Vorwort
Erster Titel.
Erhaltung des allgemeinen Friedens.
Artikel 1.
Art. 1
Um in den Beziehungen zwischen den Staaten die Anrufung der Gewalt so weit wie möglich zu verhüten, erklären sich die Vertragsmächte einverstanden, alle ihre Bemühungen aufwenden zu wollen, um die friedliche Erledigung der internationalen Streitfragen zu sichern.
Zweiter Titel.
Gute Dienste und Vermittlung.
Artikel 2.
Art. 2
Die Vertragsmächte kommen überein, im Falle einer ernsten Meinungsverschiedenheit oder eines Streites, bevor sie zu den Waffen greifen, die guten Dienste oder die Vermittlung einer befreundeten Macht oder mehrerer befreundeter Mächte anzurufen, soweit dies die Umstände gestatten.
Artikel 3.
Art. 3
Unabhängig hievon halten die Vertragsmächte es für nützlich und wünschenswert, daß eine Macht oder mehrere Mächte, die am Streite nicht beteiligt sind, aus eigenem Antriebe den im Streite befindlichen Staaten ihre guten Dienste oder ihre Vermittlung anbieten, soweit sich die Umstände hiefür eignen.
Das Recht, gute Dienste oder Vermittlung anzubieten, steht den am Streite nicht beteiligten Staaten auch während des Ganges der Feindseligkeiten zu.
Die Ausübung dieses Rechtes kann niemals von einem oder dem anderen der streitenden Teile als unfreundliche Handlung angesehen werden.
Artikel 4.
Art. 4
Die Aufgabe des Vermittlers besteht darin, die einander entgegengesetzten Ansprüche auszugleichen und Verstimmungen zu beheben, die zwischen den im Streite befindichen Staaten etwa entstanden sind.
Artikel 5.
Art. 5
Die Tätigkeit des Vermittlers hört auf, sobald, sei es durch einen der streitenden Teile, sei es durch den Vermittler selbst, festgestellt wird, daß die von diesem vorgeschlagenen Mittel der Verständigung nicht angenommen werden.
Artikel 6.
Art. 6
Gute Dienste und Vermittlung, seien sie auf Anrufen der im Streite befindlichen Teile eingetreten oder aus dem Antriebe der am Streite nicht beteiligten Mächte hervorgegangen, haben ausschließlich die Bedeutung eines Rates und niemals verbindliche Kraft.
Artikel 7.
Art. 7
Die Annahme der Vermittlung kann, unbeschadet anderweitiger Vereinbarung, nicht die Wirkung haben, die Mobilmachung und andere den Krieg vorbereitende Maßnahmen zu unterbrechen, zu verzögern oder zu hemmen.
Erfolgt sie nach Eröffnung der Feindseligkeiten, so werden von ihr, unbeschadet anderweitiger Vereinbarung, die im Gange befindlichen militärischen Unternehmungen nicht unterbrochen.
Artikel 8.
Art. 8
Die Vertragsmächte sind einverstanden, unter Umständen, die dies gestatten, die Anwendung einer besonderen Vermittlung in folgender Form zu empfehlen:
Bei ernsten, den Frieden gefährdenden Streitfragen wählt jeder der im Streite befindlichen Staaten eine Macht, die er mit der Aufgabe betraut, in unmittelbare Verbindung mit der von der anderen Seite gewählten Macht zu treten, um den Bruch der friedlichen Beziehungen zu verhüten.
Während der Dauer dieses Auftrages, die unbeschadet anderweitiger Abmachung, eine Frist von dreißig Tagen nicht überschreiten darf, stellen die streitenden Staaten jedes unmittelbare Benehmen über den Streit ein, welcher als ausschließlich den vermittelnden Mächten übertragen gilt. Diese sollen alle Bemühungen aufwenden, um die Streitfrage zu erledigen.
Kommt es zum wirklichen Bruche der friedlichen Beziehungen, so bleiben diese Mächte mit der gemeinsamen Aufgabe betraut, jede Gelegenheit zu benützen, um den Frieden wiederherzustellen.
Dritter Titel.
Internationale Untersuchungskommissionen.
Artikel 9.
Art. 9
Bei internationalen Streitigkeiten, die weder die Ehre noch wesentliche Interessen berühren und einer verschiedenen Würdigung von Tatsachen entspringen, erachten die Vertragsmächte es für nützlich und wünschenswert, daß die Parteien, die sich auf diplomatischem Wege nicht haben einigen können, soweit es die Umstände gestatten, eine internationale Untersuchungskommission einsetzen mit dem Auftrage, die Lösung dieser Streitigkeiten zu erleichtern, indem sie durch eine unparteiische und gewissenhafte Prüfung die Tatfragen aufklären.
Artikel 10.
Art. 10
Die internationalen Untersuchungskommissionen werden durch besonderes Übereinkommen der streitenden Teile gebildet.
Das Untersuchungsübereinkommen gibt die zu untersuchenden Tatsachen an; es bestimmt die Art und die Frist für die Bildung der Kommissionen, sowie den Umfang der Befugnisse der Kommissäre.
Es bestimmt gegebenenfalls ferner den Sitz der Kommission und die Befugnis, ihn zu verlegen, die Sprache, deren die Kommission sich bedienen wird, und die Sprachen, deren Gebrauch vor ihr gestattet sein soll, den Tag, bis zu dem jede Partei ihre Darstellung des Tatbestandes einzureichen hat, sowie überhaupt alle Punkte, worüber die Parteien sich geeinigt haben.
Erachten die Parteien die Ernennung von Beisitzern für nötig, so bestimmt das Untersuchungsübereinkommen die Art ihrer Bestellung und den Umfang ihrer Befugnisse.
Artikel 11.
Art. 11
Hat das Untersuchungsübereinkommen den Sitz der Kommission nicht bezeichnet, so hat diese ihren Sitz im Haag.
Der einmal bestimmte Sitz kann von der Kommission nur mit Zustimmung der Parteien verlegt werden.
Hat das Untersuchungsübereinkommen die zu gebrauchenden Sprachen nicht bestimmt, so wird darüber von der Kommission entschieden.
Artikel 12.
Art. 12
Sofern nicht ein anderes abgemacht ist, werden die Untersuchungskommissionen in der in den Artikeln 45 und 57 dieses Übereinkommens bezeichneten Weise gebildet.
Artikel 13.
Art. 13
Im Falle des Todes, des Rücktrittes oder der durch irgend einen Grund verursachten Verhinderung eines Kommissärs oder eines etwaigen Beisitzers wird er in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise ersetzt.
Artikel 14.
Art. 14
Die Parteien haben das Recht, bei der Untersuchungskommission besondere Vertreter zu bestellen mit der Aufgabe, sie zu vertreten und zwischen ihnen und der Kommission als Mittelspersonen zu dienen.
Sie sind außerdem berechtigt, Rechtsbeistände oder Anwälte, die sie ernennen, mit der Darlegung und Wahrnehmung ihrer Interessen vor der Kommission zu beauftragen.
Artikel 15.
Art. 15
Das Internationale Bureau des Ständigen Schiedshofes dient den Kommissionen, die ihren Sitz im Haag haben, für die Bureaugeschäfte und hat seine Geschäftsräume und seine Einrichtung den Vertragsmächten für die Tätigkeit der Untersuchungskommission zur Verfügung zu stellen.
Artikel 16.
Art. 16
Hat die Kommission ihren Sitz anderswo als im Haag, so ernennt sie einen Generalsekretär, dessen Bureau ihr für die Bureaugeschäfte dient.
Dem Bureauvorstand liegt es ob, unter der Leitung des Vorsitzenden die äußeren Vorkehrungen für die Sitzungen der Kommission zu treffen, die Protokolle abzufassen und während der Dauer der Untersuchung das Archiv aufzubewahren, das später an das Internationale Bureau im Haag abzugeben ist.
Artikel 17.
Art. 17
Um die Einsetzung und die Tätigkeit der Untersuchungskommissionen zu erleichtern, empfehlen die Vertragsmächte die nachstehenden Regeln, die auf das Untersuchungsverfahren Anwendung finden, soweit die Parteien nicht andere Regeln annehmen.
Artikel 18.
Art. 18
Die Kommission soll die Einzelheiten des Verfahrens bestimmen, die weder in dem besonderen Untersuchungsübereinkommen noch in dem vorliegenden Übereinkommen geregelt sind; sie soll zu allen Förmlichkeiten schreiten, welche die Beweisaufnahme mit sich bringt.
Artikel 19.
Art. 19
Die Untersuchung wird kontradiktorisch vorgenommen.
Zu den vorgesehenen Zeiten übermittelt jede Partei der Kommission und der Gegenpartei gegebenenfalls die Darlegungen über den Tatbestand und in jedem Falle die Akten, Schriftstücke und Urkunden, die sie zur Ermittlung der Wahrheit für nützlich erachtet, sowie eine Liste der Zeugen und Sachverständigen, deren Vernehmung sie wünscht.
Artikel 20.
Art. 20
Die Kommission ist befugt, mit Zustimmung der Parteien sich zeitweilig an Orte zu begeben, wo sie dieses Aufklärungsmittel anzuwenden für nützlich erachtet, oder dorthin eines oder mehrere ihrer Mitglieder abzuordnen. Die Erlaubnis des Staates, auf dessen Gebiete zu der Aufklärung geschritten werden soll, ist einzuholen.
Artikel 21.
Art. 21
Alle tatsächlichen Feststellungen und Augenscheinsvornahmen müssen in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Vertreter und Rechtsbeistände der Parteien vorgenommen werden.
Artikel 22.
Art. 22
Die Kommission hat das Recht, von beiden Parteien alle Auskünfte oder Aufklärungen zu verlangen, die sie für nützlich erachtet.
Artikel 23.
Art. 23
Die Parteien verpflichten sich, der Untersuchungskommission in dem weitesten Umfange, den sie für möglich halten, alle Mittel und Erleichterungen zu gewähren, die zur vollständigen Kenntnis und genauen Würdigung der in Frage kommenden Tatsachen erforderlich sind.
Sie verpflichten sich, diejenigen Mittel, über welche sie nach ihrer inneren Gesetzgebung verfügen, anzuwenden, um das Erscheinen der vor die Kommission geladenen Zeugen oder Sachverständigen, die sich auf ihrem Gebiete befinden, herbeizuführen.
Sie werden, wenn diese nicht vor der Kommission erscheinen können, deren Vernehmung durch ihre zuständigen Behörden veranlassen.
Artikel 24.
Art. 24
Die Kommission wird sich zur Bewirkung aller Zustellungen, die sie im Gebiete einer dritten Vertragsmacht herbeizuführen hat, unmittelbar an die Regierung dieser Macht wenden. Das gleiche gilt, wenn es sich um die Herbeiführung irgendwelcher Beweisaufnahmen an Ort und Stelle handelt.
Die zu diesem Zweck erlassenen Ersuchen sind nach Maßgabe derjenigen Mittel zu erledigen, über welche die ersuchte Macht nach ihrer inneren Gesetzgebung verfügt. Sie können nur abgelehnt werden, wenn diese Macht sie für geeignet hält, ihre Hoheitsrechte oder ihre Sicherheit zu gefährden.
Auch steht der Kommission stets frei, die Vermittlung der Macht in Anspruch zu nehmen, in deren Gebiete sie ihren Sitz hat.
Artikel 25.
Art. 25
Die Zeugen und die Sachverständigen werden durch die Kommission auf Antrag der Parteien oder von Amts wegen geladen und zwar in allen Fällen durch Vermittlung der Regierung des Staates, in dem sie sich befinden.
Die Zeugen werden nacheinander und jeder für sich in Gegenwart der Vertreter und Rechtsbeistände und in der von der Kommission bestimmten Reihenfolge vernommen.
Artikel 26.
Art. 26
Die Vernehmung der Zeugen wird durch den Vorsitzenden geleitet.
Doch dürfen die Mitglieder der Kommission an jeden Zeugen die Fragen richten, die sie zur Erläuterung oder Ergänzung seiner Aussage oder zu ihrer Aufklärung über alle den Zeugen betreffenden Umstände für zweckdienlich erachten, soweit es zur Ermittlung der Wahrheit notwendig ist.
Die Vertreter und die Rechtsbeistände der Parteien dürfen den Zeugen in seiner Aussage nicht unterbrechen, noch irgend eine unmittelbare Anfrage an ihn richten; sie können aber den Vorsitzenden bitten, ergänzende Fragen, die sie für nützlich halten, dem Zeugen vorzulegen.
Artikel 27.
Art. 27
Dem Zeugen ist es bei seiner Aussage nicht gestattet, einen geschriebenen Entwurf zu verlesen. Doch kann er von dem Vorsitzenden ermächtigt werden, Aufzeichnungen oder Urkunden zu benützen, wenn die Natur der zu bekundenden Tatsachen eine solche Benützung erheischt.
Artikel 28.
Art. 28
Über die Aussage des Zeugen wird während der Sitzung ein Protokoll aufgenommen, das dem Zeugen vorgelesen wird. Der Zeuge darf dazu die ihm gut scheinenden Änderungen und Zusätze machen, die am Schlusse seiner Aussage vermerkt werden.
Nachdem dem Zeugen seine ganze Aussage vorgelesen ist, wird er zur Unterzeichnung aufgefordert.
Artikel 29.
Art. 29
Die Vertreter sind befugt, im Laufe oder am Schlusse der Untersuchung der Kommission und der Gegenpartei solche Ausführungen, Anträge oder Sachdarstellungen schriftlich vorzulegen, die sie zur Ermittlung der Wahrheit für nützlich halten.
Artikel 30.
Art. 30
Die Beratung der Kommission ist nicht öffentlich und bleibt geheim.
Jede Entscheidung ergeht nach der Mehrheit der Mitglieder der Kommission.
Die Weigerung eines Mitgliedes, an der Abstimmung teilzunehmen, muß im Protokoll festgestellt werden.
Artikel 31.
Art. 31
Die Sitzungen der Kommission sind nur dann öffentlich und die Protokolle und Urkunden der Untersuchung werden nur dann veröffentlicht, wenn ein Beschluß der Kommission mit Zustimmung der Parteien dahin ergeht.
Artikel 32.
Art. 32
Nachdem die Parteien alle Aufklärungen und Beweise vorgetragen haben und nachdem alle Zeugen vernommen worden sind, spricht der Vorsitzende den Schluß der Untersuchung aus; die Kommission vertagt sich, um ihren Bericht zu beraten und abzufassen.
Artikel 33.
Art. 33
Der Bericht wird von allen Mitgliedern der Kommission unterzeichnet.
Verweigert ein Mitglied seine Unterschrift, so wird dies vermerkt; der Bericht bleibt gleichwohl gültig.
Artikel 34.
Art. 34
Der Bericht der Kommission wird in öffentlicher Sitzung in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Vertreter und Rechtsbeistände der Parteien verlesen.
Jeder Partei wird eine Ausfertigung des Berichtes zugestellt.
Artikel 35.
Art. 35
Der Bericht der Kommission, der sich auf die Feststellung der Tatsachen beschränkt, hat in keiner Weise die Bedeutung eines Schiedsspruches. Er läßt den Parteien volle Freiheit in Ansehung der Folge, die dieser Feststellung zu geben ist.
Artikel 36.
Art. 36
Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten selbst und die Kosten der Kommission zu gleichem Anteile.
Vierter Titel.
Internationale Schiedssprechung.
Erstes Kapitel.
Schiedswesen.
Artikel 37.
Art. 37
Die internationale Schiedssprechung hat zum Gegenstande die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Staaten durch Richter ihrer Wahl auf Grund der Achtung vor dem Rechte.
Die Anrufung der Schiedssprechung schließt die Verpflichtung in sich, sich nach Treu und Glauben dem Schiedsspruche zu unterwerfen.
Artikel 38.
Art. 38
In Rechtsfragen und in erster Linie in Fragen der Auslegung oder der Anwendung internationaler Übereinkommen wird die Schiedssprechung von den Vertragsmächten als das wirksamste und zugleich der Billigkeit an meisten entsprechende Mittel anerkannt, um die Streitigkeiten zu erledigen, die nicht auf diplomatischem Wege geschlichtet worden sind.
Demzufolge wäre es wünschenswert, daß bei Streitigkeiten über die vorerwähnten Fragen die Vertragsmächte eintretendenfalls die Schiedssprechung anrufen, soweit es die Umstände gestatten.
Artikel 39.
Art. 39
Schiedsübereinkommen werden für bereits entstandene oder für etwa entstehende Streitverhältnisse abgeschlossen.
Sie können sich auf alle Streitigkeiten oder nur auf Streitigkeiten einer bestimmten Art beziehen.
Artikel 40.
Art. 40
Unabhängig von den allgemeinen oder besonderen Verträgen, die schon jetzt den Vertragsmächten die Verpflichtung zur Anrufung der Schiedssprechung auferlegen, behalten diese Mächte sich vor, neue allgemeine oder besondere Vereinbarungen abzuschließen, um die obligatorische Schiedssprechung auf alle Fälle auszudehnen, die ihr nach ihrer Ansicht unterworfen werden können.
Zweites Kapitel.
Ständiger Schiedshof.
Artikel 41.
Art. 41
Um die unmittelbare Anrufung der Schiedssprechung für die internationalen Streitfragen zu erleichtern, die nicht auf diplomatischem Wege haben erledigt werden können, machen sich die Vertragsmächte anheischig, den Ständigen Schiedshof, der jederzeit zugänglich ist und, unbeschadet anderweitiger Abmachung der Parteien, nach Maßgabe der in diesem Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen über das Verfahren tätig wird, in der ihm von der Ersten Friedenskonferenz gegebenen Einrichtung zu erhalten.
Artikel 42.
Art. 42
Der Ständige Schiedshof ist für alle Schiedsfälle zuständig, sofern nicht zwischen den Parteien über die Einsetzung eines besonderen Schiedsgerichtes Einverständnis besteht.
Artikel 43.
Art. 43
Der Ständige Schiedshof hat seinen Sitz im Haag.
Ein Internationales Bureau dient dem Schiedshofe als Kanzlei. Er vermittelt die auf den Zusammentritt des Schiedshofes sich beziehenden Mitteilungen; es hat das Archiv unter seiner Obhut und besorgt alle Verwaltungsgeschäfte.
Die Vertragsmächte machen sich anheischig, dem Bureau möglichst bald eine beglaubigte Abschrift einer jeden zwischen ihnen getroffenen Schiedsabmachung sowie eines jeden Schiedsspruches mitzuteilen, der sie betrifft und durch besondere Schiedsgerichte erlassen ist.
Sie machen sich anheischig, dem Bureau ebenso die Gesetze, allgemeinen Anordnungen und Urkunden mitzuteilen, die gegebenenfalls die Vollziehung der von dem Schiedshofe erlassenen Sprüche dartun.
Artikel 44.
Art. 44
Jede Vertragsmacht benennt höchstens vier Personen von anerkannter Sachkunde in Fragen des Völkerrechtes, die sich der höchsten sittlichen Achtung erfreuen und bereit sind, ein Schiedsrichteramt zu übernehmen.
Die so benannten Personen sollen unter dem Titel von Mitgliedern des Schiedshofes in eine Liste eingetragen werden; diese soll allen Vertragsmächten durch das Bureau mitgeteilt werden.
Jede Änderung in der Liste der Schiedsrichter wird durch das Bureau zur Kenntnis der Vertragsmächte gebracht.
Zwei oder mehrere Mächte können sich über die gemeinschaftliche Benennung eines Mitgliedes oder mehrerer Mitglieder verständigen.
Dieselbe Person kann von verschiedenen Mächten benannt werden.
Die Mitglieder des Schiedshofes werden für einen Zeitraum von sechs Jahren ernannt. Ihre Wiederernennung ist zulässig.
Im Falle des Todes oder des Rücktrittes eines Mitgliedes des Schiedshofes geschieht sein Ersatz in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise und für einen neuen Zeitraum von sechs Jahren.
Artikel 45.
Art. 45
Wollen die Vertragsmächte sich zur Erledigung einer unter ihnen entstandenen Streitfrage an den Schiedshof wenden, so muß die Auswahl der Schiedsrichter, welche berufen sind, das für die Entscheidung dieser Streitfrage zuständige Schiedsgericht zu bilden, aus der Gesamtliste der Mitglieder des Schiedshofes geschehen.
Wird das Schiedsgericht nicht durch Verständigung der Parteien gebildet, so ist in folgender Weise zu verfahren:
Jede Partei ernennt zwei Schiedsrichter, von denen nur einer ihr Staatsangehöriger sein oder unter den von ihr benannten Mitgliedern des Ständigen Schiedshofes ausgewählt werden darf. Diese Schiedsrichter wählen gemeinschaftlich einen Oberschiedsrichter.
Bei Stimmengleichheit wird die Wahl des Oberschiedsrichter einer dritten Macht anvertraut, über deren Bezeichnung sich die Parteien einigen.
Kommt eine Einigung hierüber nicht zustande, so bezeichnet jede Partei eine andere Macht und die Wahl des Oberschiedsrichters geschieht durch die so bezeichneten Mächte in Übereinstimmung.
Können sich diese beiden Mächte binnen zwei Monaten nicht einigen, so schlägt jede von ihnen zwei Personen vor, die aus der Liste der Mitglieder des Ständigen Schiedshofes, mit Ausnahme der von den Parteien benannten Mitglieder, genommen und nicht Staatsangehörige einer von ihnen sind. Das Los bestimmt, welche unter den so vorgeschlagenen Personen der Oberschiedsrichter sein soll.
Artikel 46.
Art. 46
Sobald das Schiedsgericht gebildet ist, teilen die Parteien dem Bureau ihren Entschluß, sich an den Schiedshof zu wenden, den Wortlaut ihres Schiedsvertrages und die Namen der Schiedsrichter mit.
Das Bureau gibt unverzüglich jedem Schiedsrichter den Schiedsvertrag und die Namen der übrigen Mitglieder des Schiedsgerichtes bekannt.
Das Schiedsgericht tritt an dem von den Parteien festgesetzten Tage zusammen. Das Bureau sorgt für seine Unterbringung.
Die Mitglieder des Schiedsgerichtes genießen während der Ausübung ihres Amtes und außerhalb ihres Heimatlandes die diplomatischen Vorrechte und Befreiungen.
Artikel 47.
Art. 47
Das Bureau ist ermächtigt, seine Geschäftsräume und seine Einrichtung den Vertragsmächten für die Tätigkeit eines jeden besonderen Schiedsgerichtes zur Verfügung zu stellen.
Die Schiedsgerichtsbarkeit des Ständigen Schiedshofes kann unter den durch die allgemeinen Anordnungen festgesetzten Bedingungen auf Streitigkeiten zwischen anderen Mächten als Vertragsmächten oder zwischen Vertragsmächten und anderen Mächten erstreckt werden, wenn die Parteien übereingekommen sind, diese Schiedsgerichtsbarkeit anzurufen.
Artikel 48.
Art. 48
Die Vertragsmächte betrachten es als Pficht, in dem Falle, da ein ernsthafter Streit zwischen zwei oder mehreren von ihnen auszubrechen droht, diese daran zu erinnern, daß ihnen der Ständige Schiedshof offen steht.
Sie erklären demzufolge, daß die Handlung, womit den im Streite befindlichen Teilen die Bestimmungen dieses Übereinkommens in Erinnerung gebracht werden, und der im höheren Interesse des Friedens erteilte Rat, sich an den Ständigen Schiedshof zu wenden, immer nur als Betätigung guter Dienste angesehen werden dürfen.
Im Falle eines Streites zwischen zwei Mächten kann stets eine jede von ihnen an das Internationale Bureau eine Note richten, worin sie erklärt, daß sie bereit sei,den Streitfall einer Schiedssprechung zu unterbreiten.
Das Bureau hat die Erklärung sogleich zur Kenntnis der anderen Macht zu bringen.
Artikel 49.
Art. 49
Der Ständige Verwaltungsrat, der aus den im Haag beglaubigten diplomatischen Vertretern der Vertragsmächte und dem niederländischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten als Vorsitzenden besteht, hat das Internationale Bureau unter seiner Leitung und Aufsicht.
Der Verwaltungsrat erläßt seine Geschäftsordnung sowie alle sonst notwendigen allgemeinen Anordnungen.
Er entscheidet alle Verwaltungsfragen die sich etwa in Beziehung auf den Geschäftsbetrieb des Schiedshofes ergeben.
Er hat volle Befugnis, die Beamten und Angestellten des Bureaus zu ernennen, ihres Dienstes vorläufig zu entheben oder zu entlassen.
Er setzt die Gehälter und Löhne fest und beaufsichtigt das Kassenwesen.
Die Anwesenheit von neun Mitgliedern in den ordnungsmäßig berufenen Versammlungen genügt zur gültigen Beratung des Verwaltungsrates. Die Beschlußfassung geschieht nach Stimmenmehrheit.
Der Verwaltungsrat teilt die von ihm genehmigten allgemeinen Anordnungen unverzüglich den Vertragsmächten mit. Er legt ihnen jährlich einen Bericht vor über die Arbeiten des Schiedshofes, über den Betrieb der Verwaltungsgeschäfte und über die Ausgaben. Der Bericht enthält ferner eine Zusammenstellung des wesentlichen Inhaltes der dem Bureau von den Mächten auf Grund des Artikels 43, Abs. 3 und 4, mitgeteilten Urkunden.
Artikel 50.
Art. 50
Die Kosten des Bureaus werden von den Vertragsmächten nach dem für das Internationale Bureau des Weltpostvereines festgestellten Verteilungsmaßstabe getragen.
Die Kosten, die den beitretenden Mächten zur Last fallen, werden von dem Tage an berechnet, wo ihr Beitritt wirksam wird.
Drittes Kapitel.
Schiedsverfahren.
Artikel 51.
Art. 51
Um die Entwicklung der Schiedssprechung zu fördern, haben die Vertragsmächte folgende Bestimmungen festgestellt, die auf das Schiedsverfahren Anwendung finden sollen, soweit nicht die Parteien über andere Bestimmungen übereingekommen sind.
Artikel 52.
Art. 52
Die Mächte, welche die Schiedssprechung anrufen, unterzeichnen eine Schiedsvereinbarung, worin der Streitgegenstand, die Frist für die Ernennung der Schiedsrichter, die Form, die Reihenfolge und die Fristen für die im Artikel 63 vorgesehenen Mitteilungen sowie die Höhe des von jeder Partei als Kostenvorschuß zu hinterlegenden Betrages bestimmt werden.
Die Schiedsvereinbarung bestimmt gegebenenfalls ferner die Art der Ernennung der Schiedsrichter, alle etwaigen besonderen Befugnisse des Schiedsgerichtes, dessen Sitz, die Sprache, deren es sich bedienen wird, und die Sprachen, deren Gebrauch vor ihm gestattet sein soll, sowie überhaupt alle Punkte, worüber die Parteien sich geeinigt haben.
Artikel 53.
Art. 53
Der Ständige Schiedshof ist für die Feststellung der Schiedsvereinbarung zuständig wenn die Parteien darin einig sind, sie ihm zu überlassen.
Er ist ferner auf Antrag auch nur einer der Parteien zuständig, wenn zuvor eine Verständigung auf diplomatischem Wege vergeblich versucht worden ist und es sich handelt:
1. um einen Streitfall, der unter einen nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens abgeschlossenen oder erneuerten allgemeinen Schiedsvertrag fällt, sofern dieser für jeden einzelnen Streitfall eine Schiedsvereinbarung vorsieht und deren Feststellung der Zuständigkeit des Schiedshofes weder ausdrücklich noch stillschweigend entzieht. Doch ist, wenn die Gegenpartei erklärt, daß nach ihrer Auffassung der Streitfall nicht zu den der obligatorischen Schiedssprechung unterliegenden Streitfällen gehört, die Anrufung des Schiedshofes nicht zulässig, es sei denn, daß der Schiedsvertrag dem Schiedsgerichte die Befugnis zur Entscheidung dieser Vorfrage überträgt;
2. um einen Streitfall, der aus den bei einer Macht von einer anderen Macht für deren Angehörige eingeforderten Vertragsschulden herrührt und für dessen Beilegung das Anerbieten schiedsgerichtlicher Erledigung angenommen worden ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Annahme unter der Bedingung erfolgt ist, daß die Schiedsvereinbarung auf einem anderen Wege festgestellt werden soll.
Artikel 54.
Art. 54
In den Fällen des vorstehenden Artikels geschieht die Feststellung der Schiedsvereinbarung durch eine Kommission von fünf Mitgliedern, welche auf die im Artikel 45, Absatz 3 bis 6, angegebene Weise bestimmt werden.
Das fünfte Mitglied ist von Rechts wegen Vorsitzender der Kommission.
Artikel 55.
Art. 55
Das Schiedsrichteramt kann einem einzigen Schiedsrichter oder mehreren Schiedsrichtern übertragen werden, die von den Parteien nach ihrem Belieben ernannt oder von ihnen unter den Mitgliedern des durch dieses Übereinkommen festgesetzten Ständigen Schiedshofes gewählt werden.
Wird das Schiedsgericht nicht durch Verständigung der Parteien gebildet, so ist in der im Artikel 45, Absatz 3 bis 6, angegebenen Weise zu verfahren.
Artikel 56.
Art. 56
Wird ein Souverän oder ein sonstiges Staatsoberhaupt zum Schiedsrichter gewählt, so wird das Schiedsverfahren von ihm geregelt.
Artikel 57.
Art. 57
Der Oberschiedsrichter ist von Rechts wegen Vorsitzender des Schiedsgerichtes.
Gehört dem Schiedsgerichte kein Oberschiedsrichter an, so ernennt es selbst seinen Vorsitzenden.
Artikel 58.
Art. 58
Im Falle der Feststellung der Schiedsvereinbarung durch eine Kommission, so wie sie im Artikel 54 vorgesehen ist, soll, unbeschadet anderweitiger Abrede, die Kommission selbst das Schiedsgericht sein.
Artikel 59.
Art. 59
Im Falle des Todes, des Rücktrittes oder der durch irgend einen Grund verursachten Verhinderung eines der Schiedsrichter wird er in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise ersetzt.
Artikel 60.
Art. 60
In Ermanglung einer Bestimmung durch die Parteien hat das Schiedsgericht seinen Sitz im Haag.
Das Schiedsgericht kann seinen Sitz auf dem Gebiete einer dritten Macht nur mit deren Zustimmung haben.
Der einmal bestimmte Sitz kann von dem Schiedsgerichte nur mit Zustimmung der Parteien verlegt werden.
Artikel 61.
Art. 61
Hat die Schiedsvereinbarung die zu gebrauchenden Sprachen nicht bestimmt, so wird darüber durch das Schiedsgericht entschieden.
Artikel 62.
Art. 62
Die Parteien haben das Recht, bei dem Schiedsgerichte besondere Vertreter zu ernennen mit der Aufgabe, zwischen ihnen und dem Schiedsgerichte als Mittelspersonen zu dienen.
Sie sind außerdem berechtigt, mit der Wahrnehmung ihrer Rechte und Interessen vor dem Schiedsgerichte Rechtsbeistände oder Anwälte zu betrauen, die zu diesem Zwecke von ihnen bestellt werden.
Die Mitglieder des Ständigen Schiedshofes dürfen als Vertreter, Rechtsbeistände oder Anwälte nur zugunsten der Macht tätig sein, die sie zu Mitgliedern des Schiedshofes ernannt hat.
Artikel 63.
Art. 63
Das Schiedsverfahren zerfällt regelmäßig in zwei gesonderte Abschnitte: das schriftliche Vorverfahren und die Verhandlung.
Das schriftliche Vorverfahren besteht in der von den betreffenden Vertretern an die Mitglieder des Schiedsgerichtes und an die Gegenpartei zu machenden Mitteilung der Schriftsätze, der Gegenschriftsätze und der etwa weiter erforderlichen Rückäußerungen; die Parteien fügen alle in der Sache in Bezug genommenen Aktenstücke und Urkunden bei. Diese Mitteilungen geschehen unmittelbar oder durch Vermittlung des Internationalen Bureaus in der Reihenfolge und in den Fristen, wie solche durch den Schiedsvertrag bestimmt sind.
Die in der Schiedsvereinbarung festgesetzten Fristen können verlängert werden durch Übereinkommen der Parteien oder durch das Schiedsgericht, wenn dieses es für notwendig erachtet, um zu einer gerechten Entscheidung zu gelangen.
Die Verhandlung besteht in dem mündlichen Vortrage der Rechtsbehelfe der Parteien vor dem Schiedsgerichte.
Artikel 64.
Art. 64
Jedes von einer Partei vorgelegte Schriftstück muß der anderen Partei in beglaubigter Abschrift mitgeteilt werden.
Artikel 65.
Art. 65
Abgesehen von besonderen Umständen tritt das Schiedsgericht erst nach dem Schlusse des Vorverfahrens zusammen.
Artikel 66.
Art. 66
Die Verhandlung wird vom Vorsitzenden geleitet.
Sie ist öffentlich nur, wenn ein Beschluß des Schiedsgerichtes mit Zustimmung der Parteien dahin ergeht.
Über die Verhandlung wird von Sekretären, die der Vorsitzende ernennt, ein Protokoll aufgenommen. Dieses Protokoll wird vom Vorsitzenden und einem der Sekretäre unterzeichnet; es hat allein öffentliche Beweiskraft.
Artikel 67.
Art. 67
Nach dem Schlusse des Vorverfahrens ist das Schiedsgericht befugt, alle neuen Aktenstücke oder Urkunden von der Verhandlung auszuschließen, die ihm etwa eine Partei ohne Einwilligung der anderen vorlegen will.
Artikel 68.
Art. 68
Dem Schiedsgerichte steht es jedoch frei, neue Aktenstücke oder Urkunden, auf welche etwa die Vertreter oder Rechtsbeistände der Parteien seine Aufmerksamkeit lenken, in Betracht zu ziehen.
In diesem Falle ist das Schiedsgericht befugt, die Vorlegung dieser Aktenstücke oder Urkunden zu verlangen, unbeschadet der Verpflichtung, der Gegenpartei davon Kenntnis zu geben.
Artikel 69.
Art. 69
Das Schiedsgericht kann außerdem von den Vertretern der Parteien die Vorlegung aller nötigen Aktenstücke verlangen und alle nötigen Aufklärungen fordern. Im Falle der Verweigerung nimmt das Schiedsgericht von ihr Kenntnis.
Artikel 70.
Art. 70
Die Vertreter und die Rechtsbeistände der Parteien sind befugt, beim Schiedsgerichte mündlich alle Rechtsbehelfe vorzubringen, die sie zur Verteidigung ihrer Sache für nützlich halten.
Artikel 71.
Art. 71
Sie haben das Recht, Einreden sowie einen Zwischenstreit zu erheben. Die Entscheidungen des Schiedsgerichtes über diese Punkte sind endgültig und können zu weiteren Erörterungen nicht Anlaß geben.
Artikel 72.
Art. 72
Die Mitglieder des Schiedsgerichtes sind befugt, an die Vertreter und die Rechtsbeistände der Parteien Fragen zu richten und von ihnen Aufklärungen über zweifelhafte Punkte zu fordern.
Weder die gestellten Fragen noch die von Mitgliedern des Schiedsgerichtes im Laufe der Verhandlung gemachten Bemerkungen dürfen als Ausdruck der Meinung des ganzen Schiedsgerichtes oder seiner einzelnen Mitglieder angesehen werden.
Artikel 73.
Art. 73
Das Schiedsgericht ist befugt, seine Zuständigkeit zu bestimmen, indem es die Schiedsvereinbarung sowie die sonstigen Akten und Urkunden, die für den Gegenstand angeführt werden können, auslegt und die Grundsätze des Rechtes anwendet.
Artikel 74.
Art. 74
Dem Schiedsgerichte steht es zu, zur Leitung der Streitsache Anordnungen über das Verfahren zu erlassen, die Formen, die Reihenfolge und die Fristen zu bestimmen, in denen jede Partei ihre Schlußanträge zu stellen hat, und zu allen Förmlichkeiten zu schreiten, welche die Beweisaufnahme mit sich bringt.
Artikel 75.
Art. 75
Die Parteien verpflichten sich, dem Schiedsgerichte in dem weitesten Umfange, den sie für möglich halten, alle für die Entscheidung der Streitigkeit notwendigen Mittel zu gewähren.
Artikel 76.
Art. 76
Das Schiedsgericht wird sich zur Bewirkung aller Zustellungen, die es im Gebiete einer dritten Vertragsmacht herbeizuführen hat, unmittelbar an die Regierung dieser Macht wenden. Das gleiche gilt, wenn es sich um die Herbeiführung irgendwelcher Beweisaufnahmen an Ort und Stelle handelt.
Die zu diesem Zwecke erlassenen Ersuchen sind nach Maßgabe derjenigen Mittel zu erledigen, über welche die ersuchte Macht nach ihrer inneren Gesetzgebung verfügt. Sie können nur abgelehnt werden, wenn diese Macht sie für geeignet hält, ihre Hoheitsrechte oder ihre Sicherheit zu gefährden.
Auch steht dem Schiedsgerichte stets frei, die Vermittlung der Macht in Anspruch zu nehmen, in deren Gebiete es seinen Sitz hat.
Artikel 77.
Art. 77
Nachdem die Vertreter und die Rechtsbeistände der Parteien alle Aufklärungen und Beweise zugunsten ihrer Sache vorgetragen haben, spricht der Vorsitzende den Schluß der Verhandlung aus.
Artikel 78.
Art. 78
Die Beratung des Schiedsgerichtes ist nicht öffentlich und bleibt geheim.
Jede Entscheidung ergeht nach der Mehrheit der Mitglieder des Schiedsgerichtes.
Artikel 79.
Art. 79
Der Schiedsspruch ist mit Gründen zu versehen. Er enthält die Namen der Schiedsrichter und wird von dem Vorsitzenden und dem Bureauvorstande oder dem dessen Geschäfte versehenden Sekretär unterzeichnet.
Artikel 80.
Art. 80
Der Schiedsspruch wird in öffentlicher Sitzung des Schiedsgerichtes in Gegenwart oder nach gehöriger Ladung der Vertreter und Rechtsbeistände der Parteien verlesen.
Artikel 81.
Art. 81
Der gehörig verkündete und den Vertretern der Parteien zugestellte Schiedsspruch entscheidet das Streitverhältnis endgültig und mit Ausschließung der Berufung.
Artikel 82.
Art. 82
Alle Streitfragen, die etwa zwischen den Parteien wegen der Auslegung und der Ausführung des Schiedsspruches entstehen, unterliegen, unbeschadet anderweitiger Abrede, der Beurteilung des Schiedsgerichtes, das den Spruch erlassen hat.
Artikel 83.
Art. 83
Die Parteien können sich in der Schiedsvereinbarung vorbehalten, die Nachprüfung (Revision) des Schiedsspruches zu beantragen.
Der Antrag muß in diesem Falle, unbeschadet anderweitiger Abmachung, bei dem Schiedsgerichte angebracht werden, das den Spruch erlassen hat. Er kann nur auf die Ermittlung einer neuen Tatsache gegründet werden, die einen entscheidenden Einfluß auf den Spruch auszuüben geeignet gewesen wäre und bei Schluß der Verhandlung dem Schiedsgerichte selbst und der Partei, welche die Nachprüfung beantragt hat, unbekannt war.
Das Nachprüfungsverfahren kann nur durch einen Beschluß des Schiedsgerichtes eröffnet werden, der das Vorhandensein der neuen Tatsache ausdrücklich feststellt, ihr die im vorstehenden Absatze bezeichneten Merkmale zuerkennt und den Antrag insoweit für zulässig erklärt.
Die Schiedsvereinbarung bestimmt die Frist, innerhalb welcher der Nachprüfungsantrag gestellt werden muß.
Artikel 84.
Art. 84
Der Schiedsspruch bindet nur die streitenden Parteien.
Wenn es sich um die Auslegung eines Übereinkommens handelt, an dem sich noch andere Mächte beteiligt haben, als die streitenden Teile, so benachrichtigen diese rechtzeitig alle Signatarmächte. Jede dieser Mächte hat das Recht, sich an der Streitsache zu beteiligen. Wenn eine oder mehrere von ihnen von dieser Berechtigung Gebrauch gemacht haben, so ist die in dem Schiedsspruch enthaltene Auslegung auch in Ansehung ihrer bindend.
Artikel 85.
Art. 85
Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten selbst und die Kosten des Schiedsgerichtes zu gleichem Anteile.
Viertes Kapitel.
Abgekürztes Schiedsverfahren.
Artikel 86.
Art. 86
Um die Betätigung des Schiedswesens bei Streitigkeiten zu erleichtern, die ihrer Natur nach ein abgekürztes Verfahren gestatten, stellen die Vertragsmächte die nachstehenden Regeln auf, die befolgt werden sollen, soweit nicht abweichende Abmachungen bestehen, und unter dem Vorbehalte, daß geeigneten Falles die nicht widersprechenden Bestimmungen des dritten Kapitels zur Anwendung kommen.
Artikel 87.
Art. 87
Jede der streitenden Parteien ernennt einen Schiedsrichter. Die beiden so bestellten Schiedsrichter wählen einen Oberschiedsrichter. Wenn sie sich hierüber nicht einigen, so schlägt jeder zwei Personen vor, die aus der allgemeinen Liste der Mitglieder des Ständigen Schiedshofes, mit Ausnahme der von den Parteien selbst benannten Mitglieder, genommen und nicht Staatsangehörige einer von ihnen sind; das Los bestimmt, welche unter den so vorgeschlagenen Personen der Oberschiedsrichter sein soll.
Der Oberschiedsrichter sitzt dem Schiedsgerichte vor, das seine Entscheidungen nach Stimmenmehrheit fällt.
Artikel 88.
Art. 88
In Ermangelung einer vorherigen Vereinbarung bestimmt das Schiedsgericht, sobald es gebildet ist, die Frist, binnen welcher ihm die beiden Parteien ihre Schriftsätze einreichen müssen.
Artikel 89.
Art. 89
Jede Partei wird vor dem Schiedsgerichte durch einen Vertreter vertreten; dieser dient als Mittelsperson zwischen dem Schiedsgerichte und der Regierung, die ihn bestellt hat.
Artikel 90.
Art. 90
Das Verfahren ist ausschließlich schriftlich. Doch hat jede Partei das Recht; das Erscheinen von Zeugen und Sachverständigen zu verlangen. Das Schiedsgericht ist seinerseits befugt, von den Vertretern der beiden Parteien sowie von den Sachverständigen und Zeugen, deren Erscheinen es für nützlich hält, mündliche Aufklärungen zu verlangen.
Fünfter Titel.
Schlußbestimmungen.
Artikel 91.
Art. 91
Dieses Übereinkommen tritt nach seiner Ratifikation für die Beziehungen zwischen den Vertragsmächten an die Stelle des Übereinkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 29. Juli 1899.
Artikel 92.
Art. 92
Dieses Übereinkommen soll möglichst bald ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen im Haag hinterlegt werden.
Die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden wird durch ein Protokoll festgestellt, das von den Vertretern der daran teilnehmenden Mächte und von dem niederländischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten unterzeichnet wird.
Die späteren Hinterlegungen von Ratifikationsurkunden geschehen mittels einer schriftlichen, an die Regierung der Niederlande gerichteten Anzeige, der die Ratifikationsurkunde beizufügen ist.
Beglaubigte Abschriften des Protokolls über die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden, der im vorstehenden Absatze erwähnten Anzeigen sowie der Ratifikationsurkunden werden durch die Regierung der Niederlande den zur Zweiten Friedenskonferenz eingeladenen Mächten sowie den anderen Mächten, die dem Übereinkommen beigetreten sind, auf diplomatischem Wege unverzüglich mitgeteilt werden. In den Fällen des vorstehenden Absatzes wird die bezeichnete Regierung ihnen zugleich bekanntgeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Artikel 93.
Art. 93
Die Mächte, die zur Zweiten Friedenskonferenz eingeladen worden sind, dieses Übereinkommen aber nicht unterzeichnet haben, können ihm später beitreten.
Die Macht, die beizutreten wünscht, hat ihre Absicht der Regierung der Niederlande schriftlich anzuzeigen und ihr dabei die Beitrittsurkunde zu übersenden, die im Archiv der bezeichneten Regierung hinterlegt werden wird.
Diese Regierung wird unverzüglich allen anderen zur Zweiten Friedenskonferenz eingeladenen Mächten beglaubigte Abschriften der Anzeige sowie der Beitrittsurkunde übersenden und zugleich angeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Artikel 94.
Art. 94
Die Bedingungen, unter denen die zur Zweiten Friedenskonferenz nicht eingeladenen Mächte diesem Übereinkommen beitreten können, sollen den Gegenstand einer späteren Verständigung zwischen den Vertragsmächten bilden.
Artikel 95.
Art. 95
Dieses Übereinkommen wird wirksam für die Mächte, die an der ersten Hinterlegung von Ratifikationsurkunden teilgenommen haben, sechzig Tage nach dem Tage, an dem das Protokoll über diese Hinterlegung aufgenommen ist, und für die später ratifizierenden oder beitretenden Mächte sechzig Tage, nachdem die Regierung der Niederlande die Anzeige von ihrer Ratifikation oder von ihrem Beitritte erhalten hat.
Artikel 96.
Art. 96
Sollte einer der Vertragsmächte dieses Übereinkommen kündigen wollen, so soll die Kündigung schriftlich der Regierung der Niederlande erklärt werden, die unverzüglich beglaubigte Abschriften der Erklärung allen anderen Mächten mitteilt und ihnen zugleich bekanntgibt, an welchem Tage sie die Erklärung erhalten hat.
Die Kündigung soll nur in Ansehung der Macht wirksam sein, die sie erklärt hat, und erst ein Jahr, nachdem die Erklärung bei der Regierung der Niederlande eingegangen ist.
Artikel 97.
Art. 97
Ein im niederländischen Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten geführtes Register soll den Tag der gemäß Artikel 92 Abs. 3 und 4, vorgenommenen Hinterlegung von Ratifikationsurkunden angeben sowie den Tag, an dem die Anzeigen von dem Beitritte (Artikel 93, Abs. 2) oder von der Kündigung (Artikel 96, Abs. 1) eingegangen sind.
Jede Vertragsmacht hat das Recht, in dieses Register Einsicht zu nehmen und beglaubigte Auszüge daraus zu verlangen.
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Übereinkommen mit ihren Unterschriften versehen.
Geschehen im Haag, am achtzehnten Oktober neunzehnhundertsieben in einer einzigen Ausfertigung, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben soll und wovon beglaubigte Abschriften den Vertragsmächten auf diplomatischem Wege übergeben werden sollen.