LandesrechtSteiermarkVerordnungenStKBBG-Aufsichtsverordnung

StKBBG-Aufsichtsverordnung

In Kraft seit 09. September 2024
Up-to-date

§ 1

§ 1 Geltungsbereich

Gemäß § 48 des Steiermärkischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes 2019 – StKBBG 2019 umfasst die Aufsicht sämtliche Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen im Sinne des § 2 StKBBG 2019.

§ 2

§ 2 Ziel

(1) Ziel der Aufsicht ist die Gewährleistung der Sicherheit und des Wohles sowie der bestmöglichen Entwicklung der in Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen betreuten Kinder durch Sicherstellung des gesetzeskonformen Betriebs von Kinderbildungs- und betreuungseinrichtungen.

(2) Die Aufsichtsführung erfolgt in Bereichen, in denen der Behörde ein gesetzliches Ermessen zukommt und die Sicherheit und das Wohl der Kinder sowie die Erfüllung des gesetzlichen Bildungsauftrages nicht gefährdet sind, in erster Linie in beratender und begleitender Form.

§ 3 § 3

§ 3 Aufsichtsorgane

Für die Aufsichtsführung sind Personen einzusetzen, die auf Basis facheinschlägiger Ausbildungen über die erforderlichen Fachkenntnisse in den Bereichen der rechtlichen und pädagogischen Aufsicht verfügen.

§ 4

§ 4 Umfang der rechtlichen Aufsicht

Im Rahmen der rechtlichen Aufsicht sind zu überprüfen:

1. die Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Bestimmungen des StKBBG 2019 und der auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen, ausgenommen die Verordnung gemäß § 5 Abs. 7 StKBBG 2019;

2. die Einhaltung der für die jeweilige Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung erteilten Errichtungs- oder Betreuungsbewilligung.

§ 5

§ 5 Umfang der pädagogischen Aufsicht

(1) Im Rahmen der pädagogischen Aufsicht ist die Erfüllung des in den §§ 4 bis 6 StKBBG 2019 für jede Einrichtungsart festgelegten Bildungsauftrags sowie die Einhaltung der gemäß § 5 Abs. 7 StKBBG 2019 erlassenen Verordnung zu überprüfen. Prüfungsinhalt bildet die materiale Ausgestaltung und Nutzung anregungsreicher, förderlicher Bildungs- und Erfahrungsräume für Kinder im Innen- und Außenbereich (Aspekte der Strukturqualität) sowie die Dynamik des pädagogischen Geschehens, insbesondere Interaktionen zwischen Kindern und Fachpersonal und zwischen den Kindern, sowie Abläufe und Erfahrungen, die Kinder in der Einrichtung mit der sozialen und räumlich-materialen Umwelt machen können (Aspekte der Prozessqualität).

(2) Die Aufsicht umfasst im Hinblick auf die Strukturqualität folgende Bereiche:

1. die Ausstattung der Einrichtung mit Mobiliar und Bildungsmitteln;

2. die Raumgestaltung und vorbereitete Umgebung;

3. die Planung, Durchführung und Ausgestaltung von pädagogischen Aktivitäten.

(3) Die Aufsicht umfasst im Hinblick auf die Prozessqualität folgende Bereiche:

1. die Interaktionsgestaltung;

2. die Gestaltung des Tagesablaufs;

3. die Dokumentation der pädagogischen Arbeit;

4. die Gestaltung der Bildungspartnerschaft.

§ 6

§ 6 Prüfungsmodus im Rahmen der rechtlichen Aufsicht

(1) Die rechtliche Aufsicht gemäß § 4 Z 1 erfolgt insbesondere durch:

1. unangemeldete Aufsichtsbesuche;

2. die Prüfung von Dokumentationsunterlagen;

3. die Einholung von Berichten und Stellungnahmen.

(2) Die rechtliche Aufsicht gemäß § 4 Z 2 erfolgt insbesondere durch

1. angemeldete Aufsichtsbesuche unter möglichster Beiziehung der Erhalterin/des Erhalters, wobei die Erhalterin/der Erhalter über den geplanten Aufsichtsbesuch mindestens eine Woche davor zu informieren ist;

2. die stichprobenartige sowie anlassfallbezogene Prüfung, ob die Erhalterin/der Erhalter ihrer/seiner Verpflichtung zur regelmäßigen Kontrolle betreffend die Einhaltung der für die jeweilige Einrichtung in der Errichtungs- bzw. Betreuungsbewilligung erteilten Bedingungen und Auflagen nachkommt. Zu diesem Zweck ist den Erhalterinnen/Erhaltern seitens der Aufsichtsbehörde ein Dokumentationsformblatt zur Verfügung zu stellen, welches von diesen verpflichtend zu verwenden und auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorzulegen bzw. zu übermitteln ist.

(3) Wenn die Zulässigkeit von sicherheitstechnisch relevanten Änderungen in Bausubstanz oder Ausstattung nicht ohne einschlägige Gutachten und Atteste beurteilt werden kann, hat die Erhalterin/der Erhalter diese vorzulegen.

§ 7

§ 7 Prüfungsmodus im Rahmen der pädagogischen Aufsicht

(1) Die pädagogische Aufsicht gemäß § 5 erfolgt insbesondere durch:

1. angemeldete Aufsichtsbesuche, wobei die Erhalterin/der Erhalter über den geplanten Aufsichtsbesuch mindestens eine Woche davor zu informieren ist;

2. die Prüfung von Dokumentationsunterlagen;

3. die Anforderung von Berichten und Stellungnahmen der Erhalterin/des Erhalters oder der Leitung der Einrichtung;

4. die Durchführung von Reflexionsgesprächen.

(2) Die Überprüfung, ob der gesetzliche Bildungsauftrag erfüllt ist, erfolgt im Rahmen eines zweistufigen Prüfungsverfahrens, nämlich der Anscheinsprüfung und der vertiefenden Einschätzung der pädagogischen Qualität auf Basis eines evidenzbasierten Qualitätseinschätzungsinstruments.

(3) In beiden Prüfungsschritten sind die Besonderheiten jeder Einrichtungsart, die sich aus dem gesetzlichen Bildungsauftrag ergeben, zu berücksichtigen, sofern eine Differenzierung erforderlich ist.

§ 8

§ 8 Anscheinsprüfung

(1) Im Rahmen der Anscheinsprüfung wird auf Basis von Indikatoren eine Grobeinschätzung über die pädagogische Qualität der Einrichtung, im Hinblick auf die Erfüllung des gesetzlichen Bildungsauftrages, getroffen.

(2) Die in § 5 Abs. 2 und Abs. 3 festgelegten Aufsichtsbereiche werden anhand folgender Indikatoren eingeschätzt:

1. Ausstattung der Einrichtung mit Mobiliar und Bildungsmitteln:

a) Im Innen- und Außenbereich sind für jede in der Einrichtung betreute Altersgruppe augenscheinlich ausreichende und dem Entwicklungsalter entsprechende Spielgeräte und Bildungsmittel vorhanden.

b) Die in der Einrichtung vorhandenen Tische, Sessel und Garderoben für die Kinder sind augenscheinlich ausreichend vorhanden und an die Körpergröße sowie die motorischen Fähigkeiten der Kinder angepasst.

c) Das Mobiliar, welches den Kindern in der Einrichtung für Lern- und Spielprozesse zur Verfügung steht, ist augenscheinlich ausreichend vorhanden, an die Körpergröße der Kinder angepasst und kann von den Kindern selbstständig genutzt werden.

2. Raumgestaltung und vorbereitete Umgebung:

a) Die Raumgestaltung im Innen- und Außenbereich verfügt über einen Ordnungsrahmen, welcher Kindern augenscheinlich Orientierung ermöglicht und ausreichend Platz für Lern- und Spielprozesse bietet.

b) Die in den einzelnen Bereichen angebotenen Bildungsmittel sind augenscheinlich ausreichend, auf das Entwicklungsalter sowie die Bedürfnisse, Interessen und Fähigkeiten der Kinder abgestimmt und so präsentiert, dass sie von den Kindern – unter Berücksichtigung der gebotenen Sicherheit – möglichst selbstständig und selbsttätig verwendet werden können.

c) Für die Kinder sind augenscheinlich bedarfsgerecht ausgestattete Rückzugs- bzw. Ruhebereiche vorhanden.

d) Für die Kinder sind augenscheinlich bedarfsgerecht ausgestattete Bewegungsbereiche vorhanden.

3. Planung, Durchführung und Ausgestaltung von pädagogischen Aktivitäten:

a) Im Tagesablauf sowie in der Planung ist erkennbar, dass aktiv Impulse bzw. Aktivitäten gesetzt werden, welche Kindern eine Erweiterung ihres Erfahrungsfeldes und ihrer Kompetenzen ermöglichen.

b) Im Tagesablauf sowie in der Planung ist erkennbar, dass die gesetzten Bildungs- und Lernangebote aktuelle Interessen und Themen der Kinder sowie die sie umgebende Lebenswelt berücksichtigen.

4. Interaktionsgestaltung:

a) Alltagshandlungen und Spielprozesse der Kinder werden vom Betreuungspersonal altersangemessen sprachlich begleitet.

b) Die Kommunikation des Betreuungspersonals mit Kindern sowie mit Dritten über Kinder erfolgt in der Einrichtung wertschätzend und respektvoll.

c) Das Betreuungspersonal reagiert sowohl auf verbale als auch nonverbale Signale der Kinder alters- und situationsangemessen.

d) Kinder wirken in Alltagssituationen und Spielprozessen grundsätzlich entspannt und emotional gefestigt und suchen im Bedarfsfall aktiv Kontakt zum Betreuungspersonal.

5. Gestaltung des Tagesablaufes:

a) Im beobachteten Tagesablauf sind sowohl feste Strukturen bzw. Routinen als auch flexible bzw. freie Spielphasen erkennbar, welche Kindern grundsätzlich ermöglichen, den überwiegenden Teil des Tages für Spielprozesse zu nutzen.

b) Im beobachteten Tagesablauf ist erkennbar, dass individuelle Interessen und Fähigkeiten der Kinder sowie aktuelle Geschehnisse und Themen alters- und situationsangemessen Berücksichtigung finden.

c) Mikrotransitionen sind für Kinder klar und verständlich angekündigt und so gestaltet, dass im Wechsel der Alltagsroutinen keine langen Wartezeiten für die Kinder entstehen und Lern- bzw. Spielprozesse abgeschlossen werden können bzw. nicht abrupt abgebrochen werden müssen.

d) Individuelle Bedürfnisse der Kinder finden alters- und situationsangemessen Berücksichtigung.

e) Kindern wird alters- und situationsangemessen sowie unter Berücksichtigung der gebotenen Sicherheit größtmögliche Selbstbestimmtheit, Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit ermöglicht.

6. Dokumentation der pädagogischen Arbeit:

Es liegt eine pädagogische Planung vor, welche die individuellen Interessen, Kompetenzen und Erfahrungsfelder der Kinder berücksichtigt und als Jahresplanung sowie als mittelfristige Planung ausgeführt ist.

7. Gestaltung der Bildungspartnerschaft:

a) Es werden Entwicklungsgespräche angeboten.

b) Die pädagogische Arbeit ist für Eltern bzw. Erziehungsberechtigte transparent.

c) Die Eingewöhnung im Rahmen des Übergangs vom Elternhaus in die Einrichtung bzw. im Rahmen eines Einrichtungswechsels erfolgt strukturiert, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des einzelnen Kindes.

(3) Können bei Prüfung der Indikatoren nach Abs. 2 keine Anhaltspunkte festgestellt werden, die auf eventuelle Mängel in der Struktur- und/oder Prozessqualität hinweisen, ist davon auszugehen, dass der gesetzliche Bildungsauftrag in der Einrichtung erfüllt wird.

§ 9

§ 9 Vertiefende Einschätzung der pädagogischen Qualität

Ergeben sich im Rahmen der Anscheinsprüfung auf Basis der in § 8 festgelegten Indikatoren Anzeichen für Mängel in der Struktur- und/oder Prozessqualität, ist eine vertiefende Einschätzung der pädagogischen Qualität auf Basis eines evidenzbasierten Qualitätseinschätzungsinstrumentes durchzuführen. Sollte seitens der Aufsichtsbehörde ein Einschätzungsinstrument zur Anwendung gelangen, welches explizit der vertiefenden Einschätzung im Rahmen der Aufsicht dienen soll, ist dieses unter wissenschaftlicher Begleitung zu erarbeiten.

§ 10

§ 10 Aufsichtsintervalle

Jede in Betrieb befindliche Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung ist in folgenden Intervallen zu überprüfen:

1. rechtliche Aufsicht gemäß § 4 Z 1 sowie pädagogische Aufsicht gemäß § 5: mindestens einmal innerhalb von drei Kinderbetreuungsjahren;

2. rechtliche Aufsicht gemäß § 4 Z 2: Angemeldete Aufsichtsbesuche gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 erfolgen mindestens einmal innerhalb von sieben Kinderbetreuungsjahren. Hinsichtlich der Dokumentationsüberprüfung gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 werden Stichproben durchgeführt.

§ 11

§ 11 Schriftliche Dokumentation

Die schriftliche Dokumentation einer Überprüfung nach § 6 und § 7 ist der Erhalterin/dem Erhalter zur Kenntnis zu bringen, soweit die behördlichen Ermittlungen dadurch nicht behindert werden.

§ 12

§ 12 Übergreifende pädagogische Evaluierung und Selbstevaluierung

Im Rahmen der Aufsicht können ergänzend, insbesondere zur bedarfsgerechten Planung von Fortbildungs- und Qualitätsentwicklungsmaßnahmen, stichprobenartig Qualitätseinschätzungen auf Basis des in der pädagogischen Aufsicht verwendeten Qualitätseinschätzungsinstrumentes durchgeführt werden. Sollte seitens der Aufsichtsbehörde für die vertiefende Einschätzung der pädagogischen Qualität gemäß § 9 ein eigenes Einschätzungsinstrument zur Anwendung gelangen, welches explizit für diesen Zweck erarbeitet wurde, ist dieses Instrument Erhalterinnen/Erhaltern und Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen zur Selbstevaluierung zur Verfügung zu stellen.

§ 13

§ 13 Vorgehen bei festgestellten Mängeln

Werden bei der Überprüfung Mängel festgestellt, ist entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen vorzugehen.

§ 14

§ 14 Mitwirkungspflichten der Erhalterinnen/Erhalter

Die Duldungs- und Mitwirkungspflichten bei der Überprüfung von Einrichtungen richten sich nach den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.

§ 15

§ 15 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit 9. September 2024 in Kraft.