ehemannes zu erwerben, nicht als Abgabe einer Erklärung im Sinne des Artikels 1 anzusehen;

(3) einem ihrer Staatsangehörigen zu bewilligen, seine bisherige Staatsangehörigkeit beizubehalten, wenn die Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er gemäß Artikel 1 zu erwerben beantragt, dem vorher zugestimmt hat;

(4) wenn die Ehefrau eines ihrer Staatsangehörigen eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat, die Artikel 1 und 2 des Übereinkommens so lange nicht anzuwenden, wie der Ehemann die Staatsangehörigkeit dieser Vertragspartei beibehält.