Verordnung betreffend die vorübergehende Ausnahme von der Schonzeit für den Fischotter (Lutra lutra)
§ 1Ziel
§ 2§ 2Zeitliche Umstände der Ausnahme, Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und -methoden
§ 3§ 3Örtliche Umstände der Ausnahme
§ 4§ 4Berechtigter Personenkreis
§ 5§ 5Kontingent
§ 6§ 6Informationseinholung, Untersagung, Meldepflichten, Dokumentation, Aufsicht
§ 7§ 7Monitoring
§ 8§ 8In- und Außerkrafttreten
Anl. 1Vorwort
§ 1 § 1 Ziel
Zur Abwendung erheblicher Schäden an Gewässern, zum Schutz anderer wildlebender Tiere, insbesondere Fische, Krebse, Muscheln und Amphibien und deren natürlicher Lebensräume, zu Zwecken der Wissenschaft und des Unterrichts und zu sonstigen öffentlichen Zwecken sowie um selektiv und in geringer Anzahl den Fang oder den Abschuss des ganzjährig geschonten Fischotters (Lutra lutra) zu ermöglichen, wird, unter streng überwachten Bedingungen, in Ermangelung einer anderen zufriedenstellenden Lösung, entsprechend den Bedingungen des Art. 16 der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora und Habitat-Richtlinie) eine vorübergehende Ausnahme von der ganzjährigen Schonzeit für den Fischotter, erteilt.
§ 2 § 2 Zeitliche Umstände der Ausnahme, Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und -methoden
(1) Fischotter in allen Entwicklungsformen dürfen nach Maßgabe des § 5, ausgenommen in Gebieten gemäß § 3 Abs. 3, im Zeitraum von 1. Dezember bis 31. Jänner vom berechtigten Personenkreis im Sinn des § 4 mit Fanggeräten, die unversehrt fangen (Lebendfallen), gefangen oder mit Langwaffen bejagt und getötet werden.
(2) Fischotter, mit einem Gewicht von weniger als 4 kg und mehr als 8 kg, dürfen nach Maßgabe des § 5, ausgenommen in Gebieten gemäß § 3 Abs. 3, im Zeitraum von 16. September bis 30. November an Gewässerstrecken mit besonderen ökologischen Funktionen gemäß § 3 Abs. 1 lit. a und im Zeitraum von 1. Februar bis 31. Mai an Gewässerstrecken mit besonderen ökologischen Funktionen gemäß § 3 Abs. 1 lit. b vom berechtigten Personenkreis im Sinn des § 4 mit Fanggeräten, die unversehrt fangen (Lebendfallen), gefangen und getötet werden. In diesen Zeiträumen gefangene Fischotter, mit einem Gewicht von mehr als 4 kg und weniger als 8 kg, sind unverzüglich und unversehrt freizulassen.
(3) Fischotter, mit einem Gewicht von weniger als 4 kg und mehr als 8 kg, dürfen nach Maßgabe des § 5, ausgenommen in Gebieten gemäß § 3 Abs. 3, im Zeitraum von 1. Februar bis 30. November bei Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse gemäß § 3 Abs. 2 vom berechtigten Personenkreis im Sinn des § 4 mit Fanggeräten, die unversehrt fangen (Lebendfallen), gefangen und getötet werden. In diesem Zeitraum gefangene Fischotter, mit einem Gewicht von mehr als 4 kg und weniger als 8 kg, sind unverzüglich und unversehrt freizulassen.
(4) Für Fänge dürfen nur Fallen verwendet werden, die durch ihre Funktionalität, Bauart und Größe eine Unversehrtheit der Tiere beim Fangen gewährleisten. Es dürfen nur solche Fallen verwendet werden, die jagdrechtlich zum Fang anderer - von der Größe her vergleichbarer - marderartiger Wildtierarten eingesetzt werden. Fischotterfallen für den Lebendfang müssen so ausgestaltet sein, dass andere Wildarten damit möglichst nicht gefangen werden können. Der Fallenstandort ist witterungsgeschützt zu wählen und die Falle ist mindestens einmal pro Tag zu kontrollieren. Die tägliche Kontrolle der Falle kann entfallen, wenn diese mit einem elektronischen Meldesystem ausgestattet ist. Für den Fall einer Meldung über das elektronische Meldesystem ist die Falle unverzüglich zu kontrollieren. Die Tötung hat weidgerecht und nur an Land zu erfolgen.
(5) Die Aufstellungsorte von Fallen sind von der bzw. dem Jagdausübungsberechtigten festzulegen und der Grundeigentümerin bzw. dem Grundeigentümer bekanntzugeben. Bei der Aufstellung von Fallen an Gewässern ist außerdem die Bewirtschafterin bzw. der Bewirtschafter (§ 6 Oö. Fischereigesetz 2020) vom Aufstellungsort in Kenntnis zu setzen.
§ 3 § 3 Örtliche Umstände der Ausnahme
(1) Gewässerstrecken mit besonderen ökologischen Funktionen in Oberösterreich sind die in der Anlage 2 der Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der ein Regionalprogramm für besonders schützenswerte Gewässerstrecken erlassen wird, LGBl. Nr. 66/2019, als Laichplatz mit überregionaler Bedeutung oder als essentielle Ausstrahlstrecke ausgewiesenen 20 Gewässerstrecken. Hinsichtlich dieser Gewässerstrecken ist zwischen
a) den Gewässerstrecken 2, 3, 4, 7, 17, 18 und 19 und
b) den übrigen Gewässerstrecken
zu unterscheiden.
(2) Besondere örtliche Verhältnisse liegen dann vor, wenn ein Fischotter rechtmäßig errichtete Teichanlagen mit einer Größe von mehr als 0,65 Hektar, die der Zucht und Produktion von Wassertieren zu Zucht- oder Speisezwecken im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs dienen, nachweislich zu besiedeln beabsichtigt oder besiedelt hat. Der Nachweis des Vorkommens des Fischotters und von Schäden an diesen Teichanlagen ist mittels geeigneter Bilddokumentation zu erbringen. Eine Entnahme hat innerhalb von 50 m vom Gewässerrand zu erfolgen.
(3) Der Fang oder die Bejagung mit Langwaffen und die Tötung von Fischottern in allen Entwicklungsformen ist in verordneten Naturschutzgebieten, in denen entweder der Eingriff der rechtmäßigen Ausübung der Jagd bezogen auf den Fischotter nicht gestattet wird oder in denen die rechtmäßige Ausübung der Jagd durchgehend oder zumindest teilweise untersagt ist, und in verordneten Europaschutzgebieten, in denen der Fischotter ausdrücklich vom verordneten Schutzzweck erfasst ist und in Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG, in denen der Fischotter als Schutzgut gelistet ist, sowie im gesamten Schutzgebiet des Nationalparks Oö. Kalkalpen, jedenfalls verboten.
§ 4 § 4 Berechtigter Personenkreis
(1) Die Entnahme von Fischottern gemäß § 2 Abs. 1, 2 und 3 darf nur durch die Jagdausübungsberechtigte bzw. den Jagdausübungsberechtigten, durch Jagdschutzorgane, durch Berufsjägerinnen bzw. Berufsjäger und durch von der bzw. dem Jagdausübungsberechtigten der Oö. Landesregierung und dem Oö. Landesjagdverband namhaft gemachten Jägerinnen bzw. Jägern erfolgen.
(2) Der gemäß Abs. 1 befugte Personenkreis hat einen Schulungskurs beim Oö. Landesjagdverband im Umfang von zwei Stunden zu absolvieren. Im Rahmen dieses Schulungskurses sind die erforderlichen Kenntnisse über das jagdbare Tier Fischotter und vorrangig über den weidgerechten Einsatz von Lebendfallen zu vermitteln. Die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 und 4 der Oö. Fallenverordnung gelten sinngemäß. Abs. 2 gilt nicht für Berufsjägerinnen bzw. Berufsjäger.
§ 5 § 5 Kontingent
(1) Das Entnahmejahr beginnt am 1. Dezember und endet am 30. November.
(2) In den von der Verordnung erfassten Bereichen (§§ 2 und 3) dürfen im ersten vollen Entnahmejahr, bezogen auf das Bundesland Oberösterreich, höchstens 64 Fischotter (freies Kontingent) gemäß den festgelegten Vorgaben der Anlage zur Verordnung entnommen werden. Ab dem zweiten Entnahmejahr darf, unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Monitorings (§ 7), höchstens das sich aus der Anlage zur Verordnung ergebende Kontingent entnommen werden. Im ersten vollen Entnahmejahr gilt für Entnahmen die Beurteilungsstufe III der Anlage zur Verordnung.
(3) Gemäß der Anlage zur Verordnung umfasst das freie Kontingent drei Kontingente (A, B und C). Entnahmen im Rahmen des Kontingents A dürfen im Zeitraum gemäß § 2 Abs. 1, ausgenommen in § 3 Abs. 3 genannten Gebieten, erfolgen. Entnahmen im Rahmen des Kontingents B dürfen in den Zeiträumen gemäß § 2 Abs. 2 nur an Gewässerstrecken mit besonderen ökologischen Funktionen (§ 3 Abs. 1), ausgenommen in § 3 Abs. 3 genannten Gebieten, erfolgen. Entnahmen im Rahmen des Kontingents C dürfen im Zeitraum gemäß § 2 Abs. 3, ausgenommen in § 3 Abs. 3 genannten Gebieten, erfolgen, wenn dies mit Rücksicht auf besondere örtliche Verhältnisse (§ 3 Abs. 2) geboten scheint. Beabsichtigte Entnahmen im Rahmen des Kontingents C sind der Oö. Landesregierung von der Inhaberin bzw. dem Inhaber einer Teichanlage gemäß § 3 Abs. 2 anzuzeigen, wobei je Teichanlage eine Anzeige nur einmal im laufenden Entnahmejahr und frühestens vier Wochen vor Beginn der beabsichtigten Entnahme erfolgen kann. Die angezeigte Entnahme ist binnen vier Wochen ab Einlangen der vollständig und ordnungsgemäß belegten Anzeige zu untersagen, wenn an den betroffenen Teichanlagen gemäß § 3 Abs. 2 Zäunungen ausreichend zielführend umsetzbar sowie wirtschaftlich zumutbar sind und andere tatsächliche oder rechtliche Hindernisse nicht bestehen. Die vierwöchige Frist ist gewahrt, wenn die Behörde den Bescheid am letzten Tag der vierwöchigen Frist nachweisbar abfertigt.
(4) Bis zum Beginn des ersten vollen Entnahmejahres (Abs. 1) dürfen im Rahmen des Kontingents B (Abs. 3) ab 16. September 2022 im Verwaltungsbezirk Gmunden höchstens 5 Fischotter und im Verwaltungsbezirk Vöcklabruck höchstens 3 Fischotter vom berechtigten Personenkreis im Sinn des § 4 entnommen werden (§ 3 Abs. 1 lit. a).
(5) Bis zum Beginn des ersten vollen Entnahmejahres (Abs. 1) dürfen im Rahmen des Kontingents C (Abs. 3) ab 16. September 2022 höchstens 11 Fischotter vom berechtigten Personenkreis im Sinn des § 4 entnommen werden, wenn dies mit Rücksicht auf besondere örtliche Verhältnisse (§ 3 Abs. 2) geboten scheint. Anzeigen im Rahmen des Kontingents C können frühestens ab 18. August 2022 bei der Oö. Landesregierung eingebracht werden.
§ 6 § 6 Informationseinholung, Untersagung, Meldepflichten, Dokumentation, Aufsicht
(1) Der Fang oder die Bejagung mit Langwaffen und Tötung sind nur zulässig, wenn davor eine aktuelle Information darüber eingeholt wurde, dass die auf Grund der Verordnung höchstmögliche Entnahmemenge (§ 5) weder im betreffenden Verwaltungsbezirk noch bundeslandweit ausgeschöpft ist. Diese Information über den Stand des Entnahmekontingents ist bezirks- und landesbezogen vorrangig über die Homepage des Landes Oberösterreich unter https://www.land-oberoesterreich.gv.at/fischotterkontingent zu beziehen. Nur eine Information, dass das mögliche Entnahmemaß am Tag des Eingriffs noch nicht ausgeschöpft ist, löst die Berechtigung zur Entnahme im Sinn dieser Verordnung aus. Die Berechtigung zum Eingriff bezieht sich jeweils auf nur einen Fischotter.
(2) Ist das Entnahmemaß erschöpft, so sind die aufgestellten Fallen nicht fängisch zu stellen oder zu entfernen und darf kein Fang oder keine Bejagung mit Langwaffen und Tötung im laufenden Entnahmejahr mehr erfolgen. Wird ein Fischotter nach Erschöpfung des Kontingents (§ 5) in einer Lebendfalle gefangen, ist dieser unabhängig von seiner Entwicklungsform am Fangort unverzüglich und unversehrt frei zu lassen.
(3) Jeder Lebendfang oder jede Bejagung mit Langwaffen und Tötung ist innerhalb von 24 Stunden von der bzw. dem Jagdausübungsberechtigten in die Jagddatenbank des Landes Oberösterreich (JADA) einzumelden. Darüber hinaus ist jede Freilassung und jeder Totfund innerhalb von 24 Stunden ab Bekanntwerden von der bzw. dem Jagdausübungsberechtigten in die Jagddatenbank des Landes Oberösterreich (JADA) einzumelden.
(4) Zur Beweissicherung, begleitenden Kontrolle und Erhebung weiterer Daten sind die getöteten Fischotter samt Aufbruch und tot aufgefundene Fischotter innerhalb 72 Stunden ab Einmeldung (Abs. 3) der Bezirksjägermeisterin bzw. dem Bezirksjägermeister im grünen Zustand (Grünvorlage gesamter Wildkörper) vorzulegen.
(5) Die bzw. der Jagdausübungsberechtigte hat gemäß § 1 Abs. 3 Oö. Jagdgesetz das Recht der Aneignung eines getöteten oder tot aufgefundenen Fischotters. Hiervon ausgenommen sind der Schädel und eine Haarprobe. Der Schädel (roh und nicht entfleischt) und die Haarprobe sind innerhalb von vier Wochen ab dem Zeitpunkt der Grünvorlage (Abs. 4) von der bzw. dem Jagdausübungsberechtigten der Bezirksjägermeisterin bzw. dem Bezirksjägermeister zu überlassen. Die Bezirksjägermeisterin bzw. der Bezirksjägermeister hat diese beiden Teile des Wildkörpers innerhalb weiterer vier Wochen dem Biologiezentrum Linz zu Zwecken des Monitorings (§ 7), der Wissenschaft und des Unterrichts auf Dauer zu übergeben.
(6) Entnommene Fischotter, tot aufgefundene Fischotter und gemäß § 50 Abs. 7 Oö. Jagdgesetz erlegte Fischotter (Jagdjahr) sind in die Abschussliste (§ 51 Oö. Jagdgesetz) einzutragen.
(7) Bei beabsichtigten Entnahmen im Rahmen des Kontingents C hat die Oö. Landesregierung umgehend die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde zu verständigen.
(8) Abweichend von Abs. 3 zweiter Satz ist im Zeitraum ab Inkrafttreten der Verordnung (§ 8) bis zum Ablauf des 15. September 2022 eine Meldung von tot aufgefundenen Fischottern innerhalb von 24 Stunden per Mail (LFW.Post@ooe.gv.at) ausreichend.
§ 7 § 7 Monitoring
Damit die Populationen des Fischotters im Bundesland Oberösterreich in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der vorübergehenden Ausnahme von der Schonzeit, ohne Beeinträchtigung jedenfalls in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, hat die Oö. Landesregierung zur Kontrolle über die Bestandsentwicklung und den Erhaltungszustand des Fischotters ein begleitendes Monitoring durchzuführen.
§ 8 § 8 In- und Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages ihrer Kundmachung im Landesgesetzblatt für Oberösterreich in Kraft und mit Ablauf des 30. November 2028 außer Kraft.
Anl. 1
Anhänge
AnlagePDF